Ich dachte, ich mach mal einen Thread auf, um über die Raufkünster unserer (Gar nicht soooo weit entfernten) Vorfahren zu reden
Das Raufen an sich war in der guten alten Zeit - und damit sind nicht irgendwelche frühmittelalterlichen oder gar antiken Zeiten gemeinst, sondern eher so 18. - frühes 20. Jahrhundert - ein äusserst brutaler, nach heutigen Massstäben fast schon tierhafter Kampfstil, für den vor allem die Alpenländler(Ganz grob: Bayern, Österreich, Schweiz, die Gegend) bekannt waren. Augen ausstechen, Nasen abbeissen, Finger brechen und dergleichen wurden damals als ganz normal angesehen, auch wenn der Gesetzgeber solche Entgleisungen nicht gerne sah.
Ludwig Steub schreibt beispielweise in "Alpenreisen":
"Wollen wir hoffen, daß die edlern Gestalten, die jetzt allmählich an die Stelle der verzerrtesten Figuren treten, auch das Gemüt des Landvolks heben und veredeln. Wenn so ein unbezähmbarer Dachauer Raufer, der trotz der früher administrierten Prügel, trotz Gefängnisstrafe und Wirtshausverbot von seinem volkstümlichen Sonntagsvergnügen nicht lassen will, wenn ein solcher den feinen Leib des heiligen Sebastian von Echter beschaut, so könnte ihm vielleicht doch einmal der Gedanke kommen, wie sündhaft es sei, das schöne Ebenbild Gottes in besoffener Roheit um Äug' und Ohr und Nase zu bringen, ihm die Finger zu zerbrechen und Arm oder Bein abzuschlagen."
Man darf das Raufen also nicht mit den diversen volkstümlichen Ringkampfarten dieser Gegend (Schwingen, Ranggeln, Robeln usw.) verwechseln! Im Gegensatz zu diesen war das Raufen nicht reglementiert.
Wir lesen bei Ludwig von Hörmann ("Tiroler Volkstypen"):
"War beim Robeln jede Gewaltthätigkeit strengstens verpönt, so ist das Raufen eine ganz ordinäre Schlägerei oder Boxerei, bei der dem feindseligen Vorgehen keine Strenge gesteckt ist, und wobei es äußert blutig hergeht."
Und später:
"Die Feder sträubt sich, die Rohheit wiederzugeben, die häufig bei diesen blutigen Spielen zu Tage trat. Mir erzählte selbst ein langjähriger Augenzeuge, der vielleicht wie Keiner in dieses thierische Treiben Einblick hatte, daß er schon gesehen, wie sich bei solchen Raufereien die Hunde um die abgebissenen Ohren, Lippen etc. rauften."
Ebendort finden wir eine Beschreibung der Lieblingswaffe des Raufers, des Schlagringes:
"Rauferwaffe ist der gewaltige Stoß- oder Schlagring. Er besteht gewöhnlich aus einem schweren eisernen, messingnen, wohl auch silbernen Reifen mit einem großen, darauf gelötheten runden oder kantigen Stahlknopfe.(...) Sogar Sensensplitter und bösverwundende Zahnkränze werden nicht selten, besonders im Unterinnthale, statt des Knopfes eingefügt."
Die Verwendung des Schlagringes deutet der Beschreibung nach auf Hammerfaustschläge hin: Er wird im Kampfe am kleinen Finger getragen und "nach abwärts gedreht".
Später lesen wir in diesem Zusammenhang das erste Mal eine wenig aussagekräftigen Beschreibung eines Faustschlages, seltsamerweise ausgeführt durch einen Robler, also eines "sportlichen Ringers". Ob Hörmann hier einen Fehler gemacht hat, lässt sich leider nicht nachprüfen:
"Indessen bedienen sich eigentliche Robler dieser Ringe höchst selten, da ihnen die geballte Faust dieselben Dienste leistet. Ich lernte selbst einen Zillerthaler kennen, der mit bloßen Fingerknöcheln sichtbare Grübchen in einen ahornen Tisch schlug."
Da Faustschläge in den alpenländischen Ringstilen nicht gebraucht werden, müssen wir hier davon ausgehen, dass hier ein Raufer und kein Robler gemeint ist!
Trotzdem stellen wir fest: Im Raufen waren also nicht nur Ringergriffe bekannt, sondern zumindest auch Hammerschläge und Schläge mit den Knöcheln.
Kurzer Exkurs:
Die Geschichte mit den Knöchelabdrücken im Tisch findet sich übrigens auch in Geschichten über den sächsischen Fechtmeister Johann Andreas Schmidt, der seine Kampfkunst zumindest teilweise wohl in den Niederlanden erlernte:
"Ebenso wurde ihm nachgesagt, dass, wenn er mit den Knöcheln seiner Faust auf einen Eichentisch schlug, darin die Knöchelabdrücke seiner Faust zurückblieben."
(Quelle: http://fechtgeschichte.blogspot.de/2...er-johann.html)
Wenn wir uns den Janka Hardness Test für Holz ansehen (https://en.wikipedia.org/wiki/Janka_hardness_test), hätten solche Raufer also eine Schlagkraft gehabt, die vergleichbar mit heutigen guten Punchern im Schwergewicht gewesen wäre.
Haben wir es hier mit einer Art deutscher Boxkunst zu tun? Leider sind weitere Verweise eher dürftig, lediglich bei Monstery lesen wir noch, dass er seine für die Briten damals eher exotisch wirkende Boxkunst in der Nähe von Hamburg von einem Herren Liedersdorff erlernte. Aus diesem "Stil" kommt die noch bei Dempsey erwähnte "Kraftlinie" zwischen Faust und Schulter, zumindest habe ich davor keinerlei Hinweise auf eine solche Technik gefunden. Ob das was mit dem Raufen der Alpenländler zu tun hat - keine Ahnung, aber die Vorstellung von bisher unbekannten Kampfstilen einer Art "gemeingermanischer" Kampf- und Raufkunst ist schon verlockend, zumal sowohl das "Gouging" des amerkanischen Frontier-Zeitalters und das frühe Boxen ähnlich grausame Geschichten kennen wie das Raufen.
Über Technik, Taktik und Training lässt sich leider wenig herausfinden. Es wird lediglich angedeutet, dass Ringer oft (Aber nicht immer!) auch Raufer waren. Leider sind diese Kampfstile bis auf das Schwingen ziemlich ausgestorben, man wird also wahrscheinlich keine alten Opas finden, die da Licht ins Dunkel bringen könnten.
Also: Wenn einer hier mehr weiss, dann immer her mit den Infos! Bisher kann man nur sagen, dass wir früher schon MMA (bloss in härter) hatten.