Interessant und erwähnenswert finde ich die Details welche in der Prüfungsordnung schriftlich enthalten sind und damit immerhin für die mitgliederstärkste Karate Stilrichtung in Deutschland maßgeblich sind:
- Ab dem 1. Dan ist man Karate Meister
- Auf Kime ist besonders zu achten (und es wird implizit ein bestimmtes Verständnis von Kime vorausgesetzt)
- Die technische Ausführung ist die Nakayama Variante, also Sport Karate ab 1950
Das ist nicht ganz korrekt Henning. Dort steht:Ich finde kein ausformuliertes Trainingsziel in dieser Prüfungsordnung, nur den wirren Hinweis auf ein wie auch immer aussehendes breites Spektrum des (DKV-)Karate.
"Das Erlernen der Sportart soll den Karateka zur Selbstbehauptung und zur Selbstverteidigung befähigen. Dieses Lernziel muss bei der Ausbildung berücksichtigt werden, wird jedoch nicht als zu prüfender Teil in die Prüfungsordnung aufgenommen"
Die Frage ist warum das Lernziel nicht geprüft wird.
Immerhin wird festgelegt das Kihon, Kata und Kumite geprüft werden müssen. Damit verhindert man wenigstens das es Leute durch Prüfungen schaffen ohne jemals einen Freikampf gemacht zu haben. In der stiloffenen Prüfungsordnung ist das leider möglich.
Diesen Punkt habe ich vergangene Woche mit einem Wettkämpfer diskutiert. Er fragte, weshalb bei mir im Training die Leute nach einem gesetzten Treffer nicht zurückgehen, sondern gleich nachsetzen. Nun, das liegt daran, dass wir keine Wettkampfregeln beachten, sondern "SV-orientiert" üben. Dazu gehört auch Klammern, Infight, Gerufen, Werfen, ... Bei uns wird auch oftmals versucht, mit der offnen hand auf die Stirn zu tippen. Das könnte - statt eines Fauststoßes zum Gesicht - ein Fingerstich in die Augen sein. das sind alles Elemente die "Stiloffen SV" geprüft werden können.
Sowohl bei Shotokan wie auch bei SOK würde mich interessieren, wie viele sich denn noch an einem konkreten Lehrer orientieren? Denn das scheint mir eine weitere Auswirkung zu sein, dass Lehrer durch ein eher anoymes Verbands-Karate ersetzt werden, wo man halt mal hier und da einen Lehrgang besucht und geprüft wird. Das ist ja auch das, was Henning in seinem Post ausdrückt, mit dem breiten Spektrum und einer fehleden Methodik.
Ob sich das dann an Funakoshi orientiert oder nicht ist ein anderes Thema - ich selbst mache ja auch etwas unter dem Label 'Shotokan'. Ich finde Funakoshi und seine Lehre allerdings allenfalls historisch interessant und behaupte nicht, dass wir authentisches Funakoshi Karate unterrichten. Das ist ein weiterer Punkt des Anstoßes, da man eben auf gefühlt jeder Seite etwas von 'taditionellem Shotokan' erzählt bekommt, während die Führungsriege eher zu einem Sportsverband passendes Wording benutzt und trotzdem 'Tradition' für sich vereinnahmen will. Man will eben alles - Gesundheitssport, Tradition, Wettkämpfe, SV, Japan... Das kann nur bedingt funktionieren.
Der Klassiker Ich habe zuletzt vor fast genau 10 Jahren als Braungurt einen großen Shotokan Lehrgang mit 2 japanischen Lehrern besucht. Beim jiyu ippon kumite mit einem 4.Dan hat er recht 'klassich' agiert, während ich meist recht nah ran und aus der Linie gehe und auch mal was greife etc. Das hat ihm nicht gepasst und er meinte "warum gehst Du denn nicht zurück?!". Danach war für mich endgültig klar, dass diese Art von Lehrgängen nichts mehr für mich sind und ich nur noch gut ausgewählte kleinere Veranstaltungen besuche.
Geändert von FireFlea (29-09-2019 um 09:01 Uhr)
Hallo,
manche Menschen sind weitsichtig. Daher habe ich meinen oben erwähnten Kommentar, den ich vermutlich Ende der letzten Dekade im Karate-News-Forum zur Diskussion stellte, als PDF bekommen und kopiere ihn hier aus dem PDF heraus (was vielleicht ein paar Formatierungsprobleme mit sich bringt):
Hallo,
ich möchte hier einmal eine Diskussion zum methodischen Lernen bzw. Lehren im Karate anregen, insbesondere
dem im Karate der Shotokan-Richtung. Als Leitlinien für den Karateka sollten ja theoretisch die Prüfungsordnungen
der diversen lnstitutionen dienen. Da ich mich sehr dafür interessiere, habe ich viele dieser Ordnungen gesammelt
und verglichen.
Als erstes muß verstanden werden, daß es in der Geschichte des Karate nie ein festgelegtes Lehrprogramm, wie z.B.
im Jūdō, gab. All die Arten des Trainings, die wir heute als selbstverständlich akzeptieren, sind Entwicklungen aus
den letzten 60 Jahren und vor allem anderen persönliche Präferenzen bestimmter Personen bzw. Institutionen. Sie
lehren so, wie sie es für richtig halten. Hier liegt das erste Problem.
Wenn die heutigen Karate-Organisationen (DKV, DJKB etc.) wirklich für sich in Anspruch nehmen wollten, daß sie Shōtōkan-Ryū vertreten, weshalb richten sie sich in ihrer Unterrichtsmethode nicht nach dem Ursprung dieser
Strömung - G. Funakoshi?
G. Funakoshi unternahm viel, um ein geeignetes Unterrichtsmodel zu erarbeiten. So entwarf er die drei Taikyoku-
Formen sowie die Ten no Kata, die Chi no Kata usw., änderte die Reihenfolge der ersten beiden Heian-Gata, wählte
bestimmte Kata zur Übung aus, schlug eine Anordnung für diese Formen vor etc. Die Taikyoku ist auf Grund ihrer technischen Inhalte natürlich die übersichtlichste Form und wurde daher zu aller erst gelehrt. Zusammen mit der Taikyoku wurde der Neuling mit der Ten no Kata vertraut gemacht, denn sie enthält, wie G. Funakoshi betont, zehn grundlegende Bewegungen, die aus den überlieferten Kata extrahiert wurden, um Herz und Körper des Anftängers zu stählen.
Betrachten wir die 15 Haupt-Kata des Shōtōkan, können wir diesen Punkt mehr als bestätigen. Z.B. kommt die
Bewegung des Gedan-Barai in 14 von ihnen vor, Ude-Uke (Uchi-Uke) in 12 dieser 15 Kata Age-Uke und Gyaku-
Zuki in 8, Shutō-Uke und Oi-Zuki immerhin noch in 6 von 15 Kata. Es ist also nur logisch, daß ein Anfänger diese
Kata lernte. Ihre Genialität liegt aber gleichzeitig darin, daß sie - mit einem Partner zusammen ausgeführt - eine
grundlegende Kumite-Übung darstellt. So weit, so gut.
Wäre es nun nicht folgerichtig, auch in den heutigen Organisationen die Ausbildung mit der Taikyoku zu beginnen?
Selbstverständlich wäre es das, gäbe es hier nur nicht ein kleines historisches Problem. M. Nakayama und seine JKA
kannten die Taikyoku gar nicht und als sie ihnen vorgestellt wurde, lehnten sie sie ab. Da sich nun das,,Shōtōkan-
Karate" in Deutschland von Beginn an auf dem Karate der JKA gründete (zuerst über T. Murakami, gefolgt von den
anderen bekannten Leuten) und später durch das Karate der Chidōkai (einer Gruppierung, die sich aus dem Milieu
des Karate-Klubs der Keiō-Universität formte, in welchem man die Taikyoku ebenfalls nicht lehrte) beeinflußt
wurde, war eben diese Taikyoku nicht wirklich bekannt. Folglich stand sie nicht auf dem deutschen Karate-
Lehrplan.
Glücklicherweise haben sich die Zeiten dahingehend geändert, daß nun Taikyoku auch im DKV auf dem Programm
steht, wenn auch mit dem lustigen Hinweis, daß sie der Heian Shodan entspräche, aber nur aus Oi-Zuki und Gedan-
Barai bestünde. Im Programm des DJKB ,,entfällt" eine Kata-Aufführung bei der Prüfung zum 9. Kyū. Allerdings
soll der Anwärter theoretische Kenntnis des Ablaufs der Taikyoku haben. Theoretische Kenntnis von einer Kata -
wie soll das denn aussehen? Auch andere Organisationen haben eine Art ,,Einführungsform" in ihrem Programm.
Nur manchmal ist sie doch schon ziemlich anspruchsvoll; zumindest finde ich z.B. die Kihon-Gata der JKS (T.
Asai) schwieriger als Heian Shodan ...
Um bei den Kata zu bleiben - logisch und auch gut ist, daß in allen mir bekannten Fällen der Karateka mit den fünf
Heian-Formen vertraut gemacht wird. Diesen folgt man dann mit Tekki Shodan. Und hier wird es einigermaßen
seltsam. Sowohl im DKV als auch im DJKB wird Tekki Shodan als Voraussetzung für den Braunen Gürtel
gefordert, was auch gut so ist. Allein, wo bleiben denn nun Tekki Nidan und Tekki Sandan? Ach, da ist Tekki Nidan
beim DKV - zum 3. Dan muß man sie können; und - sehe ich richtig? - Tekki Sandan muß man zum 5. Dan
beherrschen? Nun gut, theoretisch könnte man Tekki Nidan und Tekki Sandan wohl auch schon zum 2.Dan
vorzeigen, aber wird das wirklich so gehandhabt? Im DJKB werden Tekki Nidan und Sandan zum 2. Dan erwartet.
Fällt jemandem auf, was ich daran seltsam finde? Bei den Heian-Formen wird bereitwillig die Anordnung A. Itosus
in fünf aufeinanderfolgende Stufen angenommen und umgesetzt; im Falle der Tekki-Gata nicht. Warum? Technisch
gesehen, bauen alle drei aufeinander auf. Ist es dann sinnvoll, sie dergestalt zu trennen? Wer für sich den Namen
,,Shōtōkan" beansprucht, kann doch die drei Tekki-Gata bzw. die letzten beiden Stufen der Tekki nicht so
stiefmütterlich behandeln. Aus historischer Perspektive betrachtet, zeigt sich die Unsinnigkeit dieses Vorgehens
noch deutlicher. In Shuri wurde diese Kata als grundlegend erachtet, lange bevor die Heian-Formen eingeführt
wurden. So kann jeder nachlesen (auch auf deutsch), wie G. Funakoshi sich zehn lange Jahre mit diesen drei Kata abmühte. Warum werden sie heute nicht mehr als grundlegend akzeptiert? Bei uns ist es für Grüngurte normal, die
drei Tekki-Formen zu trainieren.
Betrachten wir den Kihon-Teil, den Teil der Grundlagen, dann füllt auf, daß er sich einigermaßen mit den
Bewegungen aus der Ten no Kata deckt. Natürlich fallen einem auch Seltsamkeiten, wie Nagashi-Uke im DKV-Programm zum orangenen Gürtel, ins Auge. In welcher Kata kommt diese Bewegung so vor? Nagashi-Uke zählt zu
den Chūkan-Waza den „Zwischentechniken“. Ich persönlich halte es nicht für sinnvoll, diese als Einzelbewegung
zu üben. Aber egal.
Was mich wirklich nachdenklich stimmt, ist die Tatsache, daß zwar jede Menge grundlegende Techniken ohne
Partner abrufbereit sein müssen, aber im Kumite-Teil nur sehr zaghat mit diesem technischen Repertoire
umgegangen wird. So soll im Gohon-Gumite (man mag von dieser Übungsform halten was man will) nur der
Einsatz von Age-Uke und Soto-Uke gezeigl werden - und zwar im DKV wie im DJKB. Was ist denn mit Ude-Uke
(Uchi-Uke), Shutō-Uke, Gedan-Barai usw.? Reicht es, wenn diese Techniken in die Luft geschlagen werden oder
wird stillschweigend davon ausgegangen, daß sie im persönlichen Training innerhalb der Kumite-Forrnen praktiziert
werden? Den letzten Fall halte ich für sehr unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, daß Gohon-Gumite als eine Art
Pflichtritual einfach dazu gehört ...
Dies setzt sich beim Sanbon-Gumite (Grüner Gürtel) fort. Stop! Hier kommt ja noch Nagashi-Uke gegen Mae-Geri
hinzu. Das könnte auch erklären, weshalb für diesen Rang im Kihon-Programm dieselbe Bewegung verlangt wird;
aber eben nur vielleicht, denn im Kihon wird Kōkutsu gefordert, während im Kumite Zenkutsu eingenommen wird.
Nur nebenbei: Nagashi-Uke (die fließen lassende Annahme) eignet sich gewiß nicht, um im Sanbon-Gumite geübt
zu werden. Da sie den Angriff ,,fließen läßt", würde es, richtig ausgeführt, zu ziemlich viel Wirrwarr bei der
dreimaligen Wiederholung dieser Technik führen, wenn nicht sogar zu unglücklichen Unfällen. In der Praxis wird,
wie ich beobachten konnte, aber kein Nagashi-Uke eingesetzt, sondern eher eine wegwischende Technik. Wenn
diese Technik gefordert ist, sollten sich die Macher der Ordnung vielleicht noch einmal mit ihrer Nomenklatur
auseinandersetzen.
Auch in den folgenden Kumite-Formen eigentlich nichts Neues: Age-Uke und Soto-Uke. Ach nein, beim Grünen
Gürtel darf dann einmal Gedan-Barai in Anwendung gezeigt werden. Genauso einmal beim 4.Kyū (Blauer Gürtel).
Auch im DJKB darf der Karateka beim Grünen Gürtel zum ersten Mal Gedan-Barai in Anwendung gegen einen
Partner demonstrieren. Gemessen an der Häufigkeit ihres Vorkommens in den Kata, wirkt die geforderte
(mangelnde) praktische Umsetzung einiger dieser Bewegungen mehr als befremdlich auf mich. Ich wiederhole
mich, würde die Ten no Kata zur Grundlage für den Unterricht herangezogen werden, gäbe es diese Diskrepanz
zwischen Solo- und Partnertraining nicht. Letztlich ist dies auch nicht weiter verwunderlich, da G. Funakoshi mehr
als 60 Jahre Übungserfahrung auf dem Buckel hatte, als er die Ten no Kata, die Chi no Kata usw. als Formen für die
Ausbildung von Anfängern schuf. Dazukamen die praktischen Erfahrungen seines Sohnes, Yoshitaka, der
maßgeblich an der Schaffung dieser Kata beteiligt war.
Ich halte diese Formen deswegen aber nicht gleich für den technischen Höhepunkt im Karate; für ein methodisches
Training sind sie aber geradezu perfekt geeignet. Zumindest die Ten no Kata ist jedem Interessierten zugänglich.
Wen daran stört, daß sie den Fudō-Dachi zu einem grundlegenden Stand innerhalb des Shōtōkan-Ryū erhebt, dem
steht es durchaus frei, ihn gegen Zenkutsu-Dachi und die damit einhergehende Hüftarbeit nach den Richtlinien des
JKA-Shōtōkan zu ersetzen.
Was die Kumite-Formen betrifft, scheint sich der DKV in gewissem Maße an H. Kanazawa anzulehnen, was sicher
keine schlechte ldee ist. Worin nur unterscheidet sich Gohon-Gumite vom Sanbon-Gumite, abgesehen von der 5 und
der 3? Ich habe zwar einen technischen Unterschied zwischen beiden kennengelernt (außerhalb des DKV), so
gesehen habe ich ihn aber noch nicht. Im DJKB kommt als erstes Kihon-lppon-Gumite an die Reihe, gefolgt von
Gohon-Gumite, wiederum gefolgt von Kihon-lppon-Gumite. Ehrlich gesagt verschließt sich mir die Logik hinter
dieser Anordnung. Beide streben jedenfalls mit aufsteigendern Rang dem Jiyū-lppon- und Jiyū-Gumite entgegen.
Dabei verwundert mich beim DKV, daß mit dem grünen Gürtel einhergehend eine ,,Partnerübung zum Freikampf“
auf dem Programm steht, die ich - so wie sie da steht - als Jiyū-lppon-Gumite bezeichnen würde. Zum logisch
schwer nachvollziehbaren Problem wird das ganze aber ein paar Seiten weiter. Für den braunen Gürtel soll doch der
Karateka einerseits Jiyū-lppon-Gumite beherrschen, andererseits aber auch die ,,Partnerübung zum Freikampf“.
Diese stellt sich mir aber noch immer als Jiyū-Ippon-Gumite dar ...
Im Rohentwurf dieser Ordnung wurde das ganze noch als ,,Kumite aus Kamae" bezeichnet. Ergo folgerte ich, daß
damit wohl so eine Art Vorbereitung auf Kyōgi-Gumite (Wettkampf-Kumite) gemeint sein muß. Auf jeden Fall
besticht diese übungsform durch völlige Abkapslung vom restlichen Kihon- und Kata-Programm.
Auffällig bei beiden Ordnungen ist, daß im Kihon für den 9. Kyū und teilweise in dem für den 8. Kyū vor allem oder ausschließlich vorwärtsgegangen wird. Der DJKB begründet diese Herangehensweise auch noch stichhaltig: ,,Der
Grund, warum in dieser Prüfungsgruppe nur Vorwärtsbewegungen beim ,Kihon' eingeübt werden, liegt darin, daß
sich der Anfänger besser auf seine Stellung konzentrieren kann. Wenn sich diese Stellungen bei den Lernenden
gefestigt haben, werden die Rückwärtsbewegungen mit der jeweiligen richtigen Stellung leichter zu erlernen sein.“
Dies ist nur allzu einleuchtend - einem Durchschnittsmenschen füllt es nämlich unendlich schwer, rückwärts zu
laufen! Doch was um alles in der Welt müssen diese armen Anfänger denn im Kumite-Teil derselben Ordnung in
denselben Rängen erdulden? Sie müssen tatsächlich rückwärtsgehen, um die Rolle des Verteidigenden korrekt
umzusetzen! Wenn das keine methodische Meisterleistung ist ... Zumindest G. Funakoshi traute seinen Anfängern
zu, daß sie sich auch nach hinten bewegen können – und zwar mit und ohne Partner, wie die Ten no Kata zeigt.
Einen Punkt weist die Ordnung des DJKB auf, der sie stark von der des DKV abhebt. Es werden nämlich
„theoretische Kenntnisse" eingefordert. Als ich dies zum ersten Mal las, war ich durchaus angetan. Da ja jeder vom
Doppelweg von Bun und Bu, sozusagen Schwert und Schreibpinsel, gehört hat, ist das sicher keine schlechte ldee!
Doch was dann genau an „theoretischen Kenntnissen“ abrufbar sein muß, verwunderte mich schon ein wenig: Im
Grunde muß der Karateka wissen, was hinter den „Fachbegriffen“ seines Karate steht. In etwa ist das vergleichbar
mit einem Fußballspieler, der erklären soll, was ein ,,Elfmeter" ist, oder einem Tennisspieler, der über einen
,,Rückhandschlag" Auskunft geben können muß. Ist das nicht spätestens wenn der Karateka diese oder jene Sache
lernt sowieso bekannt?
Beim Kase-Ha finden wir dann schon eher etwas, das in die Kategorie ,,theoretische Kenntnisse" paßt. Hier wird
von einem Anwärter zum 3. Dan ein ,tiefgehenderes Studium von Budō-Klassikern" gefordert. Nur die etwas
beliebig scheinende Aufzählung (Hagakure, Gorin no Sho, Karate-Dō Kyōhan und Karate-Dō Nyūmon) wirkt ein
wenig hilflos. Hier stellen sich drei Fragen: (1) Sollte nicht eigentlich jeder Anhänger der Shōtōkan-Strömung von
G. Funakoshis Texten Kenntnis haben? Naja, vielleicht nicht, wenn er sich auf JKA-Shōtōkan beruft (was mehr als
zulässig ist). In dem Fall sollte er vielleicht auf M. Nakayamas Texte sowie z.B. auf die von M. Takagi
zurückgreifen. (2) Müßten diese Texte nicht in einem separaten Unterricht, etwa so wie in der Schule studiert
werden? (3) Ab wann sollte damit begonnen werden? Zu früh begonnen, könnte das Karate-Training eventuell mit
einem theoretischen Lernen verwechselt werden, was sicherlich nicht gewollt sein kann.
Jedenfalls gibt G. Funakoshi ganzklare Anweisungen, mit welchen Werken sich ein Karateka auseinandersetzen
sollte. Um darüber Bescheidzuwissen, müßte man sich jedoch mit den Schriften G. Funakoshis beschäftigen...
Theoretisch sollten die Karateka laut DJKB ab dem 1. Dan dann auch vom Bunkai der Kata Kenntnis haben.
Ähnlich postuliert auch die Ordnung des DKV ab dem Braunen Gürtel, daß der Karateka ,,Kenntnis der Anwendung
aller Techniken der Heian Godan" haben solle, wobei sich aber der Prüfling darauf beschränken darf, einen einzigen
Ablauf, den er selbst wählt, zum besten zu geben. Frage: Was ist denn eigentlich ,,Bunkai" oder anders ausgedrückt,
was verstehen die Macher dieser Ordnungen darunter? Ist jemandem schon einmal aufgefallen, daß in dem
Augenblick, wo der Karateka die Bewegung des Gedan-Barai in einer Kumite-Übung einsetzt, Bunkai stattfindet?
Natürlich nur dann, wenn er den Bezug zur Kata begreift oder zumindest erwähnt. Bleiben wir beim Gedan-Barai,
dann hat er mit einer Kumite-Übung ein ,,Bunkai" für gleich 14 von 15 Haupt-Kata der Shōtōkan-Ausprägung. Das ist doch ökonomisch, oder? Noch ökonomischer wird es, wenn man die Ten no Kata übt.
Da es hier ja um methodisches Lemen gehen soll, bleibt die Frage unbeantwortet, wer wann und wo eine Einführung
zum Thema ,,Bunkai" verfaßt hat? Ich meine, plötzlich muß der Karateka bei seiner Prüfung zum 2. Kyū (Brauner
Gürtel) im DKV Kenntnis von der Anwendung aller Techniken der Kata Bassai haben. Sicher kann ihm der Prüfer
erklären, woher ,,Bunkai" kommt und was damit gemeint ist, denn schließlich soll er ja einen ,,.Ablauf“ angeben, den der Prüfling zu bunkaien hat.
Zumindest die JKA hat auf diesem Gebiet ein wenig publiziert. In dem zweibändigen Werk ,,Karate in Action" von
M. Nakayama sind jede Menge Bewegungen aus den Kata zu finden, die mit einem Partner geübt werden. Das
besondere daran ist, daß sich diese Übungen auf eigentümlichere Angriffsszenarios beziehen und sich somit von den
bisher erwähnten Kumite-Programmen abheben. Wahrscheinlich ist genau das mit, "Bunkai" im Sinne der
Ordnungen gemeint. Trotzdem oder gerade deshalb muß ich die Frage wiederholen: An welcher Stelle wird der
Karateka daraufhin methodisch eingewiesen?
Bewegen wir uns nunmehr zu den Schwarzen Gürteln. Laut der DKV-Ordnung geht es um die ,,Trainingsinhalte in
der Entwicklung eines Karateka vom Anfänger bis zum Meister" sowie die ,,Prüfungskriterien zu den verschiedenen
Schüler- und Meisterprüfungen". Ich gehe davon aus, daß die Schwarzgurtprüfungen die ,,Meisterprüfungen" sind.
Zumindest heißt es, daß es ab dem Innehaben eines Dan u. a. darum geht, ,,sich als Meister gegenüber den Schülern
deutlich zu unterscheiden". Na klar, denn „Dan sein heißt, Vorbild sein!“. Übersetzt: „Stufe sein heißt, Vorbild
sein!“
Als erstes fällt einem natürlich wieder das Kihon-Programm auf. Weder im DKV noch im DJKB gibt es
entscheidend Neues zu üben. Damit es zu keinem Mißverständnis kommt: Sicher muß auch eine qualitative
Verbesserung einer Bewegung/Technik erstrebt werden, die selbstverständlich nur durch ,,immer wieder vorzeigen"
beurteilt werden kann. Ich meine etwas anderes. Wenigstens der DKV erhebt mit seiner Ordnung und den darin
enthaltenen übungsformen den Anspruch, „dem Karateka eine solide Ausgangsbasis für das breite Spektrum des
Karate" zur Verfügung zu stellen. Wenn sein Karate gemeint ist, dann akzeptiere ich diese Ordnung als das, was der
DKV als ,,breites Spektrum" bezeichnet. Meint er aber Karate im allgemeinen bzw. Shōtōkan im besonderen, wird
er diesem Anspruch nicht gerecht! Wo sind denn sonst im Kihon-Programm Techniken mit, sagen wir, Nihon-
Nukite, Ippon-Ken, Shuken, Tsumasaki, Techniken, die G. Funakoshi alle beschreibt? In dieser Hinsicht erkenne ich
keine Steigerung des Niveaus. „Dan“ bedeutet aber „Stufe“, d. h. es muß irgendwo einen Anstieg geben ... In der
Rohfassung der DKV-Ordnung steht sogar geschrieben, daß die meisten Prüflinge mit der Prüfung zum 1. Dan ihren
„technischen Höhepunkt erreicht“ haben. Ach Du meine Güte! Hier wird also nicht bloß das ,,breite Spektrum" der
Technik vernachlässigt, offenbar wird auch die gerade erwähnte qualitative Verbesserung verkannt. Wozu denn
dann überhaupt noch weitere Stufen?
Naja, zurück zum Leitfaden für den Karateka, der Prüfungsordnung. Im Kumite-Teil lese ich, daß für den 1. und 2.
Dan das Kumite-Programm das gleiche sei, wie das zum 1. Kyū (Brauner Gürtel). Ähnlich verhält es sich im DJKB
beim 1. Dan. Also eigentlich technische Stagnation ... Hier kommt aber beim 2. Dan Jiyū-Gumite neu hinzu und ab
dem 4. Dan wird erwartet, daß der Karateka alle Kumite-Formen ausführen kann. Ich nehme an, dies bedeutet, er
soll sie vorzeigen.
Wenn diese Ordnungen als Leitfäden für den Karateka gelten sollen, dann verblüfft mich auch noch der Punkt der
allzu häufig auftauchenden Formulierung „Abwehr und Gegenangriff sind frei" oder auch ,,nach Wahl des
Prüflings". Wenn es etwas zu vermitteln gibt (und das gibt es), sollten an diese Stellen doch besser konkrete
technische Forderungen treten, oder nicht? Daß mit ansteigendem Dan die technischen Inhalte proportional sinken,
erstaunt mich umso stärker.
Um ein letztes Mal auf das „breite Spektrum“ zurückzukommen, für welches diese Ordnung ja angeblich die Basis
bilden soll, folgende abschließende Fragen: Wo genau werden die Wurftechniken des Shōtōkan-Ryū gelehrt bzw.
gefordert? – Nirgendwo. Und nein, ich meine nicht den Ashi-Barai aus dem Jiyū-Gumite, ich rede von den Würfen,
die G. Funakoshi lehrte (Wer sich dennoch für sie interessiert, ich habe hier meine Übersetzung des entsprechenden
Teils aus dem Kyōhan unter ,,Berichte" veröffentlicht und irgendwo im Forum listete ich alle Namen dieser Würfe
auf.) Wenn sie Bestandteil der methodischen Ausbildung eines Karateka der Shōtōkan-Richtung wären, müßten
dann nicht auch irgendwo zumindest einfache Falltechniken gelehrt werden?
Wo genau wird der Karateka zu den 40 Vitalpunkten des Shōtōkan unterwiesen? (Es gibt übrigens ein paar Leute,
die behaupten, daß es sich dabei um keine ,,echten" Vitalpunkte handle, was natürlich Unsinn ist.)
Wann wird der Karateka an die traditionellen Verfahren des Shōtōkan gegen Waffenangriffe (Stock, Säbel, Dolch)
herangeführt? Wenn das irgendwo der Fall sein sollte, hieße das nicht automatisch auch, daß er im Umgang mit
diesen Waffen geschult sein müßte, wenigstens in rudimentärer Weise? - Ja, selbstverständlich! Wir haben ja im
Shōtōkan-Ryū ein paar Bō-Formen, doch die sind heutigen Shōtōkan-Fachleuten augenscheinlich nicht bekannt.
Immerhin einige dieser technischen Inhalte, die sich nicht in den ,,offiziellen" Ordnungen finden, lassen sich in den
Werken G. Funakoshis ausmachen. Ich sehe jedenfalls keinen nachvollziehbaren Grund dafür, daß das technische
Wissen mit ansteigender Übungsdauer stagnieren, ja geringer werden sollte. Letztlich wird aber wohl die
Lehrmethode vom eigentlichen Ziel des Unterrichts bestimmt ...
Grüße,
Henning Wittwer
Diese "Trainingsziele" überlas ich deshalb, weil im gleichen Satz etwas von "Sport" steht, was sich für mich beißt ...
Grüße,
Henning Wittwer
Und das ist auch gut so. Nur leider gibt es in der stiloffenen Prüfungsordnung leider auch die Möglichkeit nur Kata, Kihon und Bunkai zu machen. Und wenn dieses Bunkai dann auf der oberflächlichen Ebene bleibt, dann gibt es Braungurte die in ihrem Leben weder Wettkampf- noch SV-orientiertes Kumite gemacht haben. Ich konnte mir das auch nicht vorstellen. Bis es mir begegnet ist...
Im SOK kenne ich Vereine die sich konkret an Iain Abernethy orientieren. Ohne jetzt gleich Wado Ryu machen zu müssen, sondern die machen dann zum Beispiel "Shotokan mit SOK Prüfungsordnung" und den Trainingsinhalten von Iain, sowohl als eher analytisches Bunkai als auch explizit im SV-Bereich.
Wieviele von den Leuten, die sich an Abernethy orientieren, trainieren auch mit ihm? Denn in der Regel gehört ja mehr als "Bunkai" und SV dazu, wie bspw. die Herausbildung einer gewissen Bewegungskultur, Krafterzeugung, "Karate-Körper" etc. und prinzipienorientierten Methodik jenseits einer rein technischen Betrachtungsweise.
Die tun das tatsächlich, laden ihn ein oder fahren zu ihm hin. Gerade Abernethy hat eine treue Basis die ihm auch über Ländergrenzen hinweg zu Seminaren nachreist. Aber klar, das ist in Zahlen ausgedrückt eine überschaubare, kleine Menge.
Hallo,
falls es jemanden interessiert: Entgegen meiner Vermutung, wird es keine 2jährige Übergangszeit zur neuen Prüfungsordnung geben. Ab 01.01.2020 geht es los.
Grüße
SVen
Ich kenne da auch einige.
Leute wie Vereine. Hatte aber den Eindruck gewonnen, dass die verbands- und prüfungsmäßig dann auch wieder ihr eigenes Süppchen kochen und dem DKV, wenn überhaupt nur noch nominell zugeordnet sind. Und ich persönlich finde das dort geforderte Süppchen ein wenig dünn.
Aber möglicherweise kennen wir da auch ganz unterschiedliche Leute und Vereine.
(Abernethy selbst finde ich übrigens großartig.)
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