Physikalisch gesehen ist der freie Wille (wenn es ihn gibt) so etwas wie ein im Gehirn eingebauter Zufallsgenerator. Hätte der freie Wille keine Zufallskomponente, wäre er deterministisch und somit berechenbar durch ein allwissendes Wesen (wenn es das gibt). Inwieweit die Diskussion um den freien Willen ursprünglich eher ein Problem der Theologie oder der Philosophie war, weiß ich nicht. Sicherlich hat die Frage in der Theologie eine wichtige Rolle gespielt, vor allem seit der Reformationszeit. Da war die Frage, ob der Mensch durch Gott zum ewigen Heil oder zum ewigen Verderben bestimmt ist oder ob die Frage (auch für Gott) bis zuletzt offen bleiben muss, weil das Leben des Menschen den entscheidenden Ausschlag gibt; im ersten Fall hat man Prädestination, im zweiten Fall den freien Willen.
Da frage ich mich, welche Sichtweise attraktiver ist (wenn ich schon zu keiner sicheren Erkenntnis in dieser Sache kommen kann). Wenn ich einen freien Willen habe, ist mein Handeln von der unberechenbaren „Entscheidung“ des Zufallsgenerators abhängig. Wenn nicht, hängt mein Handeln von anderen Bedingungen ab, die ich ebenso wenig beeinflussen kann. Letztlich ist der freie Wille immer von Bedingungen abhängig und nicht von „mir“. Und was soll das „Ich“ überhaupt sein? Ist das nicht bloß ein Konstrukt, eine Momentaufnahme des Zusammenwirkens relativ unabhängiger geistiger (Gehirn-) Prozesse?
Diese Position (der freie Wille als Zufallsgenerator) vertritt zumindest Frank J. Tipler in “Die Physik der Unsterblichkeit: Moderne Kosmologie, Gott und die Auferstehung der Toten”. Sie ist (wenn ich mich recht erinnere) radikal reduktionistisch und konstruktivistisch, eine Position, die auf den Erkenntnissen der Physik als Naturwissenschaft basiert und nichts annimmt, das darüber hinaus geht, also kein Wirken eines Weltgeistes, kein Jenseits usw.
Wozu stellt man heute überhaupt noch die Frage danach, ob es einen freien Willen gibt? Hat das irgendeine Relevanz? Ich meine, theologisch ist sie schon kritisch: der Gläubige fühlt sich sicherlich nicht unbedingt recht wohl bei der Vorstellung, dass er selbst an seinem ewigen Schicksal (Himmel oder Hölle) nichts tun kann, weil alles von Ewigkeit her von Gott vorherbestimmt ist. Aber wie sieht es unabhängig davon aus?