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Thema: Einsatz von Kraft in Aikido und anderen KKen

  1. #1
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    Standard Einsatz von Kraft in Aikido und anderen KKen

    In einem WT/WC-Thread wurde behauptet, dass WT mit so wenig Kraft auskomme, wie "bisher noch nie erlebt".
    Die Rückfragen zu meiner Antwort führen möglicherweise zu einer neuen Aikido-Diskussion. Deshalb eröffne ich mal einen neuen Thread, da das Thema ja nichts mehr mit einer bestimmten WT/WC-Schule zu tun hat.

    Zitat Zitat von MGuzzi Beitrag anzeigen
    Ein gewisser Shihan Shigenobu Okumura behauptet dies in einem Interview.
    A: Of course, we couldn’t do that from the beginning, it became smooth after the rough conflict was digested. When a mother brought her daughter to meet O-Sensei and asked “This child has no strength, can she do Aikido?”, O-Sensei said “Can she lift chopsticks? If she can lift chopsticks then she can do Aikido”.
    Der Name war mir bis dahin nicht bekannt oder bewusst. Das Interview fand ich aber ziemlich interessant; daher danke für den Hinweis darauf: https://www.aikidosangenkai.org/blog...kumura-part-2/

    Zitat Zitat von MGuzzi Beitrag anzeigen
    Zitat Zitat von Aiki5O+ Beitrag anzeigen
    Hat Ueshiba das gesagt oder hat das jemand ihm in den Mund gelegt? Quelle?
    Ueshiba selbst hatte jedenfalls eine enorme, zumindest weit überdurchschnittliche Körperkraft.
    (Siehe z.B.: https://kogenbudo.org/great-aikido-aikido-greats/ Abschnitt #1 POWER)

    In dem selben Artikel verlinkt Ellis Amdur ein Beispiel für den kooperativen, Kraft sparenden Charakter mancher Aikido-Übungsformen: Aïkido Rosheim : ce qu'un enfant peut apprendre en un an (ab 1:00).
    Vergleicht man Systema und Aikido wie z.B. hier, dann erscheint mir Systema mit noch weniger Kraft als Aikido auszukommen.
    Wieso denkst du das, weil sie beim Systema noch kooperativer sind? und was heißt: auszukommen, es sind doch Übungen, wie sieht es denn in der Realität aus, was ist die Schlussfolgerung aus M. Ueshibas Körperkraft, und der Möglichkeit kraftlos zu üben? Es ist doch die Frage was man da übt, und ob das dann eben auch klappt wenn man sich verteidigen muss, oder ob man da doch auch andere Fähigkeiten braucht, eventuell solche die Körperkraft ersetzen können, oder diese auf eine effizientere Weise eingesetzt werden kann-
    Mit Systema habe ich keinerlei praktische Erfahrung. Ich kann nur sagen, dass in den 4 Videos mit Shirakawa Ryuji und Takahide Kitagawa die Systema-Demos für mich einen entspannteren Eindruck machen als die Aikido-Demos. Klar sind es Übungen, aber das gilt ja auch für Aikido. Ich habe ja schon oft geschrieben, dass ich aufgrund des kooperativen Charakters des Ki-No-Nagare-Trainings kein Gefühl entwickle, ob das für SV oder Kampf anwendbar ist (was für mich auch kein Ziel ist), zumindest so lange ich keine Erfahrungen in anderen KKe sammle.

    Daher ist es für mich auch keine Frage, dass man im Aikido weitgehend "kraftlos" üben kann, wohl aber, ob das im Kampf oder SV auch so anwendbar ist. Von der Statur her wäre dann (jedenfalls für mich) auch eher Gozo Shioda als Morihei Ueshiba ein Vorbild in dieser Hinsicht. Die "anderen Fähigkeiten, eventuell solche die Körperkraft ersetzen können, oder diese auf eine effizientere Weise einsetzen" - sprich Aiki oder Budo-Body wurden ja in früheren Aikido-Threads schon oft und ausführlich erörtert.

    Interessant an dem Interview fand ich, dass Ueshiba zwischen "softness" und "acceptance" unterschied:

    Q: Are you talking about softness?

    A: It’s different from softness. O-Sensei would say “It’s no good to be soft! In Aikido “acceptance” (素直さ) is important. Soft and accepting are different.”.

    Q: Those are very important words, aren’t they?

    A: In the end, if you are not accepting then you and the opponent can never become one. I think that Judo was also this way originally. In Budo you must have the acceptance to be like a “willow in the breeze”, receiving and flowing.
    Auch der Abschnitt, in dem es um Timing geht fand ich interessant, weil er eine Aussage aus einem bekannten Interview mit O'Sensei und Kisshomaru Ueshiba erläutert:
    O-Sensei: Absolutely not. It is not a question of either sensen no sen or sen no sen. If I were to try to verbalize it I would say that you control your opponent without trying to control him. That is, the state of continuous victory. There isn’t any question of winning over or losing to an opponent. In this sense, there is no opponent in aikido. Even if you have an opponent, he becomes a part of you, a partner you control only.

    Quelle: https://aikidojournal.com/2016/09/24...omaru-ueshiba/
    Q: Is this the same as “Go-no-sen” (後の先)?

    A: No, it’s different. At first glance it appears to be “Go-no-sen”, but O-Sensei said “You cannot divide timing into three (“Sen-sen-no-sen” / 先先の先, “Tai-no-sen” / 対の先, “Go-no-sen” / 後の先). That’s no good for Aikido. There is only one kind of timing in Aikido, that is to always take the initiative.”. This is an area that is difficult to explain. It’s just that your psychological state is different. I was told “For that reason, Aikido does not have attacking techniques, they are unnecessary”. So, in my thinking it is that form appears to be “Go-no-sen”, but in your feeling it is “Sen-sen-no-sen”.
    Folgender Abschnitt, der unmittelbar dem "chopstick"-Zitat folgt, fand ich auch bemerkenswert:

    A: Well, what I can’t understand even now was the feeling of his wrists. When you grabbed his wrist it felt as if you were somehow floating. When we were doing breath power training, even if I gripped him with all of my strength, it was just completely different. That feeling is still a mystery to me today.
    Q: Was it softness?
    A: It was different than softness. There was an elastic force, and even though I was grabbing it felt as if I was being grabbed…
    Q: “Even though you were grabbing it felt as if you were being grabbed”?
    A: O-Sensei told me “In Aikido, even if there is an opening (in the opponent), don’t leap into it”. It is said that the Samurai of old didn’t say “I was cut”, rather they said “I made them cut”. Aikido is the same – my hand is not grabbed, I make them grab my hand. Technique is the same, you make the opponent leap in and then take them.
    Das erinnert mich daran: Wenn der Angreifer das Gefühl hat, in die Bewegung von Nage hineingezogen zu werden, wird das nicht mit dem Begriff "attractive power/force" bezeichnet?

  2. #2
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    Ein interessanter Faden, von dem ich mir einiges an Sprengpotential im Sinne von erhitzten Debatten erwarten würde… aber vielleicht täusche ich mich ja.
    Falls ich als Nicht-KKler (sondern KSler) auch mitreden darf: Mein Eindruck ist, dass zunächst mal Kraft bzw. Kräfte in den unterschiedlichen Stilen (und sogar Schulen) unterschiedlich wahrgenommen und gewertet werden, und in der Aussensicht nochmals anders. Ringen gilt z.B. als sehr kraftlastiger (oder neutraler ausgedrückt: athletischer) Stil, und unbestreitbar haben verschiedene Übungen zur Kräftigung – je nach Schule mit dem Partner, dem eigenen Körpergewicht, Gummibändern und / oder Gewichten – einen beträchtlichen Stellenwert, der darin begründet ist, dass es bei gleichem technischem Niveau entschiedene Nachteile hat, weniger athletisch zu sein als der Gegner (ich sage bewusst nicht «stark», weil verschiedene athletische Eigenschaften sich gegenseitig potenzieren, aber auch kompensieren können). ABER reine Muskelkraft einzusetzen, wird je nach Situation auch kritisch gesehen, weil es zu schnellerer Ermüdung führt. Muskelkraft wird natürlich eingesetzt, aber immer durch die Position, den Winkel, die Hebel und den aktiven Einsatz des Körpergewichtes potenziert. Häufig genug arbeiten die Arme dabei weitgehend statisch und halten nur kurz isometrisch eine gewisse Beugung, während die Kraftentwicklung aus der Beinarbeit – sprich: Gewichtsverlagerung und Positionsänderung – kommt. Lustigerweise habe ich die Erfahrung gemacht, dass insbesondere Leute aus den sogenannten «weichen» Stilen dazu neigen zu versuchen, rein muskulär zu arbeiten, wenn man ihnen eine Technik zeigt, wohl in der irrigen Annahme, dass das in einem Stil wie Ringen eben so sein müsse.

    Ich für meinen Teil bin nach etlichen Stunden praktischem Austausch mit Vertretern verschiedener Grapplingstile (auch Aikido) für mich zum Schluss gekommen, dass man für eine neutralere Sicht nicht von «Kraft» sondern von «Kräften» sprechen sollte. Damit verschied sich die Wahrnehmung meines Erachtens positiv: Kräfte spielen in einem Kampf eine essenzielle Rolle, der effiziente Umgang mit Kräften – sowohl im Angriff als auch in der Verteidigung – ist die Maxime aller Stile und Schulen. Nur die Art und Weise, wie das gemacht wird, variiert, basierend auf der Tradition der Schule und den Kampfzielen (im KS werden die Kampfziele massgeblich durch das Regelwerk vordefiniert). Dabei ist klar, dass gewisse Möglichkeiten entfallen können (z.B. ist die Manipulation von kleinen Gelenken in fast allen KS fast ausnahmslos verboten, was nicht bedeutet, dass sie nicht zum Teil vor den Schiedsrichtern versteckt praktiziert wird). Das Regelwerk determiniert auch, ob man sich mit wesentlich schwereren Gegnern auseinandersetzen muss oder (unterhalb der offenen Gewichtsklasse) eben wenig bis gar nicht. Grosse Kräfte gezielt freisetzen oder umleiten zu können ist aber ungeachtet des Kontextes erstmal ein unbestreitbarer Vorteil, wenn man das mit wenig Energieaufwand schafft umso mehr. Letzten Endes würde ich aber «sportlich» argumentieren, dass das Konzept aufgehen muss – sprich, wenn A weniger Energie aufwendet als B, aber von B durch eine Kombination von Athletik, Technik und Taktik überrannt wird, dann hat A auch nichts gewonnen. Der Aspekt «Technik/Taktik um der Tradition willen» geht dem Ringen aus meiner Sicht völlig ab.

    Zumindest im Ringen wird in diesem Kontext auch meistens differenziert zwischen dem Wettkampfverhalten und dem Trainingsverhalten bzw. der Trainerperspektive. Auch wenn es auf den ersten Blick wie ein Exkurs wirken mag: Wir differenzieren zwischen «wettkampffestem» bzw. «aktivem» Repertoire (das, was der Ringer im Kampf macht) und «passivem» Repertoire (alle Techniken, die der Ringer grundsätzlich technisch beherrscht und mit den erforderlichen Feinheiten – also auch in Hinblick auf die Vorbereitung und das Freisetzen von Kräften – vermitteln kann). Die Grösse des aktiven Repertoires ist für den Wettkampferfolg weniger ausschlaggebend als seine «Tiefe», d.h. wie gut jemand darin ist, das aktive Repertoire in allen möglichen Situationen erfolgreich anzuwenden. Mit anderen Worten, es kommt nur darauf an, was für ihn funktioniert. Die Grösse des «passiven» Repertoires ist dagegen für den Wettkampfringer weniger relevant und mehr von defensivem Interesse (er braucht eingeschliffene Reaktionen auf unterschiedliche Angriffe), für Trainer dagegen ist es essenziell, weil man mit einer grossen Bandbreite von Trainierenden rechnen muss, und man a priori nie eindeutig wissen kann, wem welche Technik liegen wird. Ich erwähne das deshalb, weil eine Person als Wettkämpfer und als Trainer diametral unterschiedlich sein kann. Ich hatte einen Trainer, der als Wettkämpfer bekannt dafür war, seine Gegner physisch zu "brechen", weil das für ihn am besten funktioniert hat (ohne zu sehr ins Detail zu gehen: es gibt da unterschiedlichste Faktoren, angefangen bei den physischen und psychischen Voraussetzungen, wobei letztere so weit gehen können, dass Leute auf der Matte regelmässig einen Blackout haben und rein instinktiv ringen); als Trainer war er aber unglaublich technisch und taktisch nuanciert, und in der Beurteilung von Ringern in Hinblick auf Arsenal und Taktik lag er meines Wissens immer goldrichtig. Ich würde sagen, er war als Wettkämpfer ziemlich instinktiv unterwegs, als Trainer aber sehr analytisch.

    Was das «make them grab» angeht – das gibt es auch in anderen Grapplingstilen, wir bezeichnen das als Konterringen, analog zum counter punching. Gute Konterringer oder counter puncher sind häufig spezialisiert darauf, eine gewisse Aktion zu provozieren, die sie dann aus der subjektiven Sicht des Gegners «übermenschlich schnell» vorhersehen und ausnutzen können (Kunststück, sie haben sie ja quasi selbst produziert, man hat ihnen nur dabei «geholfen»). Die Strategie besteht also darin, die Initative zu übernehmen, indem man die Initiative scheinbar abgibt, um das obige Zitat aufzugreifen. Einige Ringer sind vor allem als Konterringer bekannt geworden, z.B. Alexander Leipold. Nicht selten werden dabei auch gewisse athletische Nachteile kompensiert, insbesondere eine geringere (Reaktions-) Schnelligkeit.

    Hier würde ich auch «acceptance» und «softness» ansetzen: gerade wenn man Gegendruck bei einem Konter (im weitesten Sinne) ausnutzt, braucht man dafür immer eine gewisse Grundspannung, allein schon um die Reaktion hervorzurufen. Reine «Weichheit» im Sinne von «blossem Nachgeben» hat nicht den gleichen Effekt im Provozieren von Reaktionen, weil der Gegner dadurch in Kontrolle bleibt und ihm ein breites Spektrum an Angriffen offensteht. Die gezielte Grundspannung und die subtil (! Zumindest wenn wir von kompetenten Gegnern sprechen – aber bei inkompetenten Gegnern muss man nicht konterringen) gezeigten Blössen führen zum intendierten Angriff. Zudem kann man ohne ein Minimum an Grundspannung auch nicht effizient kontern.

    Beste Grüsse
    Period.
    Geändert von period (10-11-2021 um 23:47 Uhr)

  3. #3
    Gast Gast

    Standard

    Nur auf die Schnelle, in dem Beitrag von Aiki50+ wird das japanische sunao als acceptance übersetzt (und da bin ich beim überfliegen hängengeblieben).

    Sunao ist nicht so leicht zu übersetzen, aber an acceptance hätte ich da nicht gedacht.

    https://jisho.org/search/素直

  4. #4
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    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Ein interessanter Faden, von dem ich mir einiges an Sprengpotential im Sinne von erhitzten Debatten erwarten würde… aber vielleicht täusche ich mich ja.
    Falls ich als Nicht-KKler (sondern KSler) auch mitreden darf:
    ...
    Beste Grüsse
    Period.
    Geiler Beitrag. &

    Um nochmal kurz auf die Essstäbchen und die Teetasse zurück zu kommen. So als subjektive Meinung.
    Das was wir alle (ob nun KK'ler oder KS'ler) als Techniken kennen und lernen bzw. üben, orientiert sich enorm an Biomechanik.
    Das sind aus meiner Sicht erst mal idealisierte Verläufe, die eigentlich sehr sehr wenig Athletik benötigen (Essstäbchen & Teetasse).
    Je weiter ich mich vom idealen Verlauf entferne (z.B. weil mein Gegenüber "stört") umso mehr wird die Athletik wichtig.

    Der "Sportler" weiß das, der häufig "frei spielende" (oder wegen mir auch sparrende) KK'ler ebenfalls.
    Beim Rest entstehen dann lustige Ideen (Essstäbchen und Teetasse in "SV" z.B.).

    Leider assoziiere ich mittlerweile mit KK'ler Theoretiker und mit KS'ler Praktiker. Schade eigentlich.

    Liebe Grüße
    DatOlli
    Geändert von DatOlli (11-11-2021 um 09:55 Uhr) Grund: Rechtschreibung

  5. #5
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    Interessantes Thema, aber schwer in Worte zu fassen. Mein persönlich Ziel ist auch immer aufwandsloser zu werden, je älter ich werde, von daher würde ich sagen, genau das sollte das Ziel jeder Kampfkunst sein, um eben auch das Alter, etc. zu transzendieren. Aber das ist ein Experiment, ob das möglich ist, merke ich erst in 20 oder 30 Jahren;-)

    Aber es gibt viele Ansätze, die man halt einfach fühlen muss, um wirklich zu verstehen.

  6. #6
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    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Ein interessanter Faden, von dem ich mir einiges an Sprengpotential im Sinne von erhitzten Debatten erwarten würde… aber vielleicht täusche ich mich ja....
    Beste Grüsse
    Period.

    Vielen Dank für die Einsichten und den wertvollen Beitrag , auf den ich hoffentlich noch ausführlicher (mit Rückfragen) antworten werde.

  7. #7
    Tomcat Gast

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    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    dass man für eine neutralere Sicht nicht von «Kraft» sondern von «Kräften» sprechen sollte.
    Auch von mir nur kurz:

    Ich unterscheide vor allem Kräfte und Körperkraft. In jedem Kampf treten enorme Kräfte auf. Ich kann beispielsweise bei einem Schulterwurf im Judo mit geringer Körperkraft hohe Kräfte erzeugen.

    Genau dieser Ansatz wurde seinerzeit im WT verfolgt, aber vollkommen falsch umgesetzt. Man soll nicht Körperkraft gegen Körperkraft setzen. Wenn mein Gegner also an meinem Arm zerrt, zerre ich nicht (nur) dagegen, weil sich dann derjenige mit der größeren Körperkraft durchsetzt.

    Das hat im WT aber leider zur irrigen Annahme geführt, dass man Kraft um jeden Preis vermeiden soll. Die Fliege auf dem Arm löst den Bong-Sao aus etc.

  8. #8
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    Zitat Zitat von Björn Friedrich Beitrag anzeigen
    Interessantes Thema, aber schwer in Worte zu fassen. Mein persönlich Ziel ist auch immer aufwandsloser zu werden, je älter ich werde, von daher würde ich sagen, genau das sollte das Ziel jeder Kampfkunst sein, um eben auch das Alter, etc. zu transzendieren. Aber das ist ein Experiment, ob das möglich ist, merke ich erst in 20 oder 30 Jahren;-)

    Aber es gibt viele Ansätze, die man halt einfach fühlen muss, um wirklich zu verstehen.
    Ich denke das "Experiment" wird wohl glücken. Aus meiner Sicht ist das der (eigentlich) normale Verlauf.

    Liebe Grüße
    DatOlli

  9. #9
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    Zitat Zitat von Tomcat Beitrag anzeigen
    Auch von mir nur kurz:

    Ich unterscheide vor allem Kräfte und Körperkraft. In jedem Kampf treten enorme Kräfte auf. Ich kann beispielsweise bei einem Schulterwurf im Judo mit geringer Körperkraft hohe Kräfte erzeugen.

    Genau dieser Ansatz wurde seinerzeit im WT verfolgt, aber vollkommen falsch umgesetzt. Man soll nicht Körperkraft gegen Körperkraft setzen. Wenn mein Gegner also an meinem Arm zerrt, zerre ich nicht (nur) dagegen, weil sich dann derjenige mit der größeren Körperkraft durchsetzt.

    Das hat im WT aber leider zur irrigen Annahme geführt, dass man Kraft um jeden Preis vermeiden soll. Die Fliege auf dem Arm löst den Bong-Sao aus etc.
    Ich stimme mit dir was den Punkt Kräfte allgemein angeht zu.

    Aber beim thema Bong sehe ich ein großes Misverständnis........
    Wenn du ein Schlag mit ordentlicher Wirkung setzt , brauchst du definitiv eine gewisse grundlegende Kraft , egal wie gut du Struktur einbringst und Kräfte wirken lassen kannst . Ich hoffe soweit gehst du mit .
    Beim Bong in der von dir beschrieben Form ( es gab ja mehrere Ausführungen ) lag der Schwerpunkt wirklich dabei , wenig Gegenkraft aufzuwenden , das ist korrekt ,und das bezieht sich auf das Auslösen der reflexartigen Bewegung ! ABER , der Bong selber sollte doch keine direkte Wirkung im Sinne von z.b. eines Treffers , erzeugen. ..das übernahm der gleichzeitig ausgeführte Fauststos oder das kurze übernehmen des Arms mit der anderen hand und dann folgenden Fausstoss. und DIE Aktionen (also die eigentlichen Wirkungsaktionen ) waren alles andere als Kraftlos .

    Mit deiner Kritik begehst du den selben Fehler wie Disci , nur umgekehrt. Während Disci ja von Kraftlos spricht und wirklich glaubt so vorgehen zu können , z.b mit Blick auf den Bong , und du das kritisierst , überseht ihr BEIDE , das die Wirkung letztendlich nicht vom Nachgeben kommt , sondern vom Einschlag der Faust . und das geht nicht kraftlos..

    Das wiederum sehe ich als ein anderes Vorgehen,als bestimmte Techniken im Aikido , wo das Nachgeben selber durchaus schon zu einer direkten Wirkung hinsichtlich eines Wurfes führt , ohne das da der Werfende noch zusätzlich erkennbar eine Kraft hinein gibt . zumindest bei einigen Demos .

    und ja , auch andere Techniken , wo erst nachgegeben (z.b. durch verlassen des vektors ) wird und dann eine Kraft zusätzlich eingebracht wird um zu werfen . Da würde mir irimi Nage einfallen..
    Die verstehen sehr wenig , die nur das verstehen , was sich erklären lässt. ( Marie v. Ebner-Eschenbach)

  10. #10
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    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Falls ich als Nicht-KKler (sondern KSler) auch mitreden darf:
    Schlechte Technik kann man super mit viel Kraft kompensieren. Schlechte Kraft aber auch mit viel Technik. Ungünstig sind nur schlechte Technik und schlechte Kraft in Kombination

    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Grosse Kräfte gezielt freisetzen oder umleiten zu können ist aber ungeachtet des Kontextes erstmal ein unbestreitbarer Vorteil, wenn man das mit wenig Energieaufwand schafft umso mehr (...)

    Wir differenzieren zwischen «wettkampffestem» bzw. «aktivem» Repertoire (das, was der Ringer im Kampf macht) und «passivem» Repertoire (alle Techniken, die der Ringer grundsätzlich technisch beherrscht und mit den erforderlichen Feinheiten – also auch in Hinblick auf die Vorbereitung und das Freisetzen von Kräften – vermitteln kann). Die Grösse des aktiven Repertoires ist für den Wettkampferfolg weniger ausschlaggebend als seine «Tiefe», d.h. wie gut jemand darin ist, das aktive Repertoire in allen möglichen Situationen erfolgreich anzuwenden. Mit anderen Worten, es kommt nur darauf an, was für ihn funktioniert. Die Grösse des «passiven» Repertoires ist dagegen für den Wettkampfringer weniger relevant und mehr von defensivem Interesse (er braucht eingeschliffene Reaktionen auf unterschiedliche Angriffe), für Trainer dagegen ist es essenziell, weil man mit einer grossen Bandbreite von Trainierenden rechnen muss, und man a priori nie eindeutig wissen kann, wem welche Technik liegen wird (...)
    Das trifft wohl auf ziemlich viele Sportarten zu. Im Tischtennis z.B. gibts ja auch ne ganze Reihe supergeiler Schnibbelmoves und mit Sicherheit ne Menge Leute, die die top beherrschen aber trotzdem überwiegend Topspins ziehen. Es gibt doch auch so Freundschaftsmatches beim Tennis, wo nur rumgefaxt wird.
    Beim Stockkampf gibts das auch. Beim Training und Unterrichten ist die Bandbreite an Aktionen um einiges größer als letzlich im Kampf. Allein schon aus Gründen der Koordination und damit es nicht so langweilig wird.


    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    Was das «make them grab» angeht – das gibt es auch in anderen Grapplingstilen, wir bezeichnen das als Konterringen, analog zum counter punching. Gute Konterringer oder counter puncher sind häufig spezialisiert darauf, eine gewisse Aktion zu provozieren, die sie dann aus der subjektiven Sicht des Gegners «übermenschlich schnell» vorhersehen und ausnutzen können (Kunststück, sie haben sie ja quasi selbst produziert, man hat ihnen nur dabei «geholfen»). Die Strategie besteht also darin, die Initative zu übernehmen, indem man die Initiative scheinbar abgibt (...)
    Ist eine mögliche Strategie. Alles platt walzen wäre da wohl der umgekehrte Ansatz, je nach Kämpfertyp halt.

    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    wenn man Gegendruck bei einem Konter (im weitesten Sinne) ausnutzt, braucht man dafür immer eine gewisse Grundspannung, allein schon um die Reaktion hervorzurufen. Reine «Weichheit» im Sinne von «blossem Nachgeben» hat nicht den gleichen Effekt im Provozieren von Reaktionen, weil der Gegner dadurch in Kontrolle bleibt und ihm ein breites Spektrum an Angriffen offensteht. Die gezielte Grundspannung und die subtil (! Zumindest wenn wir von kompetenten Gegnern sprechen – aber bei inkompetenten Gegnern muss man nicht konterringen) gezeigten Blössen führen zum intendierten Angriff. Zudem kann man ohne ein Minimum an Grundspannung auch nicht effizient kontern.
    Beim Stockkampf ist das fast eine überlegene Vorgehensweise. Es ist unheimlich schwer einen guten Konterkämpfer effektiv anzugreifen ohne selbst was abzubekommen. Die eigenen Aktionen wie Fakes und Finten müssen aber entsprechend dynamisch und kraftvoll sein, sonst wird man überrant. Ebenso sind starke, schnelle Beine gefordert. Besonders wenn man gegen viel schwerer und/oder größere Gegner antritt.


    Zitat Zitat von period Beitrag anzeigen
    es gibt da unterschiedlichste Faktoren, angefangen bei den physischen und psychischen Voraussetzungen, wobei letztere so weit gehen können, dass Leute auf der Matte regelmässig einen Blackout haben und rein instinktiv ringen (...)
    Aus dem Stockkampf lässt sich sagen: its all fun and games until somebody gets hurt.
    Allgemein kann man festhalten, dass es um so besser flowt, je lockerer man ist.
    Hat man eine super Technik aber zu wenig Wumms verursachen die Treffer allerdings keine Schmerzen. Bedeutet der Gegner hat keine Angst vor Treffern und ingnoriert die Aktionen.
    In dem Moment, in dem man vielleicht schon mehrfach hart getroffen wurde und Schmerzen hat, geht alle Leichtigkeit dahin. Der Instinkt übernimmt und dann haut man so fest wie man kann mit der einfachsten Technik. Umsomehr wenn beide Schmerzen haben.

    In diesem Sport ist Kraft in Form von Explosivität in den Beinen und Armen gefordert. Schwere Dinge Heben oder ewig lange halten wenig bis gar nicht.
    Geändert von dbma_ffm (11-11-2021 um 10:33 Uhr)
    Abu " Desert Dog " Dayyeh † 19.02.2011
    "without a round in the chamber it´s basically a big stick." a sniper

  11. #11
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    Zitat Zitat von Cam67 Beitrag anzeigen
    Das wiederum sehe ich als ein anderes Vorgehen,als bestimmte Techniken im Aikido , wo das Nachgeben selber durchaus schon zu einer direkten Wirkung hinsichtlich eines Wurfes führt , ohne das da der Werfende noch zusätzlich erkennbar eine Kraft hinein gibt . zumindest bei einigen Demos .
    So etwas gibt es nicht, außer der angreifende wirft sich selbst. Eine Kraftwirkung muss immer in der Form erfolgen, dass eine ausweichende oder nachgebende Bewegung mit einer angreifenden Bewegung kombiniert wird. Meist ist eine Hand oder ein Arm der aufnehmende oderweiterführende Part, und der andere übernimmt den Angriffs, oder Kraftübertragungs-Anteil. Das ist zwar ein etwas grobes Schema, aber so in etwa sind diese Techniken, bei denen es halt aussieht als fliegt der Angreifer von selbst, aufgebaut. Wichtig dabei ist die Kraftübertragung, die aus der Rotation der Hüftgelenke gewonnen wird.
    Was oft außer Acht gelassen wird, ist Kuzushi, ein Gleichgewichtsbruch der vor der Ausführung einer Wurftechnik erfolgen muss, damit es halt auch klappt, wenn Angreifer sich nicht mit Absicht selber werfen.

  12. #12
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    Zitat Zitat von Aiki5O+ Beitrag anzeigen
    Das erinnert mich daran: Wenn der Angreifer das Gefühl hat, in die Bewegung von Nage hineingezogen zu werden, wird das nicht mit dem Begriff "attractive power/force" bezeichnet?
    Genau, der japanische Begriff ist "In-ryoku", wie in Kokyu-ryoku, Katsu-ryoku, etc. In ist die japanische Entsprechung von Yin, also eine nach innen wirkende Kraft, im Gegensatz zur expandiereren Yang-Kraft, die in der Bewegung aber auch immer einen Anteil hat

  13. #13
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    Zitat Zitat von MGuzzi Beitrag anzeigen
    So etwas gibt es nicht, außer der angreifende wirft sich selbst. Eine Kraftwirkung muss immer in der Form erfolgen, dass eine ausweichende oder nachgebende Bewegung mit einer angreifenden Bewegung kombiniert wird. Meist ist eine Hand oder ein Arm der aufnehmende oderweiterführende Part, und der andere übernimmt den Angriffs, oder Kraftübertragungs-Anteil. Das ist zwar ein etwas grobes Schema, aber so in etwa sind diese Techniken, bei denen es halt aussieht als fliegt der Angreifer von selbst, aufgebaut. Wichtig dabei ist die Kraftübertragung, die aus der Rotation der Hüftgelenke gewonnen wird.
    Was oft außer Acht gelassen wird, ist Kuzushi, ein Gleichgewichtsbruch der vor der Ausführung einer Wurftechnik erfolgen muss, damit es halt auch klappt, wenn Angreifer sich nicht mit Absicht selber werfen.
    das markierte "Erkennbar" hast du gelesen ? oder wieder nur gefliessentlich übersehen ?

    Eine Kraftwirkung muss immer in der Form erfolgen, dass eine ausweichende oder nachgebende Bewegung mit einer angreifenden Bewegung kombiniert wird.
    In dem punkt stimme ich dir voll zu und das hatte ich auch schon disci im anderen thread versucht zu erklären. ist nicht nur auf Aikido beschränkt. ich glaube Period hatte es in seinem Text auch angesprochen.

    Wichtig dabei ist die Kraftübertragung, die aus der Rotation der Hüftgelenke gewonnen wird.
    Hier hätten wir einen Anknüpfungspunkt zu unserer Strukturdebatte , aber leider kam es nicht soweit.

    Was oft außer Acht gelassen wird, ist Kuzushi, ein Gleichgewichtsbruch
    Rambat bezeichnete es mal als Gleichgewichtsstörung , da , wenn ein Bruch erfolgt wäre , der Wurf ja schon im Gange ist. Das nur nebenbei ,weil ich diese Sicht für sinnvoller halte . aber ich weiss was du meinst.

    Vll. kommt ja doch noch ein Gespräch zusammen .ich bin offen dafür ^^
    Die verstehen sehr wenig , die nur das verstehen , was sich erklären lässt. ( Marie v. Ebner-Eschenbach)

  14. #14
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    Zitat Zitat von Cam67 Beitrag anzeigen
    das markierte "Erkennbar" hast du gelesen ? oder wieder nur gefliessentlich übersehen ?
    Warum immer diese empfindliche Reaktion? Klar habe ich das gesehen, aber es kam halt keine weitere Erklärung, und du hast es als ein anderes Vorgehen bezeichnet. Das habe ich versucht zu ergänzen, bzw. zu berichtigen. Bitte vielmals um Entschuldigung

  15. #15
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    Zitat Zitat von MGuzzi Beitrag anzeigen
    Warum immer diese empfindliche Reaktion? l:
    vll. weil "gebranntes Kind" xd

    Dennoch danke für die weitere Erklärung . ernst gemeint.
    Die verstehen sehr wenig , die nur das verstehen , was sich erklären lässt. ( Marie v. Ebner-Eschenbach)

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