Weil es so schön ist, hab ich es mal mitgebracht:
Wissenschaftliche Begründung der STIKO für die Empfehlung zur Verkürzung des Impfabstands
zwischen Grundimmunisierung bzw. Infektion und Auffrischimpfung auf einen Zeitraum ab 3 Monate
Seit Anfang Dezember 2021 wird in Deutschland
und anderen europäischen Ländern, insbesondere
in Dänemark und im Vereinigten Königreich, eine
rasche Ausbreitung der Omikron-Variante (B.1.1.529)
des Severe Acute Respiratory Syndrome Corona-
virus Type 2 (SARS-CoV-2) beobachtet. Im Vereinig-
ten Königreich und in Dänemark haben die Fallzah-
len innerhalb weniger Tage so deutlich zugenom-
men, dass damit gerechnet wird, dass die Omikron-
Variante dort innerhalb weniger Wochen die Delta-
Variante verdrängen und das Infektionsgeschehen
bestimmen wird. 1 Erste Analysen aus dem Vereinig-
ten Königreich deuten auf eine im Vergleich zur
Delta-Variante höhere Übertragbarkeit sowie auf ein
erhöhtes Risiko für eine Reinfektion hin. 1 Zur
Schwere der Krankheitsverläufe kann aktuell noch
keine zuverlässige Aussage getroffen werden.
In Deutschland wurden bislang 1.879 SARS-CoV-2-
Infektionen mit der Omikron-Variante gemeldet,
die v. a. in jüngeren und mittleren Altersgruppen
(15 – 59 Jahre) auftraten (RKI Meldedaten vom
20.12.2021). Aufgrund der bislang bekannten Eigen-
schaften dieser Virusvariante und den Erfahrungen
in anderen europäischen Ländern ist damit zu rech-
nen, dass das Infektionsgeschehen auch in Deutsch-
land innerhalb kurzer Zeit durch die Omikron-
Variante bestimmt werden wird.
Labordaten mehrerer Arbeitsgruppen zeigen, dass
bei Seren von Personen nach 2-maliger Impfung
mit einem mRNA-Impfstoff (Comirnaty) eine im
Vergleich zur Delta-Variante deutlich verminderte
oder gar fehlende Neutralisationsfähigkeit gegen-
über der Omikron-Variante vorliegt. 2 – 8 Auch wenn
derzeit noch keine Ergebnisse zur Wirksamkeit der
Impfstoff-induzierten T-Zellimmunität gegenüber
der Omikron-Mutante vorliegen, deuten die Anti-
körperdaten auf einen verringerten Impfschutz
nach abgeschlossener Grundimmunisierung hin.
Laborstudien zeigen außerdem, dass die Neutralisa-
tionsfähigkeit von Seren geimpfter Personen gegen-
über der Omikron-Variante durch eine Auffrisch -
impfung zumindest teilweise wiederhergestellt
werden kann. 3,7,8 Diese Daten werden durch eine
erste epidemiologische Studie (test-negatives Design)
aus dem Vereinigten Königreich unterstützt. 9 In
dieser Studie wurde durch Analyse von 581 sympto-
matischen Omikron-Infektionsfällen die Impfeffek -
ti vität nach homologer Grundimmunisierung mit
2 Impfstoffdosen Vaxzevria oder Comirnaty ohne
bzw. mit einer Comirnaty-Auffrischimpfung gegen
die Omikron-Variante mit derjenigen gegen die
Delta-Variante von SARS-CoV-2 verglichen. Hierbei
zeigte sich, dass es ohne Auffrischimpfung bei bei-
den Impfstoffen 3 bis 4 Monate nach Verabreichung
der 2. Impfstoffdosis zu einem starken Absinken der
Impfeffektivität bezüglich des Schutzes vor symp -
tomatischen Infektionen kommt. In Bezug auf Vax-
zevria war ab Woche 15 nach Abschluss der Grund-
immunisierung kein signifikanter Impfschutz ge -
genüber der Omikron-Variante mehr nachweisbar.
Bei Comirnaty betrug die Impfeffektivität 2 bis
9 Wochen nach der 2. Impfstoffdosis noch 88 %, fiel
dann aber 10 bis 14 Wochen nach der Impfung auf
49 % und lag nach 15 bis 19 Wochen nur noch bei
34 %. 9 Nach der Auffrischimpfung wurde ein Wie -
deranstieg der Impfeffektivität auf 71 % (bei Grund -
immunisierung mit Vaxzevria) bzw. 76 % (bei
Grund immunisierung mit Comirnaty) beobachtet.
Aus den Daten dieser Studie sind weder Schlussfol-
gerungen über die Schutzdauer nach der Auffrisch -
impfung noch über die Impfeffektivität gegenüber
schweren Infektionen ableitbar.
Auch hinsichtlich der aktuell in Deutschland noch
vorwiegend zirkulierenden Delta-Variante kommt es
zu einem signifikanten Rückgang der Impfeffektivi-
tät nach Grundimmunisierung. In der o. g. Studie
aus dem Vereinigten Königreich lag die Wirksamkeit
6 Monate nach Abschluss der Grundimmunisierung
aber noch signifikant höher als gegenüber der Omi-
kron-Variante (Vaxzevria: 42 %, Comirnaty: 64 %).
Hier stieg der Schutz nach Booster-Impfung für bei-
de Impfstoffe wieder auf 94 % bzw. 93 % an. 9 Diese
Daten spiegeln sich auch im deutschen Meldesys-
tem wider: Seit Kalenderwoche (KW) 34 kam es zu
einem Absinken der Impfeffektivität nach Grund -
immunisierung gegen symptomatische Infektio-
nen, die mittels Screening-Methode nach Farring-
ton auf Bevölkerungsebene geschätzt wurde, von
(je nach Altersgruppe) ca. 80 – 85 % auf 60 – 65 % in
KW 46. 10 Erste Analysen zeigen außerdem, dass
nach Auffrischimpfung die Effektivität gegen symp -
tomatische Infektionen wieder bei > 90 % liegt.
Aufgrund des nachlassenden Impfschutzes gegen-
über Infektionen durch die Delta-Variante hatte die
STIKO im September (11. Aktualisierung), Oktober
(12. Aktualisierung) bzw. November (14. Aktualisie-
rung) 2021 den verschiedenen Indikations- und
Altersgruppen eine COVID-19-Auffrischimpfung
mit einem mRNA-Impfstoff empfohlen. Diese sollte
mit einem Abstand von in der Regel 6 Monaten zur
letzten Impfstoffdosis der Grundimmunisierung
durchgeführt werden 11 (s. Tab. 1 und Tab. 5).
Eine aktuelle randomisierte, kontrollierte Studie zur
Immunogenität und Sicherheit verschiedener zur
Auffrischimpfung genutzter COVID-19-Impfstoffe
nach unterschiedlichen Grundimmunisierungsre-
gimen zeigte bei Verabreichung der Auffrischimp -
fung bereits ca. 3 Monate nach Abschluss der Grund-
immunisierung keine Hinweise auf Sicherheits-
bedenken. 12
Angesichts des aktuellen Nachweises von Infektio-
nen durch die Omikron-Variante von SARS-CoV-2
in Deutschland und der in naher Zukunft anzuneh-
menden weiteren exponentiellen Zunahme sowie
neuester Daten zur Virus-Neutralisation und
Schutz dauer gegenüber der Omikron-Variante
nach Grund immunisierung aktualisiert die STIKO
ihre COVID-19-Impfempfehlung. Die Auffrisch -
impfung soll frühestens in einem Abstand von
3 Monaten nach Abschluss der Grundimmunisie-
rung verabreicht werden. Des Weiteren empfiehlt
die STIKO für Personen ≥ 12 Jahre nach durchge-
machter SARS-CoV-2-Infektion eine 1-malige Impf-
stoffdosis mit einem Abstand von mindestens 3 Mo -
naten zur Infektion. Gleiches gilt für 5 – 11-jährige
Kinder mit Vorerkrankung nach durchgemachter
SARS-CoV-2-Infektion. Wegen des höheren Risikos
für einen schweren Verlauf von COVID-19 sollen
ältere oder vorerkrankte Personen bei den Auffrisch -
impfungen bevorzugt berücksichtigt werden.
Nach aktualisierter Corona-Impfverordnung (Corona-
ImpfVO) soll die Verabreichung des Impfstoffes
grundsätzlich im Rahmen der arzneimittelrechtli-
chen Zulassung erfolgen. Eine davon abweichende
Verabreichung kann erfolgen, wenn sie nach dem
Stand der Wissenschaft medizinisch vertretbar ist.
Ziel ist es, die Auffrischimpfkampagne zu intensi-
vieren, um letztlich schwere Verläufe von COVID-19
zu verhindern und die Transmission der sich aus-
breitenden Omikron-Variante zu vermindern.
Die STIKO betont, dass es sich bei dem gewählten
Abstand von frühestens 3 Monaten um das Ergebnis
einer Abwägung handelt, bei der die dann einset-
zende Reduktion der Schutzwirkung der Grundim-
munisierung, aber auch das Fehlen von Daten zur
Dauer der Schutzwirkung der Auffrischimpfung ge -
genüber der Omikron-Variante berücksichtigt wur-
den. Die STIKO weist darauf hin, dass diese Emp-
fehlung auf Basis einer derzeit begrenzten Daten-
lage getroffen wurde.
geändert am 13. 1. 2022
[Epidemiologisches Bulletin 2/2022, 13. Januar 2022, S. 16 f.]
Wenns mich packt streich ich nochmal die Stellen an, die mir besonders gefallen haben.