PDA

Vollständige Version anzeigen : Warum macht ihr Aikido?



Seiten : 1 [2]

Klaus
19-09-2018, 16:15
Mir wird auch öfter ganz anders, aber jemand der einen Gangster angeblich mit der "Fingerpistole" verhaften will weil er das so "gelernt" habe von Aikido-Fritzen ist entweder geisteskrank oder ne Urban Legend.

Gast
19-09-2018, 21:11
Zwei Dinge, die hier in keinster Weise Bestandteil des Trainings sind (?) und schon sehr hilfreich wären. (Generell habe ich das Gefühl, dass Dir nicht auffällt, dass so ziemlich alles, was Du aufführst, auf die „SV-Systeme“ zutrifft, aber zumindest meines Wissens nach kein Bestandteil des regulären Trainings im Aikido ist. Das ist auch ein Grund, warum ich bspw. MT nicht als SV-System sehe und deshalb erkläre, was es mMn leisten kann und was alles nicht.)



Ich habe irgendwie das Gefühl, du hast nie jemanden kennengelernt der dir das vermitteln konnte, was Aikidotraining ist.
Ich wundere mich gar nicht, aber es ist ein kleiner Unterschied ob man mal bei einem der Schüler Ueshibas wie Tada, Noro, oder Tamura trainiert hat , oder im Verein um die Ecke, mag es sich auch um einen 3.4., oder 5. Dan handeln, dazwischen sind Welten.
Ich will da gar nichts oder niemanden glorifizieren, es ist einfach so. Wenn du von Tada geworfen wurdest, und du warst nicht zu 100% da und auf alles vorbereitet, war mir Sicherheit was im Eimer, eine Schulter raus, Ellenbogen kaputt oder sonst was.
Leider haben auch die meisten der heutigen Aikidoka keinen blassen Schimmer mehr, wie das Training in den 50er Jahren noch war.
Fahrsicherheitstraining? Naja, die ukes von Ueshiba konnten glaube ich ziemlich sicher sein, dass sie nichts mehr überraschen kann.
Aber noch mal was anderes, warum geht man davon aus, dass Aikidoka Menschen sind die in einer Seifenblase aufgewachsen sind oder leben, oder nie körperliche Gewalt kennengelernt, oder ausgeübt haben?
Ich kenne da Leute, die haben Sachen erlebt die ich niemandem wünsche.
Ich selbst habe da auch ein paar Erfahrungen, aber da möchte ich nicht drauf eingehen, aber ich habe auf beiden Seiten gestanden.
Die Frage ist ja, wie man damit umgeht, und was man daraus lernt.

Narexis
20-09-2018, 00:07
Ich habe irgendwie das Gefühl, du hast nie jemanden kennengelernt der dir das vermitteln konnte, was Aikidotraining ist.
Das ist gut möglich und ich freue mich immer wieder über neue Erklärungsversuche :).
(Ich gebe auch gerne zu, dass ich meine Zeit und mein Interesse meist anderweitig genutzt habe und es für mich keinen Grund gab, mich tiefer in die Materie einzuarbeiten (und mir dabei womöglich noch Fehler anzueignen) :o. Primär war und bin ich an Möglichkeiten interessiert, um mich selbst zu verbessern und über den Tellerrand zu blicken. Ich freue mich auch über jede theoretische oder historische Erklärung und Information, die ich immer wieder sehr spannend finde und ich habe im Laufe der Jahre (aus und in vielen Bereichen) viel gehört und mitgenommen - nur verbringe ich dann dahingehend meine Freizeit meist anderweitig und den eigenen Fortschritt im Blick. Einer der wenigen Gründe, warum ich mich mit der Geschichte einer ‚fremden‘ Kunst beschäftigen würde (neben persönlichem Interesse an dem Thema), wäre da bspw. der Versuch, Techniken wieder für den/meinen Kampf(-stil) aufzubereiten oder herauszufinden, wie man sie zum Laufen bringt und wieso sie momentan großflächig nicht funktionieren und ob ich selbst dahingehend aufpassen muss, um nicht dieselbe Entwicklung zu riskieren.)

Mir ist tatsächlich bis jetzt noch nicht in einem einzigen Training begegnet, dass man die Trainierenden theoretisch aufgeklärt, Vermeidungsstrategien oder sich generell mit dem ‚Wesen‘ der SV auseinandergesetzt hat. Hat mich allerdings auch nicht gewundert, ging schließlich in keinem der Vereine primär um SV bzw. bestand bei vielen Trainierenden nur begrenztes Interesse am Thema und entsprechend hätte ich auch nicht mehr erwartet. So wie ich im MT auch keinerlei dahingehende Ausführungen ins Training eingebaut habe.

Auch habe ich noch nie in der Richtung erlebt, dass ich oder andere Anwesende je im individuellen Grenzbereich gewesen wären oder in diesem Grenzbereich erlebt hätten, was es bedeutet, die Kontrolle zu verlieren. Weder im physischen noch psychischen Bereich kam man auch nur nahe an den Grenzbereich - und dahingehend vernachlässige ich absichtlich die „Grenzbereiche“ möglicher Verletzungen aufgrund von Hebeln usw., da die damit mMn nicht gemeint sein können, da in den Momenten auch keinerlei Handlungsmöglichkeit mehr besteht. (Ich habe die Kontrolle nie verloren, ich hatte sie nie oder habe mich freiwillig in die Situation und die Hände des Partners begeben. Da ist es mMn noch einmal etwas ganz anderes, ob mir die Kontrolle gewaltsam oder plötzlich entrissen wird und es tatsächlich noch eine Rolle spielt, wie ich darauf reagiere. Auch ist es meiner Erfahrung nach ein gewaltiger Unterschied, wie sie entrissen wird und in welchem Rahmen bzw. mit welcher Intensität und wie langanhaltend. )

Also nein, zumindest ich habe nicht einmal im geringsten Maße meinen Körper oder meine Psyche (im Rahmen des von mir erlebten Aikidotrainings) „im Grenzbereich erleben [können] und fühlen wie es sich anfühlt die Kontrolle zu verlieren.“ Das hätte sich auch ziemlich mit der mir so oft begegneten Philosophie gebissen. (Mit meinen Erfahrungen im Grenzbereich oder dem Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, während man alles versucht, um sie noch irgendwie zu behalten oder zumindest nicht ganz herzugeben, hatte das nicht einmal im geringsten Maße etwas zu tun. Insbesondere das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren, hatte ich wie in der SV (oder auch bspw. im Rahmen des Fahrsicherheitstrainings) nur ein einziges Mal im Ring und noch einmal in einem Test, bei dem von Anfang an feststand, dass meine Chancen nahe Null liegen. Es mag sein, dass es da eine Rolle spielt, dass es auch bewusst als Training wahrgenommen wird, der Druck sich in Grenzen hält und zumindest ich mit einem „Kontrollverlust“ keine Probleme habe, wenn ich eh weiß, dass es nichts gibt, was ich machen oder womit ich Einfluss nehmen könnte und das auch gilt, wenn man mich damit schwer verletzen kann.)

In den Punkten hätte ich eigentlich nicht erwartet, dass das so untypisch ist oder im System verloren gegangen ist.



Ich wundere mich gar nicht, aber es ist ein kleiner Unterschied ob man mal bei einem der Schüler Ueshibas wie Tada, Noro, oder Tamura trainiert hat , oder im Verein um die Ecke, mag es sich auch um einen 3.4., oder 5. Dan handeln, dazwischen sind Welten.
Deshalb freue ich mich sehr über die Namen und habe fest vor, sobald ich wieder Zeit habe und sich etwas anbietet, dort aufzuschlagen und davor abzuklären, ob das auch für einen blutigen Anfänger möglich ist oder man zumindest stillschweigend zuschauen dürfte :).



Ich will da gar nichts oder niemanden glorifizieren, es ist einfach so.
Mich freut die Seite offen gesprochen sehr und keine Sorge, das Gefühl habe ich nicht. Ich merke selbst, dass ich vielleicht etwas zu skeptisch bin oder auch mal zu negativ aufgefasst werde; das mag vermutlich an meinen Erfahrungen liegen und deshalb ist Input von dritter Seite so wichtig für mich :). Auch kann ich natürlich in dem Bereich nur für mich sprechen und sagen, wie ich es wahrgenommen habe.



Aber noch mal was anderes, warum geht man davon aus, dass Aikidoka Menschen sind die in einer Seifenblase aufgewachsen sind oder leben, oder nie körperliche Gewalt kennengelernt, oder ausgeübt haben?
Ich kenne da Leute, die haben Sachen erlebt die ich niemandem wünsche.
Ich selbst habe da auch ein paar Erfahrungen, aber da möchte ich nicht drauf eingehen, aber ich habe auf beiden Seiten gestanden.
Die Frage ist ja, wie man damit umgeht, und was man daraus lernt.
So weit wollte ich nicht gehen, nur trifft das auf so ziemlich den Großteil der SV-Verfechter im Aikido, wenn ich sie so nennen darf :D, zu, die ich kennengelernt habe - oder sie haben die Erfahrung (bzw. die daraus erworbenen Fähigkeiten) ziemlich gut versteckt.
Im Training langsam und vorsichtig an das Thema herangeführt wurde davon definitiv auch keiner - und das ist der Punkt. (Wer etwas mitbringt und ergänzt, ist die eine Seite. Will ich jedoch das Training (usw.) beurteilen, konzentriere ich mich ausschließlich auf die Fähigkeiten, die man im Training erworben hat oder erwerben kann.)

Die Personen, die ich in den Gruppen kennengelernt habe, die die Erfahrung hatten, haben (geschlossen und ohne Ausnahme) nichts von der „SV-Tauglichkeit“ gehalten und keiner davon hat Aikido (primär) wegen den dort geschulten kämpferischen Fähigkeiten trainiert - am ehesten dran waren noch die, die sich (wie auch ich neben dem Spaß) einen Übertrag ins eigene System erhofft haben oder einzelne Punkte übernommen haben. Vielleicht hat auch das das Bild geprägt.

Die Personen mit entsprechenden (Gewalt-)Erfahrungen gibt’s wohl (leider) überall und ich kenne auch genug, die den Kampfsport großflächig meiden (und unter anderem ein paar, die (teilweise überraschender Weise) deshalb irgendwann zum Yoga, Taichi oder auch Aikido gefunden haben und es ausschließlich als Kunst und Bewegungslehre betrachten, wie es so häufig geübt wird).
Da macht’s auch keinen Unterschied, ob ich mir die üblichen Vereine im Karate, TKD oder in diesem Fall Aikido anschaue und seit das Fitnessboxen boomt und immer mehr Leute auch andere Stile mit wenig bis kaum und nur leichtem Kontakt trainieren, gilt das auch für eine zunehmende Zahl an Sportlern in Boxclubs (etc.). Ist mMn offen gesprochen auch etwas Schönes und Wünschenswertes, mich freut es immer wieder, wenn jemand die Erfahrung nicht machen musste und nur die, die darauf aus eigener Motivation Lust haben, im Sport mit Gewalt in Kontakt kommen. Andererseits hab ich auch noch keine dieser Gruppen erlebt, in denen nicht viel über die angebliche Kampffähigkeit, das Kämpfen und die Vergangenheit philosophiert wurde und so viele sich maßlos überschätzt haben, da sie nie getestet wurden und die Erfahrung fehlt. Gerade im Karate wurde dann bspw. immer wieder Bezug aufs Kyokushin genommen, obwohl man mit dem dortigen Training beinahe nichts gemeinsam hatte und auch kein Interesse daran; aber wenn die's können, muss es ja funktionieren :D. Da hab ich dann auch schnell die Erfahrung gemacht, dass im Kyokushin ein ganz anderes (realistischeres) Bild als bspw. im benachbarten Shotokan Karateverein vorherrscht und ausgerechnet letztere die Aussagen in den Raum stellen und mit dem Kämpfen in SV-Situationen werben... (Trotzdem sind mir auch im Shotokan genug Leute begegnet, die wirklich kämpfen konnten und entsprechend trainiert haben, nur waren das relativ wenige im Verhältnis zu den "Seifenblasen" und umgekehrt gab's im Kyokushin relativ wenig "Seifenblasen".)
(Das Kämpfen und was mit einem passiert, kann man auch keinem erklären, das muss man erlebt haben, wenn man es wirklich wissen will und auch nicht jede Erfahrung von Gewalt kann einem dahingehend helfen.)

Überzeugung, fehlende Erfahrung, Zuspruch von bspw. dem Trainer oder der Gruppe und fehlende Überprüfung führen gerne Mal zu Seifenblasen und die Leute findet man für gewöhnlich (weit) häufiger in Gruppen oder Systemen, die nicht regelmäßig das kämpferische Können auf die Probe stellen oder bestimmte Rahmen nicht verlassen. Wer bspw. nur (relativ) kooperativ trainiert, zieht gerne mal daraus falsche Schlüsse bis hin zur Konstruktion von Seifenblasen - habe ich bspw. verdammt oft im TKD im Bereich der für die Prüfungen trainierten "SV" erlebt - und das Problem gibt es bei so ziemlich jedem Rahmen - so hab ich auch schon von genug (guten) Boxern gehört, dass sie einen Ringer bspw. einfach auf die Bretter schicken würden oder Würfe ja nicht so schlimm sein könnten. Dass ich das auch im Aikido in (großem) Ausmaß erlebt habe, wundert mich nicht wirklich, nur war da die "Grenze" viel weiter unten und eher mit dem Beispiel aus dem TKD zu vergleichen, da auch die Techniken für die Prüfungen rein kooperativ geübt wurden und mal ein kleines Sperren oder Gegendrücken als "echter Widerstand" wahrgenommen wurde. Ich habe noch keine einzige Person kennengelernt, die Aikido trainiert oder trainiert hat, um (nur) damit zu kämpfen und dass der Großteil überhaupt nicht kämpfen oder die entsprechenden Opfer bringen will, ist mMn auch vollkommen in Ordnung. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man in dem Bereich glücklich wird, wenn man kämpfen, sich messen und den Kampf erfahren will. Ähnlich wie man im Boxen und MT nicht glücklich wird, wenn man Probleme mit enormer körperlicher Anstrengung, sehr viel Schweiß oder auch Schmerzen, Schlägen ins Gesicht und meist sehr wenig Theorie hat.

Die Gruppenzusammensetzung bzw. Zielgruppen fand ich eigentlich immer nachvollziehbar und relativ eindeutig. Ähnlich wie man im Boxclub in den „normalen“ Einheiten auch mehr Personen finden wird, die gerne am Limit, körperlich hart und fordernd arbeiten, mit Schmerzen klarkommen und sich auch einfach mal gerne auf die Schnauze hauen oder miteinander messen. Das entsprechende Training zieht die entsprechenden Leute an und je nach Training sind dann manche Personen eher die Ausnahme.

LG

Vom Tablet gesendet.

Gast
20-09-2018, 09:38
Dass ich das auch im Aikido in (großem) Ausmaß erlebt habe, wundert mich nicht wirklich, nur war da die "Grenze" viel weiter unten und eher mit dem Beispiel aus dem TKD zu vergleichen, da auch die Techniken für die Prüfungen rein kooperativ geübt wurden und mal ein kleines Sperren oder Gegendrücken als "echter Widerstand" wahrgenommen wurde.


Kleines Sperren oder Gegendrücken ist sicher nicht das was ich meinen würde, wenn ich von unkooperativem Training spreche. Es geht bis hin zum auf den Boden drücken, jemanden spüren lassen wie es ist zur Unbeweglichkeit fixiert zu sein, kurz davor zu sein ausgechoked werden, und zu sehen was dann noch geht, ob man eine Technik erfolgreich durchbekommt. vielleicht ist das nicht das Training was sich einige so vorstellen wenn sie an Aikido denken, aber wir machen sowas.
Nicht immer und nicht aussschließlich, aber wenn go no geiko trainiert wird, geht es bei einigen mehr, bei anderen weniger in diese Richtung, ja nach Lust und Laune. Das ist zwar noch kein richtiges "kämpfen", aber ich denke doch dass da kämpferische Fähigkeiten geschult werden können.
Solche Art zu üben würde in einigen Schulen oder Vereinen wohl wieder nicht geduldet, weil es da mit irgendwelchen angelesenen Philosophien nicht übereinstimmt, aber das sind eben diese verkopften Leute, mit denen ich auch irgendwie nie was anfangen konnte.



Ich habe noch keine einzige Person kennengelernt, die Aikido trainiert oder trainiert hat, um (nur) damit zu kämpfen und dass der Großteil überhaupt nicht kämpfen oder die entsprechenden Opfer bringen will, ist mMn auch vollkommen in Ordnung. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass man in dem Bereich glücklich wird, wenn man kämpfen, sich messen und den Kampf erfahren will. Ähnlich wie man im Boxen und MT nicht glücklich wird, wenn man Probleme mit enormer körperlicher Anstrengung, sehr viel Schweiß oder auch Schmerzen, Schlägen ins Gesicht und meist sehr wenig Theorie hat.


Nur um damit zu kämpfen, nein, habe ich auch nicht. So ist Aikido auch nie konzipiert worden, zumindest nicht hier in Europa oder in der Neuzeit.
Vorkriegsaikido in Japan war da vom Konzept her anders, und es gab auch nach dem Krieg noch Leute die Aikido rein als Budo zum Kämpfen betrachtet haben, wenn auch schon eine gewisse Tiefe darin gesehen wurde.
Aber Tadashi Abe beispielsweise, der Anfang der 50er Jahre nach Frankreich kam, war ein echter Budoka und Kämpfer, und der hatte nichts anderes außer Aikido trainiert. Dennoch sehr Atemi-lastiges Aikido, u.a. mit Kopfstößen, Fußtritten, u.s.w.
Tamura Sensei, der in den 60ern kam wurde in einem Interview mal gefragt, ob es nicht schwierig war sich gegen die ganzen Judoka durchzusetzen, meinte da nur schmunzelnd,
nein, war es nicht, Abe Sensei habe ja den Weg schon freigeräumt (ober so einen Freiräumer nötig hatte, sei dahingestellt).

Die Zeiten ändern sich halt, und Aikido hat nun mal eine bestimmte Entwicklung bestritten, das lässt sich ja nicht leugnen.
Sich messen, das ist natürlich möglich. Bei uns ging es lange darum, wer länger durchhält, wer der mental stärkere ist oder die bessere Kondition hat. Rein aus Trainigszwecken natürlich, nicht um gegeneinander zu kämpfen.

Klaus
20-09-2018, 11:34
Mal grundsätzlich, "zu hart" bedeutet, dass es häufig zu Verletzungen kommt, schwerste (nicht heilbare) Verletzungen riskiert werden, oder langfristige Folgen wie die Boxer-Demenz entstehen. Auch "kosmetische" Probleme wie jeden Tag mit Veilchen, Cuts und dicker Lippe ins Büro kommen sind für mich nicht tragbar, mal abgesehen davon dass das vermutlich für das Gehirn genau diese Folgen haben wird.

Nur so tun als ob ist aber keine Alternative und auch nicht nötig, wer Angst davor hat im Training mit Gewalt (:ups:) konfrontiert zu werden sollte sich schlicht ein anderes Hobby suchen. Da brauche ich dann auch kein Aikido "ohne Kontakt", das geht auch mit Qigong, Meditation und langsamen IMA-Formen, sogar richtig gut. Ich muss jemandem nicht in die Fr... kloppen damit der Reflexe bekommt, ich kann auch gegen die Schulter hauen, oder über Haare / Helm wischen mit wenig aber ein bischen Kontakt. Es bringt dem Verteidigenden auch nicht viel, bösartige Würfe im Training durchzuziehen, das machen Leute gerne um das selbst mal "auszuprobieren". Die Fähigkeiten das auszuhalten hat man nur auf entsprechendem Niveau, und dazu gehört auch viel Power. Die meisten "Normalos" können das nicht, verletzen sich dabei, und werden letzten Endes auch seelisch mit sowas vergewaltigt. Ich persönlich finde das Schei**e.

Nick_Nick
20-09-2018, 16:17
Weil die Reaktion des Körpers darauf zu stark sind und es evtl. dann ungünstig ist für das was er vor hat. das Gleichgewicht bricht dann in eine andere Richtung als gewünst.

Unter den Annahmen des Aikido sicher richtig, unter denen des Karate und Co. aber nicht. Und er meinte ja, dass Aikidoka Karateka und Co. das „wahre Budo“ zeigen können, nicht, dass Aikidoka nur nicht die Karateschlagtechnik nutzen sollen.
Er muss etwas anderes meinen.

Grüße

Gast
20-09-2018, 16:48
Die Personen, die ich in den Gruppen kennengelernt habe, die die Erfahrung hatten, haben (geschlossen und ohne Ausnahme) nichts von der „SV-Tauglichkeit“ gehalten und keiner davon hat Aikido (primär) wegen den dort geschulten kämpferischen Fähigkeiten trainiert - am ehesten dran waren noch die, die sich (wie auch ich neben dem Spaß) einen Übertrag ins eigene System erhofft haben oder einzelne Punkte übernommen haben. Vielleicht hat auch das das Bild geprägt.


Einen Übertrag ins eigene System aus dem Aikido, ich glaube das funktioniert nicht wie die Leute sich das vorstellen.
Die sogenannten Aikido-Konzepte, oder vielmehr das was dafür gehalten wird, also das beliebte "weiterleiten der Kraft" und "gegen den Angreifer richten", das sind Sachen die aus dem Jujutsu, oder irgendwelchen anderen Ecken gekommen sind und dem Aikido irgendwie als Konzept übergestülpt wurden, weil es leicht verständlich ist, und jeder das nachplappern kann, und man das vermeintlich in den Aikido-Bewegungen wiederfindet.
Dieses Weiterleiten mal als Beispiel, das ist ein Trainingskonzept um bestimmte Bewegungsabfolgen zu verstehen, wie fließt Bewegungsenergie in eine Richtung, wie man kann man das manipulieren oder ausnutzen, in der Trainingsform Ki no nagare oder auch ryu no geiko (im GEgensatz zu go no geiko, Arbeiten mit Widerstand, bzw, statische Trainingsform mit direkteren Winkeln und Eingängen) wird die Bewegung dann in eine Kreisbahn geführt und der Partner Richtung Boden gelenkt oder geworfen.
Dies als Möglichkeit einer realistischen SV, oder gar als aus dem Aikido in andere Systeme übertragbares Konzept zu verstehen oder zu verkaufen, ist natürlich total unsinnig.
Wenn man Aikido verstehen will, muss man diese unterschiedlichen Trainingsformen und ihre Bedeutung, was damit jeweils geübt werden soll, im Ganzen verstehen.

Die Aikidotechniken oder Anwendungen die SV relevant sind oder sein könnten, sind niemals diese runden ryu no geiko Bewegungen, sie sind schnell, direkt, und durch Atemi eingeleitet oder gehen direkt gegen ein Gelenk.
Was Ueshiba in seiner letzten Phase gezeigt hat waren große runde und sehr schöne Bewegungen, wobei er es tatsächlich schaffte die ukes so da hineinzuziehen, dass sie nicht mit bekommen haben wie er das macht. Nur hat nach ihm niemand so etwas auf diese Weise nachmachen können, höchstens als Imitation, was natürlich zu diesen Missverständnissen beigetragen hat.

Das Übertragen funktioniert also auf diese Weise nicht, oder sehr schlecht. Wenn dann durch Zufall mal jemand durch eine Ausweichbewegung aus dem Gleichgewicht gebracht wird, heißt es dann immer, das sei Aikido gewesen, aber das ist eben nicht das Merkmal, das Aikido eigentlich ausmacht.

Gast
21-09-2018, 15:25
Unter den Annahmen des Aikido sicher richtig, unter denen des Karate und Co. aber nicht. Und er meinte ja, dass Aikidoka Karateka und Co. das „wahre Budo“ zeigen können, nicht, dass Aikidoka nur nicht die Karateschlagtechnik nutzen sollen.
Er muss etwas anderes meinen.

Grüße


"For example, atemi is for stopping the opponent’s initiative in an instant and for controlling him without endangering him. This is what atemi should be. I think that this is a new way of doing Karate. Karate where you hit your opponent with full power isn’t good. I think our duty as Aikidoists is to teach Karate people the true budo life. I never limit myself to only a few opponents but always pay attention to Judo, Kendo and Karate. We should teach them a deeper Judo, Karate and Kendo."

Shoji Nishio
Interview by Stanley Pranin, 1984

Gast
21-09-2018, 17:50
"For example, atemi is for stopping the opponent’s initiative in an instant and for controlling him without endangering him. This is what atemi should be. I think that this is a new way of doing Karate. Karate where you hit your opponent with full power isn’t good. I think our duty as Aikidoists is to teach Karate people the true budo life. I never limit myself to only a few opponents but always pay attention to Judo, Kendo and Karate. We should teach them a deeper Judo, Karate and Kendo."

Shoji Nishio
Interview by Stanley Pranin, 1984

Zum Thema Atemi noch ein paar Gedanken von Nishio aus dem selben Interview:


I would like to express O-Sensei’s way in a new manner. O-Sensei said that it is a crime to fell opponents or hurt them even a bit. I tell students if they have to hit the opponent to execute a technique when their hands are held, they shouldn’t do that technique. If you have to use atemi, entering with a strike, then you shouldn’t do that particular technique. Aikido doesn’t need that. We never hit the opponent when we do kaitennage, for example, at the beginning of training.
Quelle: http://members.aikidojournal.com/interview-with-shoji-nishio-1984-part-2-by-stanley-pranin/, Teil 1 (https://aikidojournal.com/2004/05/03/interview-with-shoji-nishio-1984-part-1/)

Nick_Nick
23-09-2018, 12:23
"For example, atemi is for stopping the opponent’s initiative in an instant and for controlling him without endangering him. This is what atemi should be. I think that this is a new way of doing Karate. Karate where you hit your opponent with full power isn’t good. I think our duty as Aikidoists is to teach Karate people the true budo life. I never limit myself to only a few opponents but always pay attention to Judo, Kendo and Karate. We should teach them a deeper Judo, Karate and Kendo."

Shoji Nishio
Interview by Stanley Pranin, 1984

Danke.

Ist ja denn doch eine irgendwie für mich unbefriedigene Erklärung von Nishio. Und aus dem von Aiki50+ verlinkten Interview Nishios (danke) werde ich diesbezüglich auch nicht so richtig schlau.

Oben Zitiertes ist eben offensichtlich die Arbeitsweise des Aikido oder Jujutsu. Atemi für die überlegene Position und damit weiterarbeiten. Nur braucht man dann auch Werkzeuge, weiterarbeiten zu können. Und das ist m.E. nicht die Domäne „des Karate“.

Er müsste jetzt sagen, wie er sich das Karate konkret vorstellt, mit dessen Hilfe der Angreifer ohne dessen Gefährdung nach dem Atemi kontrolliert wird. Kann eigentlich nur auf Jujutsu/Aikido hinauslaufen, was nicht viel nützt.

Vielleicht geht’s aber mit der Aussage in die Richtung der idealen Kampfkunst bzw. den Idealen der Kampfkunst. Nur für den normalen Kampfsportler auch nicht sonderlich hilfreich.

Sein Ablehnen von Musashi lässt auch eine eher den Kampf ablehnende Denkweise vermuten.


Zum Thema Atemi noch ein paar Gedanken von Nishio aus dem selben Interview:



I would like to express O-Sensei’s way in a new manner. O-Sensei said that it is a crime to fell opponents or hurt them even a bit. I tell students if they have to hit the opponent to execute a technique when their hands are held, they shouldn’t do that technique. If you have to use atemi, entering with a strike, then you shouldn’t do that particular technique. Aikido doesn’t need that. We never hit the opponent when we do kaitennage, for example, at the beginning of training.


Quelle: http://members.aikidojournal.com/interview-with-shoji-nishio-1984-part-2-by-stanley-pranin/, Teil 1 (https://aikidojournal.com/2004/05/03/interview-with-shoji-nishio-1984-part-1/)

Ist die Frage, wie es zu verstehen ist. Im ungünstigen Fall ist’s esoterisch gemeint, ohne Kampfbezug. In Richtung, was Aikido wohl darstellen soll, also nicht zum Kämpfen gedacht. Wonach es im Interview eigentlich auch klingt.

Im günstigen Fall meint er’s technisch, dass man die Technik exakt beherrschen muss, um aus bspw. einem Halten der Hände herauszukommen.

Interessant ist, dass er sich bzgl. Atemi auf Anfänger bezieht. Heißt, Fortgeschrittene sollten/können Atemi einsetzen.

Grüße

Gast
26-09-2018, 11:20
Ist die Frage, wie es zu verstehen ist. Im ungünstigen Fall ist’s esoterisch gemeint, ohne Kampfbezug. In Richtung, was Aikido wohl darstellen soll, also nicht zum Kämpfen gedacht. Wonach es im Interview eigentlich auch klingt.

Ich verstehe es so:

Aikido hatte nach Ansicht des Begründers nicht die Intention, den Kampf zu befördern, sondern den Gedanken des Kämpfens zu überwinden, da dieser Konflikte hervorruft. Konflikte sind die Ursache von Kriegen, etc.
Dafür ist es jedoch notwendig ein effektives Budo zu beherrschen, um eine Position der Stärke zu besitzen, die "keine Öffnungen" zulässt, denn diese könnten in jemanden den Gedanken an einen Angriff hervorrufen.
So ist derjenige der angreifbar ist, selbst Schuld, da er diese Möglichkeit bietet.
Genau wie in dem Beispiel mit dem Diebstahl, in dem Tohei ein Ledermantel gestohlen wurde, und O Sensei ihm selbst die Schuld gab, weil er dem Dieb die Möglichkeit dazu gegeben hatte.
Für diese Position der Unangreifbarkeit ist es also nötig agieren zu können, aber man muss den Angreifer nicht verletzen oder töten, Atemi sind wichtig um die Angriffsintention zu zerstören, sollten aber eben besser so eingesetzt werden, dass sie keinen übermäßigen Schaden verursachen.
Anfänger sind dazu nicht in der Lage, sie müssen erst die korrekte Technik und die Positionen üben, um später daraus agieren zu können.
Atemi sind eben nicht dazu da um die Technik durchzusetzen, dass geht bei korrekter Technik auch so, aber eben um die Angriffsintention des Angreifers möglichst effektiv zu zerstören, um dann seinen Geist ändern und lenken zu können.

Das ist es meiner Ansicht nach, was er mit einem "deeper Karate, Judo" etc. meint.

Narexis
27-09-2018, 15:19
[...] ist das nicht das Training was sich einige so vorstellen wenn sie an Aikido denken, aber wir machen sowas.
Genau das würde mich bspw. mal interessieren und sei es nur als stiller Zuschauer :). (Ich bin der festen Überzeugung, dass ich nur genug Vereine abklappern muss, wenn es das da draußen doch gibt :).)
(Wobei das allerdings noch lange nicht vor den Traumtänzern schützt, um die es in dem Abschnitt ging :D. Sonst gäb’s die ja auch nicht unter den Boxern :o.)



Nicht immer und nicht aussschließlich, aber wenn go no geiko trainiert wird, geht es bei einigen mehr, bei anderen weniger in diese Richtung, ja nach Lust und Laune. Das ist zwar noch kein richtiges "kämpfen", aber ich denke doch dass da kämpferische Fähigkeiten geschult werden können.
Fähigkeiten definitiv, wobei ich persönlich der festen Überzeugung bin, dass „kämpfen können“ eine der Fähigkeiten ist, die man dadurch erwirbt, dass man es macht und es erst dadurch verstehen kann. Das allerdings in dem Ausmaß, dass ich es als bloßes (individuelles und von der Person abhängiges) Glückspiel betrachte, wie es ausgeht, wenn man die "trainierten" Fähigkeiten dann unter Druck abrufen soll.

(Merkt man auch sehr schnell bei den Fähigkeiten, die ganz schnell nachlassen, sobald man mit Partnern nur noch kooperativ trainiert oder sich auf andere Punkte konzentriert. Erkennt man auch bei den wirklich gut trainierten Anfängern im sportlichen Rahmen, die das erste Mal im Ring stehen oder dem Sportler, der im "Ernstfall" erst einmal einfriert - was mir selbst schon passiert ist, bis der Schmerz gewisse Reaktionen ausgelöst und mich aus der Starre befreit hat. Das heißt nicht, dass man sich jedes Training blind auf die Schnauze hauen muss, aber man muss bestimmte Erfahrungen gemacht haben, um sie ins Training übertragen zu können, zu wissen, worum es eigentlich geht, wie es sich anfühlt und wie man darunter reagiert und den Schritt kann einem niemand abnehmen. Sieht man immer wieder schön, wenn Personen das erste Mal damit konfrontiert werden, die schon aus anderen Systemen gute Grundfertigkeiten mitbringen - bis hin zu Wettkämpfen und teilweise reicht es da bereits, wenn erstmals harte Schläge ins Gesicht dazukommen.)



[...]
Danke für die interessanten Infos :).



Sich messen, das ist natürlich möglich. Bei uns ging es lange darum, wer länger durchhält, wer der mental stärkere ist oder die bessere Kondition hat. Rein aus Trainigszwecken natürlich, nicht um gegeneinander zu kämpfen.
Interessant, das ist bspw. nicht, was ich mit ‚sich messen‘ meinte und man nicht auch in so ziemlich jedem anderen Sport erleben kann; ich würde das noch eher unter normalem Training und gegenseitigem Anspornen zusammenfassen.



Einen Übertrag ins eigene System aus dem Aikido, ich glaube das funktioniert nicht wie die Leute sich das vorstellen.
Die sogenannten Aikido-Konzepte, [...].
Du denkst da etwas zu kompliziert, der Großteil - den ich kennengelernt habe - geht da ganz stumpf ran und sucht sich an Techniken und Taktiken - und nur selten Konzepten - raus, was er übertragen will. Bis auf die langjährigen Aikidoka, die vermutlich auch was vom System verstanden haben (sollten), hab ich das Beschriebene auch noch bei keinem erlebt. (Andererseits sind das auch alles keine Anfänger mehr und denen geht es primär, wie auch mir, um neuen Input, neue Ideen und möglicherweise neue Anregungen, was man daraus machen könnte. Keiner davon denkt, man könne auf die Schnelle genug des Systems verstehen und es läuft primär auf eigene Gedankengänge (usw.) raus.

Häufig braucht es da auch kein Konzept, wenn man bspw. das Weiterleiten „nutzen“ will - von ‚übertragen‘ würde da vermutlich keine reden, bereits aufgrund des fehlenden Verständnisses der Bedeutung im Aikido -, reicht es, es am eigenen Körper erfahren zu haben und daraus werden dann Kleinigkeiten im eigenen Rahmen konstruiert, indem man bspw. eine Technikabfolge minimal anpasst.)

(Danke für die Zeilen, ich denk mal darüber nach :).)



Aikido hatte nach Ansicht des Begründers nicht die Intention, den Kampf zu befördern, sondern den Gedanken des Kämpfens zu überwinden, da dieser Konflikte hervorruft. Konflikte sind die Ursache von Kriegen, etc.
Dafür ist es jedoch notwendig ein effektives Budo zu beherrschen, um eine Position der Stärke zu besitzen, die "keine Öffnungen" zulässt, denn diese könnten in jemanden den Gedanken an einen Angriff hervorrufen.
So ist derjenige der angreifbar ist, selbst Schuld, da er diese Möglichkeit bietet.
Genau wie in dem Beispiel mit dem Diebstahl, in dem Tohei ein Ledermantel gestohlen wurde, und O Sensei ihm selbst die Schuld gab, weil er dem Dieb die Möglichkeit dazu gegeben hatte.
Das ist vermutlich der angestrebte utopische Gedanke?



Für diese Position der Unangreifbarkeit ist es also nötig agieren zu können, aber man muss den Angreifer nicht verletzen oder töten, Atemi sind wichtig um die Angriffsintention zu zerstören, sollten aber eben besser so eingesetzt werden, dass sie keinen übermäßigen Schaden verursachen.


Atemi sind eben nicht dazu da um die Technik durchzusetzen, dass geht bei korrekter Technik auch so, aber eben um die Angriffsintention des Angreifers möglichst effektiv zu zerstören, um dann seinen Geist ändern und lenken zu können.
Wie soll das funktionieren? (Ohne mir zumindest das Gefühl zu vermitteln, mich jederzeit „verletzen oder töten“ zu können, mir gleichzeitig das Wissen zu nehmen, dass bereits ein Glückstreffer bzw. guter Treffer ausreichen kann oder Möglichkeiten eröffnet und man für gewöhnlich immer getroffen wird und dann noch darauf zu hoffen, dass mich das in dem Moment überhaupt interessiert oder rationale Gedanken gefällt werden können, sehe ich da keine nennenswerten Optionen. Insbesondere wenn man davon ausgeht, dass es dabei nicht um den gewöhnlichen Betrunkenen geht, der nach ein paar Sekunden schon keine Luft mehr hat vom Schwinger-Schlagen.)

Ich habe noch nicht eine Person kennengelernt, die die „Position der Unangreifbarkeit“ eingenommen hätte und bei der es nicht mindestens eine Person gab, die das auf die Probe gestellt hätte. (Dazu noch der Punkt, dass ich noch kein System kennengelernt habe, das den Prozess des Alterns derart eingeschränkt hätte, dass sich nicht bereits dadurch im Laufe der Zeit Angriffspunkte ergeben und auch sonst würde ich gerne sehen, wie jemand es schafft, keinerlei Angriffspunkte/-flächen zu bieten :).)

Ich habe nur wenige Möglichkeiten erlebt, eine "Angriffsintention zu zerstören" und das waren primär Dominanz (psychisch wie physisch), absolute (regelmäßig körperliche) Kontrolle der Person und Verletzungen (körperlich wie seelisch). Ich habe noch nicht eine Person erlebt, die keine Angriffsfläche geboten hätte (und sei es nur aufgrund der Reaktion), meist waren die anderen Personen schlicht zu schlecht, diese vorhandenen Punkte auszunutzen; was für mich etwas vollkommen anderes ist.



Anfänger sind dazu nicht in der Lage, sie müssen erst die korrekte Technik und die Positionen üben, um später daraus agieren zu können.
Gibt es denn überhaupt eine Gruppe (und nicht nur einzelne Ausnahmen), die dazu jemals regelmäßig in der Lage waren oder sind?

LG

Vom Tablet gesendet.

Gast
27-09-2018, 16:28
Interessant, das ist bspw. nicht, was ich mit ‚sich messen‘ meinte und man nicht auch in so ziemlich jedem anderen Sport erleben kann; ich würde das noch eher unter normalem Training und gegenseitigem Anspornen zusammenfassen.


Ich finde es ist noch ein Unterschied, ob man sich gegenseitig anspornt, in dem einer vielleicht ein schwereres Gewicht hebt, schneller läuft oder den anderen auf andere Weise mitzieht, oder ob die Ansage kommt, den anderen konditionell fertig zu machen, in dem man durch taktisches Vorgehen, überlegene Technik, Aufzwingen des eigenen Rhythmus, etc. so weit bringt, dass er nicht mehr aufstehen kann. Das ist schon ein messen, denn es kann nur einer von beiden schaffen. Kommt doch irgendwie der Ansage gleich, den anderen K.O zu hauen.


Keiner davon denkt, man könne auf die Schnelle genug des Systems verstehen...

Aber was kann man denn erwarten mitzunehmen wenn man es nicht verstanden hat? Eine Technik? Was nützt dass wenn man das Konzept nicht versteht wie man sie anwendet?


Ich habe nur wenige Möglichkeiten erlebt, eine "Angriffsintention zu zerstören" und das waren primär Dominanz (psychisch wie physisch), absolute (regelmäßig körperliche) Kontrolle der Person

Genau, darum sollte es gehen, deshalb sollten die technischen Möglichkeiten dies auch bieten können.


Ich habe noch nicht eine Person erlebt, die keine Angriffsfläche geboten hätte

Ich habe Ueshiba leider auch nicht persönlich kennengelernt, deshalb kann ich das was über ihn erzählt wird weder beweisen, noch kann ich mir sicher sein.
Nur, die Leute die ihn kannten, sagen alle dass er nicht angreifbar war, wenn er eine hatte, dann war es geplant und die einzige Möglichkeit anzugreifen, wer es dann versucht hat wurde auch schon im selben Moment geworfen.
Es gab genügend Zeugen seiner Fähigkeiten, und es ist ganz natürlich, solange wie man es nicht selber gesehen hat, glaubt man es nicht.
Ich will hier keinen Unbesiegbarkeitsmythos aufbauen, aber der Ruf und Bekanntheitsgrad Ueshibas beruhte auf seinen Fähigkeiten, nicht auf irgendwelchen Utopien.
Die Prüfung für den 9. Dan eines seiner Schüler (Gozo Shioda) fand dadurch statt, dass er ihn auf seine Position mit dem Schwert testete, ob er "openings" hatte. Er hatte keine, somit war der Test bestanden.
Das war Anfang der 40er Jahre, das Aikidotraining war damals ein anderes als heute.
Was an Können damals bei Ueshiba vorhanden war, wurde natürlich nicht weniger, auch nicht im Alter, seltsamerweise.

Leute wie Nishio und andere haben sich ihre eigenen Gedanken dazu gemacht, sind zu verschiedenen Schlüssen gekommen, ob und wie man die späteren Intentionen Ueshibas nun mit einer effektiven Kampfkunst übereinbringen kann.
Dass der bei seinem background Kämpfen konnte, steht wohl außer Frage.

Narexis
27-09-2018, 22:11
Ich finde es ist noch ein Unterschied, ob man sich gegenseitig anspornt, in dem einer vielleicht ein schwereres Gewicht hebt, schneller läuft oder den anderen auf andere Weise mitzieht, oder ob die Ansage kommt, den anderen konditionell fertig zu machen, in dem man durch taktisches Vorgehen, überlegene Technik, Aufzwingen des eigenen Rhythmus, etc. so weit bringt, dass er nicht mehr aufstehen kann. Das ist schon ein messen, denn es kann nur einer von beiden schaffen. Kommt doch irgendwie der Ansage gleich, den anderen K.O zu hauen.
Dann habe ich den Punkt falsch verstanden, wobei ich da noch nicht so stark trennen würde. Auch bei so ziemlich jeder anderen (kompetitiven) Übung gibt es (regelmäßig) nur einen „Gewinner“. Wie ich das verpacke, ist dann eine andere Frage.

Was Du beschreibst, kann in beide Bereiche/Richtungen gehen. Wie viel kämpferisches Messen, mit dem beidseitigen Ziel, die Situation für sich zu entscheiden, darunter fällt, kannst Du besser beurteilen. Zumindest ich habe noch keinen Aikidoka kennengelernt, der sich im Training wirklich messen wollte - und das fand ich persönlich immer sehr erfrischend.



Aber was kann man denn erwarten mitzunehmen wenn man es nicht verstanden hat? Eine Technik? Was nützt dass wenn man das Konzept nicht versteht wie man sie anwendet?
Ein kleines eigenes Beispiel:
Ich hab vor ein paar Wochen auf privater Ebene ein paar (für mich) sehr wertvolle, erklärende und augenöffnende Infos erhalten. Dabei habe ich unter anderem, vermutlich ohne dass es je beabsichtigt war, eine logische Verknüpfung und einen möglichen Eingang in eine meiner Techniken entdeckt - die ist mir bis dahin einfach noch nicht begegnet oder noch nicht aufgefallen. Ein paar Stunden später im Training getestet, damit die Leute überrascht und seitdem regelmäßig in mein Spiel eingebaut. Gestern wurde ich von einem Thai, der gerade mal wieder durchs Land tourt, gefragt, was ich da denn gemacht hätte, das sei ja interessant und er wird es wohl jetzt auch im Rahmen seiner Reise ein paar Mal testen. Vielleicht taugt's was, vielleicht nicht, dann schmeißt er es wieder raus und vergisst es. (Entspringt wohl auch dem bewaffneten Kampf und hat einen ganz anderen Sinn/Zweck, als ich daraus entnommen habe. Gab es sicherlich auch schon oft genug in meinem Sport, nur halt nicht in meiner Reichweite. Ganz normale Entwicklung innerhalb eines Regelwerks, das nur einen Rahmen und kein festes und starres Gerüst vorgibt.)
Ich hab mir diverse Taktiken aus dem TKD zunutze gemacht, die mir im Kampf einen Vorteil verschafft haben, ich habe mich auf ganz unterschiedlichen Ebenen aus Mitteln bedient, die mir im (Mannschafts-)Leistungssport begegnet sind, habe teilweise sogar nur einzelne Erklärungen, die mir im Forum geliefert wurden und das dahingehende Anschauungsmaterial genutzt und aus meinem Verständnis daraus Dinge übernommen, getestet und selektiert, was ich davon im Training anwenden kann. Ein paar sehr gute Jungs bei mir im BJJ haben sich einzelne Aspekte aus dem MT zunutze gemacht, die ihnen beim Rollen mit mir aufgefallen sind, hinsichtlich der Arbeit im Clinch und einzelner Würfe.

Der ganz entscheidende Punkt ist, dass es nicht darum geht, dass irgendein Anfänger irgendwo aufschlägt, sich zusammenspinnt und bastelt, was funktionieren könnte oder daraus ein eigenes System entwickelt, sondern dass es fast immer Leute mit einem soliden Fundament und einer soliden Grundlage sind, die sich Techniken für einen bestimmten Rahmen zunutze machen und diese meist relativ direkt einem Test unterziehen und spätestens nach ein paar Monaten entscheiden, ob der Versuch geglückt ist oder nicht - dann kann man immer noch in die Tiefe gehen, wie ich es bspw. beim gedrillten Dwit Chagi aus dem TKD gemacht habe und auch wenn ich selbst es nie so gut konnte, habe ich ihn anderen so beigebracht, dass sie damit schon oft (genug) erfolgreich Personen abgefangen haben. Ich muss nicht das MT verstanden haben, um mir als Boxer einzelne Kontrolltechniken oder Vorgehensweisen im Clinch anzueignen, um mir daraus im Kampf einen Vorteil abzuleiten. Ich brauche keine zig Varianten und kein tiefergehendes Verständnis der Technik - oft reicht viel weniger. (Man muss es nur oft genug im Kampf geübt haben. Es muss nicht einmal dasselbe Konzept sein; es reicht, wenn ich etwas daraus "mache", das meine Erwartungen erfüllt und ich tatsächlich anwenden kann.)

Das ist vermutlich auch so ein Grund, weshalb ich mich - als jemand aus den „kampforientierten“ Systemen - immer wieder verwundert frage, was das soll, wenn jemand erklärt, dass es Jahre bis Jahrzehnte braucht, um mal irgendwann evtl. vielleicht damit kämpfen zu können. In so ziemlich jedem mir bekannten System, das auf Kampf (und insbesondere Wettkampf) ausgelegt ist, kommt es viel früher... Da hat keiner die ganzen Details auf dem Schirm, so viele haben eigentlich keinen blassen Schimmer, wieso sie es so machen und noch weniger können sie die Details umsetzen, aber es reicht für die ganz simple Anwendung. Ich hab im BJJ ganze 3 Wochen gebraucht, um mit so ziemlich jedem blutigen Anfänger, der noch weniger Ahnung hatte als ich, fertig zu werden und schon die anderen Weißgurte haben mir meine Fehler ganz schnell aufgezeigt. Die Unterschiede zwischen so manchem Profi mit einer soliden Ausbildung als Amateur und denen ohne im Boxen, Wettkämpfer, die keine blasse Ahnung von der Technik haben, aber sie einfach so oft unter Druck geübt haben, dass sie sie anwenden können und viel mehr habe ich selbst erlebt; abgesehen davon hatte man "damals" vermutlich auch keine 10 Jahre Zeit, die Leute kampfbereit zu bekommen.

Genau das wird hier gemacht: Man holt sich Input und passt die daraus gezogenen Schlüsse der entsprechenden Situation so lange an, bis es unter Druck etwas taugt oder halt nicht. Ich muss einen Hammer nicht schmieden können, um ihn einzusetzen und ich muss nicht mit der höheren Mathematik vertraut sein, um im Alltag einen Dreisatz lösen zu können. (Es hilft und es ist eine jahrelange Aufgabe, es auch nur entfernt zu meistern und ein Spezialist auf dem Gebiet zu werden, doch ist das nicht Voraussetzungen, um es anzuwenden.)

Ein schönes alltägliches Beispiel sind die reellen Zahlen. Der Großteil wird sie im ganzen Leben einfach als "gottgegeben" betrachten und kann sie auch ohne jedes tiefergehende Verständnis anwenden und (be-)nutzen. So läuft das auch mit vielen Techniken, wenn man eine entsprechende Basis mitbringt und insbesondere wenn man sie im Rahmen eines anderen Trainings (mehrfach) kennengelernt hat. Wenn ich einem Grappler die Grundzüge des geraden Schlagens beibringe und ihm die wichtigsten Punkte nenne, auf die er achten muss, wird es immer noch eine "fehlerhafte" Technik sein und doch kann er sie so lange üben und drillen, bis sie funktioniert. (Dazu kommt erneut der Punkt, dass die Technik nur ein Teil des Gesamtbilds ist und gegen wen man sie einsetzt. Keiner hätte versucht, einem Boxer mit den Schlägen gegenüberzutreten, aber für einen Ringer mag es reichen. Meine Würfe interessieren die meisten guten Ringer und Judoka, die ich kenne, herzlich wenig, im BJJ reicht es trotzdem. Man wird nie mit einem Spezialist auf seinem Gebiet mithalten können, das ist auch bei keiner der Personen das Ziel. Man ist selbst Spezialist und holt sich Input aus anderen Systemen, um gegen einen anderen Spezialisten einen Vorteil zu haben und das wird dann auch gegen einen 0815-Sportler oder "Angreifer" funktionieren.)

Auch wenn man das Konzept nicht versteht, wendet man es evtl. anders an, aber nicht unbedingt schlecht und weniger erfolgreich. Es gibt bei Kicks sehr unterschiedliche Konzepte und man erkennt die unterschiedlichen Einflüsse. Auch bei Fegern und Würfen merke ich es (regelwerksbedingt) selbst immer wieder. Solange ich es unter Druck und erfolgreich einsetzen kann, hat es seinen Zweck erfüllt; egal ob es nun Konzept A entspricht oder nicht. Ich durfte mir schon so oft anhören, dass etwas "falsch" ist, nur weil ich ein anderes Konzept verwende und das ziemlich erfolgreich. Merkt eigentlich jeder Sportler, der in einen anderen Stil reinschnuppert und seine Angewohnheiten - insbesondere unter Druck - nicht direkt ablegen kann :D. (Das ging so weit, dass ich mir nach einem KO auf der Matte im TKD (Kampf) anhören durfte, dass die Technik grottenfalsch sei. Ja, aus Sicht des TKD war das auch so, nur hab ich darüber in dem Moment nicht nachgedacht und einen ganz soliden Kick gelandet :D. Anderes Konzept, aber das Ergebnis stimmt. Es kostet mich noch heute (anfangs) eine Menge Konzentration, bei Formen die Schläge im TKD bis ins Detail so auszuführen, dass es keine "boxerischen" Schläge sind.)

Hoffe, das war einigermaßen verständlich.



Genau, darum sollte es gehen, deshalb sollten die technischen Möglichkeiten dies auch bieten können.
Wobei die „technischen Möglichkeiten“ nur ein kleiner Teil des Gesamtbilds sind.



Ich habe Ueshiba leider auch nicht persönlich kennengelernt, deshalb kann ich das was über ihn erzählt wird weder beweisen, noch kann ich mir sicher sein.
Nur, die Leute die ihn kannten, sagen alle dass er nicht angreifbar war, wenn er eine hatte, dann war es geplant und die einzige Möglichkeit anzugreifen, wer es dann versucht hat wurde auch schon im selben Moment geworfen.
[...]
Dann frage ich mich weiterhin, wie das funktionieren soll.
Sobald ich agiere oder reagiere, biete ich Angriffsflächen und auch sonst ist mir nicht bekannt, wie jemand keine Angriffsfläche bieten sollte.
Der Text klingt für mich schlicht nach einer Überlegenheit, aber nicht danach, dass es keine Angriffsflächen gab. (Ähnlich wie genug Anfängern auch meine Lücken bekannt sind, sie allerdings nicht zum Zug kommen und wie auch ich schon oft genug nicht in der Lage war, mir bekannte Lücken, Schwächen und Ziele erfolgreich auszunutzen.)



Was an Können damals bei Ueshiba vorhanden war, wurde natürlich nicht weniger, auch nicht im Alter, seltsamerweise.
Der Punkt ist bspw. etwas, das ich persönlich schlicht als Mythos werte. Man kann viel durch Erfahrung (etc.) kompensieren, aber ich habe noch nicht eine Person höheren Alters kennengelernt, die für einen ernsthaft austrainierten und erfolgreichen (Wett-)Kämpfer in seiner aktiven Phase unangreifbar gewesen wäre. Das war dann meistens schlicht dem Respekt geschuldet. Hat auch keiner erwartet, der Großteil war (natürlich) nicht mehr so gut, wie in seiner eigenen "Hochphase" und so sehr ich manche der Personen dafür bewundere, was sie auch im Alter zu leisten im Stande sind, wurde bei vielen das „Können“ weniger. Zumindest weniger erfolgreich angewendet und auch die Erfahrung stößt an ihre Grenzen. (Gerade im kämpferischen Hochleistungsbereich/-sport meist sehr gut zu erkennen.) (Da helfen bspw. auch 40 Jahre Erfahrung nur bedingt, wenn man mit einem austrainierten Kämpfer mit 15 Jahren Erfahrung konfrontiert wird, der noch voll im Saft steht und in den 15 Jahren auch aufgrund der Physis intensiver, mehr und härter trainieren konnte als man selbst in den letzten 15 Jahren der 40 Jahre. Wobei das natürlich nur Spekulation und meiner persönlichen Erfahrung, als jemand mit weit weniger als 40 Jahren Erfahrung, geschuldet ist :o.)

LG

Vom Tablet gesendet.

carstenm
02-10-2018, 10:33
Moin

Ich glaube die Aussagen, die ich hier mal lose zusammengepickt habe, beschreiben einen meiner Ansicht nach charakteristischen Unterschied, was das Wesen des Übens anbetrifft:

... Dabei habe ich ... eine logische Verknüpfung und einen möglichen Eingang in eine meiner Techniken entdeckt ... Ein paar Stunden später im Training getestet ... und seitdem regelmäßig in mein Spiel eingebaut.
... er wird es wohl jetzt auch im Rahmen seiner Reise ein paar Mal testen. Vielleicht taugt's was, vielleicht nicht, dann schmeißt er es wieder raus und vergisst es. ...
Das ist vermutlich auch so ein Grund, weshalb ich mich - als jemand aus den „kampforientierten“ Systemen - immer wieder verwundert frage, was das soll, wenn jemand erklärt, dass es Jahre bis Jahrzehnte braucht, um mal irgendwann evtl. vielleicht damit kämpfen zu können. ...
In so ziemlich jedem mir bekannten System, das auf Kampf (und insbesondere Wettkampf) ausgelegt ist, kommt es viel früher... Da hat keiner die ganzen Details auf dem Schirm, so viele haben eigentlich keinen blassen Schimmer, wieso sie es so machen und noch weniger können sie die Details umsetzen, aber es reicht für die ganz simple Anwendung.

Es geht beim Üben von aikidô - so wie ich es kennengelernt habe - nicht um die Funktionalität bestimmter Aspekte, Techniken, Eingänge, Elemente ... sondern darum, das budô Ueshibas, wie es in der Schule seiner Familie weitergegeben wird, als Solches zu lernen. Und als Lehrer dann auch, dieses budô möglichst getreu zu tradieren. Das ist nicht anders, als in koryû.


... es reicht, wenn ich etwas daraus "mache", das meine Erwartungen erfüllt und ich tatsächlich anwenden kann. ...Dieser Gedanke ist darum im Üben von aikidô - so wie ich es kenne - geradezu ein no go. Denn es geht dabei gerade nicht darum, daß ICH etwas daraus mache, sondern darum, daß ich das budô Ueshibas, das ja auch nur eine Linie einer viel älteren Tradition ist, möglichst tief kennen lerne. Und mich durch dieses budô formen lasse.

So ähnlich, wie es beim chadô nicht um lecker Tee geht.
Oder beim ikebana nicht um Geburtstagssträuße.
Oder beim zazen nicht um bequemes Sitzen.

Ich habe aikidô mal angefangen, um eine "für Geisteswissenschaftler taugliche SV" (Jemand nannte das mal fighting system for nerds.)zu lernen. Und das hat auch ganz gut hingehauen (man beachte das lustige Wortspiel!), weil ich mit dem Lehrern und den Übungskollegen Glück hatte. Mir ist erst später bewußt geworden, daß das nicht selbstverständlich ist.
Inzwischen betrachte ich mein Üben als einen spirituellen Weg, der als Nebenprodukt auch meine Gesundheit fördert. Ich habe den Eindruck, daß ich jetzt überhaupt erst langsam eine Idee davon bekomme, was dieses budô alles enthält und transportiert. Vor allem aber verbessert es zunehmend meine psychische Befindlichkeit und meine körperliche Gesundheit. Und beides ist in einem Alter, in dem Freunde immer mehr über Wehwechen, Unbeweglichkeit und das Älterwerden allgemein klagen, für mich persönlich weitaus gewinnbringender, als immer noch wie früher daran zu arbeiten, andere Leute zu verkloppen.

Nichtsdestotrotz mache ich die Erfahrung, daß Leute, die Anregungen für sich selber suchen, auch bei dieser Art des Übens immer wieder etwas mitnehmen und in ihr eigenes System einbauen können.

Langer Rede, kurzer Sinn:
Ich verstehe es so, daß es beim Üben von aikidô um das Lernen und Üben des Systems selber geht.
Ob man und was man dann mit diesem System anfangen kann - Wattebäuschchen werfen, Leute verhauen, 101 alt werden oderwasauchimmer - ist erst einmal zweitrangig, oder eine Art Nebeneffekt.
Ich erlebe das Üben von aikidô strukturell ebenso wie das Üben von koryû als nicht anwendungsorientiert.

Narexis
03-10-2018, 13:53
Ich glaube die Aussagen, die ich hier mal lose zusammengepickt habe, beschreiben einen meiner Ansicht nach charakteristischen Unterschied, was das Wesen des Übens anbetrifft:
Erst einmal vielen Dank für die sehr interessante Antwort! :)
(Ich sollte evtl. nur an der Stelle noch einmal kurz darauf hinweisen, dass es beim zitierten Teil primär darum ging, wie man etwas aus einem anderen Training mitnehmen kann, wenn man es nicht verstanden hat. Im Prinzip macht man auch da nichts anderes, als den Input seinem eigenen System und seinem eigenen Wissen und Verständnis zu unterwerfen.)



Es geht beim Üben von aikidô - so wie ich es kennengelernt habe - nicht um die Funktionalität bestimmter Aspekte, Techniken, Eingänge, Elemente ... sondern darum, das budô Ueshibas, wie es in der Schule seiner Familie weitergegeben wird, als Solches zu lernen. Und als Lehrer dann auch, dieses budô möglichst getreu zu tradieren. Das ist nicht anders, als in koryû.
Sehr interessant, vielen Dank. Ich habe bis jetzt (in den „anderen Ecken“) immer kennengelernt, dass man in den traditionellen Ecken ähnlich an die Sache rangegangen ist, allerdings (unter ausdrücklichem Hinweis darauf) auch Ergänzungen zugelassen hat oder zumindest im sportlichen Rahmen weit offener war.
Bei dem Beschriebenen oder wie ich es bspw. auch in so mancher „traditionellen“ Ecke kennengelernt habe, wurde es dann jedoch (sehr) häufig zum Problem, dass eigentlich kaum noch einer wusste, wieso man etwas macht bzw. das Verständnis häufig zu bloßem Nachahmen verkommen ist und man zwar bis ins Detail erklären konnte, wie man etwas macht, jedoch nicht wieso.



Dieser Gedanke ist darum im Üben von aikidô - so wie ich es kenne - geradezu ein no go. Denn es geht dabei gerade nicht darum, daß ICH etwas daraus mache, sondern darum, daß ich das budô Ueshibas, das ja auch nur eine Linie einer viel älteren Tradition ist, möglichst tief kennen lerne. Und mich durch dieses budô formen lasse.
Dabei frage ich mich immer wieder, wie ich das verhindern kann? Wenn ich mich durch etwas formen lasse, mache doch immer noch ich etwas daraus und jeder wird seine - wenn auch nur minimal unterschiedliche - individuelle Interpretation/Lehre daraus ziehen. Ich habe es selbst auch immer so gehalten, dass bei mir jeder die Grundschule beherrschen musste und erst viel, viel später „individuell“ gearbeitet wurde, aber auch im traditionellen Bereich habe ich schnell gemerkt, dass man zwar dieselben Ansichten (gelernt) hatte, die Techniken möglichst identisch ausgeführt hat und sie trotzdem von jedem (etwas) anders wahrgenommen und auch vermittelt wurden. Insbesondere wenn es um Tipps zur Ausführung ging. Man ist ja nicht nur ein leeres Gefäß oder eine Hülle, die nach Belieben geformt werden kann.
Ist nicht auch genau das einer der Gründe, wie und wieso es die unterschiedlichen Linien viel älterer Traditionen gibt?

Da würde mich immer wieder interessieren, wie viele das von Dir angesprochene Ideal anstreben, wie viele es wirklich verfolgen (oder es sich vormachen) und bei wie vielen das wirklich gelingt, ohne dass sie selbst einen eigenen Stempel aufdrücken.



Ich habe aikidô mal angefangen, [...].
Inzwischen betrachte ich mein Üben als einen spirituellen Weg, [...].
Erneut vielen Dank für den Input und es freut mich sehr, das zu hören :). (Klingt wünschenswert :).)



Nichtsdestotrotz mache ich die Erfahrung, daß Leute, die Anregungen für sich selber suchen, auch bei dieser Art des Übens immer wieder etwas mitnehmen und in ihr eigenes System einbauen können.
Das glaube ich sehr gerne - auch wenn das ja wieder bedeuten würde, das sie etwas Eigenes daraus machen (bzw. es nicht mehr als ganzes und geschlossenes Konzept/... betrachten oder behandeln) :D. Das beschriebene Vorgehen war auch primär darauf bezogen bzw. hat vorausgesetzt, dass man es nicht verstanden hat - sonst ist es ein anderer, jedoch auch gewinnbringender, Weg - und es ging primär darum, evtl. verdeutlichen zu können, wieso und wie man trotzdem davon profitieren kann.



Langer Rede, kurzer Sinn:
Ich verstehe es so, daß es beim Üben von aikidô um das Lernen und Üben des Systems selber geht.
Ob man und was man dann mit diesem System anfangen kann - Wattebäuschchen werfen, Leute verhauen, 101 alt werden oderwasauchimmer - ist erst einmal zweitrangig, oder eine Art Nebeneffekt.
Ich erlebe das Üben von aikidô strukturell ebenso wie das Üben von koryû als nicht anwendungsorientiert.
Das habe ich jetzt schon häufiger gehört und finde es jedes Mal interessant, schlüssig und auch „gut“. (Gleichzeitig sind das dann auch die Personen gewesen, die meist keinerlei „Versprechen“ oder „Werbung“ für irgendetwas gemacht haben. Für sie war der Weg immer derselbe, das Ergebnis, was man damit „anfangen kann“, jedoch komplett individuell und auch nicht relevant.)

LG

Vom Tablet gesendet.

Gast
04-10-2018, 12:04
Dabei frage ich mich immer wieder, wie ich das verhindern kann? Wenn ich mich durch etwas formen lasse, mache doch immer noch ich etwas daraus und jeder wird seine - wenn auch nur minimal unterschiedliche - individuelle Interpretation/Lehre daraus ziehen. Ich habe es selbst auch immer so gehalten, dass bei mir jeder die Grundschule beherrschen musste und erst viel, viel später „individuell“ gearbeitet wurde, aber auch im traditionellen Bereich habe ich schnell gemerkt, dass man zwar dieselben Ansichten (gelernt) hatte, die Techniken möglichst identisch ausgeführt hat und sie trotzdem von jedem (etwas) anders wahrgenommen und auch vermittelt wurden. Insbesondere wenn es um Tipps zur Ausführung ging. Man ist ja nicht nur ein leeres Gefäß oder eine Hülle, die nach Belieben geformt werden kann.
Ist nicht auch genau das einer der Gründe, wie und wieso es die unterschiedlichen Linien viel älterer Traditionen gibt?

Da würde mich immer wieder interessieren, wie viele das von Dir angesprochene Ideal anstreben, wie viele es wirklich verfolgen (oder es sich vormachen) und bei wie vielen das wirklich gelingt, ohne dass sie selbst einen eigenen Stempel aufdrücken.
Im Prinzip stimme ich Carstens letzten Beitrag zu. Kisshomaru Ueshiba (der Sohn von Morihei und 2. Doshu) hat es mal so formuliert:

Sobald die Frauen* mit dem (Aikido-)Training beginnen, merken sie, dass sie Ki kultivieren können, indem sie schwierige Übungen mit vereintem Geist/Körper wiederholen Die Tatsache, dass es der Gesundheit und Schönheit zugute kommen oder als Selbstverteidigung nützlich sein mag, ist lediglich ein Nebenprodukt, welches in keinem Bezug zum Geist des Aikido steht. Wenn man solche Ergebnisse schnell und als Selbstzweck sucht, wir das wahre Verständnis für das, was Aikido zu bieten hat, untergraben
Als Anfänger und auch viele Jahre danach kann ich das "Budo Ueshibas" unmöglich kennen und verstehen. Es ist auch noch schwer bis unmöglich einzuschätzen, ob und wie viel meine Lehrer von dem Tradierten weitergeben können oder wollen und wie viel eher durch persönliche Perspektive geprägt ist. Ich kann mich also nur auf das einlassen, was meine Lehrer zeigen und üben lassen und entscheiden, ob ich es attraktiv finde oder auch nicht. Oder mit den Worten Kisshomarus:

Am Anfang haben sie (die meisten Aikidoka) Zweifel und Fragen, dann gehen sie zum ersten Training, und allmählich lernen sie Methoden und Formen des Aikido kennen. Mit der Zeit erleben sie seine unwiderstehliche Anziehungskraft und erhaschen etwas von seiner unendlichen Tiefe. Vom Erhaschen der unendlichen Tiefe bin ich noch unendlich weit weg, aber die Attraktivität kann ich u.a. mit dem begründen, was Carsten geschrieben hat:

Vor allem aber verbessert es zunehmend meine psychische Befindlichkeit und meine körperliche Gesundheit. Und beides ist in einem Alter, in dem Freunde immer mehr über Wehwechen, Unbeweglichkeit und das Älterwerden allgemein klagen, für mich persönlich weitaus gewinnbringender, ...
Vielleicht muss man erst ein gewisses Alter erreichen, um das wertzuschätzen.


___________________________
*) 1984 in Japan sah sich der 2. Doshu noch dazu genötigt zu erklären oder fast schon zu entschuldigen, dass Frauen und Männer gleichberechtigt üben und damit auch Männer wie Frauen ein Budo ausüben. Daher gilt dieser Absatz für alle Aikidoka.

Gast
04-10-2018, 15:27
*) 1984 in Japan sah sich der 2. Doshu noch dazu genötigt zu erklären oder fast schon zu entschuldigen, dass Frauen und Männer gleichberechtigt üben und damit auch Männer wie Frauen ein Budo ausüben. Daher gilt dieser Absatz für alle Aikidoka.

Glaust du wirklich?
Schon Morihei Ueshiba unterrichtete bereits vor dem Krieg Frauen, die Zeichnungen in seinem 1. Buch stammen von seiner Schülerin Takako Kunigoshi.

Auch im Training des Nidai Doshu haben bereits Anfang der 60er Jahre Frauen mit trainiert, das war damals schon kein Problem, sicher nicht mehr 1984.

Gast
04-10-2018, 16:26
Auch wenn man das Konzept nicht versteht, wendet man es evtl. anders an, aber nicht unbedingt schlecht und weniger erfolgreich. Es gibt bei Kicks sehr unterschiedliche Konzepte und man erkennt die unterschiedlichen Einflüsse.

Ok, dann guckst du dir irgendwo einen Kick ab, ohne das Konzept zu verstehen, und machst dann was anderes draus.
Übetragen auf Aikido wäre das sich eine Hebel- oder Wurftechnik, beispielsweise ude garami oder shiho nage abzuschauen, und das dann irgendwie einzubauen.
Nur ist es dann völlig egal ob dir diese Technik, die es in verschiedenen anderen Systemen welche mit Hebeltechniken arbeiten, auch geben dürfte, im Aikido, im Jujutsu, Chin'na oder woanders abgeschaut hast.
Etwas von Aikido mitzunehmen hieße für mich, tatsächlich etwas vom Konzept verstanden zu haben, denn Techniken sind Nebensache, die meisten dieser Techniken gibt es wie gesagt in anderen Systemen auch, nur sollte man halt verstehen was dahinter arbeitet, welcher Motor im Aikido bringt diese Techniken zur Wirkung?
Ohne das ist es eben was anderes, man kann dann nicht sagen "ich habe das aus dem Aikido übernommen", weil da noch was anderes dazu gehört.

Narexis
04-10-2018, 16:28
[...]
Danke :halbyeaha. (Ist für mich tatsächlich sehr interessant und spannend, die Texte hier zu lesen :).)


Glaust du wirklich?
Schon Morihei Ueshiba unterrichtete bereits vor dem Krieg Frauen, die Zeichnungen in seinem 1. Buch stammen von seiner Schülerin Takako Kunigoshi.

Auch im Training des Nidai Doshu haben bereits Anfang der 60er Jahre Frauen mit trainiert, das war damals schon kein Problem, sicher nicht mehr 1984.
Könnte es sein, dass es da mehr um das gleichberechtigte Training geht? Der Teil würde mich auch interessieren :). (Ich bin da aufgrund des MT-Hintergrunds evtl. etwas zu skeptisch ;) und habe nur die heutige japanische Kultur kennengelernt.)

LG

Vom Tablet gesendet.

Narexis
04-10-2018, 16:55
Ok, dann guckst du dir irgendwo einen Kick ab, ohne das Konzept zu verstehen, und machst dann was anderes draus.
Großteils wird nichts anderes daraus gemacht, sondern die Technik lediglich individuell bzw. vor dem eigenen Hintergrund interpretiert - man erkennt die Basis und häufig auch die Herkunft. Ich beginne bspw. Gegebenheiten des Kampfes einzubeziehen, die es im anderen System nicht gibt. (Dem Boxer kann es egal sein, ob er für Ellenbogen- oder Knieangriffe offen ist, während er den Clinch bricht oder den Gegner kurz so kontrolliert, dass er sich einen Vorteil verschafft.)

Ich wollte damit primär zeigen, dass es bereits dann etwas bringt (und alles andere als nutzlos ist), wenn man es noch nicht verstanden hat bzw. "was […] man denn erwarten [kann] mitzunehmen wenn man es nicht verstanden hat". Es bringt natürlich entsprechend auch etwas, wenn man nur glaubt, es verstanden zu haben oder wenn man es tatsächlich verstanden hat.
Mein Beispiel mit dem Video war so ziemlich der „Extremfall“. Normalerweise begegnet einem das auf der Matte, die Ausführung wird korrigiert und man kommt damit in Berührung bzw. stellt die Technik (etc.) sogar den Mittelpunkt dar.



Nur ist es dann völlig egal ob dir diese Technik, die es in verschiedenen anderen Systemen welche mit Hebeltechniken arbeiten, auch geben dürfte, im Aikido, im Jujutsu, Chin'na oder woanders abgeschaut hast.
Nein.
Man lernt viele Dinge, insbesondere im jeweiligen Training, in ganz anderen Kontexten oder auch Ausführungen kennen. Geh ins (klassische) Kickboxen, TKD und MT und lass Dir einen harten runden Kick zu den Rippen zeigen. Auch wenn Du keine Ahnung vom Konzept, den ganzen Hintergründen usw. hast, wirst Du schnell die Unterschiede kennenlernen und entsprechend ändert sich der Input.
Theoretisch sind alle Kicks aus dem TKD auch im MT zu finden, praktisch wirst Du im TKD viel häufiger bestimmte Techniken und Taktiken kennenlernen. Der Clinch im MT ist anders als der im Ringen etc. Sogar zwischen dem Boxen im MT und dem Boxen im olympischen Boxen gibt es Unterschiede, es spielt bereits eine große Rolle, ob man hierzulande oder in Thailand mit dem Training konfrontiert wird.
Der Input bzw. was einem an die Hand gegeben wird - noch ganz ohne das geringste Verständnis -, beeinflusst bereits maßgeblich, was man daraus macht bzw. wie man es selbst interpretiert. Ich habe bestimmte Hebel im Aikido, BJJ und sogar TKD (:o) kennengelernt und trotz derselben Technik war das komplette Paket und der Input (sehr) unterschiedlich.



Etwas von Aikido mitzunehmen hieße für mich, tatsächlich etwas vom Konzept verstanden zu haben, denn Techniken sind Nebensache, die meisten dieser Techniken gibt es wie gesagt in anderen Systemen auch, nur sollte man halt verstehen was dahinter arbeitet, welcher Motor im Aikido bringt diese Techniken zur Wirkung?
Ohne das ist es eben was anderes, man kann dann nicht sagen "ich habe das aus dem Aikido übernommen", weil da noch was anderes dazu gehört.
Wie gesagt, es war primär auf Deine Äußerung bezogen und nicht auf die ganzen Dinge, die auf den Stufen darüber zu finden sind. Gleichzeitig bleibt es für mich persönlich dabei, dass ich einen Ablauf aus XY mitgenommen habe, wenn er sich in entscheidenden Punkten von den anderen Stilen, die diese Techniken auch beinhalten, unterscheidet (und sei das nur im Rahmen der Ausführung oder taktischen Anwendung), auch wenn ich sie oder was alles dahinter steht noch nicht verstanden habe.
(Auch einer der Punkte, an denen man die unterschiedlichen Stile dann in der Anwendung ganz gut erkennen kann. Wie gesagt, theoretisch mach ich nichts anderes als die Boxer, praktisch merken die ganz schnell, wenn man mich ordentlich unter Druck setzt, dass ich eine andere Basis habe. Auch im TKD sind die Techniken prinzipiell enthalten, ich führe sie jedoch so unterschiedlich aus, wenn man mich erneut unter Druck setzt, dass auch da der Unterschied bzw. die Herkunft beinahe offensichtlich ist.)

LG

Vom Tablet gesendet.

Gast
04-10-2018, 17:32
Glaust du wirklich?
Schon Morihei Ueshiba unterrichtete bereits vor dem Krieg Frauen, die Zeichnungen in seinem 1. Buch stammen von seiner Schülerin Takako Kunigoshi.

Auch im Training des Nidai Doshu haben bereits Anfang der 60er Jahre Frauen mit trainiert, das war damals schon kein Problem, sicher nicht mehr 1984.
Das ist (mir) alles bekannt. Erklärungsbedürftig für Kisshomaru Ueshiba in seinem Buch war eher die Tatsache, dass im Vergleich zu anderen Kampfkünsten relativ "sehr viele mehr" Frauen Aikido ausüb(t)en und er deshalb befürchtete, dass gerade deswegen Aikido als Budo nicht mehr ernst genommen wird. Nachzulesen auf pg. 64ff (Kapitel "Das Spektrum der Aikidoka")

Gast
05-10-2018, 09:30
Der Input bzw. was einem an die Hand gegeben wird - noch ganz ohne das geringste Verständnis -, beeinflusst bereits maßgeblich, was man daraus macht bzw. wie man es selbst interpretiert. Ich habe bestimmte Hebel im Aikido, BJJ und sogar TKD (:o) kennengelernt und trotz derselben Technik war das komplette Paket und der Input (sehr) unterschiedlich.


Ja natürlich, der Input resultiert ja aus dem jeweiligen Konzept, mag ja auch sein dass man da was mitnehmen kann. Es ist jedenfalls längst nicht das, was es sein soll, wenn man trotzdem damit zufrieden ist, dann ist es ja gut. War jedenfalls nie meine Herangehensweise, wenn ich zum Karate gegangen bin, dann wollte ich Karate lernen und verstehen, nicht nur mir ein paar Schlagtechniken anzueignen, um mein Aikido aufzupeppen.
Ich dachte immer es gibt einen Inhalt, den ich verstehen will, sonst wäre es Zeitverschwendung.
Letztendlich hat es sich doch gegenseitig irgendwie beeinflusst, aber auf andere Art.

Narexis
06-10-2018, 20:57
Ja natürlich, der Input resultiert ja aus dem jeweiligen Konzept, mag ja auch sein dass man da was mitnehmen kann. Es ist jedenfalls längst nicht das, was es sein soll, wenn man trotzdem damit zufrieden ist, dann ist es ja gut.
Viel bleibt einem da doch eh nicht übrig... Sonst würde ich das System vollumfänglich und mit der vollen Aufmerksamkeit oder zumindest langjährig - um den gewünschten Punkt zu verstehen - trainieren. Ich habe auch noch keine Person getroffen, die mit dem Übertrag - bspw. aus 5 Jahren 2x pro Woche ergänzend MT - nicht zufrieden gewesen wäre und doch hat die Person regelmäßig noch ziemlich große Lücken, von manchen Teilen überhaupt keine Ahnung und auch wenn sie sich bspw. 'nur' auf Ellenbogen im Clinch konzentriert hat, sind auch da noch enorme Lücken - trotzdem ist auch ein enormer Übertrag vorhanden.
Ist doch nun wirklich nicht so, dass man erst dann was mitnehmen kann, wenn man das System oder den Teil komplett kapiert hat und so wie das hier im Forum regelmäßig klingt, dürften das wohl >40 Jahre im Aikido sein und zwischendurch ändert sich dann auch noch evtl. die ganze Einstellung oder Ansicht komplett...

Sonst wären auch so ziemlich alle Seminare komplett sinnlos - insb. die stilübergreifenden. (Die auch noch ein wunderschönes Beispiel für den Input und Übertrag darstellen. So z. B. wenn ich für Boxer ein Seminar geleitet und dabei Konzepte aus dem MT ans Boxen angepasst habe.)

Gleichzeitig kommt man sich doch dann bereits ordentlich in die Quere, wenn man mind. zwei Künste oder Sportarten gleichzeitig trainiert, weil einen beide interessieren oder sich ergänzen und die Leute, bei denen es langjährig auf „alles, aber nichts davon ordentlich“ rauslief, haben mich nie wirklich beeindruckt. Im Gegenzug sieht man im MMA immer wieder, was rauskommen kann, wenn man es kombiniert und sich häufig nur einzelne Dinge rauspickt - oder auch in anderen Systemen, wie sich ein Spezialist einzelne Ergänzungen aus anderen Systemen aneignet.



War jedenfalls nie meine Herangehensweise, wenn ich zum Karate gegangen bin, dann wollte ich Karate lernen und verstehen, nicht nur mir ein paar Schlagtechniken anzueignen, um mein Aikido aufzupeppen.
Ich dachte immer es gibt einen Inhalt, den ich verstehen will, sonst wäre es Zeitverschwendung.
Letztendlich hat es sich doch gegenseitig irgendwie beeinflusst, aber auf andere Art.
Gut, dann liegt das vermutlich bereits an der ganz anderen Herangehensweise oder dem Ziel :). Bei der Herangehensweise wüsste ich jedoch auch nicht, wie man überhaupt zu dem Punkt kommen sollte, dass man etwas mitnehmen will. Da gibt’s keinen Blick über den Tellerrand und auch keinen Übertrag ins eigene System (/e: und ich weiß jetzt, dass das im Aikido nicht beabsichtigt ist :), was den Punkt jedoch noch unverständlicher erscheinen lässt bzw. fraglich, wieso andere dann nichts mitnehmen können sollten, nur weil man selbst es nicht macht; ich schreib's nur generell, um es evtl. nachvollziehbarer zu machen), außer man lernt dafür extra noch ein weiteres komplettes System dazu.

Ich habe meine Basis, meine Grundlage, mein System, das ich lernen und verstehen will und habe mir teilweise mehrjährigen Input geholt bzw. andere Systeme trainiert, um mich in meinem Hauptsystem zu verbessern. Ich habe im TKD ziemlich sicher immer noch genug und große Lücken, trotzdem habe ich in den Jahren viel mitgenommen und insbesondere das für mich Relevante und Wichtige - so interessiert mich persönlich bspw. bis heute der komplette „SV“-Teil überhaupt nicht und in den Prüfungen - die mir auch vollkommen egal wären, hätte ich sie nicht gebraucht - habe ich stumpf gezeigt, was die Leute sehen wollten; wie auch bei den Formen, die zwar von der Ausführung möglichst perfekt werden sollten, aber mehr hat mich dann auch nicht interessiert, wenn es nicht kampfrelevant war.

Hätte ich TKD/Karate/... lernen wollen bzw. würden mich Teile davon nicht stören oder wäre ich dort zufriedener, würde ich es machen. Das hindert mich jedoch nicht daran, zu erkennen, dass es eine Menge gibt, die ich von TKDin/Karateka/... und aus ihrem System lernen und mitnehmen kann. Das ist dann der Input, den ich mir hole. Der Input hat mir auch noch nie geschadet, konnte jedoch sehr häufig gewinnbringend genutzt werden.

Auch wenn einem die eigenen Lücken bewusst sind, kann man etwas mitnehmen oder übertragen - und darum ging es primär in dem ganzen Abschnitt. So maßen wir beide uns doch bspw. auch an, über unsere Systeme zu schreiben oder zu sprechen und ich bin mal so dreist und behaupte, dass wir beide noch lange nicht alles verstanden haben. So übertrage ich auch viele Dinge aus dem MT ins BJJ und das, obwohl ich es mit Sicherheit noch lange nicht vollständig verstanden habe; dafür nehme ich doch, wenn auch zunehmend seltener, immer wieder etwas Neues mit.

Scheint wohl einfach eine generell komplett unterschiedliche Einstellung zu sein. Für mich bedeutet Isolation oder das typisch ‚inzestuöse‘ Verhalten in so mancher (meist traditionellen) Gruppe, die mir begegnet ist, (bestenfalls) Stillstand oder (meist) Verfall. Schaue ich über den Tellerrand oder gehe offen mit dem neuen Input um, habe ich im schlechtesten Fall, den ich erlebt habe, meine Zeit verschwendet und habe immer die Chance, dazuzulernen oder etwas gewinnbringend zu nutzen. Vielleicht ist’s auch einfach dem/meinem Sport geschuldet und ich arbeite mit dem, was man mir an die Hand gibt - inkl. aller Schwächen, ggf. Missverständnissen und einer Unvollkommenheit -, muss damit umgehen können, möchte Möglichkeiten nutzen und ein Risiko eingehen und nicht dem, was ich gerne hätte oder mir wünschen würde.

LG

Vom Tablet gesendet.

carstenm
08-10-2018, 10:30
... wurde es dann jedoch (sehr) häufig zum Problem, dass eigentlich kaum noch einer wusste, wieso man etwas macht bzw. das Verständnis häufig zu bloßem Nachahmen verkommen ist und man zwar bis ins Detail erklären konnte, wie man etwas macht, jedoch nicht wieso.Ich kann nur die budô beurteilen, die ich selber übe. Dort werden die Hintergründe sehr genau erklärt. Allerdings sind diese Erläuterungen in aller Regel dem jeweiligen Niveau des Schülers angepasst. Das gilt auch für aikidô, wie ich es kennengelernt habe.
Ich persönlich würde nicht bei einem Lehrer üben, der mir auf meine Fragen keine Antworten geben kann.


Dabei frage ich mich immer wieder, wie ich das verhindern kann? Wenn ich mich durch etwas formen lasse, mache doch immer noch ich etwas daraus und jeder wird seine - wenn auch nur minimal unterschiedliche - individuelle Interpretation/Lehre daraus ziehen. Zum einen ist die Variabilität in unterschiedlichen budô unterschiedlich: In den koryû, zu denen ich Zugang habe, wird von jedem verlangt, sich exakt nach jeweiligen Vorgabe zu bewegen. 1:1.
Im aikidô, wie ich es kenne, ist das nicht ganz so streng. Aber die Personalisierungen geschehen ohne aktives Zutun. Der Übende versucht die exakte Kopie, aber weil die Arme kürzer sind, als beim Lehrer, oder die Bewegungsfähigkeit anders ausgesprägt ist, oder dergleichen, ergeben sich bestimmte Individuelle Unterschiede, die zugelassen werden.
Allerdings ist einer der spannendsten Effekte, wahrzunehmen, wenn etwas tatsächlich indiviudalisiert werden kann und sollte. Oder wann ein bestimmter Aspekt nur eine scheinbare Grenze darstellt, die es zu überwinden gilt. Die entsprechenden Lernwege vollziehen sich dann zuweilen über mehrere Jahre.

Übrigens: In der Traditionslinie, in der ich übe, werden in den Prüfungen bis einschließlich zum 4. Dan immer nur ausschließlich Grundtechniken gefragt. Immer dieselben rein äußerlich betrachtet gleichen Formen. Ich habe gut zwanzig Jahre gebraucht bis dahin. Bei anderen geht's schneller. Nichtsdestotrotz: Immer dieselben äußeren Formen. Ganz ausdrücklich nix individuelles, keine persönliche Interpretation, nix neues ...


Man ist ja nicht nur ein leeres Gefäß oder eine Hülle, die nach Belieben geformt werden kann.Schreib mal eine Geschichte mit:
Alter, weiser Lehrer
Junger Schüler
Teetasse
voll
läuft über
Teetasse leeren ... ;-)

Oder ließ eins von diesen alten Büchlein, in dem es auf jeder Seite dreimal heißt: Loslassen du mußt!

Oder laß dich unterweisen in der Meditationstechnik, die auf Deutsch etwa heißt "Sitzen und Vergessen".

Oder guckst du im Dao de jing zu Leere oder leeren.

Undsoweiterundsofort ...

Im Ernst: Ein leeres Gefäß zu werden ist aus meiner Sicht ein wesentlicher Aspekt des Übens.


Ist nicht auch genau das einer der Gründe, wie und wieso es die unterschiedlichen Linien viel älterer Traditionen gibt?Die unterschiedlichen Richtungen und Traditionen sind - da, wo ich es beurteilen kann - durch ganz bewußte Entscheidungen entstanden und nicht "einfach so gewachsen". Sehr häufig, nachdem man das Üben von aikidô mit dem Üben einer anderen Tradition verbunden hat. (Zen Buddhismus, Tempukai, Judô, KSR, Karate, ...). Oder weil man das Üben von aikidô bestimmten gesellschaftlichen oder politischen Entwicklungen anpassen wollte: Öffnung des bis dahin ausschließlich hinter verschlossenen Türen geübten aikidô für ein öffentliches Publikum, aikidô als Ausdruck positiver Aspekte japanischer Kultur, aikidô für jeden Menschen übbar machen, ...

carstenm
08-10-2018, 11:15
Als Anfänger und auch viele Jahre danach kann ich das "Budo Ueshibas" unmöglich kennen und verstehen.Darum ist die Wahl des Lehrers von so großer Bedeutung.


Es ist auch noch schwer bis unmöglich einzuschätzen, ob und wie viel meine Lehrer von dem Tradierten weitergeben können oder wollen und wie viel eher durch persönliche Perspektive geprägt ist.Ich denke, man kann - wenn man es denn mächte - dazu viel mehr wissen, als es zunächst scheint:

Man kann sich über die Geschichte des eigenen Lehrers informieren: Welche Einflüssen haben ihn geprägt? Auch gerade neben oder zusätzlich zum aikidô?
Man kann sich über den bzw. die Lehrer des eigenen Lehrers informieren. Am besten natürlich auch selbst bei ihnen üben: Was findet man wieder, was ist anders?
Man kann den eigenen Lehrer vergleichen mit anderen Schülern seines/r Lehrer/s: Wie unterscheiden sie sich von dem eigenen Lehrer?
Man kann bei Lehrern üben, die Ueshiba erlebt haben. Und ihnen aufmerksam zuhören, auch gerade wenn sie von ihm als Mensch erzählen.
Man kann bei Lehrern üben, die in Kumano, Iwama, Osaka, Tokyo ... geübt haben, in der Zeit kurz nach Ueshibas Tod, als er an diesen zentralen Orten noch sehr prägend war, sein Geist noch zu spüren war.
Man kann die Schriften Ueshibas lesen, und sich fragen, ob und wie sich das eigene Üben darin wiederfindet.

So wie ich es sehe, gehört es nach japanischem Verständnis zum Üben eines budô selbstverständlich dazu, daß man zumindest versucht, sich zu der eigenen Überlieferungslinie in Beziehung zu setzen. Im Falle von aikidô: Der eigene Lehrer - (dessen Lehrer -) Ueshiba Morihei - Takeda Sokaku - ...

Gast
08-10-2018, 12:36
Gut, dann liegt das vermutlich bereits an der ganz anderen Herangehensweise oder dem Ziel :). Bei der Herangehensweise wüsste ich jedoch auch nicht, wie man überhaupt zu dem Punkt kommen sollte, dass man etwas mitnehmen will. Da gibt’s keinen Blick über den Tellerrand und auch keinen Übertrag ins eigene System (/e: und ich weiß jetzt, dass das im Aikido nicht beabsichtigt ist :), was den Punkt jedoch noch unverständlicher erscheinen lässt bzw. fraglich, wieso andere dann nichts mitnehmen können sollten, nur weil man selbst es nicht macht

Ich habe nicht gesagt ich hätte nichts mitgenommen. Ich sagte ja, dass es sich gegenseitig beeinflusst hat, wobei es in der einen Richtung eher so war, dass ich bestimmte Gewohnheiten mitgebracht habe und deswegen der Zugang zum Karate etwas schwieriger war, als wenn ich unvorbelastet gewesen wäre.
Andersrum hat es natürlich schon einen Einfluss gehabt, nur war es so dass ich am Anfang gar nicht wusste, wie ich es hätte übertragen oder mitnehmen sollen, weil ich ein Anfänger in diesem Bereich war, so dass ich gar nicht überblicken konnte wie sich das gegenseitig beeinflussen würde.
Auch hat es ein bisschen gedauert, bis ich verstanden habe wo denn eigentlich genau die Unterschiede liegen, und wie es überhaupt funktionieren kann, etwas aus dem einen System an das andere anzupassen, und wo da die Grenzen liegen. Ich denke dazu braucht man ein gewissen Grundverständnis, und das bekommt man nicht nach ein paar Trainingseinheiten. Bei mir hat das mehrere Jahre gedauert.
Beim Jujutsu war das wieder etwas anders, die Ähnlickeiten der Techniken war ziemlich groß, aber die Art wie sie zum "funktionieren" gebracht wurden war halt eine andere, die war mir zu eindimensional.

carstenm
08-10-2018, 12:50
Könnte es sein, dass es da mehr um das gleichberechtigte Training geht? Es haben bereits in den 30er Jahren auch Frauen bei Ueshiba geübt. Dass es nur wenige waren, hat vor allem mit der Gesellschaftsstruktur zu tun. Das dôjô Ueshibas war auch für Frauen offen. Es gibt verstreut in den Interviews seiner Schüler und Schülerinnen immer wieder Aussagen, in denen deutlich wird, wie viele es denn doch waren.
Auch in etlichen anderen budô war es offenbar nicht unüblich, das auch Frauen geübt haben.

1984 jedenfalls war das in der Welt der japanischen budô schlicht und einfach kein Thema mehr! Das gleichberechtigte Üben war da schon seit Jahrzehnten gesellschaftlich fest verankert. Und z.B. auch in den Schulen ganz selbstverständlich. Ich verstehe die zitierte Aussage von Ueshiba Kisshomaru bisher als Ausdruck seines ganz persönlichen chauvinistischen Frauenbildes. Man möge sich bewußt machen, daß diese Aussage in eine Zeit fällt, in der z.B. Micheline Tissier oder auch Okamoto Yoko sich im hombu die Seele aus dem Leib trainiert haben. Und zwar auch gerade in den Klassen von dôshu. Zwei heute weltbekannte Lehrerinnen, deren Schöhnheit das Üben wohl genützt haben mag. Denen es aber auf der Matte - unter den Augen des Mannes, der sie so abwertend als Dämchen beschreibt - um etwas völlig anderes ging.
Ich selbst überblättere diese Zeilen immer stillschweigend, wenn ich besagtes Buch einmal wieder in die Hand nehme. Ebenso wie vergleichbare Aussagen anderer älterer Herren (Noquet, Protin u.a.), die über aikidô geschrieben haben, sich aber Frauen wohl mehr beim Durchbohren eines Käseigels mit Holzstäbchen vorgestellt haben, wenn sie an deren Fähigkeiten in Bezug auf Kriegskunst dachten.

@ Aiki50+
Was die Aussagen Ueshiba Kisshomarus zum Nebeneffekt der Selbstverteidigung anbetrifft, ist zu bedenken, daß Nidai dôshu aikidô sehr konkret genutzt hat, als er - wie auch Shioda sensei - für unterschiedliche Firmen den Werkschutz im Kampf gegen die Gewerkschaften organisiert hat. Nidai dôshu hat zunächst in diesem Bereich gearbeitet und hat Schüler des hombu gewissermaßen "vermietet".
Darüber erfährt man ähnlich wenig, wie über Ueshiba Moriheis Beziehungen zu den Schwarzen Drachen und dergleichen Dinge mehr. Aber er und auch andere haben eine ganze Zeit lang ganz konkret geübt mit dem Ziel zu lernen, wie man Leute verhaut. Und das offenbar ganz erfolgreich.
Beim Lesen dieses und anderer verlgeichbarer Bücher muß man sich bewußt machen, daß sie an eine breite Öffentlichkeit gerichtet waren und immer wieder auch das Ziel hatten, aikidô als gesellschaftskonform darzustellen. Über die dunkle Seite der Macht wird einvernehmlich Stillschweigen bewahrt.

Auch darum ist es interessant, den Geschichten der Lehrer zuzuhören, die noch aus den "alten Zeiten" erzählen können. Wenn man diese Geschichten hört, dann wird immer wieder deutlich das die Vorstellung von "friedlicher Kampfkunst" oder "spirituellem Üben" mehrdimensional verstanden werden muß.

Gast
08-10-2018, 14:25
Was die Aussagen Ueshiba Kisshomarus zum Nebeneffekt der Selbstverteidigung anbetrifft, ist zu bedenken, daß Nidai dôshu aikidô sehr konkret genutzt hat, als er - wie auch Shioda sensei - für unterschiedliche Firmen den Werkschutz im Kampf gegen die Gewerkschaften organisiert hat. Nidai dôshu hat zunächst in diesem Bereich gearbeitet und hat Schüler des hombu gewissermaßen "vermietet".

Gibt es da eine Quelle, um welche Leute es sich da handelt?

carstenm
09-10-2018, 07:45
Alle Hinweise, die ich in Texten gesehen oder mündlich bekommen habe, waren immer nur sehr allgemein und überhaupt sehr verhalten. Sie sprachen nur von "Schülern des honbu". Dabei ist vielleicht zu bedenken, daß das honbu einige shibu hatte. Und daß denn doch sehr viel mehr Menschen im honbu (und dessen Filialen) geübt haben, als das meistens bewusst ist oder in der Literatur deutlich wird.
Ich vermute, inzwischen ist das Wissen um die Vorgänge damals tatsächlich einigermaßen diffus, weil man dieses Kapitel gern vergessen wollte.

Gast
09-10-2018, 10:12
Alle Hinweise, die ich in Texten gesehen oder mündlich bekommen habe, waren immer nur sehr allgemein und überhaupt sehr verhalten. Sie sprachen nur von "Schülern des honbu". Dabei ist vielleicht zu bedenken, daß das honbu einige shibu hatte. Und daß denn doch sehr viel mehr Menschen im honbu (und dessen Filialen) geübt haben, als das meistens bewusst ist oder in der Literatur deutlich wird.


Das erste Shibu war das Kuwamori Dojo, das 1955 gegründet wurde kurz nachdem Kissohmaru Ueshiba beschlossen hatte, aus der Dojo Leitung und dem Untericht eine Vollzeittätigkeit zu machen.
Zu dieser Zeit trainierten im hombu Dojo noch weniger als 30 Personen. Das weiß ich aus erster Hand.
Die Zeit des red purge und der Gewerkschaftsdemonstrationen war ein paar Jahre eher, da waren es noch weniger Leute die im Hombu übten, vielleicht um die 10 oder 15 Leute.

carstenm
09-10-2018, 13:57
War nicht das ibaraki dôjô bei Gründung 1948 honbu des aikikai? Icih meine, das dôjô in Tokyo wurde erst 1949 zum honbu.
Kuwamori dôjô existierte schon länger, wenn auch als ein judô dôjô. Es wurde nach meiner Kenntnis bereits 1951 oder 1952 erstes shibu des honbu. (Chris spricht von 1954 oder auch 1955). Vertreter des honbu dort war Yamaguchi sensei.
Sugino dôjô wurde das zweite shibu. Das war 1952, soweit ich weiß. Dieses dôjô gab es als aikidô dôjô seit etwa 1935 und es war bereits Mitglied des kobukai. Vertreter des honbu war dort ebenfalls - nicht nur, aber doch vor allem - Yamaguchi sensei.
Kumano juku wurde 1953 von Ueshiba Morihei gegründet.
Kobayashi dôjô in Osaka, in dem Ueshiba Morihei zunächst fast ein Drittel des Monats war, eröffnete 1954.

Wenn man von den 30 Übenden ausgeht, die du nennst, würde das dann bedeuten, daß das honbu dôjô in Tokyo Mitte der 50er Jahre, eher eines der vergleichsweise kleinen dôjô war?

Abgesehen davon: Neben den shibu des honbu gab es ja noch viele andere dôjô, in denen aikidô geübt wurde. Mir ist erst durch mündliche Berichte klar geworden, wieviele dôjô und Lehrer es zu jener Zeit bereits gab, die in Büchern und Texten mit keinem Wort erwähnt sind, weil sie nicht Teil der öffentlichen Geschichte des aikidô geworden sind.
Über Kanshu Sunadomari, der das manseikan 1954(?) eröffnet hat, habe ich einmal gelesen, er habe bereits in den 50er Jahren in Kyushu mehrere Tausend Schüler gehabt. Das mag ja übertrieben sein. Nichtsdestotrotz deutet es die Entwicklung des aikidô in jener Zeit an.

Was das Engagement angeht:
Soweit ich es verstanden habe, waren aikidôka nicht nur an den gegen die Kommunistische Partei gerichteten Säuberungen beteiligt, sondern haben auch eine Rolle gespielt in der Zeit der Konsolidierung der Betriebsgewerkschaften Mitte bis Ende der 50er Jahre. Die Betriebliche Sicherheit war ja der Arbeitsbereich von Ueshiba Kisshomaru.

Gast
09-10-2018, 14:46
Es wurde nach meiner Kenntnis bereits 1951 oder 1952 erstes shibu des honbu.

Die Quelle, die 1955 als Eröffnungsdatum nennt, ist Guillaume Erard.
(Biography of Kisshomaru Ueshiba, Second Doshu of Aikido)

Iwama war 1946 bis 1949 Hombu Dojo, da auch Kisshomaru in dieser Zeit dort war, in Tokyo fand in dieser Zeit nichts statt.

Manseikan Dojo öffnete laut Angaben auf der Webseite des Dojos 1955, am 2. Oktober.



Wenn man von den 30 Übenden ausgeht, die du nennst, würde das dann bedeuten, daß das honbu dôjô in Tokyo Mitte der 50er Jahre, eher eines der vergleichsweise kleinen dôjô war?

Dazu müsste man ja wissen, wie groß genau die anderen Dojos waren. Aber das war die Zeit nach dem Krieg, da haben nicht viele Leute trainiert, nicht mehr, oder noch nicht. Auch in Iwama trainierte nur eine Hand voll Leute, Abe, Mochizuki, Kisshomaru und ein paar andere.
Das Kanshu Sunadoamari so viele Schüler hatte, kann ich nicht glauben, er kam erst 1953 nach Kumano, vorher war er in Fukuoka und hat nach eigenen Angaben dort gar kein Aikido praktiziert.

In einem Interview sagt er selbst:

Q: So Aikido was very rare in Kumamoto at that time?

A: That was a time when it was rare even in Tokyo.


Im Hombu Dojo war zudem die Situation so, dass die Hälfte des Dojos noch von Flüchtlingsfamilien bewohnt war, die zogen auch erst 1955 aus.
Als Asai Sensei dort anfing zu trainieren, haben da noch welche gewohnt, das Dojo war durch Stellwände oder Vorhänge geteilt.



Die Betriebliche Sicherheit war ja der Arbeitsbereich von Ueshiba Kisshomaru.

Aber eben nur bis 1955, dann zog er sich doch aus diesem Arbeitsleben zurück, und kümmerte sich nur noch um das Dojo und den Aikikai.

Gast
11-10-2018, 23:39
Ich denke, man kann - wenn man es denn mächte - dazu viel mehr wissen, als es zunächst scheint:
Das scheint mir alles jetzt kaum mehr praktikabel zu sein: ein Großteil der Lehrer meines ältesten Lehrers sind schon verstorben. Die anderen oder die noch lebenden direkten Schüler Morihei Ueshibas werden einem Anfänger oder mudansha kaum in die dunkle Seite der Macht einführen. Und die Schriften bzw. Worte* Ueshibas sind ja eigentlich auch nur über die Brille von Übersetzern und Interpreten zugänglich.


Beim Lesen dieses und anderer verlgeichbarer Bücher muß man sich bewußt machen, daß sie an eine breite Öffentlichkeit gerichtet waren und immer wieder auch das Ziel hatten, aikidô als gesellschaftskonform darzustellen.Ich bin der Meinung, dass gerade das für mich als Breitensportler (oder Breiten-Budoka :rolleyes:) relevant ist. Und für Ueshiba Kisshomaru fängt Aikido schon an, wenn jemand zum ersten Mal eine Vorwärtsrolle hinbekommt:

Frauen, die durch die Tore des Aikido eintreten, hören selten schon bald nach dem Anfang mit dem Training wieder auf. Mindestens 8 von 10 machen weiter, und je länger und intensiver sie sich mit Aikido beschäftigen, desto begeisternder finden sie es...

"Als ich mit Aikido anfing, konnte ich nicht mal einen Purzelbaum schlagen. Als ich dann meine erste Vorwärtsrolle fertig brachte, war es für mich die Krönung des Tages"
...
"Uke zu sein macht mir richtig Spaß, weil all mein Stolz und meine Eitelkeit verschwinden, wenn ich geworfen werde. Aikido hat man "dynamisches Zen" genannt. Wenn ich durch Üben lerne, mich zu geben, wie ich bin, glaube ich wirklich, dass es dem Zen nahe sein könnte."
...
Diese Äußerungen und ähnliche stammen von Lehrerinnen, Büroangestellten, Hausfrauen, Studentinnen, Sekretärinnen, sowie anderen Frauen unterschiedlichen Alters und mit unterschiedlichen Berufen. Trotz der Unterschiede lässt sich jedoch ein gemeinsames Leitmotiv erkennen. Sie alle haben die Essenz des Aikido aus ihrer Intuition und Erfahrung mehr oder weniger begriffen und - im Gegensatz zu denen der Männer - ihre Äußerungen beziehen sich direkter auf das tägliche Leben.
...
Beim Aikido wird die Individualität eines jeden Menschen respektiert und die Stärke jedes Einzelnen entwickelt und gepflegt...

In meinem täglichen Leben ist das Aikido, dass ich zur Zeit übe, bestens "dafür (ge)eignet um den Körper und Geist in Einklang zu bekommen und um Stress abzubauen" (https://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?186747-Welche-Kampfsportart-f%C3%BCr-Stressabbau-und-Einklang-K%C3%B6rper-und-Geist) und um Rücken- und anderen Gelenkproblemen vorzubeugen. Jedenfalls kann ich beim Thema Rückenschmerzen überhaupt nicht mitreden.


Zum einen ist die Variabilität in unterschiedlichen budô unterschiedlich: In den koryû, zu denen ich Zugang habe, wird von jedem verlangt, sich exakt nach jeweiligen Vorgabe zu bewegen. 1:1.
Im aikidô, wie ich es kenne, ist das nicht ganz so streng. Aber die Personalisierungen geschehen ohne aktives Zutun. Der Übende versucht die exakte Kopie, aber weil die Arme kürzer sind, als beim Lehrer, oder die Bewegungsfähigkeit anders ausgesprägt ist, oder dergleichen, ergeben sich bestimmte Individuelle Unterschiede, die zugelassen werden.
Allerdings ist einer der spannendsten Effekte, wahrzunehmen, wenn etwas tatsächlich indiviudalisiert werden kann und sollte. Oder wann ein bestimmter Aspekt nur eine scheinbare Grenze darstellt, die es zu überwinden gilt. Die entsprechenden Lernwege vollziehen sich dann zuweilen über mehrere Jahre.

Angesichts der vielen Verbände und Linien im Aikikai kann ich nun wirklich nicht den Vergleich mit einer Koryu nachvollziehen, bei der man sich exakt 1:1 nach Vorgabe bewegen soll. Die Unterschiede springen doch auch einem Laien ins Auge und waren schon wiederholt Diskussionsthema im KKB. Ein Beispiel mit 42 Demos: 56th All Japan Aikido Demonstration 2018 (https://www.youtube.com/watch?v=mxVwsj66Bt8&list=PLTNjZBrcg5fDNMG77uonikMM5P4GhDFrL&index=1)

Aus den Diskussionen mit und Beiträgen von Carstenm und Inryoku habe ich irgendwie den Eindruck gewonnen, dass ich eine besonders exotische Form von Aikido ausübe, die eigentlich gar kein Aikido mehr ist. Was auch daran lag, dass ich die ersten 2+ Jahre ausschließlich in meinem Dojo geübt habe. Erst in den letzten 6 Monaten habe ich wenigstens 2 andere Dojos** je einmal als Gast besucht - und der Wiedererkennungswert war in beiden Fällen sehr hoch: das Training ist gleich strukturiert mit Gymnastik, die Atem-, Dehn- und Lockerungsübungen beinhaltet, gefolgt von Solo-Übungen wie Tai-Sabaki, dann Einrollen, und das Üben der Kihon-Waza (ohne spürbare Atemi) mit zunehmender Intensität. Das scheint mir auch eine Vorgabe des Gründers zu sein, jedenfalls lautet eine von 6 Dojo-Regeln Ueshibas von 1935 wie folgt:

Fangt beim täglichen Üben zuerst mit leichten Körperbewegungen an und geht dann dazu über, intensiver zu arbeiten. Erzwingt nichts auf unnatürliche oder unvernünftige Art und Weise. Wenn diese Regel befolgt wird, werden sich selbst ältere Leute nicht verletzen und sie können in einer angenehmen und freudigen Atmosphäre trainieren.
Das "nichts erzwingen wollen" im Sinne von keine direkte Konfrontation von Kräften zuzulassen, ist ein wesentlicher Punkt in dem Training, das ich erlebe. Leider fällt es mir ganz schwer, das unmissverständlich zu beschreiben und war ja auch schon ein paar Mal Diskussionsgegenstand. Jedenfalls ist das damit verbundene Bewegungsgefühl, das sich und den Partner spüren, mir viel wichtiger als das Einhalten einer äußeren Form, die ich ich exakt sowieso noch nicht beherrsche. Interessant ist allerdings, das sich trotzdem (oder vielleicht sogar deswegen?) mit zunehmender Übung und Erfahrung beider Partner die äußere Form (zumindest in meiner Wahrnehmung ohne Videobeweis) immer mehr dem Ideal (https://www.youtube.com/watch?v=mxVwsj66Bt8) nähert.

(Fortsetzung folgt später..)
__________________________________
*) Meines Wissens hat Ueshiba Morihei kaum etwas schriftliches hinterlassen. Es gibt Aussagen (https://www.aikidosangenkai.org/blog/aikijujutsu-densho-budo-renshu-moritaka-ueshiba/), das sein erstes Buch "Budo Renshu" größtenteils von Tomiki geschrieben und von der schon erwähnten Studentin Takako Kunigoshi illustriert wurde, andere Bücher sind einfach Niederschriften und Zusammenfassungen seiner Schüler von Ueshibas Vorträgen.
**) die als Dojo einem Verband des internationalen Aikikai angehören oder als Verein Lehrer des Aikikai haben.

Gast
12-10-2018, 09:48
c
Das scheint mir alles jetzt kaum mehr praktikabel zu sein: ein Großteil der Lehrer meines ältesten Lehrers sind schon verstorben. Die anderen oder die noch lebenden direkten Schüler Morihei Ueshibas werden einem Anfänger oder mudansha kaum in die dunkle Seite der Macht einführen.

Es gibt im Aikido keine "dunkle Seite der Macht", was man lernen kann ist alles offen, allerdings vom Vermögen des jewieligen Lehrers abhängig.
Wenn es aber noch Leute gibt die unmittelbar unter Ueshiba trainiert haben, sollte man die Gelegenheit wahrnehmen.



Aus den Diskussionen mit und Beiträgen von Carstenm und Inryoku habe ich irgendwie den Eindruck gewonnen, dass ich eine besonders exotische Form von Aikido ausübe, die eigentlich gar kein Aikido mehr ist.

Du hast bis jetzt nie erwähnt, wo oder nach welcher Linie du trainierst, daher kann man es schlecht einschätzen.
Ansonsten beschreibst du deine persönlichen Eindrücke, das ist nichts exotisches, aber das ist natürlich sehr durch deine Brille, man kann schlecht sagen welche Aspekte dir jetzt persönlich wichtig sind, und welche deinen Lehrern.
Es ist halt so, jeder macht sich die Aikido-Welt ein bisschen so, wie sie ihm gefällt, und du beschreibst halt deine eigene Erlebniswelt, Aspekte wie Rückenschmerzen, Körper und Geist, etc., Dinge die für andere vielleicht viel weniger Bedeutung haben.


Angesichts der vielen Verbände und Linien im Aikikai kann ich nun wirklich nicht den Vergleich mit einer Koryu nachvollziehen, bei der man sich exakt 1:1 nach Vorgabe bewegen soll.

Ich habe das nicht so verstanden, dass es wie in einer Koryu sei, sondern eben weniger streng.
Trotzdem versuchen die Schüler sich zunächst darin, eine Kopie ihrer Lehrers zu werden, das ist in fast allen Linien so zu beobachten.
Der Vergleich mit einer Koryu ist aber trotzdem nicht so abwegig wie es scheint, aus verschiedenen Gründen.


Interessant ist allerdings, das sich trotzdem (oder vielleicht sogar deswegen?) mit zunehmender Übung und Erfahrung beider Partner die äußere Form (zumindest in meiner Wahrnehmung ohne Videobeweis) immer mehr dem Ideal nähert.

Doshu ist sicher eine wichtige Person die gewisse Standards setzt, aber dennoch unter vielen hochrangigen Lehrern nicht der einzige oder der beste, ich glaube nicht, dass er sein Aikido als "Ideal" ansieht.

Gast
12-10-2018, 15:53
Meines Wissens hat Ueshiba Morihei kaum etwas schriftliches hinterlassen. Es gibt Aussagen (https://www.aikidosangenkai.org/blog/aikijujutsu-densho-budo-renshu-moritaka-ueshiba/), das sein erstes Buch "Budo Renshu" größtenteils von Tomiki geschrieben und von der schon erwähnten Studentin Takako Kunigoshi illustriert wurde,

"To comply" bedeutet nicht das gleiche wie "to write"

Kreuzkuemmel
12-10-2018, 18:10
Das ist ein Tippfehler; es muss "compiled" (=zusammengestellt) heißen.

Narexis
12-10-2018, 20:50
Ich kann nur die budô beurteilen, die ich selber übe. Dort werden die Hintergründe sehr genau erklärt. Allerdings sind diese Erläuterungen in aller Regel dem jeweiligen Niveau des Schülers angepasst. Das gilt auch für aikidô, wie ich es kennengelernt habe.
Die Anpassungen an das Niveau des Schülers halte ich für normal.
Allerdings ist mir immer wieder aufgefallen, dass - sobald es nicht mehr tatsächlich im kämpferischen Training relevant ist/war - die Frage nach dem ‚wieso‘ häufig kaum beantwortet werden kann/konnte oder man sich irgendeine Erklärung überlegt hat bzw. diese überlegte (und oft nicht wirklich realistische) Erklärung vom Trainer einfach übernommen hat, ohne sie je zu hinterfragen. Da überlegt man sich dann „theoretisch“, was es denn bedeuten könnte und ich habe nur wenige Personen erlebt, die dann wirklich mal ausprobiert haben, ob das auch in der Praxis so funktioniert. Gerade im Rahmen der Formen fand ich es immer wieder beeindruckend, wie groß die „Lücken“ sind, aber jeder erklären kann, wie man etwas macht, nur nicht wieso - und wie viele sich ganz komische Erklärungen ausdenken, anstatt zur Wissenslücke zu stehen oder in Betracht zu ziehen, dass es keinen "tieferen" Sinn gibt als die bloße Überlieferung.
Wenn das im Aikido besser ist, freut mich das sehr :). (So wie der Faden verläuft, glaube ich das sehr gerne.)



[...]
Danke für die interessanten Infos :).



Schreib mal eine Geschichte mit:
Alter, weiser Lehrer
Junger Schüler
Teetasse
voll
läuft über
Teetasse leeren ... ;-)

Oder ließ eins von diesen alten Büchlein, in dem es auf jeder Seite dreimal heißt: Loslassen du mußt!
:D.


Im Ernst: Ein leeres Gefäß zu werden ist aus meiner Sicht ein wesentlicher Aspekt des Übens.
Funktioniert nur meiner Erfahrung nach nicht, nie und bei keinem. Ich habe meine entsprechende Bewegungsqualität und so viele Jahre wie ich teilweise gebraucht habe, um mir manche Fehler oder Verhaltensmuster abzutrainieren, ohne je wieder leer zu sein, bin ich da sehr skeptisch.
Ich würde ja sagen. Sei ein offenes und zugängliches Gefäß. (Zumindest ich habe mir genug antrainiert, dass ich es mehr oder weniger unbewusst mache und bestimmte Fähigkeiten und Qualitäten werde ich (hoffentlich) wohl nie ablegen. Ähnlich wie ein Turner, der zu mir ins Training kommt, eine ganz andere Körperbeherrschung und ein ganz anderes Körpergefühl mitbringt, das er (hoffentlich) auch nicht ablegen kann/wird.)
Offen, zugänglich, unvoreingenommen und bemüht, es genau so zu machen, wie es erklärt wird (ohne eigenen "Input") - mit leer hat das mMn trotzdem nichts zu tun; man ist nur offen und ehrlich bemüht, das System zu lernen.



Die unterschiedlichen Richtungen und Traditionen sind - da, wo ich es beurteilen kann - durch ganz bewußte Entscheidungen entstanden und nicht "einfach so gewachsen". Sehr häufig, nachdem man das Üben von aikidô mit dem Üben einer anderen Tradition verbunden hat. (Zen Buddhismus, Tempukai, Judô, KSR, Karate, ...).
Ob bewusst oder unbewusst wollte ich nicht einmal in der Art festlegen - danke für den Input, in die Richtung hatte ich sogar gedacht.



Ich denke, man kann - wenn man es denn mächte - dazu viel mehr wissen, als es zunächst scheint:
Danke für den Katalog, der könnte noch einmal sehr nützlich werden :).



Ich habe nicht gesagt ich hätte nichts mitgenommen.
Das wollte ich auch nicht unterstellen, mein Fehler.



Andersrum hat es natürlich schon einen Einfluss gehabt, nur war es so dass ich am Anfang gar nicht wusste, wie ich es hätte übertragen oder mitnehmen sollen, weil ich ein Anfänger in diesem Bereich war, so dass ich gar nicht überblicken konnte wie sich das gegenseitig beeinflussen würde.
Das ist mMn ein sehr wichtiger Punkt. Der eigene Standpunkt spielt auch immer eine sehr große Rolle. Ich hätte vielleicht dazu sagen sollen, dass es in den Punkten nicht um Anfänger ging.



Auch hat es ein bisschen gedauert, bis ich verstanden habe wo denn eigentlich genau die Unterschiede liegen, und wie es überhaupt funktionieren kann, etwas aus dem einen System an das andere anzupassen, und wo da die Grenzen liegen. Ich denke dazu braucht man ein gewissen Grundverständnis, und das bekommt man nicht nach ein paar Trainingseinheiten. Bei mir hat das mehrere Jahre gedauert.
Grundsätzlich würde ich zustimmen. Andererseits kommt es da immer sehr auf den jeweiligen Fall an und den Stand im anderen Sport. Ich habe innerhalb der ersten drei Einheiten im TKD bspw. mehr verstanden als die meisten Grün- bis Blaugurte, die zwar unvoreingenommener an bestimmte Kicks rangegangen sind, ich jedoch bereits eine entsprechende Basis (und einen sehr guten Trainer im TKD) hatte, der (Trainer) mir direkt die Unterschiede aufgezeigt bzw. meine Technik korrigiert hat und mit dem man auch nach dem Training in taktischer Hinsicht ganz anders reden konnte. Da war’s dann nicht wirklich schwer, die Unterschiede zu verstehen (etc.) - dazu kommt dann natürlich noch die Möglichkeit des Ausprobierens.
Im BJJ wird es noch eine ganze Weile dauern, bis ich es im MMA kombinieren kann bzw. wirklich nicht nur oberflächlich verstanden habe und doch habe ich dahingehend für „mein Regelwerk“ im MT das entsprechende Verständnis, dass ich ziemlich schnell sagen kann, ob das funktionieren könnte oder nicht oder wie ich es in mein Spiel einbauen könnte. Die meisten Leute mit ca. 10 Jahren Erfahrung dürften eigentlich kein großes Problem haben, auch innerhalb von ein paar Trainingseinheiten etwas mitzunehmen oder zumindest schnell zu erkennen, ob es einen Übertrag gibt/geben könnte. (Ähnlich wie ich auch bei einem eintägigen Seminar Dinge mitnehmen kann.)



[...] Frauen [...]

Danke. (Wie gesagt, ich bin da evtl. etwas zu sehr aus dem MT geprägt und werde bei derartigen Punkten schnell hellhörig. Freut mich zu hören, dass es wohl in dem Punkt unangebrachter war als vermutet :).)

@all: Ich wollte mich auch mal bedanken; mir fällt die Qualität der Beiträge hier immer wieder sehr positiv auf! Ich bin immer wieder aufs Neue überrascht :). Euer Wissen in dem Bereich (und auch eure Bereitschaft, es mit jemandem wie mir - der von dem Gebiet wirklich nicht viel versteht - zu teilen und auch auf die dümmsten Fragen einzugehen) ist bewundernswert! Ich habe dank euch mehr mitgenommen (und das nicht nur aufs Aikido beschränkt) als ich je erwartet hätte.

LG

Vom Tablet gesendet.

Gast
12-10-2018, 22:49
Es gibt im Aikido keine "dunkle Seite der Macht", was man lernen kann ist alles offen, allerdings vom Vermögen des jewieligen Lehrers abhängig.
In einem Interview "Balance From Destruction: Secret Teachings of O Sensei (http://tampaaikido.com/articles/balance-from-destruction-secret-teachings-of-o-sensei/)" spricht Mitsugi Saotome auch von einer "hellen" und einer dunklen Seite und bezeichnet letztere als "koppo" oder "koppojutsu": 骨法術 "Knochenbrecher"-Technik, im weiteren Sinn die Fähigkeit zu verletzen und zu zerstören - und dass diese Konzepte von O'Sensei den normalen Schülern niemals (in den 60er Jahren?) gezeigt wurden.

In seinem Buch "Hidden in Plain Sight" erwähnt Ellis Amdur eine Begebenheit mit Kisshomaru Ueshiba Ende der 70er, der eine knochenbrechende Variante von Shihonage zwei jungen Franzosen (Tissier??) zeigte und dabei interessierte Zuschauer mit den Worten "das betrifft euch nicht" verscheuchte:


Ueshiba Kisshomaru came over to them and said "you will be teacher some day". Sweeping the room with his eyes he said
"The other people here are practicing exactly what they need. But it's possible that you will, someday be required to protect your dojo."
As he talked other stopped their training and, as was customary then, gathered around him to watch him teach. Doshu turned to the others and said:
"Go back to practice. This doesn't concern you". He then meticulous instructed the two young men how to execute a shihonage throw so that the person's feet went directly up to the ceiling and the body straight down, so that the neck was broken. He had each man do the technique several times to 'set' in, spotting the uke, twisting the shoulders at the last moment, so he didn't land on his neck. He then proceeded to teach a version of iriminage the same way.
Bemerkenswert an dieser Episode ist, dass er einen Unterschied zwischen Techniken oder Lehren für eine Handvoll Elite-Budoka und dem Rest der Übenden macht. Ob es auch ohne Hilfestellung für den Uke möglich ist, da einigermaßen heil zu fallen, bleibt offen.*

Allerdings: so ganz geheim sind diese Shihonage- und Iriminage-Varianten wohl doch nicht geblieben und wurden in japanischen Clubs anscheinend manchmal als Mutproben missbraucht: Stanley Pranin: Death by Shihonage (https://www.youtube.com/watch?time_continue=5&v=JRPK6M_OPoU)

______
*) Zuerst hatte ich diesen Absatz so gelesen und interpretiert, als ob der Doshu sich selbst als Uke zur Verfügung gestellt hatte. Das war falsch. Er halft nur dem Uke dabei, nicht auf den Kopf/Nacken zu fallen. Danke an Kreuzkümmel für den Hinweis.

Kreuzkuemmel
13-10-2018, 07:55
...dass er sich höchstpersönlich als Uke zur Verfügung stellt.

"...spotting the Uke..." bedeutet so viel wie "...dem Uke Hilfestellung geben".

Gast
13-10-2018, 08:47
"...spotting the Uke..." bedeutet so viel wie "...dem Uke Hilfestellung geben".
Da hast du recht. Danke für den Hinweis.

Gast
14-10-2018, 11:07
und dass diese Konzepte von O'Sensei den normalen Schülern niemals (in den 60er Jahren?) gezeigt wurden.




O Sensei did not use a special word for these concepts in his special teachings to us (myself, Chiba, Tamura), he did not use the word “koppo.” He did not show any special breaking techniques, just the same strikes and throws and atemi and finishing moves he showed in his weapons and open hand techniques to all of the students.

siehst du, das ist der Grund warum ich sage,es gibt keine verborgene Seite, es war immer alles offen.

n den 50er/60er Jahren waren solche Techniken bekannt, und sie sind es auch heute.
Im Hombu wurde sehr intensiv geübt was man machen kann wenn jemand die Technik blockiert, und dann kamen auch solche Sachen zum Einsatz.
Die Techniken des Daitô ryû sind designed um Gelenke oder Knochen zu zerstören, über die Änderung der Trainingsweise zum heuteverbreiteten Aikidotraining haben wir hier schon öfter gesprochen und viel geschrieben.
Aber diese "dunkle Seite" ist immer präsent und war bei uns nie eine fremdartige böse Schwester, sondern immer Teil des Ganzen.
Jeder entscheidet das für sich selbst, ob er das können will oder nicht.

Gast
14-10-2018, 11:13
Was diese Shihonage und Iriminage Varianten angeht, so sind das Techniken die man auch üben kann und Schritt für Schritt die "Dosis" erhöhen kann.
Allerdings gab es im Hombu jemanden der dafür bekannt war, rücksichtslos auch Anfänger so zu werfen, dass war Arikawa Sensei.
Mein Lehrer hat das oft erzählt, wie er als13jähriger in seiner ersten Übungsstunde direkt am Anfang so geworfen wurde, dass der Kopf auf den Boden knallte.
Es gab aber auch noch andere Sachen, die tatsächlich nur ein paar der uchideshi übten,
dazu gehörrten aber nicht nur diese drei.

carstenm
15-10-2018, 10:10
Die Quelle, die 1955 als Eröffnungsdatum nennt, ist Guillaume Erard.Ja. Ich weiß.


Dazu müsste man ja wissen, wie groß genau die anderen Dojos waren.Genau. Ich war immer wieder erstaunt zu hören, wieviele Menschen denn doch auch in jener Zeit geübt haben. Ich erkläre es mir so, daß bei den späteren Berichten immer wieder nur die Namen erwähnt wurden, die inzwischen bekannt geworden waren. Die also für einen Wiedererkennungseffekt gesorgt haben. Und ich vermute, daß es viele Übende gab, die nicht genannt, bzw. mitgezählt wurden, weil sie nicht so regelmäßig da waren oder dergleichen. Das ist z.B. ein Aspekt was die Zählung der Übenden in Iwama anbetrifft. Und auch mit ein Grund dafür, daß Saito sensei immer wieder erzählt, welchen Rhythmus arbeiten und Üben bei ihm gehabt haben. Es gibt Berichte über relativ viele Übende, die eben nur unregelmäßig üben konnten.
Ich habe im Laufe der Jahre Berichte gehört von Menschen, die diese Zeit unmittelbar erlebt haben, oder auch von Schülern deren Lehrer in dieser Zeit geübt haben. Und ich war verblüfft, wieviele - zum Teil offenbar auch sehr gute - Übende es denn doch gab. Eine große Anzahl später oft hochgraduierter Übender, von denen ich nie gehört hatte. Und nach den Berichten aus anderen dôjô in jener Zeit wären dann eben 30 Übenden (im honbu) vergleichsweise wenig.


Das Kanshu Sunadoamari so viele Schüler hatte, kann ich nicht glauben, ...Das ging mir ganz genauso! Die Zahl, die ich bei Wikipedia gesehen habe, ist 20.000! Davon 3.000 yudansha. :ups: Das erscheint mir - recht tendenziell formuliert ... ;-) Die Frage ist aber, welche tatsächliche Anzahl von Schülern kann man so aufblasen, dass das nicht vollkommen absurd wird? Und nach dem, was ich aus anderen dôjô zu wissen meine, erscheint es mir unwahrscheinlich, daß da 20 tatsächliche Personen gemeint sind, sondern daß es eher um eine Größenordnung von 200 geht. Aber das ist pure Spekulation.
Egal, welche Quellen man bemüht, wird aber auf jeden Fall deutlich, daß die Entwicklung rasant war. Vielleicht - wie Sunadomari sensei es selbst an einigen Stellen sagt - weil das budô von Ueshiba durch einige Militärs dort propagiert wurde.



Im Hombu Dojo war zudem die Situation so, dass die Hälfte des Dojos noch von Flüchtlingsfamilien bewohnt war, die zogen auch erst 1955 aus.
Als Asai Sensei dort anfing zu trainieren, haben da noch welche gewohnt, das Dojo war durch Stellwände oder Vorhänge geteilt.Ja, das ist mir bewußt. Aber das stützt ja nur die Beobachtung, dass das hombu seine zentrale Bedeutung erst wieder neu gewinnen mußte.


Aber eben nur bis 1955, dann zog er sich doch aus diesem Arbeitsleben zurück, und kümmerte sich nur noch um das Dojo und den Aikikai.Ja, aber das spricht ja gegen nichts von dem, was ich geschrieben hatte?

Wie auch immer:
Mir ging es nur darum, deutlich zu machen, dass derselbe Ueshiba Kisshomaru, der in seinen Texten und in seinem Unterrichten immer so ein friedvolles, weiches Bild des aikidô zeichnet, in seinem realen Leben dieses selbe aikidô sehr handfest und offenbar auch wirkungsvoll eingesetzt hat.

Und ich denke, daß genau diese Ambiguität immer ein wesentlicher Aspekt des Übens eines budô ist.

Gast
15-10-2018, 10:39
Ja, das ist mir bewußt. Aber das stützt ja nur die Beobachtung, dass das hombu seine zentrale Bedeutung erst wieder neu gewinnen mußte.

Naja, du sagst ja selbst wie übertrieben die Aussagen zum Teil sind. Was die Zahl der Übenden im Hombu Mitte der 50er Jahre angeht, so ist das für mich die einzige wirklich sichere Quelle.
Allerdings ging die Zahl der Übenden dann ja auch steil bergauf, ein paar Jahre später sah das ja schon anders aus, und Mitte der 60er erst recht.



Ja, aber das spricht ja gegen nichts von dem, was ich geschrieben hatte?

Na doch, weil er dann ja nicht Mitte bis Ende der 50er noch an den "Konsolidierungen der Gewerkschaften" beteiligt gewesen sein kann, wie du geschrieben hast.



Mir ging es nur darum, deutlich zu machen, dass derselbe Ueshiba Kisshomaru, der in seinen Texten und in seinem Unterrichten immer so ein friedvolles, weiches Bild des aikidô zeichnet, in seinem realen Leben dieses selbe aikidô sehr handfest und offenbar auch wirkungsvoll eingesetzt hat.

Das scheint halt weder für ihn noch für seinen Vater ein Widerspruch gewesen zu sein.
Diejenigen die damit nicht klar kommen sind anscheinend die Westler, die halt immer alles in gut und böse trennen müssen, was ja ein Merkmal abendländischer Kultur zu sein scheint.

Nachtrag:
Es gibt ja viele, die den 2. Doshu irgendwie als Kampfkünstler nicht ganz ernst genommen haben, ihn mehr als schwächlichen Bücherwurm gesehen haben, und auch was "inner power" angeht wurde ihm das ja größtenteils abgesprochen (Selbst Dan meinte, ich wäre der erste von dem er gehört hätte dass er so etwas gekonnt hätte...)
Ich habe selbst auf einem Seminar mal eine "andere Seite" von ihm kennenglernt, und ich halte sein Aikido nach wie vor für brillant, und obwohl er vorwiegend weiche und gr0ße Bewegungen gezeigt hat, hat er ja eine sehr fundierte Ausbildung gehabt.

Gast
15-10-2018, 10:59
Die meisten Leute mit ca. 10 Jahren Erfahrung dürften eigentlich kein großes Problem haben, auch innerhalb von ein paar Trainingseinheiten etwas mitzunehmen oder zumindest schnell zu erkennen, ob es einen Übertrag gibt/geben könnte. (Ähnlich wie ich auch bei einem eintägigen Seminar Dinge mitnehmen kann.)



Ich denke es hat auch was damit zu tun, ob man verwandte Dinge trainiert oder einen ganz anderen Bereich der Kampfkunst.
Wenn man 10 Jahre Wurf- und Hebeltechniken trainiert hat, wird man sicher was mit mitnehmen können, so wie ich, wenn ich mich im Jujutsu oder Ninjutsu Bereich umgesehen habe, sehr schnell verstehen konnte was da anders gemacht wird als bei uns, und ob ich damit was anfangen konnte oder nicht.
In anderen Bereichen musste ich mir halt erst mal eine Basis erarbeiten, wenn man die mitbringt ist es natürlich etwas anderes.

Gast
15-10-2018, 21:54
siehst du, das ist der Grund warum ich sage,es gibt keine verborgene Seite, es war immer alles offen.
Ich sehe erst mal folgende Aussage von Saotome aus dem selben Interview:

O Sensei never discussed koppojutsu concepts and weapons koppojutsu to regular students or at seminars, only to his closest uchideshi (apprentice disciples). Only three people – Tamura, Chiba, and myself. Maybe to some of his original uchideshi too. But koppo understanding, awareness, capability was part of all of his movements.



Die Techniken des Daitô ryû sind designed um Gelenke oder Knochen zu zerstören, über die Änderung der Trainingsweise zum heuteverbreiteten Aikidotraining haben wir hier schon öfter gesprochen und viel geschrieben.
Aber diese "dunkle Seite" ist immer präsent und war bei uns nie eine fremdartige böse Schwester, sondern immer Teil des Ganzen.
Jeder entscheidet das für sich selbst, ob er das können will oder nicht.
Als Erwiderung zuerst wieder ein Zitat aus dem Interview mit Saotome:

Why did O Sensei decide to teach only a few inner students this message, if he considered it so important? First, O Sensei’s vision was to heal the world, and for most Aikido students it is enough to study the “light side” and find ways to bring harmony into their lives. True understanding of katsujinken / satsujinken is difficult to explore, it is a difficult concept; putting it at the front would limit the growth of Aikido, how much of the world it could impact, and would lead to confusion by many students who did not have access to a teacher with deeper knowledge. O Sensei made a differentiation between two types of Aikido students; the student who seeks to manifest the message of Aikido in their own lives, and the student who is a carrier of the Ueshiba vision and shoulders a burden to preserve the heart of Aikido for future generations. It is the difference between student and deshi.
Ich verstehe das also so, dass O'Sensei und der 2. Doshu diese Entscheidung einem Großteil der Aikidoka abgenommen haben.
Von mir kann ich sagen, dass ich das nicht können will und auch nicht kann. Und wenn ich an Arikawa denke oder an Erfahrungen, die Ellis Amdur in "Duelling with O'Sensei" beschreibt, dann hoffe ich, niemals mit jemanden zu üben, der das will, aber nicht kann (im Sinne von sich nicht unter Kontrolle zu haben).

Gast
16-10-2018, 12:56
Ich sehe erst mal folgende Aussage von Saotome aus dem selben Interview:


Ich habe auch schon Aussagen gehört, Saotome sei kein "richtiger" uchideshi gewesen...

carstenm
16-10-2018, 14:47
@ aiki50+:

Saotome sensei ist nach meiner Kenntnis ein Schüler von Yamaguchi sensei gewesen.
Der allerdings hat unterschieden zwischen dem, was er öffentlich im honbu unterrichtet hat und dem, was er privat in seinem dôjô vermittelt hat.
Dieses selbe Phänomen kenne ich auch von anderen Lehrern. Bis heute.
Und auch von doshu gibt es Äusserungen dazu, dass er für sich selber, im geschlossen Kreis, anders übt, als öffentlich.
Und nein: Er versteht nach eigener Aussage das aikidô, dass er öffentlich zeigt, ausdrücklich nicht als ein anzustrebendes Ideal, sondern als Formen auf die sich die unterschiedlichen Lehrer des honbu am ehesten als "verbindend" verständigen können.

Was Arikawa sensei anbetrifft: Schüler von ihm, mit denen ich mich ausgetauscht habe, loben seine Technik als sehr schonend und haben nie erlebt, dass er sie verletzt hat.
Ich selber habe einige Zeit bei einem Lehrer geübt, der von aussen ruppig und brutal aussieht. Es fühlt sich aber für uke wunderbar weich an.

Gast
17-10-2018, 11:30
Was Arikawa sensei anbetrifft: Schüler von ihm, mit denen ich mich ausgetauscht habe, loben seine Technik als sehr schonend und haben nie erlebt, dass er sie verletzt hat.


Das mag für die spätere Zeit zutreffen.

Hier eine kleine Beschreibung von Ellis Amdur, zu seinem ersten Training bei Arikawa Sensei, aus der Reihe " it has to be felt", im Aikiweb.



When I trained at the Aikikai, Arikawa sensei was the most feared instructor there. I am not asserting he was the most skilled; I never thought so. I am not even asserting that he was the most violent individual; there were others who injured as many or more. Rather, Arikawa sensei was the most unpredictable: when he approached, there were no warning signs from him whether he would show you something firmly, but correctly, or if he would deliberately tear your joint apart.

---

I was practicing with a young Japanese man the first time I attended his class, and we were both struggling with the technique, a variant of shihonage. Arikawa sensei's gaze, flat and disinterested, settled upon us. I raised my hand to indicate that we needed some help. My partner begged, "Please. Put your hand down. He'll come over here and help us. You don't want that. Please put your hand down." Too late. He trudged over, hair disheveled, mouth in a grumpy frown. I asked him my question on his shihonage, and he simply grabbed my partner, and threw him very hard. The young man, a white belt, really did not know how to protect himself. He had the breath knocked out of him and Arikawa cranked his arm and kept doing so after he tapped until he yelped in pain. He arose, holding his elbow with the other hand.

Leute die aus dem Westen ins Hombu Dojo kamen, wurden ausdrücklich vor Arikawa Sensei gewarnt...

Also nix mit sehr schonend. Was Asai so berichtet hat, gab es da andere, die auch einen gewissen Ruf hatten, bei denen es aber wesentlich mehr Spaß gemacht hat Ukemi zu nehmen, z.B. bei Tada Sensei.
In den späten Videos wirkt Arikawa immer sehr behäbig, fast faul, aber es ist immer so ein Gefühl dabei, dass er wie ein gelangweiltes Raubtier wirkt, dass mit seiner Beute herumspielt.

Gast
17-10-2018, 18:33
Ich habe auch schon Aussagen gehört, Saotome sei kein "richtiger" uchideshi gewesen...
Wenn man Saotomes Buch "Aikido and the Harmony of Nature" gelesen hat, kann es eigentlich keinen Zweifel daran geben, dass Saotome sich selber als uchidechi und "persönlichen Schüler mit engem Kontakt zu O'Sensei" gesehen hat.

Das schließt ja auch nicht aus, dass er früher oder später ein Schüler von Yamaguchi war.

Gast
17-10-2018, 18:57
Der allerdings hat unterschieden zwischen dem, was er öffentlich im honbu unterrichtet hat und dem, was er privat in seinem dôjô vermittelt hat.
Dieses selbe Phänomen kenne ich auch von anderen Lehrern. Bis heute.
Und auch von doshu gibt es Äusserungen dazu, dass er für sich selber, im geschlossen Kreis, anders übt, als öffentlich.
Das alles ist für mich auch ein Beleg, dass neben der omote- eine ura-Seite im Aikido gibt, dass eben nicht "alles offen ist und es eine verborgene Seite gibt".



Und nein: Er versteht nach eigener Aussage das aikidô, dass er öffentlich zeigt, ausdrücklich nicht als ein anzustrebendes Ideal, sondern als Formen auf die sich die unterschiedlichen Lehrer des honbu am ehesten als "verbindend" verständigen können.
So habe ich es eigentlich auch verstanden: "Ideal" war eine missverständliche Wortwahl. Auch ich habe das, was der Doshu zeigt, als Standard-Referenz betrachtet, die ich mit dem, was meine Lehrer unterrichten vergleichen kann. Oder auf die ich in Zukunft mit einem Video-Link verweisen könnte, wenn die Frage nach einer bestimmten Form/Technik kommt.

carstenm
17-10-2018, 19:43
Wenn man Saotomes Buch "Aikido and the Harmony of Nature" gelesen hat, kann es eigentlich keinen Zweifel daran geben, dass Saotome sich selber als uchidechi und "persönlichen Schüler mit engem Kontakt zu O'Sensei" gesehen hat.

Das schließt ja auch nicht aus, dass er früher oder später ein Schüler von Yamaguchi war.Ja. Er selbst stellt es so dar. Es gab dazu mal eine interessante Diskussion auf aikiweb, in der seine Angaben einer Überprüfung nicht standgehalten haben.

Gast
17-10-2018, 21:05
Ja. Er selbst stellt es so dar. Es gab dazu mal eine interessante Diskussion auf aikiweb, in der seine Angaben einer Überprüfung nicht standgehalten haben.
Falls du den Thread "Saotome Sensei's Training History" (http://www.aikiweb.com/forums/showthread.php?t=20596) gemeint hast: da war eigentlich als überprüfbares Fakt nur umstritten, ob Saotome 8, 15 oder 20 Jahre unter O'Sensei geübt hat. Richtig sind wohl 8 Jahre (1961-69). Richtig ist demnach auch, dass Yamaguchi vorher sein erster Lehrer war.

In seinem Buch gibt es ein eigenes Kapitel "The Education of an uchi deshi", mit Episoden aus seiner Zeit, die er Tag und Nacht im Dojo Ueshibas verbracht hat, von denen ich nicht glauben kann, dass die sich einer einfach so ausgedacht haben kann.

Gast
18-10-2018, 10:01
Das alles ist für mich auch ein Beleg, dass neben der omote- eine ura-Seite im Aikido gibt, dass eben nicht "alles offen ist und es eine verborgene Seite gibt".

Nein, ist es nicht.
Denn was ein Shihan in seinem eigenen Dojo evtl. abweichend vom Standard unterrichtet, sind von ihm selbst entwickelte Methoden, die seinen persönlichen Ansatz kennzeichnen, Aikido zu verstehen und zu unterrichten.
Wenn es eine ura-Seite gäbe, wäre sie offizieller Bestandteil des Curriculums, und würde von jedem Lehrer, der die Berechtigung dazu hat, an fortgeschrittene Schüler auf die gleiche Weise unterrichtet werden.
Aber so etwas gibt es im Aikido nicht, keine Geheimtechniken, keine verstecken oder modifizierten Katas, die man nur unter Anleitung eines Geheimnisträgers
entschlüsseln kann.

Damals hat man aber alle diese "koppo" Techniken und all diesen Blödsinn mit "auf den Kopf werfen" trainiert, entweder im Rahmen des normalen Trainings, oder außerhalb im freien Training mit den uchi-deshi, die den ganzen Tag im Dojo rumhingen und nichts anderes zu tun hatten außer Aikido zu trainieren.
Zu dieser Gruppe gehörte aber eben nicht Saotome, das waren Leute wie Tada, Chiba, Noro, Tamura oder Yamada.