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Vollständige Version anzeigen : Online-Podiumsdiskussionen von Miles Kessler zum Thema ShuHaRi



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Gast
23-03-2021, 13:31
Es sieht für mich nach keiner Koryu-Schwertarbeit aus, die mir bisher untergekommen ist. Und da er meines Wissens nach Zertifikate in koryu gehabt hat, verwundert mich die Qualität doch sehr.

Das stammt aus der Zeit bevor er seine Waffentechniken entwickelt und perfektioniert hat. Und nein, er hatte außer dem Kyoju dairi des Daito ryu, keine Zertifikate (außer einem merkwürden menkyo kaiden einer Shinkage ryu, dass er von Sokaku bekommen hatte, dass niemand so richtig einordnen kann, und daher irgendwie nicht gezählt wird), und auch keine einer Schwertschule.

carstenm
23-03-2021, 13:38
Und da er meines Wissens nach Zertifikate in koryu gehabt hat, ...Ich wüßte nicht, daß Ueshiba das kenjutsu einer klassischen Schule erlernt hat.
Auf welche Schulen beziehst du dich denn?


Gibt es ggf. noch weitere Videos von seiner Schwertarbeit?

https://youtu.be/30Sa0PLquFg?t=221

https://youtu.be/H43vA8ksrgE?t=64


Nachtrag: Gab es denn ein Ergebnis der Diskussion zu dem "Klassiker"?Kein konsenshaftes.
Ich ordne das, was ich da sehe, z.B. deutlich anders ein, als Inryoku.
Auch die Urteile von Zeitgenossen Ueshibas gehen deutlich auseinander.

Gast
23-03-2021, 13:44
verwundert mich die Qualität doch sehr.

Ich ordne diese Bewegungen mittlerweile als ein Art Ki oder Aiki-Übungen ein, da sie mich an Schwertbewegungen erinnern, die ein gewisser Shirata Sensei (ein Vorkriegsschüler von Ueshiba) in ich glaube 13 Bewegungsabläufen (Katas) systematisiert hat. Dieses System beruht nach seiner Aussage auf Schwert-Bewegungen die er von Ueshiba gelernt hat, und erklärtermaßen kein Kenjutsu in dem Sinne sind, dass sie zum Kämpfen gedacht sind, sondern eben zum Entwickeln von bestimmten körperlichen Strukturen oder Fähigkeiten.

carstenm
23-03-2021, 13:50
Warum tun die das, weil es da schneller geht?Es geht nicht schneller.


Oder hat Endo gesagt, so, du kennst die Kihon waza 1-x, jetzt lehre ich dir eine fortgeschrittene Stufen dieser Kata, und die heißen: xyz?Ja.
Die heißen aber nicht irgendwie unterschiedlich, sondern Endô sensei erläutert bestimmte Stufen in Abhängigkeit von einem bestimmten Niveau der Übenden. Er erläutert sehr genau, was auf welchert Stufe warum geübt werden soll.

Er setzt das, was andere shihan des hombu zeigen, in Beziehung zueinander, um deutlich zu machen, wie es sich zu dem verhält, was gerade geübt werden soll.

Und er setzt auch das freiere Üben oder umgekehrt die Kontakt- und Körperübungen klar und deutlich in Beziehung zu den kihon no kata.


Dort macht jederseine individuelle Entwicklung, jeder auf unterschiedliche Art und Weise. Bei uns ist das auch genau so gewollt.Ja, das ist auch nach meiner Erfahrung bei euch etwas anders, als ich es kenne. In dem Umfeld, in dem ich übe, wird diese "Personalisierung" der Entwicklung in das Niveau ab dem Erreichen des yondan verortet.

Tantal
23-03-2021, 13:53
In dem Umfeld, in dem ich übe, wird diese "Personalisierung" der Entwicklung in das Niveau ab dem Erreichen des yondan verortet.

Wieviel Trainingsjahren entspricht das bei euch so ungefähr im Schnitt?

carstenm
23-03-2021, 13:55
Ich ordne diese Bewegungen mittlerweile als ein Art Ki oder Aiki-Übungen ein, ...Ja, so verstehe ich das auch.
Dann macht es sogar auch tatsächlich Sinn, daß die Hände vorausgehen und die kissaki den Händen folgt, anstatt ihnen vorauszugehen. Unter kenjutsu Gesichtspunkten ist das jedesmal ein kleiner Tod. Um aber ausgehend vom taijusu die Verbindung mit einem Partner zu üben, ist es ein gutes Tool, weil es Distanzen, Winkel und - wenn beide das Schwert auf diese Weise bewegen - auch das Timing verdeutlicht.

carstenm
23-03-2021, 14:06
Wieviel Trainingsjahren entspricht das bei euch so ungefähr im Schnitt?Aus den Mindestwartezeiten ergäbe sich ein Zeitraum von 14 jahren bis zur Möglichkeit der yondan-Prüfung. In aller Regel wird aber selbst bei talentierten Menschen nach dem shodan immer noch mal midnestens ein Jahr dazu gelegt. Wäre man bei den schnellen Leute so bei 17 Jahren. Ich kenne aber in meinem engerend Umfeld niemanden, der das in dieser Mindestzeit erledigt hat.
Ich selbst habe 22 Jahre bis zum yondan gebraucht. Und auch in meinem Freundeskreis sind es meist so 20 bis 25 Jahre.

Tantal
23-03-2021, 14:11
Aus den Mindestwartezeiten ergäbe sich ein Zeitraum von 14 jahren bis zur Möglichkeit der yondan-Prüfung. In aller Regel wird aber selbst bei talentierten Menschen nach dem shodan immer noch mal midnestens ein Jahr dazu gelegt. Wäre man bei den schnellen Leute so bei 17 Jahren. Ich kenne aber in meinem engerend Umfeld niemanden, der das in dieser Mindestzeit erledigt hat.
Ich selbst habe 22 Jahre bis zum yondan gebraucht. Und auch in meinem Freundeskreis sind es meist so 20 bis 25 Jahre.

Und du findest über 15 Jahre nicht unglaublich lang dafür, seine Persönlichkeit in eine KK zu bringen?

Die Freiheit des Ausdrucks innerhalb der Prinzipien ist bei uns eigentlich von Beginn an erwünscht, bis man das flüssig umsetzen kann, können vielleicht 1-2 Jahre vergehen, aber nach 4-5 Jahren sollte es doch spätestens kein Problem mehr sein.

Warum ist das bei euch so lang angesetzt?

Tai_Eule
23-03-2021, 14:16
Ich wüßte nicht, daß Ueshiba das kenjutsu einer klassischen Schule erlernt hat.
Auf welche Schulen beziehst du dich denn?

[...]

Kein konsenshaftes.
Ich ordne das, was ich da sehe, z.B. deutlich anders ein, als Inryoku.
Auch die Urteile von Zeitgenossen Ueshibas gehen deutlich auseinander.

Wie Inryuko schon schrieb: Daito-ryu und Yagyu Shinkage-ryu. Wobei ich zwischenzeitlich gelesen habe, dass das mit der Yagyu Shinkage-ryu eine sehr merkwürdige Nummer war, da ihm ein mokuroku von Takeda gegeben wurde, der selber nie Yagyu Shinkage-ryu trainiert haben soll. Takeda hatte jedoch in mehreren Kenjutsu ryuha trainiert (Ono-ha Itto-ryu, Jikishinkage-ryu). Im Daito-ryu wird auch mit dem Schwert gearbeitet, wenn auch nicht im Fokus. Da aber Techniken gegen das Schwert gelernt werden, muss auch der Umgang mit dem Schwert erlernt werden, da sonst eine Verteidigung gegen das Schwert nicht sinnvoll erlernt werden kann. Dieser Umgang hat sicherlich ein anderes Niveau als bei mehr Schwert-fokussierten Schulen, aber Grundlagen muss es mindestens geben.

Danke für die Videos. Das erinnert schon mehr an Kenjutsu.

@Inryoku: Sofern das von mir verlinkte Video korrekt datiert ist (und Wikipedia stimmt) muss er zu dem Zeitpunkt schon einiges an Schwert gelernt haben. Da Frage ich mich schon, woher er dann die Grundlage seiner Waffentechniken hat oder worauf basierend er das entwickelt hat. Die Erklärung es handelt sich um "Übungen mit Schwert" statt "Schwertübungen" macht da für mich schon mehr Sinn.

Erfahrungsgemäß wird ja zu Aikido schon unter Aikidoka viel diskutiert und gestritten, ich möchte mich da als nicht-Aikidoka nicht weiter einmischen. Mir war das Video neu und es passte für mich zum Thema Schwertarbeit im Aikido.

Gast
23-03-2021, 14:37
@Inryoku: Sofern das von mir verlinkte Video korrekt datiert ist (und Wikipedia stimmt) muss er zu dem Zeitpunkt schon einiges an Schwert gelernt haben. Da Frage ich mich schon, woher er dann die Grundlage seiner Waffentechniken hat oder worauf basierend er das entwickelt hat.

Ich denke die Zeitangabe ist korrekt. Was er wo genau gelernt hat, ist nicht wirklich geklärt, er hat sich ja vor seiner Daito-ryu Zeit schon mal hier und da umgesehen, und seine ursprüngliche Waffe war halt das Bajonett, wie Carsten ja schon mal schrieb.
Takeda war Schwertexperte, und ich denke wenn man mit so jemandem eine Zeitlang unterwegs war, so wird doch das eine oder andere vom Schwert mal durchblitzen. Ueshiba war in dieser Zeit etwa 20 Jahre Takedas Schüler. Ob und was der ihm gezeigt hatte, ist nicht klar. Takeda hat auf waffenlose Techniken umgeswitcht, weil die Zeit der Schwertes halt vorbei war, und er konnte halt seine Fähigkeiten auf den Waffenlosen Bereich übertragen.
Takeda war aber auch unkonventionell, so hatte er mit dem Schwert beidhändig gekämpft, also nicht zwei-händig, sondern tatsächlich hat er das Schwert auch einhändig geführt, mal links, mal rechts, oder eben zwei Schwerter benutzt.

Gast
23-03-2021, 17:18
Wobei ich zwischenzeitlich gelesen habe, dass das mit der Yagyu Shinkage-ryu eine sehr merkwürdige Nummer war, da ihm ein mokuroku von Takeda gegeben wurde, der selber nie Yagyu Shinkage-ryu trainiert haben soll.

Aber ein Freund von ihm, Gejo Kosaburo. Fakt ist auch, das dieser Ueshiba in der YSR unterrichtet hat, zu einem bestimmten Level das mit den Inhalten dieser Schriftrolle übereinstimmen soll.
Ueshiba nannte sein eigenes Schwertsystem ja Sho-Chiku-Bai no ken, und hat das u.a. (oder ausschließlich?) an seinen Schüler Hikitsuchi weitergegeben, in Form von drei Katas, die aus dem Kanon dieser Schriftrolle stammen, oder aus dem Kanon auf den sich die Schriftrolle bezieht, den ob sie das vollständige Heiho Kadensho enthielt, ist nicht ganz klar.
Auch merkwürdig war dass Gejo Kosaburo kein Vertreter dieser Edo-Linie der YSR war, in der eigentlich nur dieses Heiho Kadensho unterrichtet wurde. Ueshiba kannte diese Kata jedenfalls, das ist wohl eine Tatsache.
Das ist der Link zum entsprechenden Post im Aikiweb: http://www.aikiweb.com/forums/showpost.php?p=251143&postcount=5

carstenm
23-03-2021, 18:08
Und du findest über 15 Jahre nicht unglaublich lang dafür, seine Persönlichkeit in eine KK zu bringen?Ich übe nicht, um mein Persönlichkeit in eine KK zu bringen.
Ich übe, um dieses budô in meine Persönlichkeit zu bringen.


Warum ist das bei euch so lang angesetzt?Weil es ein Leben lang dauert, oder auch über das eine hinaus, bis das Üben einen Menschen durchdringt.

Warum sollte es schneller oder schnell gehen? Ich habe ein Leben lang Zeit? Und es gibt weder ein Ziel zu erreichen, noch einen Wettlauf zu gewinnen?

Warum so eilig?

Gast
23-03-2021, 18:19
Warum so eilig?

Die Jugend hat es doch immer eilig...

Tantal
23-03-2021, 18:34
Warum sollte es schneller oder schnell gehen? Ich habe ein Leben lang Zeit? Und es gibt weder ein Ziel zu erreichen, noch einen Wettlauf zu gewinnen?

Warum so eilig?

Klar hat man sein Leben lang Zeit, aber 1. würde ich bei einer KK trotzdem eine Kampffähigkeit innerhalb weniger Jahre erwarten, die ohne flexibles und freies Wirken innerhalb der Prinzpien in meinen Augen nicht effektiv ausgebildet werden kann, und 2. weiß ich in meiner Linie, wie tief das dortige Wissen tatsächlich ist, sodass ich es tatsächlich einigermaßen eilig habe, da man es nach Möglichkeit in seinem Leben auch ausschöpfen können will, und so viel wie das ist...

Und was Paul sonst immer noch betont ist, dass Kunst für ihn auch Gestaltungsfreiraum bedeutet, den jeder nach seinem Belieben ausfüllen soll und muss.

Gast
23-03-2021, 18:59
Die Freiheit des Ausdrucks innerhalb der Prinzipien ist bei uns eigentlich von Beginn an erwünscht, bis man das flüssig umsetzen kann, können vielleicht 1-2 Jahre vergehen, aber nach 4-5 Jahren sollte es doch spätestens kein Problem mehr sein.

Warum ist das bei euch so lang angesetzt?

Also bei uns ist das auch definitiv auf einen deutlich längeren Zeitraum angesetzt. (Aus dem Bauch raus würde ich mal sagen, 10+ Jahre. Hängt natürlich immer von der jeweiligen Person ab, wie intensiv er übt und wie gut er unterrichtet wurde.)
Nach 1-2 Jahren Üben (bei einem wöchentlichen Pensum von vielleicht drei bis fünf Stunden) beginnt man m. M. n. gerade mal vernünftig zu erahnen und verstehen, was der Weg mit dem Körper macht.

kanken
23-03-2021, 19:41
Nach 1-2 Jahren Üben (bei einem wöchentlichen Pensum von vielleicht drei bis fünf Stunden) beginnt man m. M. n. gerade mal vernünftig zu erahnen und verstehen, was der Weg mit dem Körper macht.

Wir reden auch nicht von einem wöchentlichen Pensum von 3-5 Stunden, sondern von 20-25 Stunden Training pro Woche.

Gast
23-03-2021, 20:01
Wir reden auch nicht von einem wöchentlichen Pensum von 3-5 Stunden, sondern von 20-25 Stunden Training pro Woche.

Klar, bei viel üben geht es schneller. 3 Stunden am Tag üben tun halt nur die wenigsten. (Was genau man unter Üben versteht mal außen vorgelassen.)
Selbst mit viel Üben kann man aber - nach meinem Verständnis - manche Dinge nicht beliebig forcieren.
Aber letztlich reden wir ja vermutlich eh noch nicht vom selben (also was genau eigentlich mit Freiheit des Ausdrucks und innerhalb welcher Prinzipien genau gemeint ist). Und das muss ja auch schlicht und einfach nicht für alle KK identisch sein.

Gast
23-03-2021, 23:23
Aber letztlich reden wir ja vermutlich eh noch nicht vom selben (also was genau eigentlich mit Freiheit des Ausdrucks und innerhalb welcher Prinzipien genau gemeint ist).

Manche fangen auch an herumzuspielen, und halten das dann für persönlichen Ausdruck. meist ist die Basis nicht vorhanden. Man muss da schon ein sehr gutes Konzept haben wenn man das nach 3 bis 4 Jahren hinkriegen will.

Nick_Nick
24-03-2021, 01:17
Klar hat man sein Leben lang Zeit, aber 1. würde ich bei einer KK trotzdem eine Kampffähigkeit innerhalb weniger Jahre erwarten, die ohne flexibles und freies Wirken innerhalb der Prinzpien in meinen Augen nicht effektiv ausgebildet werden kann, und 2. weiß ich in meiner Linie, wie tief das dortige Wissen tatsächlich ist, sodass ich es tatsächlich einigermaßen eilig habe, da man es nach Möglichkeit in seinem Leben auch ausschöpfen können will, und so viel wie das ist...


Wieviele Jahre Training mit welcher Trainingsintensität (in etwa) haben denn die Übungspartner in euren Messer- und Schwertvideos so hinter sich?

Tantal
24-03-2021, 07:52
Wieviele Jahre Training mit welcher Trainingsintensität (in etwa) haben denn die Übungspartner in euren Messer- und Schwertvideos so hinter sich?

In den Sparringsvideos?

Puhh also Minimum ist da denke ich etwas über 1000 h Partnertraining in ca 3 Jahren. Plus entsprechend Solotraining und Vorerfahrung bzw. teilweise auch parallel in anderen Stilen da auch Minimum 10 Jahre, wobei es natürlich schwieriger wird, das mit einzuberechnen etc.

Naja für nen groben Anhaltspunkt sollte es reichen.

period
24-03-2021, 08:42
In den Sparringsvideos?

Puhh also Minimum ist da denke ich etwas über 1000 h Partnertraining in ca 3 Jahren. Plus entsprechend Solotraining und Vorerfahrung bzw. teilweise auch parallel in anderen Stilen da auch Minimum 10 Jahre, wobei es natürlich schwieriger wird, das mit einzuberechnen etc.

Naja für nen groben Anhaltspunkt sollte es reichen.

Ich hätte jetzt ja eher tief gestapelt - "Das sind alles blutige Anfänger, nach einem Monat Training und einem Zoom Call mit Paul sehen die so aus" ;)

Tantal
24-03-2021, 08:47
Ich hätte jetzt ja eher tief gestapelt - "Das sind alles blutige Anfänger, nach einem Monat Training und einem Zoom Call mit Paul sehen die so aus" ;)

Ähm genau, ich hatte mich nur vertippt :D

Es ist natürlich insofern lustig, als dass selbst Leuten mit den von dir genannten Bedingungen von Paul schon Anregungen für freies Kombinieren des bisher gelerntem gegeben werden und das sie die Kombination wie immer sie wollen machen können, solange sie wissen was sie tun und sich an die Prinzpien halten^^

Nick_Nick
24-03-2021, 11:20
In den Sparringsvideos?

Puhh also Minimum ist da denke ich etwas über 1000 h Partnertraining in ca 3 Jahren. Plus entsprechend Solotraining und Vorerfahrung bzw. teilweise auch parallel in anderen Stilen da auch Minimum 10 Jahre, wobei es natürlich schwieriger wird, das mit einzuberechnen etc.

Naja für nen groben Anhaltspunkt sollte es reichen.

Danke :).

Gast
24-03-2021, 11:24
Es ist natürlich insofern lustig, als dass selbst Leuten mit den von dir genannten Bedingungen von Paul schon Anregungen für freies Kombinieren des bisher gelerntem gegeben werden und das sie die Kombination wie immer sie wollen machen können, solange sie wissen was sie tun und sich an die Prinzpien halten^^

Das hat aber nichts mit persönlichem Ausdruck zu tun.
Das ist wie wenn man schreiben gelernt hat und jetzt Wörter frei kombinieren kann, von persönlichem Ausdruck in der Sprache kann da noch nicht die Rede sein.
Was Carsten meint, was zum Ausdruck kommt wenn die Persönlichkeit da rein kommt, oder vom Budo geprägt wird (das geht ja in zwei Richtungen) ist was anderes glaube ich.

Tantal
24-03-2021, 11:28
Das hat aber nichts mit persönlichem Ausdruck zu tun.
Das ist wie wenn man schreiben gelernt hat und jetzt Wörter frei kombinieren kann, von persönlichem Ausdruck in der Sprache kann da noch nicht die Rede sein.
Was Carsten meint, was zum Ausdruck kommt wenn die Persönlichkeit da rein kommt, oder vom Budo geprägt wird (das geht ja in zwei Richtungen) ist was anderes glaube ich.

Tatsächlich unterscheidet sich meine Ausdrucksweise von deiner dadurch, wie ich Wörter frei kombinieren kann^^.

Will nicht ausschließen, dass man bei dem Thema teilweise aneinander vorbei redet, müsste man halt vor Ort abklären.

Gast
24-03-2021, 11:38
Tatsächlich unterscheidet sich meine Ausdrucksweise von deiner dadurch, wie ich Wörter frei kombinieren kann^^.



Erstmal heißt es, du kannst grammatische Regeln anwenden und flüssig sprechen. Da gibt es natürlich ein paar Freiheiten.
Ob das gesprochenen einen Gehalt ergibt, welchen Inhalt oder welches literarische Niveau es hat (wenn es überhaupt eins hat), ist damit nicht gesagt.

Tantal
24-03-2021, 11:40
Erstmal heißt es, du kannst grammatische Regeln anwenden und flüssig sprechen. Da gibt es natürlich ein paar Freiheiten.
Ob das gesprochenen einen Gehalt ergibt, welchen Inhalt oder welches literarische Niveau es hat (wenn es überhaupt eins hat), ist damit nicht gesagt.

klar, deswegen übt man ja ein Leben lang weiter. Und man beginnt damit recht früh, frei zu kombinieren.

Gast
24-03-2021, 11:48
klar, deswegen übt man ja ein Leben lang weiter. Und man beginnt damit recht früh, frei zu kombinieren.

Na dann seid ihr euch zumindest in dem ersten Punkt einig. Mit personalisieren des Übens war aber meines Erachtens nicht gemeint, Techniken frei zu kombinieren, ich denke da gibt es ein Missverständnis.

Tantal
24-03-2021, 11:50
Na dann seid ihr euch zumindest in dem ersten Punkt einig. Mit personalisieren des Übens war aber meines Erachtens nicht gemeint, Techniken frei zu kombinieren, ich denke da gibt es ein Missverständnis.

Ich glaube Carsten wird mir schon sagen, was und wie er es meint :)

Ich rede z. B. auch nicht von "Techniken".

Gast
24-03-2021, 11:58
Es geht nicht schneller.

Ja.
Die heißen aber nicht irgendwie unterschiedlich, sondern Endô sensei erläutert bestimmte Stufen in Abhängigkeit von einem bestimmten Niveau der Übenden. Er erläutert sehr genau, was auf welchert Stufe warum geübt werden soll.


Sind diese Stufen klar definiert, haben sie Namen, die die anderen Lehrer des Hombu, und vor allem Doshu, auch benutzen? Ist es ein nachvollziehbares System dass alle Lehrer der gleichen Richtung benutzen? Ich weiß ja dass es nicht so ist, deswegen kann ich auch sagen dass es eben nicht dem System einer Koryu entspricht, sondern dass es eben nur Endo Senseis persönliches Lehrsystem ist, dass eben auch nicht von Ueshiba herkommt.

kanken
24-03-2021, 12:01
Klar, bei viel üben geht es schneller. 3 Stunden am Tag üben tun halt nur die wenigsten. (Was genau man unter Üben versteht mal außen vorgelassen.)
Selbst mit viel Üben kann man aber - nach meinem Verständnis - manche Dinge nicht beliebig forcieren.
Aber letztlich reden wir ja vermutlich eh noch nicht vom selben (also was genau eigentlich mit Freiheit des Ausdrucks und innerhalb welcher Prinzipien genau gemeint ist). Und das muss ja auch schlicht und einfach nicht für alle KK identisch sein.

Ich finde dieses gesamte Thema „Training/Trainingsmethoden/Ziele“ extrem schwierig schriftlich zu besprechen, da es eben ziemlich komplex ist. Das fängt ja schon damit an dass man erst einmal definieren müsste über was für eine Kampfkunst man redet, d.h. wofür war sie gedacht und für wen. Davon ausgehend müsste man gucken wie sie sich über die Zeit entwickelt hat und was heutzutage von den ursprünglichen Inhalten noch wie gelehrt wird.

Dazu müsste man dann eigentlich noch differenzieren zwischen „Kampfkunst“ und „Übenden“, denn eine „Kampfkunst“ kann eine sehr große Tiefe haben, aber der Übende hat sie einfach nicht gelernt und umgekehrt, d.h. die ursprüngliche KK kann eine nicht so große Tiefe haben, die wurde dann aber durch einen Übenden hineingebracht und dadurch „aufgewertet“.

Man müsste sich also ganz konkret die Linie eines Übenden angucken und für genau diese Linie die einzelnen Stationen (so weit das seriös möglich ist) um dann nur für genau diese Konstellation sprechen zu können.

Pauschale Aussagen über „das Bagua“, „das Tai Chi“ oder „die KK“ sind nicht möglich, ebenso sind keine Aussagen über „Lehrer XY“ von vor X Jahren möglich, da dessen Schüler ja auch nicht unbedingt alles gleich gelernt haben.

Aussagen sind also nur für ganz konkrete Konstellationen möglich.

In den Koryu (jedenfalls so wie ich es meine zu verstehen) ist das anscheinend ein wenig einfacher, da die ja ein „Kompetenzsystem“ in Form von Schriftrollen haben und im Idealfall spiegelt sich die kämpferische Kompetenz dann auch jedem Schriftrollenlevel wieder, ebenso die Integration des Gelernten in die Persönlichkeit und in den Alltag des Übenden.
So etwas „Strukturiertes“ haben wohl nur die wenigsten KK.

Ich kann eben nur für meine Linie des Bagua/Yiquan sprechen und dort gibt es eben die entsprechende Didaktik. Das setzt natürlich eine gewisse „Hingabe“ voraus, bzw. die Bereitschaft auch so zu üben. Klar, am Anfang wird man den Leuten diese Tools noch nicht an die Hand geben, denn da ist man erst einmal damit beschäftigt die äußeren Abläufe und Bewegungen zu lernen. Ich bin das erste Jahr auch erst einmal nur im Kreis mit meinen Handhaltungen gelaufen und habe meine Übungen auf der Linie und am Partner gemacht. Da waren es dann auch nur 7-9 Stunden die Woche.

Das ist das, was ich vom Karate und anderen KK kannte. Man geht ins Training, übt die Form, übt am Partner und wiederholt das Gelernte zu Hause alleine.
Mit der Zeit versteht man aber immer besser was man da tut, erkennt was dahinter liegt und wie man diese Dinge intensiver und länger üben kann (ohne sich umzuziehen und andere „Trainingsvorbereitungen“).
Am Ende geht es im Einzeltraining ja immer darum die Bewegungskompetenz zu verbessern (also intra- und intermuskuläre Koordination) und Bewegungen flüssiger und freier zu üben. Dazu kommt dann noch eine verbesserte Körpereigenwahrnehmung, wobei das eng mit der Koordination verbunden ist (was ich besser wahrnehme kann ich besser/differenzierter bewegen).

Dafür bedarf es Zeit und Intensität (Wiederholungen). So wie ich die TCMA gelernt habe haben sie eben genau das geschafft. Ich kann ohne Probleme 4-5 Stunden am Tag üben und das mit Wiederholungsraten von locker 20.000-30.000 Wiederholungen am Tag.
Klar, wenn man anfängt etwas zu üben sind die Wiederholungen bei weitem nicht so hoch, aber das ändert sich innerhalb von 1-2 Wochen Training (für diesen Bereich) rapide.

Wenn man z.B. übt die einzelnen Finger bei bestimmten Dingen zu nutzen oder die Zehen, dann tut man das in den TCMA nicht isoliert, sondern in Kombination mit dem Rest des Körpers und mit klaren Zielen. Wenn ich das nur üben könnte wenn ich ein Schwert in der Hand hätte, dann käme ich auf extrem wenige Wiederholungen. Ohne Partner muss ich also einen Weg haben mit hohen Wiederholungszahlen zu üben.
Das man natürlich auch einen Partner braucht und die Dinge in der freien Anwendung üben muss, darüber muss man glaube ich nicht reden. Das ist selbstverständlich.

Wenn man sich jetzt die Didaktik dahinter anguckt (wieder: so wie ich sie gelernt habe) dann beeinflusst ein solches Lernen und Üben natürlich auch die Persönlichkeit, da die dazugehörigen Ideen/Bilder und körperlichen Übungen natürlich auch die neuronalen Netze im Gehirn beeinflussen und auch die verschiedenen Transmittersysteme, da sie auch mit emotionalen Zuständen arbeiten.

WENN man KK auf dieser Tiefe übt, dann verändertes das eben sehr viel. Bei uns in der Linie ist diese Art des Übens vorhanden und ich hatte das Glück das von meinem Lehrer lernen zu dürfen, das heißt aber nicht das so etwas pauschal „im Bagua“ oder „Yiquan“ vorhanden ist.

EIN TEIL dieses Übens beinhaltet eben auch die Personalisierung der KK an den jeweiligen Übenden, denn er muss „die Kunst“ durch seine Persönlichkeit zum Ausdruck bringen, bei allem was er auf der Matte tut. Es gibt bei uns nicht „das Bagua“ sondern nur das Bagua des jeweils Übenden, da er es mit der Zeit immer mehr zu „seinem Bagua“ macht.

Die einzige „Qualitätskontrolle“ die wir haben ist dass es im freien Kampf gegen einen unkooperativen Gegner am Ende funktionieren muss. Dadurch dass man ja Lehrer hat, die einen fühlen lassen was geht, muss man versuchen dieses Gefühl bei anderen zu reproduzieren. Kontrolle ist dabei dann das Resultat.

Heutzutage gibt es ja viele Gründe warum man KK lernen will, reale Gewaltausübung mit Klingenwaffen hat da mit Sicherheit nicht mehr den Stellenwert den es früher mal hatte, dennoch kann man ja ein solches System noch lernen, denn der geistige und körperliche Benefit eines solchen Trainings ist, in meinen Augen, dennoch enorm (Persönlichkeitsentfaltung, körperliche Fitness etc.). Kann man alles natürlich auch anders erreichen, aber eben auch mit der KK und , da bin ich auch wieder absolut bei Dir, das muss schlicht und einfach nicht für alle KK identisch sein.

Gast
24-03-2021, 12:02
Ich rede z. B. auch nicht von "Techniken".

Das ist mir egal wie ihr das nennt was ihr da kombiniert, dass sind doch nur Begriffe.

Tantal
24-03-2021, 12:07
Das ist mir egal wie ihr das nennt was ihr da kombiniert, dass sind doch nur Begriffe.

Finde ich ne gute Einstellung, man stelle sich mal vor jemand disktutiert die ganze Zeit über "schneiden" und "hacken" und hängt sich an Begriffen auf ;)

DatOlli
24-03-2021, 12:13
Das ist mir egal wie ihr das nennt was ihr da kombiniert, dass sind doch nur Begriffe.

Ok, das ist strange.
Begriffe bzw. deren Abklärung dürfte gerade beim "schriftlichen" Diskutieren wohl so ziemlich das wichtigste sein, sofern man sich tatsächlich austauschen möchte.
Wenn man sich begegnet ist das schon fast egal, da zeigt man einfach was man meint. Aber hier?

Liebe Grüße
DatOlli

Gast
24-03-2021, 12:26
Finde ich ne gute Einstellung, man stelle sich mal vor jemand disktutiert die ganze Zeit über "schneiden" und "hacken" und hängt sich an Begriffen auf ;)

Nein, ich hänge mich gerade NICHT dran auf, ich mache einfach klar dass es um etwas anderes geht, als sich darüber einigen zu müssen ob man nun Worte oder Buchstaben kombiniert.
Und am "schneiden und hacken" habe nicht ich michaufgehängt, ich habe einfach gesagt, dass es in einem bestimmten Kontext so und so verwendet wird, mehr nicht.

Also lies mal richtig (das kommt, wenn man zu früh anfängt zu kombinieren:)).

carstenm
24-03-2021, 12:53
... deswegen kann ich auch sagen dass es eben nicht dem System einer Koryu entspricht, ...Hm ... ich weiß nicht, welche koryû du übst. Es scheint da offenbar Unterschiede zu geben. Denn ich erlebe in dieser Hinsicht keinen Unterschied.


... sondern dass es eben nur Endo Senseis persönliches Lehrsystem ist, ...Ich bezog mich auf das, was im honbu als kihon vestanden wird. "Endo Senseis persönliches Lehrsystem" entspricht diesem Konsens der Lehrer des honbu, unter anderem deswegen, weil er selber viele Jahre der Vorsitzende der Prüfungskommission war und damit eben auch für die Einheitlichkeit zuständig war.

Mein Üben beschränkt sich ja inzwischen auf den engen Auschnitt von Endô sensei, bzw. dessen Schülern, zu denen auch mein Lehrer gehört. Aber wenn ich das kihon von Lehrern des honbu sehe, dann sehe ich dort dasselbe kihon, das ich auch kenne.
... was eben auch der Grund ist, warum Leute ihre Prüfungen im honbu ohne Reibungsverluste ablegen können ...
(Diejenigen, von denen ich es weiss, tun das, weil ihnen - aus unterschiedlichen Gründen - die Beziehung zum honbu wichtig ist. Weil früher dort geübt haben, weil sie früher in Japan gelebt haben, weil sie nur einmal im Jahr nach Japan können, und dann dort auch die Prüfung ablegen. ... und wasweißichnichalles ...)


... dass eben auch nicht von Ueshiba herkommt.Puuuuhhhh ... ich kann nur sagen ... das Sugino dôjô ist eines der ersten - und eines der wenigen - shibu des honbu (damals noch kobukan) gewesen ... und war es bis vor wenigen Jahren.

Sugino Yoshio osensei hat seine Lehrerlaubnis Mitte der 1930er Jahre bekommen.
Einer der Lehrer dort war bis zu seinem Tod Mitte der 1990er Jahre Yamaguchi Seigo sensei.
Der sehr frühe (30er Jahre) und der späte (50er-60er Jahre) Schüler von Ueshiba osensei haben im selben dôjô dasselbe kihon unterrichtet.
Das kihon des sehr späten (60er Jahre) Schülers, Endô sensei, entspricht dem.

Ich kann nicht beurteilen, "was von Ueshiba herkommt". Ich kann nur Vergleiche anstellen.

carstenm
24-03-2021, 13:07
... ich hatte das Glück das von meinem Lehrer lernen zu dürfen ...Ich hatte im Verlauf der Diskussion den Eindruck, daß es einen Unterschied macht, ob von "von Aussen nach Innen übt", als Bewegungen immer mehr internalisiert, sie "kleiner", effektiver, spontaner werden lässt. Oder ob man "von Innen nach Aussen übt", also erst eine Transformation körperlicher Strukturen betreibt, die sich dann in den Techniken auswirken können.

In dem Zusammenhang habe ich gerade vor kurzem ein Video angeschaut, in dem Paul - wenn ich ihn richtig vestehe - bestreitet, daß es "innere Kampfkünste" gäbe. Falls ich das richtig gehört habe, kannst du etwas erläutern, was er unter "inneren" Künsten versteht?

Gast
24-03-2021, 13:11
Ich bezog mich auf das, was im honbu als kihon vestanden wird. "Endo Senseis persönliches Lehrsystem" entspricht diesem Konsens der Lehrer des honbu, unter anderem deswegen, weil er selber viele Jahre der Vorsitzende der Prüfungskommission war und damit eben auch für die Einheitlichkeit zuständig war.


Ich glaube wir reden aneinander vorbei. Was ich sehe ist, dass das Kihon der einzelnen Lehrer des Hombu immer nur grob einheitlich war, es gab nie einen Konsens über "Stufen", wie sie aufeinander folgen oder unterrichtet werden sollen oder müssen.
Nicht einmal die Prüfungsordnungen sind einheitlich, die Hombu Shihan die im Ausland leben oder lebten, haben oder hatten unterschiedliche Prüfungsordnungen.
Das das Hombu überhaupt eine Prüfungsordnung vorgibt, ist eine neue Entwicklung, die sicher nicht von Ueshiba eingeleitet wurde.
Welches Lehrsystem Sugino hatte, oder welche Prüfungsordnung es im Kumano Dojo oder in Iwama gab, hat einen Hiroshi Tada oder Nobuyoshi Tamura nie interessiert, das sind alles Fakten.
Wenn man natürlich nur das Umfeld des eigenen Lehrers betrachtet mag es den Anschein haben es gäbe da was wie eine einheitliche Überlieferung, aber davon kann überhaupt keine Rede sein.
In einer Koryu gibt es Schriftrollen, da steht genau drin was man auf welcher Stufe gelernt hat, so etwas gibt es im Aikido nicht. Da kriegste ne Urkunde, da steht drauf 4.Dan, fertig. Was in der Tüte drin ist, weiß niemand. Da gibt es Verbände die Jahrzehnte lang irgendwelchen Mist machen, gehen dann zum Hombu, lassen ihren Verband undihre Graduierungen anerkennen, Doshu nickt das ab, und fertig.

kanken
24-03-2021, 13:23
In dem Zusammenhang habe ich gerade vor kurzem ein Video angeschaut, in dem Paul - wenn ich ihn richtig vestehe - bestreitet, daß es "innere Kampfkünste" gäbe. Falls ich das richtig gehört habe, kannst du etwas erläutern, was er unter "inneren" Künsten versteht?

Hast Du richtig gehört. Paul hat in China und Malaysia viele authentische Linien kennengelernt und viele gute Lehrer und überall hat sich gezeigt dass die Prinzipien der KK gleich sind.
Für ihn gibt es eben keine Unterscheidung zwischen „Inneren“ und „Äußeren“ Systemen, das Einzige was sich unterscheidet ist die Tiefe des Verständnisses des Lehrers in einem Systems.

Die Leute, die er kennengelernt hat, haben nie zwischen „innen“ und „außen“ unterschieden und das waren Leute aus der Generation von Zhao Daoxin. All den Leuten früher aus dem Xing Yi, Bagua, Tai Chi, Shuaijiao, Yiquan, Shaolinderivaten etc. ging es immer nur um das Kämpfen, niemals um Stile oder Stilnamen. Das hat die alle niemals interessiert. Es galt nur das, was man auf der Matte abliefern konnte. Wenn das passte hat man sich über Methoden und Didaktik ausgetauscht und daran gearbeitet.

Sicher, es gab das Verhältnis von Schüler und Lehrer. Wenn man „dazu“ gehörte, dann trainierte man zusammen und gehörte zu der Gruppe. Da geht es jedoch um persönliche Verbindungen und nicht um „Stile“.

Leute wie WXZ oder DHC haben das ja auch schon gesagt und festgestellt (und die beiden haben ja auch viele „Stile“ kennengelernt).

Gast
24-03-2021, 13:54
Sugino Yoshio osensei hat seine Lehrerlaubnis Mitte der 1930er Jahre bekommen.
Einer der Lehrer dort war bis zu seinem Tod Mitte der 1990er Jahre Yamaguchi Seigo sensei.
Der sehr frühe (30er Jahre) und der späte (50er-60er Jahre) Schüler von Ueshiba osensei haben im selben dôjô dasselbe kihon unterrichtet.
Das kihon des sehr späten (60er Jahre) Schülers, Endô sensei, entspricht dem.


DAS glaube ich so nun überhaupt nicht.
Mitte der 1930 Jahre gab es noch kein Aikido, wenn Sugino dort eine Lehrerlaubnis bekommen hat, dann eine Daito-Ryu Lehrerlaubnis, und die müsste noch von Sokaku Takeda legitmiert worden sein. Wie die Urkunden aussahen die in dieser Zeit ausgestellt wurden undwelchen Inhalt die hatten, darüber kann man sich doch auf den Seiten von Aikido-Sangenkai informieren.
Eine Lehrerlaubnis hieß damals kyoju-dairi. Vorher muss er das Curriculum der Daito-Ryu durchlaufen haben, das Hiden mokuroku, u.s.w., und das sieht nun mal völlig anders aus als der Technikkanon der heute im Hombu als Kihon unterrichtet wird, das muss doch ein Blinder mit Krückstock sehen.
Und das, und nichts anderes kann damals im Sugino Dojo unterrichtet worden sein.
Dass das Kihon, das Endo heute unterrichtet das Gleiche ist, ist doch einfach nicht wahr.

ryoma
24-03-2021, 15:07
...In einer Koryu gibt es Schriftrollen, da steht genau drin was man auf welcher Stufe gelernt hat, ...

Kann drinstehen, muss es aber keineswegs.

Gast
24-03-2021, 15:30
Kann drinstehen, muss es aber keineswegs.

Ok, kann.
In einer Schriftrolle der Daito-Ryu waren die Techniken jedenfalls genau aufgelistet, waren auf der Stufe des hiden mokuroku 112 an der Zahl, die frühen Schüler Ueshibas haben diese Urkunden erhalten.
Dieses System existiert im heutigen Aikido nicht mehr, das Kihon KANN also gar nicht das Gleiche sein.

Gast
24-03-2021, 15:40
@Ralf (&Tantal)

Danke für deinen langen Post, auch wenn ich ihn nicht so ganz in Zusammenhang mit dem bringen kann, über was wir vermeintlich gesprochen haben (bzw. worauf ich auf eine Erwiderung von Tantal auf Carsten eingestiegen bin).

Ich wollte zum Ausdruck bringen, dass es bei uns (nach dem was ich weiß und glaube verstanden zu haben) durchaus gut zehn Jahre auch bei intensiven Üben dauern kann, bis man soweit ist, die Prinzipien seiner Persönlichkeit entsprechend frei abzuwandeln, ohne dass dadurch Qualität verloren geht. Das beziehe ich jetzt mal speziell auf die Yilu (d. h. die bekannte, lange erste Taolu im Chen-Taijiquan). Chen Peishan ist dabei ein sehr gutes Beispiel dafür, wie die Yilu einen sehr individuellen Charakter in der Ausführung erhält, ohne dass Qualität verloren geht (alles folgende nach meinem simplen Eindruck, ich kann da auch falsch liegen). Seine Schwester Chen Peiju wiederum demonstriert die Yilu ebenfalls auf einem sehr hohen Niveau, aber äußerlich weniger abweichend von dem, was als Basis unterrichtet wird (aber eben mit einer starken inneren Qualität). Um das machen zu können ist aber für beide eine über sehr lange Zeit entwickelte Basis und ein tiefes praktisches und theoretisches Verständnis der Bilder, Ideen usw. nötig. Das kann man nicht in ein paar Jahren entwickeln, selbst wenn man viel übt und gut unterrichtet wird. Mehr wollte ich eigentlich nicht sagen, hoffe das ist irgendwie verständlich?
(Und nochmal was anderes ist es, dass jeder schon sehr viel früher eine gewisse Individualität in seine Taolu bringt, einfach aufgrund der unterschiedlichen Körper. Das ist aber eher eine Notwendigkeit, als wirkliche Freiheit; denn es geht ja nicht darum Abziehbilder von der Ausführung des Lehrers herzustellen.)

kanken
24-03-2021, 15:57
@Ralf (&Tantal)

Danke für deinen langen Post, auch wenn ich ihn nicht so ganz in Zusammenhang mit dem bringen kann, über was wir vermeintlich gesprochen haben (bzw. worauf ich auf eine Erwiderung von Tantal auf Carsten eingestiegen bin).


Hi Julian,

ich wollte eigentlich nur darstellen wie dieser „persönliche Ausdruck“ sich bei uns entfalten kann und das man eben sehr genau gucken muss was man da evtl. vergleichen möchte.

So wie ich KK (Bagua/Yiquan) verstehe geht es darum sehr früh seinen eigenen Zugang zu finden. Das System gibt den Rahmen vor in dem ich mich entwickeln kann. Letztlich bin ich es der dem ganzen Leben und Funktionalität geben muss und das geht über Verstehen von Prinzipien und dem Ausdrücken von Prinzipien durch seinen eigenen Körper/sein eigenes Handeln. Das ist eben das konfuzianische Modell, der Lehrer erklärt und zeigt, man muss es aber selber zum Leben erwecken. Diese Eigenverantwortlichkeit ist das Entscheidende.

Natürlich ist eine Form erst einmal, auf den ersten Blick, ein starres Konstrukt, das ich durch nachmachen üben und verstehen muss. Damit übe ich dann die Prinzipien aber in der Form oder evtl. auch noch in den ergänzenden Übungen.
Was ich im Bagua gelernt habe ist jedoch etwas anderes. Dort konzentriert man sich, wenn man die Form kennt, auf die Prinzipien dahinter und versucht die zu verstehen und zu üben, unabhängig von der äußeren Form. Das Außen kann ich beliebig kombinieren und selber frei zusammenstellen.
Ich kreiere quasi bei jedem Kreislaufen eine neue Form, basierend auf den Prinzipien.

Dieses „freie“ sorgt dafür dass man bei uns schon sehr früh gezwungen ist seine persönliche Note in die KK zu bringen. Das ist jedoch etwas anderes als wenn man die Form in den Mittelpunkt der Didaktik stellt, keine Frage.

Gast
24-03-2021, 16:19
Hi Julian,

ich wollte eigentlich nur darstellen wie dieser „persönliche Ausdruck“ sich bei uns entfalten kann und das man eben sehr genau gucken muss was man da evtl. vergleichen möchte.

So wie ich KK (Bagua/Yiquan) verstehe geht es darum sehr früh seinen eigenen Zugang zu finden. Das System gibt den Rahmen vor in dem ich mich entwickeln kann. Letztlich bin ich es der dem ganzen Leben und Funktionalität geben muss und das geht über Verstehen von Prinzipien und dem Ausdrücken von Prinzipien durch seinen eigenen Körper/sein eigenes Handeln. Das ist eben das konfuzianische Modell, der Lehrer erklärt und zeigt, man muss es aber selber zum Leben erwecken. Diese Eigenverantwortlichkeit ist das Entscheidende.


Volle Zustimmung, und ich würde sagen, ist bei uns nicht grundsätzlich anders.



Natürlich ist eine Form erst einmal, auf den ersten Blick, ein starres Konstrukt, das ich durch nachmachen üben und verstehen muss. Damit übe ich dann die Prinzipien aber in der Form oder evtl. auch noch in den ergänzenden Übungen.
Was ich im Bagua gelernt habe ist jedoch etwas anderes. Dort konzentriert man sich, wenn man die Form kennt, auf die Prinzipien dahinter und versucht die zu verstehen und zu üben, unabhängig von der äußeren Form. Das Außen kann ich beliebig kombinieren und selber frei zusammenstellen.
Ich kreiere quasi bei jedem Kreislaufen eine neue Form, basierend auf den Prinzipien.

Dieses „freie“ sorgt dafür dass man bei uns schon sehr früh gezwungen ist seine persönliche Note in die KK zu bringen. Das ist jedoch etwas anderes als wenn man die Form in den Mittelpunkt der Didaktik stellt, keine Frage.


Es besteht glaube ich immer wieder ein gewisses Missverständnis; die Form ist nicht der Zweck, sondern das Mittel; wir üben mittels der Form, aber wir üben nicht die Form. Was ich fett markiert habe, ist bei uns kein Nacheinander, sondern halt immer ein miteinander. Und natürlich muss man auch üben, die Prinzipien in Bewegungen zu übertragen, zu finden und zu verwirklichen, die nicht mit Bildern der Form übereinstimmen!

P.S.
Sorry dass ich oft/immer Ralf statt Kanken schreibe, ist keine Absicht.

carstenm
24-03-2021, 17:39
DAS glaube ich so nun überhaupt nicht. ...Je nun ... das mußt du selber wissen ...

Sugino osensei hat 1933 begonnen, bei Ueshiba osensei zu üben.
Das budô, das er gelernt hat, hieß damals daitô ryû aikjujutsu.

Sugino osensei wurde angeboten, der Nachfolger und Schwiegersohn von Ueshiba osensei zu werden, hat das aber abgelehnt. (U.a. weil er schon recht glücklich verheiratet war ...)

1935 hat Sugino osensei die Erlaubnis bekommen, zu unterrichten und das damals zweite shibu des kobukan zu eröffnen. Ueshiba osensei selbst hat dort vor dem Krieg ebenfalls regelmäßig unterrichtet.
Der Sohn von Sugino Yoshio unterrichtet dort bis heute das, was er von seinem Vater gelernt hat.


Mitte der 1930 Jahre gab es noch kein Aikido ...
...
Und das, und nichts anderes kann damals im Sugino Dojo unterrichtet worden sein.
Dass das Kihon, das Endo heute unterrichtet das Gleiche ist, ist doch einfach nicht wahr.Die Äußerungen von Saito sensei zu den Techniken, die in "budô" von 1938 gezeigt werden, kennst du? Und seinen Kommentar, in dem er en detail erläutert, daß und wie diese Techniken identisch sind mit dem, was Ueshiba nach dem Krieg unterrichtet hat? Gibt dir das nicht zu denken?

Ansonsten: Kannst du das aikidô, das im Yuishinkan unterrichtet wurde und wird oder das kihon, das Endô sensei unterrichtet, aus eigener Erfahrung beurteilen? (Ich meine dich bei keinem Seminar von Endô sensei oder gar bei einer seiner Prüfungen erlebt zu haben in den letzten 15 Jahren?)

carstenm
24-03-2021, 18:09
... die Hombu Shihan die im Ausland leben oder lebten, haben oder hatten unterschiedliche Prüfungsordnungen. ...Ja. Was immer wieder zu Konflikten mit dem honbu geführt hat und ein wesentlicher Grund dafür war, dass das honbu die Bedeutung des kihon waza und auch eine einheitliche Prüfungsordnung zunehmend betont hat.

In Frankreich war das einer der Gründe für den "Konflikt" zwischen Tamura sensei und Christian Tissier ... den dann die Prüflinge in Paris ausbaden mußten ...
Und ja auch hier in Deutschland war und ist das ja ein Thema.


Das das Hombu überhaupt eine Prüfungsordnung vorgibt, ist eine neue Entwicklung, die sicher nicht von Ueshiba eingeleitet wurde. "Neu" ist ja ein relativer Begriff. Als ich vor 27 Jahren begonnen habe, war das schon "alt" ... und hatte eben u.a. damit zu tun, daß die Lehrer im Ausland gerne ihr eigenes Ding gemacht haben.


Welches Lehrsystem Sugino hatte, oder welche Prüfungsordnung es im Kumano Dojo oder in Iwama gab, hat einen Hiroshi Tada oder Nobuyoshi Tamura nie interessiert, das sind alles Fakten. ... wie gesagt: Das Sugino dôjô ist ein shibu des honbu. Die beiden dôjô sind gerade mal 25 km voneinander entfernt. Und dort haben etliche derselben Lehrer wöchentlich ihre Klassen gehabt, die auch im dôjô in Wakamatsu cho unterrichtet haben.

Wir reden insofern vollkommen aneinander vorbei, weil die shihan,die im Ausland leben, wie Tada sensei oder Tamura sensei, in meiner Biographie tatsächlich keine Rolle gespielt haben. Dort standen die shihan im Vordergrund, die im honbu unterrichtet haben. Oder sich, wie Christian oder mein eigener Lehrer, sehr eng an das honbu gebunden haben, weil sie lange dort waren.


Wenn man natürlich nur das Umfeld des eigenen Lehrers betrachtet mag es den Anschein haben es gäbe da was wie eine einheitliche Überlieferung, aber davon kann überhaupt keine Rede sein.Noch einmal: Ich spreche von den Lehrern des honbu. Und das ist ein Umfeld, auf das ich mich guten Gewissens beschränke.


In einer Koryu gibt es Schriftrollen, da steht genau drin was man auf welcher Stufe gelernt hat, ...Das gibt es gewiß in manchen koryû. Aber nach meiner Erfahrung nicht allen.

carstenm
24-03-2021, 18:58
... hat man sich über Methoden und Didaktik ausgetauscht und daran gearbeitet.Hmmm .... genau an der Stelle hätte ich die Fragen von innen oder außen eingeordnet.
Mir geht's dabei nicht um Stilnamen oder so Kram ... sondern um die Frage, was auf welche Weise gelernt und geübt wird.

Also zum Beispiel um die Unterscheidung, ob man Techniken übt und dann immer kleiner werden läßt und sie immer mehr internalisiert ....
... oder ob man zuerst den Körper transformiert und diese innere Transformation dann "sich auswirken" läßt ...
... so auf die Schnelle formuliert ...

Tantal
24-03-2021, 19:03
"train big to become small" sagt Paul. Je größer die Bewegung, desto stärker das Feedback und desto besser bekommst du ein Gefühl für die Bewegung, was du dann im kleinen umsetzen kannst.

Du willst aber Bewegung üben, keine Techniken, denn jede Bewegung hat mehrere Anwendungen.

kanken
24-03-2021, 19:17
Hmmm .... genau an der Stelle hätte ich die Fragen von innen oder außen eingeordnet.
Mir geht's dabei nicht um Stilnamen oder so Kram ... sondern um die Frage, was auf welche Weise gelernt und geübt wird.

Also zum Beispiel um die Unterscheidung, ob man Techniken übt und dann immer kleiner werden läßt und sie immer mehr internalisiert ....
... oder ob man zuerst den Körper transformiert und diese innere Transformation dann "sich auswirken" läßt ...
... so auf die Schnelle formuliert ...

Die Art und Weise des Übens hat nichts mit „Intern“ / „Extern“ zu tun, jedenfalls nicht für Paul und die Leute die er kennengelernt hat.

„Techniken“ sind nur ein Werkzeug um Prinzipien zu verstehen, egal ob in der Körperarbeit oder den Anwendungen. Körper, Anwendung und „Geist“ lassen sich nicht trennen. Alles wird gleichzeitig trainiert und alles verbessert alles.

ryoma
24-03-2021, 19:20
"train big to become small" sagt Paul. Je größer die Bewegung, desto stärker das Feedback und desto besser bekommst du ein Gefühl für die Bewegung, was du dann im kleinen umsetzen kannst.

Du willst aber Bewegung üben, keine Techniken, denn jede Bewegung hat mehrere Anwendungen.

Tja, damit hast du recht präzise beschrieben, wie das z.B. in der HIRH gehandhabt und gelehrt wird. ;)

Affenherz
24-03-2021, 19:51
Hmmm .... genau an der Stelle hätte ich die Fragen von innen oder außen eingeordnet.
Mir geht's dabei nicht um Stilnamen oder so Kram ... sondern um die Frage, was auf welche Weise gelernt und geübt wird.

Also zum Beispiel um die Unterscheidung, ob man Techniken übt und dann immer kleiner werden läßt und sie immer mehr internalisiert ....
... oder ob man zuerst den Körper transformiert und diese innere Transformation dann "sich auswirken" läßt ...
... so auf die Schnelle formuliert ...

Da kommt es jetzt drauf an, was man mit Technik meint. Das kann ja im Sport alles von einem kompletten Wurfmanöver samt Eingang über einzelne Hebel und Griffe bis zur Körpermechanik einer Bewegung alles bedeuten. Im Englischen können es auch taktische Tricksereien sein.

Wenn Hebel, Kicks, Kombos, etc. gemeint sind, vermischst Du da zwei Dinge.
Von der großen Bewegung schrittweise zur kleinen zu gehen, ist die Dichotomie Dajia/Xiaojia (Großer Kreis, Kleiner Kreis)[1].

Die Idee, erst den Körper in ein perfektes Bewegungsideal zu transformieren, und dann erst zu lernen, was man damit macht, ist sehr modern, und man kann ihr in postmodernen TJQ-Interpretationen wunderbar beim scheitern zuschauen.
Selbst wenn das Ideal in einer Zeitspanne erreicht würde, die noch genug Lebenszeit zum Üben der Anwendungen übrig ließe, hätte man dann einen nicht mehr einholbaren Rückstand bei taktischer Erfahrung und pressure testing.
Anwendungen, Partnerübungen, Flowdrills, Taktik müssen parallel zur Taolu gedrillt, kontextualisiert und studiert werden. Sonst versteht man auch die Soloform überhaupt nicht. Unser Gehirn ist echt schlecht darin, zwecklose und rein abstrakte Sachen zu lernen. Wir stellen immer Verbindungen her und erfinden eine Sinn für alles, was wir tun. Und dann passen wir automatisch Wahrnehmung und Bewegung diesem Sinn an.
Und das geht bei Anfängern natürlich schief.

Also besser nicht: erst die perfekte Bewegung, dann die Anwendungen.
Sondern: Bewegung und Anwendungen parallel und in ihrer natürlichen Wechselwirkung lernen, drillen, verbessern und erforschen.

Die Dichotomie Neijia/Weijia macht eigentlich nur im Daoismus Sinn. In den nordchinesischen KK ist da kein Unterschied nachweisbar. Die stammen alle aus derselben Suppe und sind miteinander verwoben.
Der Begriff Innere KK ist eigentlich eine Erfindung chinesischer Rechtsextremisten, die sich eine ethnisch reine ursprüngliche KK als Gegenentwurf zu barbarischen ausländischen Einflüssen erträumt haben.

Was man dann heute unterer Innerer KK versteht, bleibt oft sehr schwammig und ist oft mit Klischees und Wunderglauben überladen.

[1] Nicht zu verwechseln mit den gleichnamigen Hauptströmungen im Chenclan.

period
24-03-2021, 20:15
Du willst aber Bewegung üben, keine Techniken, denn jede Bewegung hat mehrere Anwendungen.

Jede Technik hat auch mehrere Anwendungen und X Varianten ;) Im Prinzip läuft sichs m.E. in der Praxis aber faktisch aufs Gleiche hinaus, ob ich jetzt eine Technik übe und dabei eine Bewegung mache oder eine Bewegung übe und dabei eine technische Anwendung vor Augen habe. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Leute mit dem grössten Bewegungsrepertoire am schnellsten lernen, weil sie an bekannte Muster anknüpfen können. Im Kampfsport besteht das einschlägige Bewegungsrepertoire fast zwangsläufig aus Techniken (das schliesst die Bewegungsmuster von technisch-taktischen Zwischenhandlungen mit ein), denn eine bestimmte Bewegung mit dem korrekten Timing, dem korrekten Energietransfer und der korrekten Absicht ("intent") ist nun mal nichts anderes. Anders gesagt: Kunstturner lernen eine neue ringerische Technik schnell, Ringer mit einem umfangreichen technischen Repertoire schneller, Leute, die einen Bewegungsablauf zerfasern und verstehen müssen am langsamsten - dafür sind die meistens am ehesten in der Lage, jemandem danach die Technik zu vermitteln. Wer eine Technik auf Anhieb kann und dann immer gleich ausführt hat sie dann zwar verinnerlicht, aber nicht zwingend durchdacht und auf einer bewussten Ebene verstanden, wenn man versteht was ich meine. Aber ich schweife mal wieder ab.

Die einzige Variante, die aus meiner Sicht suboptimal wäre, ist Bewegungen zu üben, ohne die Technik dahinter wirklich zu verstehen - und genau das scheint mir nicht wenigen Schulen der Fall zu sein. Anders kann ich mir bestimmte Diskussionen, welche Techniken denn nun hinter welcher Form stecken sollen, ehrlich gesagt nicht erklären.

Beste Grüsse
Period.

ETARAK
24-03-2021, 21:06
So viele Worte von so vielen verschiedenen Menschen, die alle über das Gleiche sprechen.

Tantal
24-03-2021, 21:53
Schöner Text, stimme da grundsätzlich voll mit überein, vielleicht meinen wir auch tatsächlich das gleiche, müsste man abschließend wahrscheinlich auf der Matte klären. Will an der Stelle nochmal versuchen zu erklären, wo ich nen Unterschied sehe:


Im Kampfsport besteht das einschlägige Bewegungsrepertoire fast zwangsläufig aus Techniken (das schliesst die Bewegungsmuster von technisch-taktischen Zwischenhandlungen mit ein), denn eine bestimmte Bewegung mit dem korrekten Timing, dem korrekten Energietransfer und der korrekten Absicht ("intent") ist nun mal nichts anderes.

Ich kenne es bei uns so, dass eine Bewegung mit unterschiedlicher Absicht und leicht anderem Timing, vorallem aber durch eine andere Position zum Gegner komplett andere Ergebnisse liefert.

In einer Bewegung, die bei uns "Swallow" heißt, kann ich sowohl schlagen, als auch ziehen, als auch hebeln - und zwar Ellenbogen und/oder Schulter und/oder Knie, als auch den Gegner auf den Hinterkopf werfen, oder seitlich aufs Schultergelenk oder aber die Kniesehne durchschneiden etc etc.

In meinem Kopf ist das eine Bewegung, durch den entsprechenden Kontakt zum Gegenüber werden dann all die Anwendungen daraus. Eine Technik wäre für mich dann eher eine Bewegung, die eine Kernanwendung hat, die sich in den Details der Situation anpasst, aber von außen immer als Variante der Anwendung zu erkennen ist, da mit dem Gegner ähnliche Sachen passieren.

Und unsere "Swallow" besteht dann wieder aus Teilbewegungen, ich kann also mitten in der Bewegung aus dem Bewegungsmuster in ein neues wechseln und einen anderen Bewegungsweg einschlagen, woraus sich wieder neue Anwendungen ergeben.

Wenn das für dich Techniken sind, dann passt ja alles, würde mich bei dir auch nicht wundern.

Gast
24-03-2021, 21:54
Je nun ... das mußt du selber wissen ...

Sugino osensei hat 1933 begonnen, bei Ueshiba osensei zu üben.
Das budô, das er gelernt hat, hieß damals daitô ryû aikjujutsu.


Richtig, sagte ich ja bereits, und eine Lehrerlaubnis konnte er nur unter der Legitimation von Sokaku Takeda bekommen haben.

Das Curricculum und somit das Kihon des zu dieser Zeit unterrichteten daito ryu unterscheidet sich deutlich davon was heute im Hombu Dojo des Aikikai unterrichtet wird.
Mein Lehrer hat dort 10 Jahre trainiert (wenn du dich schon aufs Hombu beziehst) und er unterrichtet das, was er dort gelernt hat, und das ist NICHT das Daito ryu der alten Zeit.


Die Äußerungen von Saito sensei zu den Techniken, die in "budô" von 1938 gezeigt werden, kennst du? Und seinen Kommentar, in dem er en detail erläutert, daß und wie diese Techniken identisch sind mit dem, was Ueshiba nach dem Krieg unterrichtet hat? Gibt dir das nicht zu denken?

Naja, Saito musste sich schon bemühen dass so nachzuturnen, denn es entsprach eben nicht mehr dem was zu seiner Zeit geübt wurde, und schon gar nicht dem was im Hobu Dojo geübt wurde.

Ich habe ziemlich genaue Kenntnis darüber, was im Hombu in den 50er bis 60er Jahren geübt wurde, und das war wie schonmal gesagt, nicht dass, was 1933 geübt wurde.
Das war nämlich noch das Hiden mokuroku der Daito ryu.




Noch einmal: Ich spreche von den Lehrern des honbu. Und das ist ein Umfeld, auf das ich mich guten Gewissens beschränke.



Die Lehrer des Hombu, mhm...
Tada Sensei ist 1972 nach Tokio ins Hombu zurückgekehrt, also gut 20 Jahre bevor du mit Aikido angefangen hast, und er war DER Hombu Shihan, ist heute immer noch nach Doshu die Nummer zwei, auch wenn er heute nicht mehr dort unterrichtet. Hat er aber nach seiner Rückkehr mindestens noch 35 Jahre.
Also du beschränkst dich eigentlich auf die Leute aus dem Umfeld von Yamaguchi.
Naja, zumindest einen von denen kenne ich eigentlich auch seit Jahrzehnten, das ist jemand der bei uns regelmäßig Lehrgänge gibt, ein Hombu Shihan, 8. Dan. Tja, der unterrichtet nun auch nicht dieses Kihon von 1933.

Und das KIhon was Endo unterrichtet kenne ich zur Genüge aus Videos, Lehrgangsvideos, etc. Da zeigt er manchmal links was anderes als rechts, jahrelang hat er überhaupt kein Kihon unterrichtet sondern nur sein Atari.
Dann kenne ich ziemlich gut was Hochgraduierte Schüler Endos hier in Düsseldorf unterrichten oder unterrichtet haben, und das ist nun mal so gar kein Daito Ryu von 1933.

Also, erzähl das bitte anderen, aber nicht mir (nichts für ungut, nicht böse gemeint).

carstenm
24-03-2021, 23:31
Also, erzähl das bitte anderen, aber nicht mir (nichts für ungut, nicht böse gemeint).Keine Sorge. Ich fass das nicht als böse gemeint auf. Ich finde es eher schade:

Du urteilst über einen Lehrer und ein dôjô ohne irgendeinen Bezug dazu zu haben .
Du urteilst über einen anderen Lehrer aufgrund von Videos.
Du erzählst etwas über die Eigenarten von koryû ohne einer Schule anzugehören - soweit ich weiss.

Du weisst die Dinge nicht aus eigener Erfahrung. Das aber voller Überzeugung ...

Die anderen Fässer mache ich jetzt nicht auf. Denn auch das würde wohl kein Austausch werden, sondern nur Streiterei. Das aber wollte und will ich nicht hin.

Also nein, ich erzähl dir nix ...

Gast
25-03-2021, 01:00
Du urteilst über einen Lehrer und ein dôjô ohne irgendeinen Bezug dazu zu haben .



Meinst du das Hombu (dort bin ich Mitglied) oder das Sugino Dojo? Zum zweiten habe ich null Bezug, verfüge aber über genug Kenntnisse um zu wissen was dort Anfang der 30er Jahre geübt werden konnte. Was anderes als in Osaka kann es nicht gewesen sein, und das ist ja recht gut dokumentiert.
Falls Ueshiba keine timewarp in die Zukunft gemacht hat, konnte er Sugino wohl schlecht das zeigen (und schon gar nicht nach der gleichen Prüfungsordnung) was sein Enkel im nächsten Jahrtausend so an Kihon waza unterrichten würde.


Du erzählst etwas über die Eigenarten von koryû ohne einer Schule anzugehören - soweit ich weiss.

Ich kann Dinge aus bestimmten Schulen üben ohne Zugehörigkeit , genau wie du sehr lange Zeit keiner Koryu angehörtest (nach eigener Aussage), aber trotzdem lang und breit über deine Einblicke referiert hast. Nun bist du halt "drin". Je nun.


Du weisst die Dinge nicht aus eigener Erfahrung.

Ich weiß eine Menge Dinge aus eigener Erfahrung, ich bin schon ein bisschen herumgekommen in der Aikido-Welt und habe so einiges gesehen, bin jetzt seit 40 Jahren dabei. So schnell lasse ich mir nichts mehr erzählen.


Die anderen Fässer mache ich jetzt nicht auf

Keine Ahnung von welchen Fässern du sprichst, und was da leckeres drin ist, von mir aus können wir auch ein Schlückchen nehmen.

Gast
25-03-2021, 01:49
https://guillaumeerard.com/aikido/articles-aikido/it-aint-necessarily-so-ueshiba-moriheis-escape-from-osaka/

Mal ein Artikel der diese Zeit ein bisschen beleuchtet, und was Ueshiba da so getrieben hat

ryoma
25-03-2021, 09:02
...Ich kann Dinge aus bestimmten Schulen üben ohne Zugehörigkeit , genau wie du sehr lange Zeit keiner Koryu angehörtest (nach eigener Aussage), aber trotzdem lang und breit über deine Einblicke referiert hast. Nun bist du halt "drin". Je nun...

OK, das ist nun eine gewagte Aussage.
Natürlich kann man "Dinge", die man irgendwo mal gesehen hat, üben. Sei mir nicht böse, aber da wären wir dann einfach auf dem Level "Sachen nachtanzen".

Ausgehend von deinem Aikidô-Background, würde ich mal sagen du sprichst (teilweise) von den Hôjô-kata der Kashima Shinden Jikishinkage-ryû, ja?
Aber welche Einblicke sollten dir diese vier Kata in Bezug auf die eigentliche Ryûha geben? Schliesslich bestehen die Hôjô-kata, soweit ich weiss, seit Jahrzehnten im Aikidô-Kosmos und sind somit vollständig losgelöst von der eigentlichen Schule. Erschwerend kommt hinzu, dass ja wohl das Aikidô diese vier Kata wesentlich mehr beeinflusst hat als umgekehrt.

Die Jikishinkage-ryû war eine der wirklich starken Gekiken-Schulen im 19 Jhd. und auch heute führen bestimmte Lehrlinien diesen Curriculum fort.
Wenn dir also die Hôjô-kata grosse Einblicke in die Schule ermöglichen, solltest du ja auch in der Lage sein im Shiai zu bestehen, oder?

Gast
25-03-2021, 10:13
OK, das ist nun eine gewagte Aussage.
Natürlich kann man "Dinge", die man irgendwo mal gesehen hat, üben.

Ich bezog mich damit auf Carstens Aussage das ich ja meine Kenntnisse zu Koryu als vermutliches Nichtmitglied nicht einbringen könne, obwohl er ja selbst, obwohl er nicht Mitglied einer Koryu war, sich stets auf seine Einblicke in verschiedene Koryu berief.

Die von dir erwähnten Hôjô-kata sind vorwiegend im Aikido Kosmos der Schweiz präsent, hier eingeführt durch Msatomi Ikeda, bei uns hier sind die eher nicht so verbreitet. Ikeda ist aber dennoch jemand, den ich sehr gut kenne, und bei dem ich so einige Stunden Waffentraining hatte.

Was meine Aussichten angeht bei einem Shiai zu bestehen, so schätze ich die eigentlich nach fast 40 Jahren Waffentraining als ganz gut ein.

Tantal
25-03-2021, 10:21
Was meine Aussichten angeht bei einem Shiai zu bestehen, so schätze ich die eigentlich nach fast 40 Jahren Waffentraining als ganz gut ein.

Düsseldorf war das? Klingt doch gut können gerne ne Runde drehen, sobald Corona es zulässt

carstenm
25-03-2021, 10:23
https://guillaumeerard.com/aikido/articles-aikido/it-aint-necessarily-so-ueshiba-moriheis-escape-from-osaka/Mal ein Artikel der diese Zeit ein bisschen beleuchtet, und was Ueshiba da so getrieben hatUnd nun?
Du weißt, daß ich das weiß.
Genauso wie du weißt, daß ich mich lange und intensiv mit der Geschichte des aikidô beschäftig habe.
Du weißt, daß ich - wenn auch nur sehr sporadisch - das daitô ryû zweier Schulen kennenglernt habe.
Du weißt, daß ich ich fast zwanzig Jahre lang regelmäßig parallel bei einem Schüler deines Lehrers geübt habe.
Du weißt, daß ich einige Zeit bei einem Schüler von Tada sensei geübt habe, weil der ganz allgemein hier in der Gegend der erste "Missionar" des aikidô war und daher fast alle Älteren hier von ihm herkommen. (Das war übrigens der erste Lehrer meines eigenen Lehrers.)
Du weißt, daß ich das aikidô des Yoshinkan, der Iwama ryû und von Yoshigasaki sensei aus eigener vielfacher Erfahrung kenne.
...

Du weißt, das alles.


... das Sugino Dojo? Zum zweiten habe ich null Bezug, verfüge aber über genug Kenntnisse um zu wissen was dort Anfang der 30er Jahre geübt werden konnte.Natürlich weißt du sehr viel über diese Zeit. Und hast eine sehr gute Vorstellung, was dort möglich gewesen sein mag ... und was nicht. Das weiß ich.
Nun gibt's aber eben auch Menschen, die Schüler eines Zeitzeugen dieser Periode waren. Und es gibt zudem eine ungebrochene, lebendige Überlieferung dessen, was damals unterrichtet wurde.
Bist du wirklich sicher, daß es Wahrheit schafft, deine persönlichen Kenntnisse den Erfahrungen von Menschen, "die dabei waren" so diametral entgegen zu setzen?

Interessant ist das alles insofern und besonders und ein ganz eigenes, kontroverses Thema und darum sehr gut dokumentiert, weiiiiil das aikido der 30er Jahre und das yawara einer klassischen Schule einme direkten Vergleich unterworfen waren. ... sei's drum das ist eine andere Geschichte und soll ein andermal erzählt werden.


Ich weiß eine Menge Dinge aus eigener Erfahrung, ich bin schon ein bisschen herumgekommen in der Aikido-Welt und habe so einiges gesehen, bin jetzt seit 40 Jahren dabei. So schnell lasse ich mir nichts mehr erzählen.
Vierzig Jahre? Das ist sehr viel. Und dafür hast du meinen vollen Respekt. Aber alles ist relativ ... ich kenne wahrhaftig genug Menschen, die länger üben, als du. (Ich habe mal erlebt, daß Endô sensei den Partner, mit dem ich gerade geübt habe, begrüßt hat. Und ihn auf eine bestimmte Art respektvoll behandelt hat, wie ich das bei ihm noch nie erlebt hatte. Als ich meinen Partner danach gefragt habe, sagte der nur kurz, er sei halt sein sempai ...) Bedeutet das jetzt, daß deine Erfahrungen ungültig sind?
Und natürlich übe ich gefühlt erst halb so lange, wie du. Aber dennoch geschieht in 27 Jahren ja auch das eine oder andere. Zudem: Möglicherweise habe ich ja Einblicke in Aspekte, die du nicht hast, einfach, weil meine Biographie eine andere ist. So wie du Einblicke hast in Dinge, die mir auf ewig verschlossen sein werden. So zum Beispiel deine lebendigen Erfahrungen mit Noro sensei oder Tada sensei. Das ist für mich sooooooo spannend das zu hören. Jedesmal. Aber es macht ja mein eigenes Erleben, in dem andere Dinge geschehen sind, nicht ungeschehen?


Ich kann Dinge aus bestimmten Schulen üben ohne Zugehörigkeit , genau wie du sehr lange Zeit keiner Koryu angehörtest (nach eigener Aussage), aber trotzdem lang und breit über deine Einblicke referiert hast. Nun bist du halt "drin".Ich habe aus meinen Einblicken in die shintô ryû zu keinem Zeitpunkt allgemeingültige Aussagen abgeleitet. Nicht über "die" koryû, und auch nicht über die TSKSR. Und auch nur das habe ich bei dir kritisiert. Weil es eben z.B. in der shintô ryû nicht so ist, wie du es für "die koryû" behauptet hattest.
Sondern ich habe sie immer als Einblicke, als Außenperspektive, gekennzeichnet. Auch wenn ich die Besonderheit dieser Außenperspektive durchaus betont habe, weil eben mein aikidô Lehrer gleichzeitig auch einer der herausgehobenen Lehrer der TSKSR ist.
Und gerade weil ich jetzt seit einigen Jahen "drin" bin, sind mir die Unterschiede zwischen Binnen- und Außenperspektive umso bewußter. (Nebenbei: Als ich solange aikidô geübt hatte, wie ich jetzt "drin" bin, habe ich im dôjô meines damaligen Lehrers mein eigenes Training bekommen.)

Du magst mich gerne für ahnungslos oder meine Sicht auf das aikidô für eingeschränkt halten. Und darum meine Aussagen, bzw. Erfahrungen nicht ernst nehmen. Das ist dein gutes Recht. Natürlich.
Allerdings ist mir auch die Zeit für ein Gespräch zu schade, wenn mein Gegenüber mich so einschätzt. Das ist hier nicht anders, als im richtigen Lebnen. Ich muß dir nix beweisen, dich nicht bekehren oder was auch immer. Ich muß dir tatsächlich nix erzählen, wenn du eh schon alles weißt. Dann wisse es halt.

carstenm
25-03-2021, 10:31
... Schliesslich bestehen die Hôjô-kata, soweit ich weiss, seit Jahrzehnten im Aikidô-Kosmos und sind somit vollständig losgelöst von der eigentlichen Schule.Das eigentlich spannende an diesen kata ist ja schon die Frage, wie sie genau an Ueshiba Morihei gekommen sind. Und warum und wie er sie in sein budô eingetragen hat.
Er hat ja seine Version dieser kata auch nicht allgemein vermittelt, also zu einem grundlegenden Inhalt des aikidô gemacht. Sondern nur in personell und räumlich eng umrissenen Kontexten weitergegeben.

Meiner Ansicht nach ist das ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Ueshiba selbst gelernt und sich entwickelt hat und wie er nicht ein konsistentes budô weitergetragen hat, sondern lediglich Schülern Anteil gegeben hat seiner persönlichen Entwicklung.

Gast
25-03-2021, 11:00
Und nun?
Du weißt, daß ich das weiß.

Genau, und deswegen erstaunt mich deine Aussage.
Du beziehst dich auf "die Lehrer des Hombu", obwohl da eben auch keine Einheitlichkeit nachweisen lässt.
Das Kihon, das im Hombu vom jetzigen Doshu unterrichtet wird, beruht auf der Entwicklung die unter dem 2. Doshu stattgefunden hat.
Beispielsweise die Systematik der Osae waza, die auch Endo Sensei benutzt, beruht darauf.
Ein anderer Punkt betrifft die didaktische Abstufung der Irimi nage Varianten, die ja deiner Aussage nach so Bestandteil eures Kihon sind.
Diese Entwicklungsstufen gab es 1933 nicht.
Das sind ganz konkrete Hinweise, dass das einfach nicht sein kann was du behauptest.
Nun waren wir beide nicht dabei, es gibt aber Dinge die es zu dieser Zeit nicht gab, das sind Fakten.
Auch in einer direkten Linie gibt es Entwicklungen, die haben auch hier stattgefunden.



Du magst mich gerne für ahnungslos oder meine Sicht auf das aikidô für eingeschränkt halten. Und darum meine Aussagen, bzw. Erfahrungen nicht ernst nehmen. Das ist dein gutes Recht. Natürlich.
Allerdings ist mir auch die Zeit für ein Gespräch zu schade, wenn mein Gegenüber mich so einschätzt. Das ist hier nicht anders, als im richtigen Lebnen. Ich muß dir nix beweisen, dich nicht bekehren oder was auch immer. Ich muß dir tatsächlich nix erzählen, wenn du eh schon alles weißt. Dann wisse es halt.

Ich halte dich keineswegs für Ahnungslos, nur die Schlussfolgerungen die du aus deinem Wissen ziehst, finde ich manchmal ein bisschen davon geprägt, wovon du derzeit überzeugt bist, und ich habe erlebt dass das bei
dir schon mal ins Gegenteil umschlagen kann, oder in der Vergangenheit umgeschlagen ist.
Das ist ja auch Teil einer Entwicklung, aber diesr Überzeugung kommt dann für mich manchmal ein bisschen dogmatisch rüber.

period
25-03-2021, 11:23
Ich kenne es bei uns so, dass eine Bewegung mit unterschiedlicher Absicht und leicht anderem Timing, vorallem aber durch eine andere Position zum Gegner komplett andere Ergebnisse liefert.

In einer Bewegung, die bei uns "Swallow" heißt, kann ich sowohl schlagen, als auch ziehen, als auch hebeln - und zwar Ellenbogen und/oder Schulter und/oder Knie, als auch den Gegner auf den Hinterkopf werfen, oder seitlich aufs Schultergelenk oder aber die Kniesehne durchschneiden etc etc.

In meinem Kopf ist das eine Bewegung, durch den entsprechenden Kontakt zum Gegenüber werden dann all die Anwendungen daraus. Eine Technik wäre für mich dann eher eine Bewegung, die eine Kernanwendung hat, die sich in den Details der Situation anpasst, aber von außen immer als Variante der Anwendung zu erkennen ist, da mit dem Gegner ähnliche Sachen passieren.

Und unsere "Swallow" besteht dann wieder aus Teilbewegungen, ich kann also mitten in der Bewegung aus dem Bewegungsmuster in ein neues wechseln und einen anderen Bewegungsweg einschlagen, woraus sich wieder neue Anwendungen ergeben.

Wenn das für dich Techniken sind, dann passt ja alles, würde mich bei dir auch nicht wundern.

Jede Disziplin hat ihr Nomenklatursystem, das aus gewissen Hintergründen entstanden ist und jeweils Vor- und Nachteile hat. Den kompletten Ablauf von A bis Z würde man bei uns als Handlungskomplex bezeichnen, bestehend aus Vorbereitung (= technisch-taktische Zwischenhandlungen bzw. set-ups), Eingang oder Auftakt (entry), Angriffshandlung bzw. Wurftechnik und Weiterführung. Was Du als "swallow" beschreibst, wäre be uns wahrscheinlich ein Eingang/Auftakt. Diese Elemente sind an sich relativ frei kombinierbar. In der Regel kann man bei Spitzenleuten zwei Tendenzen sehen, entweder eine grössere Vielfalt bei Techniken oder (wesentlich häufiger) eine Vielseitigkeit bei Vorbereitung, Eingängen und Weiterführungen, die immer auf die gleiche Handvoll "wettkampffest beherrschter" Techniken hinauslaufen bzw. daraus entstehen. Letzteres bedeutet in der Praxis, dass Gegner in der Regel sehr genau wissen, was "kommen wird" - man kennt sich ja -, sie aber nicht in der Lage sind etwas dagegen zu unternehmen, weil sie nicht abschätzen können, wie es konkret dazu kommen wird bzw. unterschätzen, welche Kräfte (sowohl in Hinblick auf die freigesetzte Energiemenge resultierend aus Druck, Gegendruck und Hebel als auch die konkreten Kraftvektoren) dabei ins Spiel kommen. Aber ganz klar, da sprechen wir von sehr unterschiedlichen Prämissen und Szenarien.

Beste Grüsse
Period.

Tai_Eule
25-03-2021, 12:22
Was meine Aussichten angeht bei einem Shiai zu bestehen, so schätze ich die eigentlich nach fast 40 Jahren Waffentraining als ganz gut ein.

Wenn Du möchtest, kannst Du gerne mal bei mir im Hokushin Itto-ryu Training in Düsseldorf für einen Austausch vorbeischauen, sobald Corona vorbei ist. Das fände ich persönlich sehr spannend.

Bitte nicht diese Einladung als "Duell-Herausforderung" missverstehen, diese sind durch den keppan geregelt und sehen anders aus. Mir geht es um einen freundlichen Austausch mit anderen Kampfkünstlern, auch taryushiai geiko (Schulenübergreifendes Duell-Training) genannt. Dafür habe ich innerhalb meines Keiko-jo auch die Autorisierung vom Soke der Hokushin Itto-ryu.

carstenm
25-03-2021, 12:33
"train big to become small" sagt Paul.Merci. Ja, so habe ich das zu im aikidô zunächst auch kennengelernt. Und bei dieser Didaktik habe ich eine vergleichbare "Lerngeschwindigkeit" erlebt, wie du sie auch beschreibst.
Und es ist ein Übungsweg, der mich selber nach etwa 5-7 Jahren dahin gebracht hat, zwar nicht kämpfen zu können. Aber immerhin in Sparrings nicht mehr unterzugehen. Und in beruflichen Situationen in Bezug auf "Selbstschutz und Eigensicherung" so sicher zu sein, daß ich das dann einige Jahre unterrichten konnte. Mit sehr guten Rückmeldungen aus der Praxis, in der es sich bewähren mußte.

Inzwischen übe ich allerdings seit längerem anders. Dabei geht es in erster Linie darum, den Körper zu "transformieren", als z.B. ein dantian/tanden/~hara auf somatischer Ebene zu bilden, Verbindungen innerhalb des eigenen Körpers herauszuarbeiten und dergleichen Zeugs ... (Ich meine verstanden zu haben, daß das dantian bei euch keine Rolle spielt?)
Das ist ein Üben, das deutlichlänger dauert. Faustregel: Bbei täglichem Üben stellen sich nach ca. 2 Jahren erste Effekte ein, die aber noch nicht besonders stark sind.
Das allerdings ist lange kein Weg um Kämpfen zu lernen. Im Gegenteil, das verzögert die körperliche Entwicklung noch, weil es ganz andere Impulse setzt.

Begonnen habe ich damals mit dieser Art zu üben damals zunächst, weil ich dachte, es würde mein aikidô deutlich effektiver machen. Interessanterweise ist aber meine Interesse an SV oder Effektivität genau dadurch verloren gegangen. Ich weiß, das ich das mal - in meinem Rahmen, in Bezug auf meine persönlichen Limitationen - so gut konnte, daß es mich zufriedengestellt hat. Darauf sattelt das weitere Üben auf, das aber darauf gar nicht mehr abzielt ... schwer zu beschreiben ...

carstenm
25-03-2021, 12:42
... diese Überzeugung kommt dann für mich manchmal ein bisschen dogmatisch rüber.[Oh. Danke für die Rückmeldung. Das tut mir zum einen leid, denn so isses nicht gemeint.
Im Gegenteil: Ich brenne zwar immer sehr für Überzeugungen, gerade wenn sie "neu" sind, oder ich das Gefühl habe etwas "herausgefunden" zu haben.
Aber ich bin mir auch immer sehr deutlich der Fragilität meiner Erkenntnisse bewußt. Schlicht und einfach, weil es so unglaublich vieles gibt in der Geschichte des aikidô, was überhaupt nicht bekannt ist. Und mit den letzten Zeitzeugen dann auch verschwinden wird.


... ich habe erlebt dass das bei dir schon mal ins Gegenteil umschlagen kann, oder in der Vergangenheit umgeschlagen ist.Hm ... außer meiner Bekehrung durch Dan fällt mir da jetzt nichts ein. Und auch das war ja kein "Umschlagen ins Gegenteil" sondern ein Weitergehen ...
Woran denkst du denn dabei?

Gast
25-03-2021, 12:48
Wenn Du möchtest, kannst Du gerne mal bei mir im Hokushin Itto-ryu Training in Düsseldorf für einen Austausch vorbeischauen

Klar, warum nicht, im Moment sieht es ja noch nicht so danach aus.
Rüstungen oder sowas habe ich allerdings nicht, wenn du sowas im Sinn hast.

Tantal
25-03-2021, 12:51
Merci. Ja, so habe ich das zu im aikidô zunächst auch kennengelernt. Und bei dieser Didaktik habe ich eine vergleichbare "Lerngeschwindigkeit" erlebt, wie du sie auch beschreibst.
Und es ist ein Übungsweg, der mich selber nach etwa 5-7 Jahren dahin gebracht hat, zwar nicht kämpfen zu können. Aber immerhin in Sparrings nicht mehr unterzugehen. Und in beruflichen Situationen in Bezug auf "Selbstschutz und Eigensicherung" so sicher zu sein, daß ich das dann einige Jahre unterrichten konnte. Mit sehr guten Rückmeldungen aus der Praxis, in der es sich bewähren mußte.

Inzwischen übe ich allerdings seit längerem anders. Dabei geht es in erster Linie darum, den Körper zu "transformieren", als z.B. ein dantian/tanden/~hara auf somatischer Ebene zu bilden, Verbindungen innerhalb des eigenen Körpers herauszuarbeiten und dergleichen Zeugs ... (Ich meine verstanden zu haben, daß das dantian bei euch keine Rolle spielt?)
Das ist ein Üben, das deutlichlänger dauert. Faustregel: Bbei täglichem Üben stellen sich nach ca. 2 Jahren erste Effekte ein, die aber noch nicht besonders stark sind.
Das allerdings ist lange kein Weg um Kämpfen zu lernen. Im Gegenteil, das verzögert die körperliche Entwicklung noch, weil es ganz andere Impulse setzt.

Begonnen habe ich damals mit dieser Art zu üben damals zunächst, weil ich dachte, es würde mein aikidô deutlich effektiver machen. Interessanterweise ist aber meine Interesse an SV oder Effektivität genau dadurch verloren gegangen. Ich weiß, das ich das mal - in meinem Rahmen, in Bezug auf meine persönlichen Limitationen - so gut konnte, daß es mich zufriedengestellt hat. Darauf sattelt das weitere Üben auf, das aber darauf gar nicht mehr abzielt ... schwer zu beschreiben ...

Naja aber dann bist du ja auch den Weg gegangen, von groß zu klein. Also so, wie wir - und anscheinend auch die HIRH - es für sinnig halten. Mit dem Unterschied, dass du wohl irgendwann nen Cut gemacht hast, und dich dann von der anderen Seite angenähert hast, wohingegen das bei uns automatisch fließend dahin geht und ich mittlerweile auch deutlich mehr im "Stehen" übe, als noch vor ein paar Jahren.

Es gibt ja z. B. auch nen Grund, warum Paul an Anfänger kein Yiquan unterrichtet, weil er sagt, dass so ein System ohne gute Basis nicht effektiv erlernbar ist.

Das Thema "dantian" hier zu besprechen ist für mich auf jeden Fall zu komplex, weil das bei uns in der Tat etwas anders strukturiert ist und du gerade einen Punkt aufgreifst, der recht tief mit vielen anderen Dingen vernetzt ist und da nicht isoliert besprochen werden kann. Jedenfalls nicht von mir.

Gast
25-03-2021, 13:03
Ich brenne zwar immer sehr für Überzeugungen, gerade wenn sie "neu" sind, oder ich das Gefühl habe etwas "herausgefunden" zu haben.


Ja, das kenne ich gut (wovon das Herze voll ist...)



Hm ... außer meiner Bekehrung durch Dan fällt mir da jetzt nichts ein. Und auch das war ja kein "Umschlagen ins Gegenteil" sondern ein Weitergehen ...


Tja, ich denke dass ist ne Weile her, noch zu KKF Zeiten... ich erinnere mich an die Diskussionen, was es denn im Aikido zu lernen gäbe, und du meintest es gäbe nichts außer Technik, oder so ähnlich. Keine Ahnung ob es durch Dan war, ich dachte du hättest da bei Ikeda (dem Anderen) so was wie eine Erleuchtung erfahren...

Was übrigens deine Lehrer angeht und wann du wo bei wem trainiert hast, da kannst du mir kein vertieftes Wissen unterstellen, da blicke ich nämlich nicht durch, weil da immer von irgendwelchem Franzosen die Rede war (jedenfalls nicht Tissier), deren Namen du aber nie genannt hast. Ich weiß von Wolfgang, auch von Andreas (den du wohl meinst wenn du von einem Schüler meines Lehrers sprichst) und deinem jetzigen Lehrer, Kenji dachte ich wär so am Rande, am wichtigsten schien mir immer diese Schiene mit Frankreich gewesen zu sein. Für mich etwas undurchsichtig, ich war immer nur Schüler eines Lehrers (außer mein erster Trainer in den ersten paar Jahren).

carstenm
25-03-2021, 13:09
... wohingegen das bei uns automatisch fließend dahin geht ...Ein solcher Automatismus wäre im aikidô, so wie ich es zunächst kennengelernt habe, nicht möglich. Darum weiter oben meine Aussage, daß ich aikidô neu lernen mußte. Das, was ich kennengelernt hatte und von dem ich bis dahin angenommen hatte, daß es aus dem "immer kleiner werden" automatisch entstehen würde, benötigt eigene, andere Übungsformen.

Tantal
25-03-2021, 13:13
Ein solcher Automatismus wäre im aikidô, so wie ich es zunächst kennengelernt habe, nicht möglich. Darum weiter oben meine Aussage, daß ich aikidô neu lernen mußte. Das, was ich kennengelernt hatte und von dem ich bis dahin angenommen hatte, daß es aus dem "immer kleiner werden" automatisch entstehen würde, benötigt eigene, andere Übungsformen.

Das wäre doch mal ein lohnendes Thema für einen persönlichen Austausch :)

carstenm
25-03-2021, 14:00
Tja, ich denke dass ist ne Weile her, noch zu KKF Zeiten... ich erinnere mich an die Diskussionen, was es denn im Aikido zu lernen gäbe, und du meintest es gäbe nichts außer Technik, oder so ähnlich. Keine Ahnung ob es durch Dan war, ich dachte du hättest da bei Ikeda (dem Anderen) so was wie eine Erleuchtung erfahren...Ja. Das stimmt. Bei Endô sensei hab ich's zum ersten mal erlebt und buchstäblich nichts verstanden. Ich habe nicht verstanden, was ich gesehen habe. Und ich habe nicht verstanden, wie er mich werfen konnte, ohne etwas, das ich bis dahin unter Kontakt verstanden hätte. (Zu der Zeit war übrigens Frank schon längst nicht mehr bei Endô sensei. An dem Tag, als ich 2006 das erste mal von sensei geworfen wurde, war Frank das erste mal seit langem wieder bei ihm auf der Matte ... das war eine interesssante Stimmung ... und von der Decke tropfte das Kondenswasser ...)
Dann habe ich bei Endô sensei viiiiiiil zu "atari und tsukai" geübt. Aber immer noch nicht gerafft, was das wirklich ist. ...

Ein nächster Schritt war 2011 ein Seminar bei Ikeda Hiroshi sensei und der hat mich mehrmals nach vorne genommen und während er erklärt hat, was er tut, konnte ich es fühlen. Und ich habe ihn damals um eine Übung gebeten, mit der ich beginnen könnte, das zu lernen. Die Übung, die ich bekommen habe, ist mir inzwischen im nei gong wiederbegegnet.

Bis ich dann 2012 schließlich meinen Hochzeitstermin verlegt habe und das erste mal bei Dan üben durfte. Damals wars noch nicht öffentlich und nicht in Deutschland.
Da habe ich nach ziemlich genau sieben Minuten - mein Blick war bei der Übung nicht auf irgendwas konzentriert und ich habe gerade da auf die Uhr geschaut in dem Moment - gewußt, das von jetzt an alles anders ist. Und von da an habe ich tatsächlich auch anders geschrieben. Das war vor neun Jahren.
Keine Techniken mehr, kein von Groß zu Klein mehr, keine Vermittlung von wasauchimmer durch das Üben des kihon ...

... und als dich das nächste mal bei Endô sensei geübt habe, ist er zu mir gekommen und hat micht das erste mal korrigiert. Ich hatte also offenbar etwas richtig gemacht ...

... aber diese Wandlung gebe ich ja doch auch ganz offen zu. Und stelle sie immer wieder mal - wie ich hoffe - reflektiert dar.
Das ist ja auch genau der Punkt in meiner letzen Antwort an Tantal.

Naja ... und in 27 Jahren einmal das Paradigma wechseln ...
... finde ich jetzt nicht soooooo opportunistisch.


Was übrigens deine Lehrer angeht und wann du wo bei wem trainiert hast, da kannst du mir kein vertieftes Wissen unterstellen, da blicke ich nämlich nicht durch, ...
Begonnen habe ich mal bei einer Schülerin von Asai sensei in Heidelberg. Ich glaube Barbara hieß sie ... nidan glaub ich ...
Nach einem Jahr bin ich nach Hildesheim gezogen und mein Lehrer wurde Werner Kaiser.

Werner war ein Schüler von von Jean-Luc Subileau. Dessen Namen ich hier bisher nicht erwähnt habe, weil ich keine despektierliche Äußerungen über ihn lesen möchte. Jean-Luc war und ist ein Schlüler von André Nocquet und hatte eigentlich dessen Vertreter in Deutschland werden sollen. Daher seine langjährigen intensiven Kontakte. Als das anders kam, wie man ja weiß, ist manches geschehen ... jedenfalls war Jean-Luc dann als ich dazu kam schon lange - und ist das bis heute - in der FFAAA organisiert. Unsere Dan-Träger mußten also für Graduierungen zu der großen, gemeinsamen Prüfung von FFAAA und FFAB in Paris fahren. Und Christian war der "Technische Direktor" unseres Übens.
Das heißt: Jean-Luc war der Lehrer meines Lehrers und auch viele Jahre mein großes Vorbild. Und Christian Tissier war derjenige unter dessen "technischem Dach" wir geübt haben. So waren die ersten ziemlich genau zehn Jahre meines Übens beide für mich prägend.

Dann hat mein damaliger Lehrer Werner Kaiser aufgehört, bei Jean-Luc zu üben und ist zu Wolfgang gewechselt. Da Wolfgang eine Schülerin im dôjô von Andreas hat, ist die Verbindung dorthin entstanden. So hat mich dann Wolfang auch im dôjô von Andreas zum shodan geprüft. Und ich habe seitdem durch alle anderern Veränderungen hindurch regelmäßig dort geübt. Inzwischen gibt eine Freundin von mir, ein Schülerin von Jan Nevelius dort manchmal Seminare. Und wir treffen uns regelmäßig bei den Seminaren von Jorma in Hannover.

2004 habe ich aus verschiedenen Gründen meinen ersten Lehrer verlassen, der nun auch schon seit vielen Jahren kein aikidô mehr übt. Er war damals sandan.

2005 habe ich begonnen, bei Ulf zu üben, der seitdem mein Lehrer ist.

Ulf hat mir sehr bald empfohlen , die Seminare von Endô sensei zu besuchen.
Von da ausgehend sind dann Jorma Lyly und Ariga Kaname wichtige Lehrer für mich geworden. Und nachdem Endô sensei nun nicht mehr so intensiv reisen kann aufgrund seiner Gesundheit, wird wohl Ariga sensei für mich noch wichtiger werden nach Corona ... das ist jedenfalls jetzt schon eine enge Verbindung.

Kenji ist immer so mitgelaufen, seit ich nach Hildesheim gekommen bin. Er war hier in aller Munde. Immer nur "Kenji" genannt. Ich habe viele Jahre mit Leuten traniert, die sowohl seine Schüler waren, als auch Schüler von Jean-Luc. Das galt zuerst wohl auch für Ulf so. Wie auch immer die das damals für sich vestanden und umgesetzt haben ... Jedenfalls war Kenji immer "anwesend" und ich habe immer wieder mal bei ihm geübt, ...
... ich muß aber zugeben, daß mir sein aikidô immer fremd gebliebent ist.
Einiges hat mein erster Lehrer, der eben auch bei Kenji angefangen hatte, auch in seinem Training über viele Jahre eingebracht. Manchmal haben wir einen ganzen Abend lang nur "toho kami emi tame" gechantet, bis wir das bokutô nicht mehr anheben konnten ... meins isses nich ...

Danke für diesen Stups zu meiner Biographie, die zwar niemand interessiert ... aber für mich war's mal nett, diesen Weg im Zusammenhang zu denken ...

Nebenbei:
Es sind also zwei Lehrer in 27 Jahren, mit einem Wechsel nach zehn Jahren ... kurz bevor das dôjô ohnehin dauerhaft geschlossen wurde.

ryoma
25-03-2021, 16:02
Ich bezog mich damit auf Carstens Aussage das ich ja meine Kenntnisse zu Koryu als vermutliches Nichtmitglied nicht einbringen könne, obwohl er ja selbst, obwohl er nicht Mitglied einer Koryu war, sich stets auf seine Einblicke in verschiedene Koryu berief.

Die von dir erwähnten Hôjô-kata sind vorwiegend im Aikido Kosmos der Schweiz präsent, hier eingeführt durch Msatomi Ikeda, bei uns hier sind die eher nicht so verbreitet. Ikeda ist aber dennoch jemand, den ich sehr gut kenne, und bei dem ich so einige Stunden Waffentraining hatte...

Obwohl ich wusste, dass die Hôjô-kata in zahlreichen Aikidô-Dôjô in der Schweiz geübt werden (mir sind zwei in Basel persönlich bekannt), war mir nicht klar, dass dies so für Deutschland nicht zutreffend ist.

Dann vielleicht nochmal konkreter: Welche Dinge aus welchen klassischen Ryûha übst du?

Gast
25-03-2021, 16:13
[/I]
Werner war ein Schüler von von Jean-Luc Subileau

Das hatte ich mir eigentlich gedacht, habe ihn aber nie auf der Matte getroffen.

Ist schon interessant, so eine Aikido-Biographie, was es da so für Verbindungen gibt.

Kenji kenne ich ja auch, habe aber nie bei dem was gemacht, außer einem Lehrgang in Osnabrück, echt schon sehr lange her. Das war mir damals viel zu soft...
Vielleicht kennst du einen Jürgen hier aus der Gegend, hat dort ein oder zwei Jahre trainiert. ist aber schon was her.

Gast
25-03-2021, 16:30
Obwohl ich wusste, dass die Hôjô-kata in zahlreichen Aikidô-Dôjô in der Schweiz geübt werden (mir sind zwei in Basel persönlich bekannt), war mir nicht klar, dass dies so für Deutschland nicht zutreffend ist.

Dann vielleicht nochmal konkreter: Welche Dinge aus welchen klassischen Ryûha übst du?

Nichts wirklich erwähnenswertes, ein Seminar hier und da, ab und an fließt halt etwas ein.
Ich glaube Ikeda hat auch mal was gezeigt vor langer Zeit, aber da wusste ich vielleicht nicht mal wo das herkommt oder was es ist.
Daito ryu ordne ich übrigens auch als Koryu ein (obwohl da wohl einige anderer Meinung sind), ist aber auch nur ab und an das ich da auf Lehrgängen mitturne.
Wir haben aber genug von dem alten Zeug in unserem Programm drin, obwohl mein Lehrer ja immer behauptet hat, nie daito ryu geübt zu haben. Im heutigen Aikido sieht man aber vieles nicht mehr, was zu seiner Zeit noch geübt wurde.
Die Sachen aus dem Bereich Okinawa-Kobudo zählen ja auch nicht zu den jap. Koryu, und was im Muso-Shinden-ryu gemacht wird, zählt ja für dich wahrscheinlich auch nicht wirklich.

ryoma
25-03-2021, 16:54
Vielen Dank, Inryoku.

Daitô-ryû ist halt ein grosses Konglomerat ganz unterschiedlicher Gruppen. Über den "Entstehungszeitraum" irgendwo in der Nara/Heian-Zeit muss man ja keine weiteren Worte verlieren. Und da Takeda in der Meiji-Zeit aufwuchs, würde auch eine von ihm gegründete Schule kaum noch in die Definition von Koryû-bujutsu fallen (zumindest die zeitliche Definition).

Klassisches Okinawa-Kobudô besitzt meist ganz andere Strukturen als es jap. Koryû haben. Obwohl auch hier natürlich eine starke "Japanisierung" festzustellen ist.

Ich habe ja selbst sehr lange MSR Iai praktiziert (sowohl in Europa wie auch in Japan). Aber nein, MSR kann man (nicht nur ich) definitiv nicht zu den Koryû-bujutsu zählen. Was Nakayama in den 1930ern zusammengestellt hatte, mag durchaus noch im Rahmen gewesen sein. Aber bereits seine zahlreichen Schüler haben sich komplett in den modernen Verbänden und Strukturen (Kyu/Dan-System als Beispiel) eingegliedert.
Rein technisch hat ja Nakayama selbst eine zentrale Neuerung eingeführt: Das horizontale Nôtô. Allein das gibt Aufschluss darüber, dass er selbst nicht mehr wirklich in der Kategorie von Koryû gedacht hatte. Denn dieses Nôtô lässt sich mit dem Daishô gar nicht korrekt ausführen, sprich das Wakizashi ist da im Weg.

Gast
25-03-2021, 18:02
Daitô-ryû ist halt ein grosses Konglomerat ganz unterschiedlicher Gruppen.

Konglomerat würde ich das nicht nennen. es ist doch wie in anderen Schulen halt auch. Es gibt die Linien der einzelnen Schüler, vor allem Takuma, Horikawa, Sagawa, dann wieder die Linien deren Schüler (z.B. Roppokai, Bokuyokan) und die Hauptlinie mit Katsuyuki Kondo, der auf Tokimune Takeda folgte.
Dann gibt es tatsächlich "Mischlinge" wie Hakko Ryu, und solche Typen wie Ueshiba, dessen Kampfkunst Aikido von den Meisten ja nicht mehr wirklich als Daito-Ryu gezählt wird. Dabei hat er ja selbst kräftig mitgeholfen, indem er irgendwann das von ihm Unterrichtete einfach umbenannt hat.



Denn dieses Nôtô lässt sich mit dem Daishô gar nicht korrekt ausführen, sprich das Wakizashi ist da im Weg.

Ist denn das Daishô wirklich ein Merkmal jeder Koryû, die mit dem Schwert arbeitet?

Gast
25-03-2021, 18:54
Naja ... und in 27 Jahren einmal das Paradigma wechseln ...
... finde ich jetzt nicht soooooo opportunistisch.


Zumindest ein weiteres kann ich noch erinnern, du fandest Ueshibas Bewgungen irgendwie "nicht so toll", die Einschätzung seines Könnens hat sich dann wohl doch geändert.
Mit dem Schwert sind wir an einem ähnlichen Punkt, denke ich manchmal...

ryoma
25-03-2021, 19:26
...Ist denn das Daishô wirklich ein Merkmal jeder Koryû, die mit dem Schwert arbeitet?

Grundsätzlich war das Daishô erst mal das äussere Symbol des Bushi-Standes. Während der Edo-Zeit gab es entsprechende Gesetze, dass das Daishô ausser Haus jederzeit "auf Mann" zu tragen war. Innerhalb des Hauses war es durchaus üblich, das Wakizashi zu tragen (z.B. bei Besuch). Im ganz privaten Rahmen war es dann meist der Tantô. Das hat zur Folge, dass man sich mit dem Daishô ganz natürlich zu bewegen lernte.

Bei uns ist es so, dass das Wakizashi (oder auch Tantô) grundsätzlich immer getragen wird. Bei Battôjutsu dann natürlich zusammen mit dem Daitô.
Aber auch bei Kumitachi (Partnerkata) ist das Wakizashi im Obi. Dasselbe gilt auch bei den Naginata-kata. Wir dürfen nicht vergessen: Die Prinzipien der Schule(n) sind auf eine möglichst vollständige Bewaffnung ausgelegt. Wenn dann noch Yoroi dazukommt, ist es auch üblich ein sog. Metezashi auf der rechten Seite zu tragen (z.B. in Form eines Yoroi-doshi). Das bringt uns dann zu drei Klingenwaffen, die am Körper getragen werden.

Ich denke, dass ab der Taishô-Periode das Wakizashi/Tantô oft beiseite gelassen wurde. Gut möglich, dass der Einfluss von Nakayama diesbezüglich relativ gross war (eben mit seinem Yoko-nôtô, wo eine zweite Klinge im Obi eigentlich unmöglich zu tragen ist).

Leider haben sich auch viele Koryû geändert und gehen den bequemen Weg, indem das Wakizashi einfach weggelassen wird.

Ob nun das Tragen des Daishô (auch) ein Merkmal von Koryû-bujutsu ist, ist eine gute Frage. Wahrscheinlich bekommt man unterschiedliche Antworten, wenn man verschiedene Leute fragt.

Ich persönlich sehe es als essentiell an. Eben weil man so lernt, mit den "Beschränkungen" die das Tragen von Wakizashi/Tantô mit sich bringen, umzugehen.
Aber das Ganze ist auch gar nicht so wild. Wenn man es mal ein paar Mal getragen hat, gewöhnt man sich erstaunlich schnell daran.

carstenm
25-03-2021, 19:35
Zumindest ein weiteres kann ich noch erinnern, du fandest Ueshibas Bewgungen irgendwie "nicht so toll", die Einschätzung seines Könnens hat sich dann wohl doch geändert. :o Ich traue mich das ja immer kaum zu sagen, aber nein: Ich finde seine Bewegungen immer noch nicht so toll.


Mit dem Schwert sind wir an einem ähnlichen Punkt, denke ich manchmal...Puh ... auch davon habe ich eher eine "skeptische" Meinung.

... ich bin ein Ungläubiger ... quasi ...

Gast
25-03-2021, 21:58
:o Ich traue mich das ja immer kaum zu sagen, aber nein: Ich finde seine Bewegungen immer noch nicht so toll.


Ich sage mal so, niemand hat es geschafft ihn irgendwie zu imitieren. Es gibt da absolut nichts überflüssiges, deshalb fällt einem nichts besonderes auf.

Alle anderen hochrangigen Lehrer hatten so ihre Nachahmer, sei es Tada, Yamaguchi, Saito oder andere.
Fujimoto Sensei sagte mal: Ja, in Italien laufen viele kleine Tada Senseis herum. Der hat so bestimmte Eigenarten, die lohnt es sich schon mal nachzuahmen. Ist natürlich lächerlich, weil nicht das Gleiche passiert.

Tja Ueshiba, wir haben uns früher immer gefragt, warum sieht das so anders aus, als bei den ganzen anderen großen Meistern. Es loht sich genau zu gucken, Tada hat das gewusst und jeden dieser alten Filme immer wieder und wieder angeschaut. Dafür hat er in den 60ern als er durch Europa reiste extra ein komplettes Film-Vorführgerät mit herum geschleppt, um immer im Hotel die Filme zu gucken. Kann sich heute kein Mensch mehr vorstellen.

Für mich sieht Ueshiba immer aus wie in Watte gepackt, und in der Watte und einem Opa-Kostüm drüber bewegt sich eine sehr komplexe, irgendwie auf der Basis von Rotationszylindern die sich gegenseitig in der Balance halten, gut geölte Maschine aus unkaputtbarem Metall, die keinen Milimeter von der exakten Bewegung abweicht.

Ist nur so ein Gefühl -

shinken-shôbu
26-03-2021, 01:56
Ist denn das Daishô wirklich ein Merkmal jeder Koryû, die mit dem Schwert arbeitet?
ryoma hat dazu ja bereits etwas geschrieben. Für mich war auch das ein Punkt, der mir an der Hokushin Ittô-ryû Hyôhô sehr gefiel: endlich mal eine Koryû, die nicht aus Bequemlichkeit(?) beim Üben von Techniken für das Langschwert das Kurzschwert einfach mal komplett weglässt. Hat man sich erst einmal an das Kurzschwert im Obi gewöhnt (wobei es sowieso etwas anderes ist, ein Schwert auf diese Weise zu tragen statt einfach meist recht locker unterm normalen Kyû-/Dan-Gürtel wie ich es aus eigener Erfahrung in einer anderen KK bzw. einem KK-Konglomerat kannte - ryoma hatte diesbezüglich ja einen anderen Einstieg), stört dieses so gut wie gar nicht mehr. Aus den von ryoma erwähnten Gründen (u.a. "Tragepflicht") macht es in meinen Augen gar keinen Sinn, das Kurzschwert wegzulassen und die gelegentlich gehörte Begründung, dass man heute sowieso nicht mehr mit einem Schwert kämpfen würde, macht es m.A.n. nicht wirklich besser.

ryoma
26-03-2021, 07:27
Gestern abend erhielt ich noch eine PM mit einer Frage zu meinem Post #332. Darum möchte ich diesen entsprechend ergänzen:

Ich habe ja die unterschiedlichen Tragevarianten aufgelistet: Da wäre standardmässig das Daishô, dann situations- und umgebungsabhängig das alleinige Wakizashi oder Tantô. Oder eben auch noch die Möglichkeit, eine dritte Klingenwaffe, sozusagen als Back-up, auf der rechten Körperseite zu tragen.

Und nun zur wichtigen Ergänzung: Was es jedoch unter keinen Umständen gab, war, dass das Daitô alleine getragen wurde. Dafür gab es schlichtweg keine Verwendung.

Auch die Trageweise des Langschwertes im MSR oder anderen (Iai-)Schulen ist eher seltsam. Wenn das Daishô getragen wird, befindet sich die Tsuba des Wakizashi in der Körpermitte (vor dem Bauchnabel). Das Langschwert sitzt jedoch in einem flacheren horizontalen Winkel im Obi, so dass die Kashira (der Schwertknauf) in der Körpermitte ist und sich somit die Tsuba deutlich auf der linken Körperseite befindet.

Bei MSR etc. ist es aber so, dass das Langschwert so getragen wird, wie es eigentlich für das Wakizashi bestimmt ist, also Tsuba in der Körpermitte.

Gast
26-03-2021, 10:28
.
Und nun zur wichtigen Ergänzung: Was es jedoch unter keinen Umständen gab, war, dass das Daitô alleine getragen wurde.

Also Beispielsweise in Videos von Vorführungen beispielsweise der Onoha Itto ryû sieht man die Vorführenden oft oder meistens nur mit dem Langschwert.
https://www.youtube.com/watch?v=s7vCHssZPa0

Auch die Katori Shinto ryu zeigt Iai ohne Kurzwchwert im Gürtel zu tragen:
https://www.youtube.com/watch?v=Qns9WVN2w5Q
Was die Tsuba angeht,sieht man hier allerdings deutlich den Unterschied.

Meine Frage war ja wie es heute in den Koryû gehandhabt wird, und nicht wie früher formell am Hof die Schwerter getragen wurden.
Aber es scheint nicht so zu sein, dass heutzutage das Daishô generell getragen wird, und dass das Tragen des Langschwerts ohne wakizashi alleine ein Merkmal des modernen Iaido ist.

carstenm
26-03-2021, 10:42
46657

Gast
26-03-2021, 10:43
statt einfach meist recht locker unterm normalen Kyû-/Dan-Gürtel wie ich es aus eigener Erfahrung in einer anderen KK bzw. einem KK-Konglomerat kannte

Ja, das geht ja gar nicht, ich bin ja froh das ich immer wenigstens mit Hakama trainiert habe (vor dem shodan habe ich das Iai nie mitgemacht), wenn ich auch nie einen Iai-Obi benutzt habe.
Das war mir immer ne Nummer zu krass, wenn Aikidoka plötzlich anfingen Iai Obi zu tragen um zu zeigen guck mal, ich bin was besonderes.
Aber ist noch mal anders wenn man sich extra zum Iai "richtig" anzieht, dann hat man ja auch keine zwei Hosen übereinander. Aber ich mache das ja fast nur im Anschluss ans Aikidotraining, und da hat man nun mal die Klamotten an, obwohl das nicht optimal ist.

Gast
26-03-2021, 10:45
46657

Das ist ja noch mal ganz anders...

ryoma
26-03-2021, 11:24
Also Beispielsweise in Videos von Vorführungen beispielsweise der Onoha Itto ryû sieht man die Vorführenden oft oder meistens nur mit dem Langschwert.
https://www.youtube.com/watch?v=s7vCHssZPa0

Auch die Katori Shinto ryu zeigt Iai ohne Kurzwchwert im Gürtel zu tragen:
https://www.youtube.com/watch?v=Qns9WVN2w5Q
Was die Tsuba angeht,sieht man hier allerdings deutlich den Unterschied.

Und?


Meine Frage war ja wie es heute in den Koryû gehandhabt wird, und nicht wie früher formell am Hof die Schwerter getragen wurden.
Aber es scheint nicht so zu sein, dass heutzutage das Daishô generell getragen wird, und dass das Tragen des Langschwerts ohne wakizashi alleine ein Merkmal des modernen Iaido ist.

Deine Videos oben zeigen ja, dass es heutzutage eben kein "in den Koryû" mehr gibt. Jeder macht, wie im beliebt.
Ich habe lediglich dargelegt, dass es durchaus Gründe gab im 20. Jhd. warum das nun oft so gehandhabt wird.

Das Ganze hat auch gar nicht viel damit zu tun, "wie früher Schwerter formell am Hof" getragen wurden. Ich habe ja erklärt, dass es ganz einfach Usus war für den Bushi-Stand und sogar (teilweise) gesetzlich vorgeschrieben war. Zumal der Kaiserhof in Kyôtô (worauf du dich wohl beziehst) nochmal ne gaaanz andere Baustelle war, was Regelungen betraf. Eigentlich muss man von "Höfen" sprechen, denn jedes Han hatte da u.U. ganz andere Bestimmungen dazu.

Du hast recht, das Daishô wird tatsächlich nicht generell getragen heute (habe ich auch nicht behauptet, oder?). Was ich persönlich schade finde, aus den erwähnten Gründen. Allerdings findet man auch genügend Videos von zig Schulen, die es tun. There you go.

Gast
26-03-2021, 11:37
Deine Videos oben zeigen ja, dass es heutzutage eben kein "in den Koryû" mehr gibt. Jeder macht, wie im beliebt.


Ok, aber wo sind denn dann die Kriterien um zu sagen, MSR sei keine Koryu, nur der Zeitraum der Entstehung? Die Omori Ryu ist ja nun auch schon was älter.
Ein Dan-System gibt es meines Wissens auch schon in anderen Koryû.

ryoma
26-03-2021, 12:09
Ok, aber wo sind denn dann die Kriterien um zu sagen, MSR sei keine Koryu, nur der Zeitraum der Entstehung? Die Omori Ryu ist ja nun auch schon was älter. Ein Dan-System gibt es meines Wissens auch schon in anderen Koryû.

Nochmal, ich äussere hier meine persönliche Meinung. Auch wenn ich damit keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebe, glaube ich trotzdem einen relativ grossen Erfahrungshorizont zu haben um diese Meinung(en) auch gebührend zu begründen.

Kriterien, warum MSR nicht zu den klassischen Koryû-bujutsu gezählt werden kann:

- Formuliert, angepasst und neu zusammengestellt aus alten Schulen zu Beginn der 1930er.
- Die Lehrstruktur, welche zu praktisch 90% auf Solo-kata basiert. Damit ist ein kämpferischer Anspruch bereits aufgegeben. Und dieser kämpferische Anspruch ist eben eines der zentralen Elemente klassischer Schulen der Kriegskunst.
- Festlegung auf genau eine einzige Waffe. Dieser Gedanke ist klassischen Schulen fremd.
- Keine eindeutige Lehrline mehr vorhanden.
- Die Einbindung in moderne Verbände wie ZNKR etc. Z.B. ist es heute schlicht gar nicht mehr möglich einfach nur MSR zu trainieren, ohne zuerst die mittlerweile 12 Seitei-Kata zu beherrschen.

Nakayama Hakudô war natürlich ein Kenshi alter Schule, keine Frage. Schliesslich war er Menkyo-kaiden der Shintô Munen-ryû.
Aber eben: Dies liess er hinter sich, um etwas anderes, neues zu schaffen. So, wie es eben viele damals taten.

Das gewisse Koryû das moderne Dan-System ebenfalls übernommen haben, dient wohl kaum als Argument, oder?

Donn F. Draeger hatte ja bereits in den 1970ern ein einprägsames Schema geschaffen für die Unterscheidung zwischen Koryû-bujutsu und modernem Budô, basierend auf den jeweiligen Prioritäten:
Koryû-bujutsu: 1) Kampf, 2) Disziplin, 3) Moralvorstellungen, Sitten
Budô: 1) Moralvorstellungen, Sitten, 2) Disziplin, 3) ästhetische Form

Dieses Schema ist sicher sehr rudimentär, aber es sagt das Wesentliche aus.

Zu den Unterschieden zwischen Koryû und modernem Budô findet sich seit Jahren auf meinem Blog folgender Artikel: https://schwertgedanken.com/2016/11/15/der-dschungel-der-japanischen-kriegs-und-kampfkuenste/

Tai_Eule
26-03-2021, 12:37
Ok, aber wo sind denn dann die Kriterien um zu sagen, MSR sei keine Koryu, nur der Zeitraum der Entstehung? Die Omori Ryu ist ja nun auch schon was älter.
Ein Dan-System gibt es meines Wissens auch schon in anderen Koryû.

Jetzt wird's langsam akademisch. Koryu zu definieren ist, nun ja, nicht ganz einfach (oder sehr einfach, je nachdem, wie man es halten möchte).

Sehr einfach gibt es drei Kriterien:
1. Vor 1868 (Meiji-Restauration) gegründet.
2. Auf den Hauptinseln Japans entstanden (bezieht sich eigentlich auf die Kultur, ist mit geografischer Annäherung am einfachsten)
3. Ausbildung zum Kampf ist das "Kernziel" (um es von z.B. alten Ikebana oder Teezeremonie-Schulen abzugrenzen, die sind nämlich durchaus auch Koryu)

Schauen wir uns MSR mal an:
1. Nein.
2. Ja.
3. (Eingeschränktes) Ja.

Damit ist MSR keine Koryu. In der einfachsten Definition ist es dabei völlig egal, ob es Koryu-Vorgänger gab oder was die Person konnte, die den Stil gegründet hat. Was die obigen drei Punkte nicht erfüllt, ist keine Koryu.

Der akademische Teil:
Hier kann es ziemlich kompliziert werden. Zunächst einmal kann man unterscheiden zwischen "damals" und "heute". Eine Schule kann als Koryu gegründet worden sein (erfüllte die drei Punkte oben), aber sich mit der Zeit so weiterentwickelt haben, dass es andere Definitionen von Koryu nicht mehr erfüllt. Draeger z.B. machte Kata als zentrales Element der Koryu aus. Auf dem deutschen Wikipedia steht "Die Tradition einer Koryū-Schule wird durch die Gesamtheit der Kata definiert." Diese Aussage ist nicht falsch, aber meiner Ansicht nach auch nicht richtig. Kata sind das zentrale Lehrmittel von Koryu (da hatte Draeger völlig recht; der Wiki-Absatz geht dann auch wieder richtiger weiter), aber sie sind kein Selbstzweck und die Gesamtheit ist auch nicht zwingend. Ein Beispiel: Die Ausgedacht-ryu hat von ihrem Gründer ein Kata-set für Speer, Bo und Naginata mitbekommen, alles auf den gleichen Prinzipien aufbauend. Nun ist im Laufe der Zeit der Speerkram verloren gegangen, damit wäre das Kata-set nicht mehr vollständig. Wenn jedoch alle Prinzipien auch im Bo und Naginata abgedeckt sind, schadet dieser Verlust der Schule nicht. Ggf. könnte sogar nur noch Bo-Kata übrig sein und die Schule wäre immer noch vollständig. Dieses Spielchen kann man für die verschiedensten inhaltlichen und formellen Aspekte durchspielen. Ein weiterer Aspekt, der gerne angeführt wird, ist die "Unveränderlichkeit" der Schule bzw. die "Bewahrung von Geschichte". Hier kann man sich dann fragen, wie weit man das auf die Spitze treiben möchte, siehe daisho, Weigerung zu Kämpfen, Änderungen/Umstrukturierungen des Curriculums, Ergänzungen, Streichungen, Kleidung, etc. Kein daisho, Weigerung zu Kämpfen und schlechte/falsche Kleidung waren historisch undenkbar (bzw. führten zu Spott und Häme), sind heute leider eher die Norm. Änderungen/Umstrukturierungen/Ergänzungen im Curriculum gab es damals wie heute. Inwieweit das Ganze immer noch den Prinzipien der Schule entspricht, lässt sich insbesondere heute oft von außen gar nicht und von innen nur begrenzt nachvollziehen. Auch die ununterbrochene Traditionslinie ist, bei genauem Hinsehen, häufig zumindest fleckig. Dies wird aber von vielen Schulen zumindest nicht an die große Glocke gehängt oder aktiv verschwiegen. Einen so detaillierten "Stammbaum" wie bei uns habe ich bisher von keiner Schule gesehen.
Ein Großteil der Koryu hat sich nach dem zweiten Weltkrieg der Geisteshaltung der Gendai Budo (Fokus auf Charakterschulung/Persönlichkeitsentwicklung, "unbedingter" Pazifismus) zumindest angenähert, bis hin zum Aufladen mit neuen religiösen Elementen (klassisch "Zen"). Aus meiner Sicht ist die Änderung der Graduierungen eine Sache, die primär dem finanziellen Überleben der Schulen zugute kommen sollte: kleinschrittiger markierte Fortschritte halten Schüler eher bei der Stange und ermöglichen es, regelmäßig "kleinere" Geldbeträge zu nehmen. Es gibt eine nicht kleine Fraktion, die übrigens der Meinung ist, "wahres Budo" dürfe nicht gegen Geld vermittelt werden und quasi hauptberufliche Koryu-Lehrer damit ablehnt. Ein aus historischer Sicht extrem merkwürdiger Ansatz.

Ich hoffe, ich konnte darstellen, dass die Definition, was Koryu eigentlich heute ist, sehr vielschichtig ist und durchaus Raum für Diskussionen bietet. Am Ende läuft es übergeordnet auf die Frage hinaus "Wie viel Abweichung vom Ursprung ist zulässig, bis etwas keine Koryu mehr ist?"

PS: Offensichtlich schreibe ich zu langsam, Ryoma war wieder schneller.

Gast
26-03-2021, 14:08
Wie ist das eigentlich, hat sich wer mal näher damit beschäftigt, seit wann die Bezeichnung koryû-bujutsu in Japan selbst gebräuchlich ist, und von wem bzw. welcher/n Gruppe(n) sie eingeführt wurde?

Auf die Schnelle habe ich mit einer japanischen Suche zu 古流武術 nix Relevantes gefunden; nur der Begriff koryû geht wohl spezifisch auf eine Ikebana-Schule der Edo-Zeit zurück.

Insofern sollte man ggfs. aufpassen, inwieweit die Bezeichnungen und die ihnen zugesprochenen Inhalte überhaupt von Bedeutung sind.

Nagonomori
26-03-2021, 14:29
@Julian:

Ich glaube das ist schwer festzumachen, besonders da sich die Definition im Laufe der Zeit auch verändert hat. Daher gebe ich dir vollkommen recht da es schwer ist da unbedingt Inhalte festzumachen.
Ich glaube Ellis Amdur in Old School hatte mal dargelegt das in der Edo-Zeit Koryu für Bujutsu Schulern aus der Sengoku Zeit verwendet wurde.
Ganz interessant analog dazu ist die Ryuha Namens "Higo Koryu" eine Naginata Schule die Koryu schon im Namen hat.
Ich denke ganz lapidar heißt Koryu halt nur "old school" und eine akademische Definition davon ist eher eine recht neue Erscheinung die durch den Butokukai erst richtig bedingt wurde.
Da die Erschaffung der ganzen Do-Künste ja unter anderem durchaus auch eine eher politische Entscheidung innerhalb des Verbandsgefüges für den Wehrsport war, als wirklich eine natürlich gewachsene.
(Auch wenn Judo schonmal das Template war eine Sache innerhalb einer Kategorie zu standartisieren und modernisieren)

Tai_Eule
26-03-2021, 14:52
@Julian:
Ich denke ganz lapidar heißt Koryu halt nur "old school" und eine akademische Definition davon ist eher eine recht neue Erscheinung die durch den Butokukai erst richtig bedingt wurde.

Das ist denke ich ein sehr wichtiger Punkt: Fixe Definitionen von "Fachbegriffen" gab es sehr lange einfach nicht. Bugei, Bujutsu, Budo waren zB. zeitweilig relativ Synonym verwendet worden im alten Japan. Die einfache Definition zu Koryu die ich gegeben habe, ist der basale Konsens. Das heisst nicht, dass es keine abweichenden Meinungen gibt. Und wie ebenfalls von mir angerissen, wird es bei genauerer Betrachtung komplizierter.

ryoma
26-03-2021, 16:09
Das ist denke ich ein sehr wichtiger Punkt: Fixe Definitionen von "Fachbegriffen" gab es sehr lange einfach nicht. Bugei, Bujutsu, Budo waren zB. zeitweilig relativ Synonym verwendet worden im alten Japan. Die einfache Definition zu Koryu die ich gegeben habe, ist der basale Konsens. Das heisst nicht, dass es keine abweichenden Meinungen gibt. Und wie ebenfalls von mir angerissen, wird es bei genauerer Betrachtung komplizierter.

Ja, sogar Kendô fällt darunter.

Heute, bzw. seit den 1930ern wird mit "Kendô" ja eine ganz spezifische Kampfsportart bezeichnet.
Der Begriff selbst (also die beiden Kanji) fand in dieser Zusammensetzung aber schon lange vorher Verwendung. Mit der simplen Idee, dass man sich eben auf dem "Schwertweg" befindet, abzüglich den Konnotationen zu Zen.

So gesehen können auch alle Koryû-Mitglieder heute noch sagen, dass sie "Kendô" betreiben. Aber natürlich führt das zu Verwirrung...

ryoma
26-03-2021, 16:27
...Ich glaube Ellis Amdur in Old School hatte mal dargelegt das in der Edo-Zeit Koryu für Bujutsu Schulern aus der Sengoku Zeit verwendet wurde...

Man kann auch soweit gehen und sagen, dass die Bezeichnung "Koryû" damals durchaus eine herabsetzende Komponente besass. In etwas vergleichbar mit "Kaho Kenpô". Wobei aber Kaho Kenpô schon länger im Umlauf ist, sicher schon in den ersten Jahrzehnten des 17. Jhds. Schliesslich nutzte ja bereits Miyamoto Musashi den Begriff, um sich von den "Blümchenfechtern" marktstrategisch abzugrenzen. :D

Ende 18./Anfang 19. Jhd. taucht für die damals "neuen" Schulen auch ab und zu der Begriff Shinryû (新流), um den Gegensatz zu den alten Schulen noch herauszustreichen.

Gast
26-03-2021, 17:37
Die Einbindung in moderne Verbände wie ZNKR etc. Z.B. ist es heute schlicht gar nicht mehr möglich einfach nur MSR zu trainieren, ohne zuerst die mittlerweile 12 Seitei-Kata zu beherrschen

Naja, wenn ich einfach für mich selbst übe, kann ich das tun. Unsere Trainingsgruppe weder Bestandteil irgendeiner Organisation, noch legen wir dort Prüfungen ab.
(Unser Übungsleiter schon, der fährt auch regelmäßig nach Japan um dort zu trainieren und Prüfungen abzulegen)

Ich kann also trainieren was ich will.
Natürlich existiert MSR als Schule alleine nicht, ich glaube darauf willst du hinaus.





Das gewisse Koryû das moderne Dan-System ebenfalls übernommen haben, dient wohl kaum als Argument, oder?


Nicht wirklich, aber dann kann es genauso auch nicht als Argument angeführt werden dass Iaido keine Koryû ist (ähnlich wie beim Daisho).
Dein Aussage, in den Koryu macht jeder was er will, macht mich halt nachdenklich. Wie will man dann überhaupt noch ein Kriterium finden, außer das man eben strikt nach dem Alter trennt.

Mir ist es im Prinzip auch egal, mich hat das ehrlich gesagt früher nie wirklich interessiert, da ich das Aikido wie ich es von meinem Lehrer erfahren habe, immer als tief in der japanischen Kultur und Tradition verankert gesehen habe.
Wenn du nicht gefragt hättest was ich denn so an klassischen Sachen trainieren würde, hätte ich gar nicht so detailliert nachgefragt.

Noch zum Iai: Ich weiß dass z.B. Sagawa mal gesagt habe, alleine das Ziehen des Schwertes sei Iai, alles was danach kommt sei Kenjutsu.

Tai_Eule
26-03-2021, 19:15
Naja, wenn ich einfach für mich selbst übe, kann ich das tun. Unsere Trainingsgruppe weder Bestandteil irgendeiner Organisation, noch legen wir dort Prüfungen ab.
(Unser Übungsleiter schon, der fährt auch regelmäßig nach Japan um dort zu trainieren und Prüfungen abzulegen)

Ich kann also trainieren was ich will.
Natürlich existiert MSR als Schule alleine nicht, ich glaube darauf willst du hinaus.
Ohne Ryuha kein Koryu. Damit kannst Du zwar irgendwas trainieren, was aussieht wie eine Koryu, aber du machst keine Koryu. Ohne die strukturierte Weitergabe von Inhalten (im Falle von Koryu: via der Schulenstruktur -> ryuha), ist kein dem Stil entsprechendes Lernen möglich. Das wäre ungefähr so, als würde ich mir ein paar Aikido-Videos anschauen und behaupten, ich lerne jetzt Aikido, weil ich ein paar äußere Formen "nachtanze".


Nicht wirklich, aber dann kann es genauso auch nicht als Argument angeführt werden dass Iaido keine Koryû ist (ähnlich wie beim Daisho).
Dein Aussage, in den Koryu macht jeder was er will, macht mich halt nachdenklich. Wie will man dann überhaupt noch ein Kriterium finden, außer das man eben strikt nach dem Alter trennt.
Jetzt mal ne ganz blöde Frage von meiner Seite: Wo ist denn das Problem daran, am Alter zu trennen? Gendai budo = modernes Budo. Die Moderne beginnt in Japan mit der Meiji-Restauration. Damit ist alles an Budo, was "in der Moderne" entwickelt wurde gendai budo und alles, was davor kam koryu. Ob das jetzt "gutes Koryu" ist, ob das noch dem alten Weg entspricht, ob Gendai budo oder koryu jetzt besser oder schlechter ist, ist damit ja gar nicht gesagt.


Mir ist es im Prinzip auch egal, mich hat das ehrlich gesagt früher nie wirklich interessiert, da ich das Aikido wie ich es von meinem Lehrer erfahren habe, immer als tief in der japanischen Kultur und Tradition verankert gesehen habe.
Wenn du nicht gefragt hättest was ich denn so an klassischen Sachen trainieren würde, hätte ich gar nicht so detailliert nachgefragt.

Noch zum Iai: Ich weiß dass z.B. Sagawa mal gesagt habe, alleine das Ziehen des Schwertes sei Iai, alles was danach kommt sei Kenjutsu.
Mich stört hier ein wenig die Pauschalisierung, also das "der" japanischen Kultur/Tradition, zumindest, wenn man Koryu mit in die Diskussion bringt, ist allein aufgrund des Umbruchs pre-/post-Meiji dieses generelle Label nicht haltbar. Deutsche Kultur unterscheidet sich ja auch je nach Region (und Zeit sowieso) doch deutlich. Will sagen, es gibt nicht "DIE" japanische Kultur/Tradition.

Zum Iai: Ich seh' jetzt das Problem an der Aussage nicht? Bis auf, dass ich Iai eher durch Battoujutsu, also das konkrete Schwertziehen ersetzen würde, da Iai doch (eigentlich) etwas anderes bezeichnet.

ryoma
26-03-2021, 19:24
...Natürlich existiert MSR als Schule alleine nicht, ich glaube darauf willst du hinaus.

OK.... Inryoku, worüber diskutieren wir hier nun schon längere Zeit??? :confused:


Nicht wirklich, aber dann kann es genauso auch nicht als Argument angeführt werden dass Iaido keine Koryû ist (ähnlich wie beim Daisho).
Dein Aussage, in den Koryu macht jeder was er will, macht mich halt nachdenklich. Wie will man dann überhaupt noch ein Kriterium finden, außer das man eben strikt nach dem Alter trennt.
Mir ist es im Prinzip auch egal, mich hat das ehrlich gesagt früher nie wirklich interessiert, da ich das Aikido wie ich es von meinem Lehrer erfahren habe, immer als tief in der japanischen Kultur und Tradition verankert gesehen habe.
Wenn du nicht gefragt hättest was ich denn so an klassischen Sachen trainieren würde, hätte ich gar nicht so detailliert nachgefragt.

Tja, was soll ich sagen... Die Kriterien habe ich nun hier zur Genüge dargelegt. Aber du hast recht, akzeptieren muss die niemand.

Apropos Kriterien: Ich würde die Sache gerne auch von der anderen Seite aus beleuchtet sehen. Nenne mir stichhaltige Argumente, weshalb nun MSR als Koryû-bujutsu zu gelten hat.

Ich denke, oft steckt schlicht ein sprachliches Missverständnis dahinter. Besucht man ein übliches Iai-Dôjô, wird man nach einer gewissen Zeit den Lehrer zu den fortgeschrittenen Schülern sagen hören: So, nun wechseln wir zu Koryû. Und dann üben diese eben die Shôden, Chûden oder Okuden-Sets der MSR.

Wenn sich nun ein Schüler mal etwas intensiver mit der Materie auseinandersetzt und beginnt diverse Bücher zu lesen, wird er unweigerlich über den Begriff "Koryû" stolpern. Und er wird sich sagen: Ja klar, das mach ich ja auch!

Das Missverständnis ist eben der Gebrauch des Begriffes an sich. In den typischen Iai-Dôjô dient er lediglich dazu, die MSR-Kata-Sets von den Seitei-Kata zu trennen. Ganz ohne die Idee von Koryû-bujutsu als definiertes Lehrgebäude dahinter...


Noch zum Iai: Ich weiß dass z.B. Sagawa mal gesagt habe, alleine das Ziehen des Schwertes sei Iai, alles was danach kommt sei Kenjutsu.

Diese Idee vertrat nicht nur Sagawa-sensei. Viele Lehrer sehen das so.
Bei denen, die auch hochrangige Kendôka sind, kann ich diese Haltung sogar verstehen. Aber heutzutage gibt es leider viel zu viele Iai-Lehrer, die eben nie was anderes als Iai gemacht haben. Und denen kauf ich diesen Spruch schlicht nicht ab.


EDIT: Jetzt war mal der andere schneller! :D

carstenm
26-03-2021, 20:12
Jetzt mal ne ganz blöde Frage von meiner Seite: Wo ist denn das Problem daran, am Alter zu trennen? Gendai budo = modernes Budo.Aus meiner Sicht wäre das Problem dieses Kriteriums - ebenso wie auch aller anderen starren Definitionsversuche - daß diese Unterscheidungen nach allem, was ich bisher gelernt und erlebt habe, nicht das japanische Gefühl dafür transportieren würde, was koryû ist - oder auch nicht ist.
Denn das scheint mir dort tatsächlich das wesentliche Kriterium zu sein: Das Gefühl dafür, ob eine Kunst den wahren japanischen Geist in sich trägt und ihn vermittelt.

Ich habe inzwischen so häufig Äußerungen in diese Richtung gehört, daß ich ganz aufgehört habe, mir zu Kriterien um eine starre Abgrenzung noch irgendwelche Gedanken zu machen.

Tai_Eule
26-03-2021, 21:38
Das Gefühl dafür, ob eine Kunst den wahren japanischen Geist in sich trägt und ihn vermittelt.


Interessante Definiton, aber aus meiner Sicht eigentlich noch weniger brauchbar als die Trennung am Alter. Welchen "wahren japanischen Geist" meinst Du denn? Den am Katori-jingu am Anfang des 15 Jhdts.? Den in Satsuma am Ende des 16. Jhdts.? Den in Himeji-han Mitte des 17. Jhdts.? Den in Edo am Anfang des 19. Jhdts.? Oder ist es das, was im modernen Japan darunter verstanden wird? Lässt sich sowas überhaupt an jemanden vermitteln, der die Sprache nicht kann? Wie definiert man den "wahren japanischen Geist" überhaupt? Am Ende tausche ich eine unbefriedigende, aber nachvollziehbare, Definition gegen eine subjektive aus, die sich von Person zu Person unterscheiden dürfte.

carstenm
26-03-2021, 22:03
Wie gesagt:
Ich habe inzwischen aufgehört, mir zu Kriterien um eine starre Abgrenzung dessen, was "koryû" sei oder nicht, irgendwelche Gedanken zu machen.
Ich benötige keine Definition.


Interessante Definiton ...Das ist eben gerade keine Definition.

Lässt sich sowas überhaupt an jemanden vermitteln, der die Sprache nicht kann? Das lässt sich wohl kaum jemandem vermitteln, der dieses Lebensgefühl nicht in sich aufgesogen hat.


...die sich von Person zu Person unterscheiden dürfte.Ja. Genau so ist es.

ryoma
26-03-2021, 22:07
Aus meiner Sicht wäre das Problem dieses Kriteriums - ebenso wie auch aller anderen starren Definitionsversuche - daß diese Unterscheidungen nach allem, was ich bisher gelernt und erlebt habe, nicht das japanische Gefühl dafür transportieren würde, was koryû ist - oder auch nicht ist.
Denn das scheint mir dort tatsächlich das wesentliche Kriterium zu sein: Das Gefühl dafür, ob eine Kunst den wahren japanischen Geist in sich trägt und ihn vermittelt.

Ich habe inzwischen so häufig Äußerungen in diese Richtung gehört, daß ich ganz aufgehört habe, mir zu Kriterien um eine starre Abgrenzung noch irgendwelche Gedanken zu machen.

Hmmm... Um sich also einer relativ klaren Zu- und Einordnung (die nie 100% wasserdicht sein wird, ja) zu entziehen, soll nun tatsächlich der ominöse "Yamato-damashii" herangezogen werden? Tricky.

FireFlea
26-03-2021, 22:10
Vielleicht können wir uns einfach darauf einigen, dass koryu für alte Menschen sind oder solche, die sich alt fühlen? :D

Tai_Eule
26-03-2021, 22:34
Wie gesagt:
Das ist eben gerade keine Definition.
Du nennst ein Kriterium für Koryu. Damit ist es, wenn auch vielleicht unvollständig, so doch eine Definition. Das wird aber langsam unsinnige Wortklauberei...


Das lässt sich wohl kaum jemandem vermitteln, der dieses Lebensgefühl nicht in sich aufgesogen hat.
Damit können nur Menschen, die in Japan aufgewachsen sind oder sehr lange Zeit dort verbracht haben, überhaupt Koryu verstehen/lernen. Das erscheint mir doch ziemlich unsinnig.

Nochmal zurück zum "wahren japanischen Geist": Also Koryu ist damit alles, was dem "wahren japanischen Geist" entspricht? Oder würdest Du noch weitere Einschränkungen vornehmen wollen, wie zB. die Eingrenzung auf Kampfkunst? Ich sehe in deiner Nicht-Definition die Gefahr für Zirkelschlüsse und True-Scotsman-Fallacy, was wahrscheinlich vielen, die sich für Koryu interessieren, eine Einordnung des Ganzen erschweren dürfte. Und etwas aus einer so kollektivistischen Gesellschaft wie Japan eine individualistisch zentrierte Nicht-Definition aufzudrücken erscheint mir doch arg widersinnig.

Und eine, zugegeben provokante, Frage, wenn der "wahre Geist" einer Kultur ein abgrenzbares Ding ist, wie sieht dann der "wahre deutsche Geist" aus?

Gast
26-03-2021, 23:03
Jetzt mal ne ganz blöde Frage von meiner Seite: Wo ist denn das Problem daran, am Alter zu trennen? Gendai budo = modernes Budo. Die Moderne beginnt in Japan mit der Meiji-Restauration. Damit ist alles an Budo, was "in der Moderne" entwickelt wurde gendai budo und alles, was davor kam koryu.

Aber was sagt das denn aus? Ich sage mal: Alle Autos, die vor 2000 gebaut wurden, sind alte Autos, alle Autos die danach gebaut wurden, sind neue Autos. Da ist nichts darüber gesagt, welche Technik in dem "neuen" Auto verbaut wurde, oder in dem "alten". Es ist nur ein Label, mehr nicht.

Es werden aber mit diesem Label bestimmte Dinge impliziert, die vielleicht so gar nicht zutreffen. Was die "alte" Denkweise über Budô angeht, oder dass in den Gendai-Budô nicht mehr der Geist des Kämpfens vorhanden ist, oder was auch immer.
Ich kenne Aikido-Lehrer die mehr vom alten Budô Geist versprühen, als viele, die sich das Label "Koryu" auf die Jacke schreiben. Ich sehe in meiner Erinnerung einen Hiroshi Tada auf die Matte kommen, und fühle mich ins alte Japan versetzt, ich kann mich gut daran erinnern als ich das zum ersten Mal erlebt habe. Der Mann ist Abkömmling einer nicht unbedeutenden Samurai Familie, hat eine eigene Familieninterne Kyudo-Tradition die er als Kind von seinem Vater gelernt hat, und ist Shihan einer Kampfkunst, die dann allerdings mit Gendai-Budô abgestempelt wird, obwohl da eine ganz alte Tradition hinter steht, also ein Stempel mit dem wiederum bestimmte Wertungen verbunden werden.
Also wozu diese ganze Trennung in Gendai und Koryu, darauf kommt es doch gar nicht an.
Wenn das so total wertfrei verwendet würde, wäre das ja in Ordnung, aber wozu braucht man das dann?

Wenn man sich das mal ansieht: Koryû-bujutsu: 1) Kampf, 2) Disziplin, 3) Moralvorstellungen, Sitten - das ist doch überholt. Die Leute kommen aus dem Dojô, und müssen doch erst mal wieder in die richtige Zeit umschalten, es gibt halt kein Schlachtfeld auf dem jemand sie erwartet, damit sie dort ihre Kampffähigkeit unter Beweis stellen, dieser Realitätsbezug ist einfach nicht mehr vorhanden. Wenn sie kämpfen wollen können sie das unter ganz bestimmten Rahmenbedingungen machen, in einem ganz streng formellen Rahmen. Wenn da irgendwas passiert was mit dem "modernen" Strafgesetzbuch nicht konform ist, ist schnell der Ofen aus. Damit das nicht passiert, dürfen das nur bestimmte Leute machen, die über das entsprechende Können verfügen, ist schon klar. Aber damit ist doch auch der Ausgang der Sache klar, von vornherein. Wenn jemand dabei zu Tode käme, Gott bewahre. So ist halt auf andere Weise sichergestellt, dass das Kämpfen sich in sicheren Bahnen bewegt. Ich habe Aikido-Vorführungen gesehen, mit scharfen Schwertern, wenn da nicht absolute Kontrolle vorhanden gewesen wäre, gute Nacht Marie.

Aber: Schlachtfeld ist eben nicht.

Was also bleibt, ist: 1) Moralvorstellungen, Sitten, 2) Disziplin, 3) ästhetische Form (den ästhetisch ist das Ganze allemal, wie konnte Draeger das übersehen?) wie in den Gendai Budô.
Also die Antwort auf die Frage:
Ich will niemandem auf den Schlips treten, aber die Unterscheidung nach Alter kann man machen, ergibt aber für mich nicht wirklich Sinn.

Tai_Eule
26-03-2021, 23:45
Ich stimmt Dir zu, dass die inhaltliche Aussage des Labels Koryu heute ziemlich verwaschen ist, etwas, dass ja sowohl Ryoma als auch ich ebenfalls angesprochen und kritisiert.

Ich stimme Dir ebenfalls zu, dass so manche Gendai-Budoka mehr vom Kämpfen, Budo, etc.- verstehen und transportieren können, als so mancher Koryu-Mensch. Ich halte persönlich die meisten Kendoka, die sich Wettkämpfen stellen, für näher am Budo als so einige (japanische) Koryu-Shihan, die sich nicht mal innerhalb ihrer Tradition an ein freieres Sparring heranwagen. Aber nur weil Koryu sich vielerorts aus meiner Sicht vom Ursprung zu weit entfernt hat, um noch als "echte" Koryu durchzugehen, heißt es nicht, dass man die Unterteilung aufheben muss oder sie sinnfrei ist.

Schlachtfelder spielten ab Beginn der Edo Zeit für ~260 Jahre keine Rolle mehr (Shimabara lass ich jetzt mal außen vor). Dieser Bezug von Koryu zum Schlachtfeldkampf ist also schon damals eher überholt gewesen, was sich auch im Curriculum vieler Schulen wiederfindet: Der Fokus weg von Schlachtfeld, hin zu Duell-Techniken. Was nicht bedeutet, dass die Schlachtfeld-Techniken zwangsläufig vergessen worden sind. Schlachtfelder kamen erst mit dem Boshin und Seinan-Krieg wieder auf, da hatte sich das aber schon so viel weiter entwickelt, dass das mit den Schlachtfeldern der Sengoku-Zeit kaum vergleichbar war. Das wiederum fiel auch vielen Kämpfern der Zeit auf, Belege dafür finden sich in diversen Tagebüchern, nebst Anpassungsvorschlägen in manchen Fällen. Trotzdem sollte meiner Ansicht nach der Fokus der Koryu-Ausübung auf dem Kampf liegen und wird soweit mir bekannt, von den meisten auch dort gesehen oder zumindest wird damit oft geworben. Also nur weil es keine Schlachtfelder mehr für Speer, Naginata, Bogen und Schwert gibt, heißt das ja nicht, dass Koryu sich nicht mehr auf den Kampf konzentrieren (können/sollen). Damit bleibt aus meiner Sicht die Reihenfolge "Kampf, Disziplin, Moral" eigentlich erhalten. Wenige der Gendai-Budo die mir bekannt sind, legen einhellig einen Wert auf Kampf: Zu Aikido hatten wir hier schon eine Ellenlange Diskussion; Kendo hat den sportlichen Wettkampf, was denke ich von Kampf in Koryu Sinne zu unterscheiden ist; dito beim Judo. Das schließt natürlich nicht aus, dass manche der Sachen auch mit Fokus auf SV angeboten werden, aber im Vordergrund steht das insgesamt nicht.

Ja, die Unterscheidung nach Alter ist nicht zufrieden stellend. Aus meiner Sicht läuft die Definitionsfrage betreff Koryu auf folgendes hinaus: "Wie viel Abweichung von der Tradition ist ok?" Ich kenne drei Grundtypen von Motivation, sich einer Koryu anzuschließen:
1. Mit Waffe XYZ/Wie Samurai kämpfen lernen
2. An einem Stück lebendiger Kulturgeschichte teilhaben/diese bewahren
3. Eine Gendai budo Art stärken/verbessern

Ich denke, Typ 3 ist es am ehesten egal, wie nah die gewählte Koryu noch an ihrer Tradition dran ist, solange man was für das Gendai Budo draus ziehen kann. Typ 1 und 2 werden das im Schnitt deutlich enger sehen. Typ 1 gewichtet sicherlich das kämpferische stärker, Typ 2 eher das historisch-kulturelle. Wobei ich mich gerade bei Typ 2 häufig wundere, wie viel Abweichung von der Tradition eigentlich hingenommen wird.

Gast
27-03-2021, 07:32
Ryoma hatte ja weiter vorne geschrieben:

"Donn F. Draeger hatte ja bereits in den 1970ern ein einprägsames Schema geschaffen für die Unterscheidung zwischen Koryû-bujutsu und modernem Budô, basierend auf den jeweiligen Prioritäten:
Koryû-bujutsu: 1) Kampf, 2) Disziplin, 3) Moralvorstellungen, Sitten
Budô: 1) Moralvorstellungen, Sitten, 2) Disziplin, 3) ästhetische Form"

Wirklich sinnvoll oder brauchbar erscheint mir das im Grunde auch nicht, bzw. zu viele offene Fragen:

1) Das Thema Kampf hatten wir ja schon vielfach diskutiert. Welchen Kampf? Wenn wir jetzt Sparring als regelmäßigen Teil des Curriculums nehmen, dann scheint es ja wohl so, dass die meisten Koryu diesen Aspekt nicht erfüllen. Viele Budô-Disziplinen hingegen schon, aber andere halt auch nicht. Offener Wettkampf mit der Aussortierung aus einer möglichst großen Übenden-Schar: da dürften auch wieder eher die Budô-Disziplinen punkten. Große Verbände, gute Strukturen für Wettkampf etc. Darüber hinaus, was bleibt vom Kampf? Schlachtfeld mit Klingenkampf ist nicht mehr. Ernsthafter Duellkampf mit Klingenwaffen - auch Fehlanzeige.

2) Disziplin scheint mir vom Prinzip gleich verankert, wenngleich es in der Fülle der Budô-Dojos da vermutlich eine größere Spannbreite gibt. Wobei eigentlich zu klären wäre, was mit Disziplin genau gemeint ist. Konzentriert trainieren und sich dabei anstrengen? Kann sein, dass in den Koryû hier der allgemeine Level höher ist, d. h. weniger Leute zum gemütlichen Feierabendbewegen zusammenkommen, als in manchen Breitensport-Vereinen. Aber im Wettkampf-Sport ist das natürlich auch wieder anders.

3) Moral... Ja, welche Moral wird denn wie vermittelt?

4) Ästhetik... Auch schwierig. Zumal ich glaube die Koryu häufig ästhetischer finde.

Insofern ist die zeitliche Trennung vielleicht wirklich die unproblematischste, auch wenn sie erstmal nichts aussagt. Die Frage ist ja auch viel mehr wie schon angesprochen, mit welcher Intention werden denn die Begriffe von wem verwendet.

Ansonsten finde ich könnte der "äußere Habitus" die Unterscheidung noch ganz gut abdecken - also wie viel traditionelle Kultur (Kleidung etc.) wird bewahrt.

ryoma
27-03-2021, 07:44
Inryoku, du hast dich daran aufgehängt, dass ich sagte, Musô-Shinden-ryû Iaidô kann man nicht zu den klassischen Schulen (Ryûha) des Bujutsu zählen. Du hast mich aufgefordert, dies irgendwie zu belegen.

Dann habe ich, glaube ich zumindest, nachvollziehbare und schlüssige Argumente und Kriterien geliefert. Mehrfach.

Du lehnst diese Argumente rundweg ab.

Dann möchte ich gerne deine Argumentationslinie kennenlernen, welche deiner Ansicht nach belegt, dass MSR ein wahres Koryû-bujutsu ist.

Und siehe da! Plötzlich ist diese Unterteilung in Gendai-budô und Koryû-bujutsu völlig hinfällig und eigentlich ziemlich dämlich.

Es wäre ehrlicher gewesen, du hättest schon zu Beginn so argumentiert, aber da war es dir doch noch sehr wichtig, MSR im Koryû-Kosmos verankert zu sehen...

ryoma
27-03-2021, 08:43
...Damit können nur Menschen, die in Japan aufgewachsen sind oder sehr lange Zeit dort verbracht haben, überhaupt Koryu verstehen/lernen. Das erscheint mir doch ziemlich unsinnig...

Ich glaube, carstenm meint damit nicht nur Koryû-Praktizierende, sondern allgemein Budô-Ausübende.

Gut... dann können jetzt die allermeisten, die hier mitdiskutieren bitte ihre Trainingssachen zusammenpacken und auf Ebay verscherbeln.
So long, guys! :winke:


:biglaugh:

Huangshan
27-03-2021, 09:14
Interessante Diskussion.

Hier sind Artikel von der Koryu.com Seite zum Thema:

https://www.koryu.com/library/koryubudo.html


https://www.koryu.com/library/mskoss4.html

https://www.koryu.com/library/wmuromoto3.html

ryoma was hälst du von diesen Definitionen, Artikeln?


PS: Im Kodokan Judo gibt es auch Kata,Techniken,Prinzipien z.B. aus der Kito ryu ( Kanō hatte ein Menkyo-Kaiden) , deshalb ist aber Judo noch nicht Kobudo/Koryu jujutsu.

Gast
27-03-2021, 10:16
...

Katamaus
27-03-2021, 10:32
Bezeichnet Shuhari (守破離) eher einen Entwicklungsprozess innerhalb eines Systems oder eher den eines Individuums, das aus einem System herauswächst?

Die Boardfunktion verweist auf einen 11 Jahre alten Thread Kata-Training und Shuhari (https://www.kampfkunst-board.info/forum/showthread.php?84725-Kata-Training-und-Shuhari), in dessen ersten Beitrag folgendes steht:

Ich finde es bemerkenswert, dass Miles Kessler in seinem Vortrag eine ganz ähnliche Aufteilung und Zuordnung zu den Stufen Shu, Ha, Ri vorschlägt und das auch noch konkret mit Kyu- bzw. Dan-Graden verknüpft:



Interessant! Das ist exakt die Vorgehensweise/Einteilung, wie sie Wichmann im Karate lehrt. Und weil die meisten bestenfalls die zweite Stufe erreichen, sind die Partnerübungen und Kata-Bunkai, die wir trainieren, auch so simpel und wenig komplex. Hätte ich den Beitrag früher gefunden, hätte ich es mir ersparen können, mir die Finger wund zu argumentieren. :D

FireFlea
27-03-2021, 10:39
Interessant! Das ist exakt die Vorgehensweise/Einteilung, wie sie Wichmann im Karate lehrt. Und weil die meisten bestenfalls die zweite Stufe erreichen, sind die Partnerübungen und Kata-Bunkai, die wir trainieren, auch so simpel und wenig komplex. Hätte ich den Beitrag früher gefunden, hätte ich es mir ersparen können, mir die Finger wund zu argumentieren. :D

Hätte nix geholfen - der Beitrag ist von meinem Lehrer. :D

Gast
27-03-2021, 10:56
Es wäre ehrlicher gewesen, du hättest schon zu Beginn so argumentiert, aber da war es dir doch noch sehr wichtig, MSR im Koryû-Kosmos verankert zu sehen...

Nein, wichtig ist mir das überhaupt nicht.
Es ist nur eine interessante Diskussion, die entstanden ist, weil ich ich aufgefordert wurde zu belegen, was ich denn an klassischen Sachen übe.
Da musste ich dann halt drüber nachdenken und bin zu dem Schluss gekommem dass mir persönlich diese Trennung nichts bedeutet.
Ich trainiere halt das was mir gefällt und für mich erreichbar ist, zudem bin ich ziemlich viel damit beschägtigt selbst zu unterrichten.
Falls ich nochmal irgendwas anderes ausprobieren möchte kann das durchaus was "klassisches" sein, ich machs dann aber nicht von dem label abhängig was drauf klebt. Es hat aber durchaus seinen Reiz, sich mit einer älteren Schule zu beschäftigen die eben due Inhalte so vermittelt wie Amdur oder Threadgill das in den Doskussionen bzw. Vorträgen beschrieben haben.
Wenn mich das nicht interessieren würde, würde ich ja nicht seitenlang versuchen die Unterschiede zu diskutieren.

Huangshan
27-03-2021, 11:16
Also ich finde es interessant wie sich mit der Zeit das Blatt gewendet hat.
In der Meiji Epoche z.B. war Traditionelles nicht mehr inn und westlicher Sport-Leibesertüchtigung bzw. Budo die Mode der Zeit.

Heutzutage ist Kobudo/ Koryu Bujutsu bei einigen wieder inn und es ist nicht mehr rückständig.

Viele betonen sogar die Koryu Wurzeln oder möchten zum Kobudo Club dazugehören.

carstenm
27-03-2021, 12:46
Ach du liebe Lotte ...

... wo hab ich nur den Deckel von dem Pandorra Ding wieder hingelegt? :o

Also die Geschöpfe der Nacht - und des frühen Morgens - mal der Reihe nach ...


Um sich also einer relativ klaren Zu- und Einordnung (die nie 100% wasserdicht sein wird, ja) zu entziehen, ...Diese Aussage verstehe ich nicht:
Wer entzieht sich wem, was?

Das klingt nach irgendeinem "Druck", einer Verpflichtung, daß man eine konzise und offenbar auch operationalisierbare Definition des Begriffes "koryû" erbringen müsse? So jedenfalls höre ich diese Aussage. Aber in der Praxis sehe, bzw. erlebe ich diese Forderung nicht. Woraus ergibt sich denn diese Forderung - so ich das denn richtig verstanden habe - deiner Ansicht nach? Und wer stellt sie? Und welche praktische Bedeutung hat sie?
Für mich persönlich ist der Begriff "koryû" eine Bezeichnung, die ihren Ort im Kontext historischer Erforschung der japanischen budô hat. D.h. ich ganz persönlich fand und finde das Kriterium der zeitlichen Einordnung sinnvoll und plausibel. Nur ... habe ich eben erlebt, daß (einige) Menschen, die verantwortlich ein kobudô unterrichten, der Meinung sind, eine solche kategorische Einordnung würde dem Phänomen nicht gerecht.


Du nennst ein Kriterium für Koryu. Damit ist es, wenn auch vielleicht unvollständig, so doch eine Definition.Nein.
Sondern ich habe wiedergegeben, was mir auf meine Frage nach Kriterien geantwortet wurde: Nämlich, daß es keine festen Kriterien gäbe - und nicht geben könne. Weil sie dem Wesen nach nicht von äußeren Kriterien abhängen würde, sondern nach einem inneren Gefühl erfolge. "Wer Augen hat, zu sehen, der sehe ... ", so in etwa ...

Damit können nur Menschen, die in Japan aufgewachsen sind oder sehr lange Zeit dort verbracht haben, überhaupt Koryu verstehen/lernen. Das erscheint mir doch ziemlich unsinnig.Warum? Ich finde das im Gegenteil recht plausibel.
In Bezug auf aikidô - da kenne ich mich ja im Gegensatz zu kobudô nun auch tatsächlich etwas aus - meine ich das inzwischen


... würdest Du ... vornehmen wollen, ...Noch einmal: Diese Aussagen stammen nicht von mir, sondern sind Antworten, die mir auf meine Fragen gegeben wurden.
Meine Aussage dazu war oben und ist weiterhin: "Ich habe inzwischen so häufig Äußerungen in diese Richtung gehört, daß ich ganz aufgehört habe, mir zu Kriterien um eine starre Abgrenzung noch irgendwelche Gedanken zu machen." Für mich hat die Suche nach einer stringenten Definition keine Bedeutung mehr.


Also Koryu ist damit alles, was dem "wahren japanischen Geist" entspricht? Oder würdest Du noch weitere Einschränkungen vornehmen wollen, wie zB. die Eingrenzung auf Kampfkunst? Ich den Begriff "koryû" aus der Tee-Kunst (es gibt eine japanischen Lehrerin hier vor Ort), aus der Kalligraphie (ein Freundin lernt bei einem Japaner), aus der Kunst des sumi-e (eine Freundin lernt bei einem japanischen Lehrer) und aus Töpfer-Kunst (eine japanische Freundin ist für drei Jahre zurück nach Japan gegangen, um die Ausbildung in einer traditionellen Schule zu beginnen.)


Ich sehe in deiner Nicht-Definition die Gefahr für Zirkelschlüsse und True-Scotsman-Fallacy, was wahrscheinlich vielen, die sich für Koryu interessieren, eine Einordnung des Ganzen erschweren dürfte. Das verstehe ich so, daß für dich eine klare Definition von "koryû" wichtig ist, um interessierten Aussenstehenden eine Kategorie an die Hand zu geben?
Ich muß zugeben, der Gedanke ist mir eher fremd.


Und etwas aus einer so kollektivistischen Gesellschaft wie Japan eine individualistisch zentrierte Nicht-Definition aufzudrücken erscheint mir doch arg widersinnig.Diesen Einwand kann ich gut nachvollziehen! Ich gehe davon aus, daß mit "Gefühl", auch wenn es das subjektive Gefühl eines Einzelnen meint, dennoch der Ausdruck von bzw. der Zugang zu einer kollektiven Einordnung gemeint ist. Die aber nicht, oder jedenfalls nicht in erster Linie, auf objektiven Fakten beruht, sondern auf einem kollektiven Verständnis. Eine kollektive Prägung, die auf der Teilhabe an einer bestimmten Lebenswelt beruht. Und die eben ein im groben mindestens ähnliches Bauchgefühl produziert ...
(Wenn ich in Frankreich oder UK einen Deutschen treffe, wissen wir beide genau, was wir mit "gutem Brot" meinen. Ich habe aber nicht die allerleiseste Ahnung von Zutaten oder Backverfahren. Und ich könnte auch nicht wirklich präzise beschreiben, was ein "gutes Brot" ist.Trotzdem bin ich mit anderen Deutschen weitgehend einig ... bevor dann der Streit losgeht, ob Kümmel reingehört ... so vielleicht?)


Und eine, zugegeben provokante, Frage, wenn der "wahre Geist" einer Kultur ein abgrenzbares Ding ist, wie sieht dann der "wahre deutsche Geist" aus?Keine Ahnung. Ich erlebe nur, daß dieser "wahre japanischen Geist" bei allen Lehrern, mit denen ich zu tun habe, bedeutsam ist. Bis heute. Und in verschriftlichen Texten - z.B. von Ueshiba Morihei - sowieso. Einer der Lehrer meines Lehrers hatte schon ein Bein in einem Kamikaze-U-Boot. Der wußte, was das ist. Der aikidô-shihan, bei dem ich übe, hat bis vor etwa fünf Jahren öffentlich geäußert, daß er nur japanische Schüler habe, da nur Japaner aikidô vollumfänglich lernen könnten ...
... interessanterweise ist die Schule des kobudô, der ich angehöre, in dieser Hinsicht sehr viel "offener", als das (angebliche) gendai budô das ich übe ...


"Donn F. Draeger hatte ja bereits in den 1970ern ein einprägsames Schema geschaffen für die Unterscheidung zwischen Koryû-bujutsu und modernem Budô, basierend auf den jeweiligen Prioritäten:Findet sich dieses Schema in "Modern bujutsu and budô"? Das ist nun gerade der Band, den ich nicht kenne, weil er mich vermeintlich nie interessiert hat.


Wirklich sinnvoll oder brauchbar erscheint mir das im Grunde auch nicht, bzw. zu viele offene Fragen:Ich kann's ja jetzt nur so annehmen, wie ihr es hier zitiert, aber da sehe ich dann ganz ähnliche Schwächen, wie in seiner Unterscheidung von "bujtutsu" und "budô". Die wird ja denn auch inzwischen so nicht mehr mitvollzogen.


Insofern ist die zeitliche Trennung vielleicht wirklich die unproblematischste, auch wenn sie erstmal nichts aussagt. Ja. Das sehe ich genauso: Eine zeitliche Kategorie ist praktisch, um die Historie gliedern zu können. Und so macht der Begriff für mich auch durchaus Sinn.
Sobald man daraus aber inhaltliche Aspekte ableiten möchte, funtkioniert dieses Schema nicht mehr. Denn die haben sich eben häufig nicht an dieser historischen Trennlinie unterschieden. Und da wirds dann eben zickelig.


Die Frage ist ja auch viel mehr wie schon angesprochen, mit welcher Intention werden denn die Begriffe von wem verwendet.Daher meine Fragen an ryoma und TaiEule. Mir ist nicht klar, worin die Intention besteht, den Begriff "koryû" so möglichst wasserdicht zu definieren. Wer verlangt das? Und wozu? In meiner Praxis besteht diese Notwendigkeit, jedenfalls bisher, nicht.


Ansonsten finde ich könnte der "äußere Habitus" die Unterscheidung noch ganz gut abdecken - also wie viel traditionelle Kultur (Kleidung etc.) wird bewahrt. Uuuuuuuhhhh ...
Shintô-Schrein mit 43 eingeschreinten kami des budô. Es gibt eine Haupt-Schutzgottheit des budô
Ômoto-Zeremonien an diesem Schrein
Religiöse Embu
Iemoto-System mit langer Historie und honbu in Tokyo
Bis WWII enge Verbindung zum Kaiserhaus und zum Militär
Traditionelle Kleidung sowieso, aber auch traditionelle Etikette bis heute
Bezug bestimmter Lehrinhalte auf shintô
Engste Verbindungen zu andren koryû (unterricht im hombu de budô ...)
...
connais tu? ;-)

Gast
27-03-2021, 13:25
(Wenn ich in Frankreich oder UK einen Deutschen treffe, wissen wir beide genau, was wir mit "gutem Brot" meinen. Ich habe aber nicht die allerleiseste Ahnung von Zutaten oder Backverfahren. Und ich könnte auch nicht wirklich präzise beschreiben, was ein "gutes Brot" ist.Trotzdem bin ich mit anderen Deutschen weitgehend einig ... bevor dann der Streit losgeht, ob Kümmel reingehört ...


Oh monsieur, vous ne savez pas ce qu'est une bonne baguette avec du bon fromage et un verre de vin rouge? L'art de vivre à la française ...

ryoma
27-03-2021, 13:33
Interessante Diskussion.

Hier sind Artikel von der Koryu.com Seite zum Thema:

https://www.koryu.com/library/koryubudo.html


https://www.koryu.com/library/mskoss4.html

https://www.koryu.com/library/wmuromoto3.html

ryoma was hälst du von diesen Definitionen, Artikeln?


Ja, das sind natürlich die "klassischen" Texte aus dem Umfeld von Skoss & Co., jedoch oft auch schon über 20, 25 Jahre alt.
Nichtsdestotrotz halte ich sie immer noch für hervorragend, um Menschen, die sich ernsthaft dafür interessieren, zumindest einen theoretischen Einstieg in die Thematik zu ermöglichen.

Es ist wirklich schade, dass koryu.com keine Updates mehr erfährt. Das letzte inhaltliche Update stammt aus 2013.
Zumindest der Artikel-Bereich könnte weiterverfolgt werden.
Aber ich denke, dass ist einfach der Lauf der Dinge. Meik Skoss ist mittlerweile auch Mitte Siebzig.

Huangshan
27-03-2021, 13:47
ryoma

Ja es ist schade, dass weniger dort gepostet wird.

Als ehemaliger Budoromantiker der einen chinesischen Weg eingeschlagen hat , ist es interessant über Koryu Bujutsu zu lesen, sich zu informieren.
Wenn eine Ryuha in meiner Nähe damals ein Dojo gehabt hätte, so würde ich vielleicht Kobudo ausüben ?

Gast
27-03-2021, 13:50
Uuuuuuuhhhh ...
Shintô-Schrein mit 43 eingeschreinten kami des budô. Es gibt eine Haupt-Schutzgottheit des budô
Ômoto-Zeremonien an diesem Schrein
Religiöse Embu
Iemoto-System mit langer Historie und honbu in Tokyo
Bis WWII enge Verbindung zum Kaiserhaus und zum Militär
Traditionelle Kleidung sowieso, aber auch traditionelle Etikette bis heute
Bezug bestimmter Lehrinhalte auf shintô
Engste Verbindungen zu andren koryû (unterricht im hombu de budô ...)
...
connais tu? ;-)

Eben diese Aspekte hatte ich (teilweise) im Hinterkopf, bei der Einteilung gemäß Habitus wäre Aikido dann halt einfach Koryu :-)
Oder vielleicht: Gendai-Koryû? :ups:

Tai_Eule
27-03-2021, 14:01
Nein.
Sondern ich habe wiedergegeben, was mir auf meine Frage nach Kriterien geantwortet wurde: Nämlich, daß es keine festen Kriterien gäbe - und nicht geben könne. Weil sie dem Wesen nach nicht von äußeren Kriterien abhängen würde, sondern nach einem inneren Gefühl erfolge. "Wer Augen hat, zu sehen, der sehe ... ", so in etwa ...
Ich schrieb ja, das wird Wortklauberei. ;) Das "innere Gefühl" ist ja nun mal ein Kriterium, eben nur kein äußeres...


Warum? Ich finde das im Gegenteil recht plausibel.
In Bezug auf aikidô - da kenne ich mich ja im Gegensatz zu kobudô nun auch tatsächlich etwas aus - meine ich das inzwischen
Weil es für mich sehr nach nationalistisch/rassistischen Aussagen ala "nur echte Japaner können blablabla" klingt. Was wiederum für mich keinen Sinn macht, da meiner Erfahrung nach der Durchschnittsjapaner so ziemlich wenig Ahnung von/Meinung zum Budo hat. Auch diese ganze mystische Verklärung des Budo (und die Pseudo-Zen-inisierung in dem Bereich) deckt sich eben nicht mit der Historie (Buchempfehlung: Shots in the Dark: Japan, Zen, and the West von Shoji Yamada). Des Weiteren kann ich mich nicht des Gedankens erwehren, dass damit sämtliche ausländische Budoka herabgesetzt werden, bzw. ihr vorhaben, Budo zu lernen und verstehen von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist. Was dann wiederum nicht damit zusammenpasst, dass diesen Menschen zum Teil höchste Graduierungen ihres Stils verliehen wurden. Das passt für mich einfach hinten und vorne nicht: Entweder ist Budo eine erlernbare Kunst, dann kann ich sie zumindest begrenzt sinnvoll definieren (sonst gingen ja auch Prüfungen nicht) oder sie ist es nicht, dann stellt sich aber die Frage, warum es überhaupt an Nicht-Japaner vermittelt wird. Das klingt für mich nach der "cultural experience" die mancher Koryu-shihan Ausländern vermittelt. Da bestand nie die Absicht, das System dem Ausländer wirklich beizubringen, was für mich dann auf Betrug hinausläuft. Und irgendwie fühle ich mich nicht wohl bei dem Gedanken, allen japanischen Budo-Lehrern effektiv Betrugsabscihten zu unterstellen.



Ich den Begriff "koryû" aus der Tee-Kunst (es gibt eine japanischen Lehrerin hier vor Ort), aus der Kalligraphie (ein Freundin lernt bei einem Japaner), aus der Kunst des sumi-e (eine Freundin lernt bei einem japanischen Lehrer) und aus Töpfer-Kunst (eine japanische Freundin ist für drei Jahre zurück nach Japan gegangen, um die Ausbildung in einer traditionellen Schule zu beginnen.)
Was nur verdeutlicht, dass Koryu in Japan erstmal nur "alte Schule" bezeichnet. Da wir uns im Kontext Kampfkünste bewegen, muss man also zwangsläufig eben jene Eingrenzung vornehmen.


Das verstehe ich so, daß für dich eine klare Definition von "koryû" wichtig ist, um interessierten Aussenstehenden eine Kategorie an die Hand zu geben?
Ich muß zugeben, der Gedanke ist mir eher fremd.
Das verstehe ich wiederum nicht. Die ganze Diskussion darum, was Koryu ist oder nicht ist, wird zu Marketingzwecken, zur Diskreditierung (oder Erhöhung) von Schulen/Stilen und aus akademischem Interesse heraus international verfolgt. Ich hatte schon mehrere Menschen aus meinem Bekanntenkreis oder sogar Trainingsinteressierte, die wissen wollten, was Koryu ist. Denen ist überhaupt nicht geholfen, wenn ich sage "Koryu ist, was den wahren japanischen Geist beinhaltet". Ich gebe in der Regel die einfachste Definition (siehe anderer Kommentar von mir) und beschreibe dann den Kosmos des möglichen innerhalb dieser Vorgaben.


Diesen Einwand kann ich gut nachvollziehen! Ich gehe davon aus, daß mit "Gefühl", auch wenn es das subjektive Gefühl eines Einzelnen meint, dennoch der Ausdruck von bzw. der Zugang zu einer kollektiven Einordnung gemeint ist. Die aber nicht, oder jedenfalls nicht in erster Linie, auf objektiven Fakten beruht, sondern auf einem kollektiven Verständnis. Eine kollektive Prägung, die auf der Teilhabe an einer bestimmten Lebenswelt beruht. Und die eben ein im groben mindestens ähnliches Bauchgefühl produziert ... Ok, das ist mir als Sichtweise zu Jungianisch. ;) Zumal, meiner Erfahrung nach, der Durchschnittsjapaner eben nicht mehr oder weniger mit der Budo-Welt zu tun hat, wie der Durchschnittsdeutsche mit Boxen.


Keine Ahnung. Ich erlebe nur, daß dieser "wahre japanischen Geist" bei allen Lehrern, mit denen ich zu tun habe, bedeutsam ist. Bis heute. Und in verschriftlichen Texten - z.B. von Ueshiba Morihei - sowieso. Einer der Lehrer meines Lehrers hatte schon ein Bein in einem Kamikaze-U-Boot. Der wußte, was das ist. Der aikidô-shihan, bei dem ich übe, hat bis vor etwa fünf Jahren öffentlich geäußert, daß er nur japanische Schüler habe, da nur Japaner aikidô vollumfänglich lernen könnten ...
... interessanterweise ist die Schule des kobudô, der ich angehöre, in dieser Hinsicht sehr viel "offener", als das (angebliche) gendai budô das ich übe ... Ich würde davon ausgehen, dass Pre-WW2 unter "wahrem japanischen Geist" etwas deutlich anderes verstanden wurder als Post-WW2. Auch das liest sich deutlich aus den verschiedensten Texten zu Budo heraus. Daher ja auch meine Frage, welchen "wahren japanischen Geist" Du meinst, bzw. aus welcher Epoche. Anders könnte man auch sagen: Koryu ist alles, was explizit NICHT dem modernen "wahren japanischen Geist" entspricht oder aber, im Gegensatz dazu: Die Definition, was Koryu ist, ändert sich fließend mit dem Vergehen jeder Epoche, da der "wahre japanische Geist" kulturellen Änderungen unterworfen ist. Finde ich jetzt beides nicht so gut. Das zweite deckt sich auch nicht mit dem, was öffentlich von vielen Koryu-Schulen geäußert wird.


Ja. Das sehe ich genauso: Eine zeitliche Kategorie ist praktisch, um die Historie gliedern zu können. Und so macht der Begriff für mich auch durchaus Sinn.
Sobald man daraus aber inhaltliche Aspekte ableiten möchte, funtkioniert dieses Schema nicht mehr. Denn die haben sich eben häufig nicht an dieser historischen Trennlinie unterschieden. Und da wirds dann eben zickelig.
Ich gebe Dir völlig recht, dass das in der wirklich scharfen Trennung schwierig wird, vor allem der Bereich zwischen Meiji und dem Ende des zweiten Weltkriegs ist da oft inhaltlich nicht so trennscharf, da sich in dieser Zeit viel Entwicklung vollzogen hat. Vergleicht man aber 1850er mit 1950er Budo, wird meiner Ansicht nach die inhaltliche Differenz ziemlich deutlich (Zumindest im Schwertbereich!).


Daher meine Fragen an ryoma und TaiEule. Mir ist nicht klar, worin die Intention besteht, den Begriff "koryû" so möglichst wasserdicht zu definieren. Wer verlangt das? Und wozu? In meiner Praxis besteht diese Notwendigkeit, jedenfalls bisher, nicht. Siehe oben. Wasserdicht ist gar nicht meine Intention, da ich nicht davon ausgehe, dass das überhaupt abschließend möglich ist. Unter anderem wegen der unterschiedlichen Motivationen (Siehe vorgeschlagene Typologie in anderem Kommentar). Die Diskussionen, was Koryu (oder was Budo) eigentlich ist, kommt in Koryu-Kreisen in schöner Regelmäßigkeit auf (siehe auch die ganzen Texte von Amdur, den Skoss'es, Threadgill, Boylan, etc.-). Für mich ist die Beschäftigung mit dem ganzen Thema auch Teil des Lernens und der Weiterentwicklung, insbesondere auch in solchen Diskussionen wie hier.


Uuuuuuuhhhh ...
Shintô-Schrein mit 43 eingeschreinten kami des budô. Es gibt eine Haupt-Schutzgottheit des budô
Ômoto-Zeremonien an diesem Schrein
Religiöse Embu
Iemoto-System mit langer Historie und honbu in Tokyo
Bis WWII enge Verbindung zum Kaiserhaus und zum Militär
Traditionelle Kleidung sowieso, aber auch traditionelle Etikette bis heute
Bezug bestimmter Lehrinhalte auf shintô
Engste Verbindungen zu andren koryû (unterricht im hombu ...)
...
connais tu? ;-)
"Anerkannte Koryu" die mit abgewetzten Trainingsanzügen und sticker-beklebten Bokuto in Garagen und Turnhallen trainiert... Ja, so ganz hilft einem die Definition von Julian auch nicht weiter. :)

Gast
27-03-2021, 14:21
"Anerkannte Koryu" die mit abgewetzten Trainingsanzügen und sticker-beklebten Bokuto in Garagen und Turnhallen trainiert... Ja, so ganz hilft einem die Definition von Julian auch nicht weiter. :)

Welche Definition von mir?
Das hier Ansonsten finde ich könnte der "äußere Habitus" die Unterscheidung noch ganz gut abdecken - also wie viel traditionelle Kultur (Kleidung etc.) wird bewahrt. war eine Überlegung, wie man die KK sortieren könnte (zugegeben, mehr aus dem Stegreif und nicht groß weitergedacht). Welche anerkannten Koryu trainieren denn mit abgewetzten Trainingsanzügen und sticker-beklebten Bokuto in Garagen und Turnhallen?

Gast
27-03-2021, 14:22
"Anerkannte Koryu" die mit abgewetzten Trainingsanzügen und sticker-beklebten Bokuto in Garagen und Turnhallen trainiert...

Wo kann man sowas bewundern?

In Turnhallen zu trainieren finde ich jetzt auch gar nicht sooo schlimm, nicht jede Trainingsgruppe hat ein richtiges Dojo zur Verfügung, und abgewetzte Trainingsanzüge mögen auch vom Geldbeutel abhängen, die Hauptsache ist, sie sind sauber, wie auch die restliche körperliche Erscheinung von einer gewissen Pflege geprägt sein sollte.
Sticker auf dem Bokuto habe ich bisher nirgendwo gesehen, was sollen das für Sticker sein? Von der Lieblings-Metal-Band, Fußball-Bildchen? I wanna kill-sticker? Nie gesehen so was, aber in Garagen habe ich bisher auch nie trainiert.

Nachtrag: Sind Trainingsanzüge nicht überhaupt ein Merkmal der neueren Zeit? Ich meine so etwas kam erst beim Judo zum ersten Mal auf, und am Anfang sahen die auch noch anders aus aus als heute.
Ich meine gelesen zu haben, dass man früher zum Training einfach trug was man hatte, und sicher wurden keine Feiertagsklamotten dafür verwendet.

ryoma
27-03-2021, 15:32
...Daher meine Fragen an ryoma und TaiEule. Mir ist nicht klar, worin die Intention besteht, den Begriff "koryû" so möglichst wasserdicht zu definieren. Wer verlangt das? Und wozu? In meiner Praxis besteht diese Notwendigkeit, jedenfalls bisher, nicht...

@carstenm: Ich habe mehrfach und klar darauf hingewiesen, dass eine absolut wasserdichte Definition wohl nicht/nie möglich ist. Darum würde ich es wirklich begrüssen, wenn du mir nicht das Gegenteil in den Mund legst. Danke.

Jemand kommt zu dir und hat Interesse an Aikidô und möchte damit anfangen.
Du erklärst ihm dann in etwa folgendes: Ja, ist halt so was ähnliches wie Yoga, Judo oder was die Ninjas so tun. Also grundsätzlich bewegt man sich halt, ne.

Oder klärst du die Person (Verständnislevel-angepasst) auf über einige sehr spezifische Dinge die Aikidô ausmachen und worin evtl. die Unterschiede zu anderen Sachen liegen?

Tai_Eule
27-03-2021, 15:49
@Julian Braun: Sorry, hätte das präziser als "Überlegung" bezeichnen sollen. Ist aus meiner Sicht eine legitime Überlegung und sicherlich ein Aspekt, den man mit in die Überlegung, was Koryu ist, mit aufnehmen kann (Siehe ja auch den Aspekt daisho).

@Inryoku: Da mir das von einem (immer noch in der Schule aktiven) Schüler der Schule so zugetragen wurde, gehe ich davon aus, dass es sich um verlässliche Informationen handelt. Und ja, Turnhallen (und auch Garagen) finde ich durchaus ok als Trainingsort, oft ist ja gar nichts anderes möglich. Ich denke sogar, dass eine Vielzahl der Koryu in Japan nicht mehr auf eigene "klassische" Dojo-Räume zurückgreifen können, sondern sich die Fläche mit anderen teilen oder in Turnhallen o.ä. unterkommen, einfach aus Kostengründen. Mit Trainingsanzügen meinte ich übrigens die Nylon-Adidas-Variante und keinen (mehr oder minder klassischen) keiko-gi. Bei den Stickern handelte es sich nach Aussage des Schülers um Disney-Motive. Zur Sauberkeit und generellen Pflege hast Du meine volle Zustimmung.

Die Schule werde ich nicht nennen, die Beschreibungen betrafen aber das Hombu in Japan. Das Ganze diente als, zugegeben extremes, Beispiel, dass auf nicht-öffentlichen Veranstaltungen auch im Bereich Koryu auf viel verzichtet wird, was man von einer sich auf Traditionen berufenden Schule eigentlich erwarten würde. Zum Teil sieht man auch auf Enbu, dass es mit dem korrekten Tragen von Ausrüstung nicht weit her ist (Rüstungsteile, die runterfallen; rutschende Hakama; völlig abgewetzte, zerschlissene Kleidung; etc.).

Katamaus
27-03-2021, 15:51
Hätte nix geholfen - der Beitrag ist von meinem Lehrer. :DDer war ja auch mal bei Wichmann, wie man so hört [emoji6][emoji12]

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ryoma
27-03-2021, 16:09
Wo kann man sowas bewundern?

In Turnhallen zu trainieren finde ich jetzt auch gar nicht sooo schlimm, nicht jede Trainingsgruppe hat ein richtiges Dojo zur Verfügung, und abgewetzte Trainingsanzüge mögen auch vom Geldbeutel abhängen, die Hauptsache ist, sie sind sauber, wie auch die restliche körperliche Erscheinung von einer gewissen Pflege geprägt sein sollte.
Sticker auf dem Bokuto habe ich bisher nirgendwo gesehen, was sollen das für Sticker sein? Von der Lieblings-Metal-Band, Fußball-Bildchen? I wanna kill-sticker? Nie gesehen so was, aber in Garagen habe ich bisher auch nie trainiert.

Nachtrag: Sind Trainingsanzüge nicht überhaupt ein Merkmal der neueren Zeit? Ich meine so etwas kam erst beim Judo zum ersten Mal auf, und am Anfang sahen die auch noch anders aus aus als heute.
Ich meine gelesen zu haben, dass man früher zum Training einfach trug was man hatte, und sicher wurden keine Feiertagsklamotten dafür verwendet.

Also wir (Shichiseikai-Keikojô Basel) trainieren seit Jahren in einer Turnhalle. Manchmal miete ich auch ein Wadô-ryû Karate-Dôjô, weil die einen tollen Holzboden haben.

Apropos "abgewetzte Trainingsanzüge": Eines meiner "schlimmsten" Erlebnisse in dieser Hinsicht war vor einigen Jahren bei einem Enbu in Frankreich, wo die Hokushin Ittô-ryû Hyôhô ebenfalls eingeladen war.

Das Enbu wurde von einem lokalen Dôjô (Daitô-ryû) organisiert und an dem besagten Wochenende fand dort deren Gasshuku mit ihrem japanischen Shihan statt. Mir ist bewusst, dass ein Gasshuku hart und anstrengend ist. Aber ich war schon schockiert, als beim Enbu die besagte Daitô-ryû Gruppe mit ihrem Shihan an der Reihe war... und viele (inkl. jap. Shihan) in schrecklich dreckigen und teilweise zerrissenen Hakama und Keiko-gi ihre Vorführung abhielten!

Ein Enbu ist ein feierlicher Akt, durchaus vergleichbar mit einem europäischen Tanzball (das eher religiös motivierte Hônô-enbu lass ich mal aussen vor).
Wenn man davor hart trainiert hat, dann nimmt man sich genügend Zeit, macht sich frisch und wechselt zwingend in saubere und schöne Kleidung.
So erweist man den anwesenden Gästen und dem Publikum die gebührende Ehre.

Alles andere ist schlichtweg schlechter Stil und eine eigentliche Verhöhnung der gesamten Veranstaltung.

Ich wiederhole: Ein Shihan aus Japan war dabei und ihm war das alles offensichtlich herzlich egal.
"Durchdrungen vom wahren japanischen Geist"? Ganz grosse Fehlanzeige.

Nick_Nick
27-03-2021, 17:02
Aus meiner Sicht wäre das Problem dieses Kriteriums - ebenso wie auch aller anderen starren Definitionsversuche - daß diese Unterscheidungen nach allem, was ich bisher gelernt und erlebt habe, nicht das japanische Gefühl dafür transportieren würde, was koryû ist - oder auch nicht ist.
Denn das scheint mir dort tatsächlich das wesentliche Kriterium zu sein: Das Gefühl dafür, ob eine Kunst den wahren japanischen Geist in sich trägt und ihn vermittelt.


Ist interessant. Toby Threadgill meinte mal, als er - offensichtlich nach Jahren des Trainings in der TSYR - das erste Mal nach Japan kam, fühlte er sich sofort "zu Hause", mehr noch als in den USA. Ich glaube vor allem durch den Einfluss des Shinto in seiner Schule und in Japan.

Gendai Budoka werden das Gefühl sicher nicht haben.

carstenm
27-03-2021, 18:15
... Auch diese ganze mystische Verklärung des Budo (und die Pseudo-Zen-inisierung in dem Bereich) deckt sich eben nicht mit der Historie (Buchempfehlung: Shots in the Dark: Japan, Zen, and the West von Shoji Yamada). ... Das Buch ist bekannt. Das Thema als solches ohnehin.
Mir ist allerdings der Zusammenhang hier nicht klar?


Was dann wiederum nicht damit zusammenpasst, dass diesen Menschen zum Teil höchste Graduierungen ihres Stils verliehen wurden. Im aikidô war genau das bis vor relativ kurzer Zeit nicht möglich. Und wurde dann schließlcih auch nur möglich, da derjenige viele Jahre in Japan gelebt hat und auch danach gefühlt genauso oft dort war, wie in Europa. Auch sonst sind die autorisierten Verbindungspersonen immer solche, deren "Biographie mit Japan verbunden" ist.


... dann stellt sich aber die Frage, warum es überhaupt an Nicht-Japaner vermittelt wird. Ich denke, es gibt doch im wesentlichen zwei typische historische Verläufe: Der seltenere ist der, für den das aikidô steht: Der Versuch, nach dem Untergang der japanischen Werte durch die Kapitulation einen Beitrag der japanischen Kultur zu einem gelingenden Zusammenleben hinaus in die Welt zu tragen. Und also "Missionare" nach Europa und Amerika zu entsenden, die Japan wieder in ein bessres Licht rücken sollten, vermitteln sollten, daß dort auch positive Werte zu haben sind.
Die andere Situation, daß ein gaijin die weite Reise unternimmt, im dôjô anklopft und um unterricht bittet. Und sich dann erstaunlicherweise gar nicht sooooo dumm anstellt ... und immer weiter und weiter lernt ...


Da bestand nie die Absicht, das System dem Ausländer wirklich beizubringen, was für mich dann auf Betrug hinausläuft. Und irgendwie fühle ich mich nicht wohl bei dem Gedanken, allen japanischen Budo-Lehrern effektiv Betrugsabscihten zu unterstellen.So sehe ich es in den Schulen, in die ich Einblick habe, nicht. Sondern ich denke, daß da einfach zwei Gedankenstränge aufeinandertreffen und unabhängig voneinander beide für wahr gelten. So daß eben teilweise Aporien entstehen.


Das verstehe ich wiederum nicht. Die ganze Diskussion darum, was Koryu ist oder nicht ist, wird zu Marketingzwecken, zur Diskreditierung (oder Erhöhung) von Schulen/Stilen und aus akademischem Interesse heraus international verfolgt.Hm ... mag sein, mein Horizont ist zu sehr eingeschränkt. Aber in der Welt, in der ich lebe, ist Marketing eher kein Thema. Es gibt auch nicht das Bedürfnis, sich gegen andere Schule abzusetzen, zu vergleichen oder was auch immer. Auch die Selbstbezeichnung als "koryû" kenne ich so nicht. Wir üben ein budô. Und wenn's konkreter werden muß, ein kobudô, ein altes budô. Da geht's dann aber nicht um ko oder gendao. Dieses Thema kenn ich tatsächlich nur aus Diskussionen, wie dieser.



Ich würde davon ausgehen, dass Pre-WW2 unter "wahrem japanischen Geist" etwas deutlich anderes verstanden wurder als Post-WW2. Auch das liest sich deutlich aus den verschiedensten Texten zu Budo heraus. Daher ja auch meine Frage, welchen "wahren japanischen Geist" Du meinst, bzw. aus welcher Epoche.Noch einmal: Ich meine gar nicht. Sondern mir wurde diese Auskunft gegeben. Und was das konkret bedeutet, ist sicher in jedem Falle etwas anderes ...


Ich gebe Dir völlig recht, dass das in der wirklich scharfen Trennung schwierig wird, ...Ich habe immer noch nicht genau verstanden, warum diese Trennung wichtig ist. Wer sie wofür benötigt?


Die Diskussionen, was Koryu (oder was Budo) eigentlich ist, kommt in Koryu-Kreisen in schöner Regelmäßigkeit auf (siehe auch die ganzen Texte von Amdur, den Skoss'es, Threadgill, Boylan, etc.-). Für mich ist die Beschäftigung mit dem ganzen Thema auch Teil des Lernens und der Weiterentwicklung, insbesondere auch in solchen Diskussionen wie hier.Eine wesentliche Frage ist m.E. was das Ziel unseres Übens ist: Der Dienst an der Gesellschaft, der nach meinem Verständnis einer der Aspekte eines budô ist, kann ja in der heuten Zeit nicht mehr darin bestehen, Kampffähigkeit mit einem shinken zu erwerben. (Ich habe bei meinem Wehrdienst für die BRD den Umgang mit verschiedenen Schußwaffen erlernt. Und mit einem Panzer.) Was macht also dann ein lebendiges budô in der Gegenwart aus?
Auch für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit ist diese Kampffähigkeit nicht mehr von Belang. Was also mach dann ein lebendiges budô aus?

Diese Frage müssen m.E. in einer alten Schule beantworet werden, damit sie auch in der Gegenwart relevant bleibt und nicht einfach nur ein Museumsstück wird, in dessen Diorahmen verkleidete Schauspieler vergangenen Zeite nachspielen ...
... aber das ist ein neues Thema ...


"Anerkannte Koryu" die mit abgewetzten Trainingsanzügen und sticker-beklebten Bokuto in Garagen und Turnhallen trainiert... Ja, so ganz hilft einem die Definition von Julian auch nicht weiter. Ich denke, Julian hatte eher an so etwas gedacht (ab 0:40, die Zeitmarkierung will nich):

https://youtu.be/WN8WspDlzzk?t=36
Das sieht man übrigens auch den shihan und Lehrer meines Lehrers, von dem oben die Rede war.



Und an so etwas (dieselbe Veranstaltung):

https://youtu.be/f5MEbWZ_IZI

carstenm
27-03-2021, 18:24
@carstenm: Ich habe mehrfach und klar darauf hingewiesen, dass eine absolut wasserdichte Definition wohl nicht/nie möglich ist. Darum würde ich es wirklich begrüssen, wenn du mir nicht das Gegenteil in den Mund legst. Danke. Genau darum schrieb ich: "... möglichst wasserdicht ...". Weil es eben nur näherungsweise möglich ist, wie du selbst durchgängig betonst.

Nichtsdestotrotz erlebe ich deine Äußerungen genauso durchgängig so, daß du dieser Wasserdichtigkeit so nahe kommen möchtest, wie es nur geht. Ich erlebe dich als jemanden, dem die Klärung, was koryû sei und was aber auch nicht, sehr am Herzen liegt. Ist das falsch?


Jemand kommt zu dir und hat Interesse an Aikidô und möchte damit anfangen.
Du erklärst ihm dann in etwa folgendes: Ja, ist halt so was ähnliches wie Yoga, Judo oder was die Ninjas so tun. Also grundsätzlich bewegt man sich halt, ne.
Oder klärst du die Person (Verständnislevel-angepasst) auf über einige sehr spezifische Dinge die Aikidô ausmachen und worin evtl. die Unterschiede zu anderen Sachen liegen?Es gibt zwei Szenarien: Wenn jemand zu mir kommt, dann frage ich ob, er schon einmal aikidô geübt hat, und wenn dann wowerwiewannwas?
Ich frage wie er auf aikidô gekommen ist, und warum er es üben möchte.
Ich selber keinen Ton zu dem, was aikidô sei. Außer, daß er in meinem Unterricht nicht lernen wird, zu kämpfen. (Was aber auch bisher noch nie jemanden interessiert hat.)

Dann bitte ich ihn, einfach mitzuüben.
Mehr gibt es nicht zu sagen vor dem Training.

Das andere Szenario, wenn mich im Alltag jemand fragt, was aikidô sei, dann antworte ich: "Eine japanische Kampfkunst, in der nicht gekämpft wird. Man kann es sich vorstellen als eine Mischung aus Judo, Karate und Tai Chi."

Wenn ich nach der katori shintô ryû gefragt werde, antworte ich: "Die Schwertkunst einer sehr alten japanischen Schule."

Alles andere findet sich ...

Tai_Eule
27-03-2021, 19:33
Das Buch ist bekannt. Das Thema als solches ohnehin.
Mir ist allerdings der Zusammenhang hier nicht klar?
Bezog sich auf den Satz davor, mit den Ansichten der japanischen Durchschnittsbevölkerung zum Thema Budo.


... Der seltenere ist der, für den das aikidô steht: ... Wenn ich die Diskussionen zu Aikido und was das alles ist oder nicht ist hier so mitlese, entsteht bei mir der Eindruck, es gibt nicht "das aikido"... Inwieweit das inhaltlich so beabsichtigt war, wie von Dir dargestellt, kann ich nicht beurteilen.


So sehe ich es in den Schulen, in die ich Einblick habe, nicht. Sondern ich denke, daß da einfach zwei Gedankenstränge aufeinandertreffen und unabhängig voneinander beide für wahr gelten. So daß eben teilweise Aporien entstehen. Das war ein indirekt wiedergegebenes Zitat von einem Koryu-shihan... Aus meiner Sicht ist das schlicht als Kulturdifferenzen getarnte Xenophobie (aus Sicht eines Japaners) oder gar Rassismus, wenn sich jemand hinstellt und behauptet, nur Japaner könnten "wahres Budo" erlernen. Zumal eben ein Großteil der Japaner bis auf Pflichtsportkurse zu Judo oder Kendo nichts mit den Budo-Künsten zu tun hat, sie also das allermeiste genauso erlernen müssen, wie Nicht-Japaner auch.


Hm ... mag sein, mein Horizont ist zu sehr eingeschränkt. Aber in der Welt, in der ich lebe, ist Marketing eher kein Thema. Es gibt auch nicht das Bedürfnis, sich gegen andere Schule abzusetzen, zu vergleichen oder was auch immer. Auch die Selbstbezeichnung als "koryû" kenne ich so nicht. Wir üben ein budô. Und wenn's konkreter werden muß, ein kobudô, ein altes budô. Da geht's dann aber nicht um ko oder gendao. Dieses Thema kenn ich tatsächlich nur aus Diskussionen, wie dieser. Kobudo und Koryu sind doch aber gerade in Japan austauschbare Begriffe, das hatten wir doch in der Diskussion schon etabliert, denke ich... Zumal, zum Thema Marketing ein direktes Zitat von der Website des Sugino-dojo: "Sugino Dojo provides the most traditional style of Katori Shinto Ryu with believing to Yoshio's spirits." (https://suginodojo.localinfo.jp/pages/928156/katori) Hier findet ja auch ein Rückgriff auf die Betonung des traditionellen statt, etwas, dass bei unseren Definitionsversuchen betreff Koryu/Kobudo ja auch immer wieder auftaucht. Diverse andere Koryu verwenden direkt Begriffe wie Koryu oder Kobudo auf ihren Websites und in ihrem Marketingmaterial. Aber ja, die Diskussion zu koryu vs. gendai (vor allem mit diesem versus in der Mitte) kenne ich auch eher aus Gruppen mit "gemischtem" Publikum.


Ich habe immer noch nicht genau verstanden, warum diese Trennung wichtig ist. Wer sie wofür benötigt? Warum ist die Trennung zweier unterschiedlicher Dinge, für die es unterschiedliche Namen gibt, wichtig? Ich muss gestehen, ich verstehe Dein Nicht-Verstehen hier nicht. Praktische Beispiele haben wir doch auch genannt: Kommunikation mit Themenfremden, akademisches Interesse, Marketing...


Eine wesentliche Frage ist m.E. was das Ziel unseres Übens ist: Der Dienst an der Gesellschaft, der nach meinem Verständnis einer der Aspekte eines budô ist, kann ja in der heuten Zeit nicht mehr darin bestehen, Kampffähigkeit mit einem shinken zu erwerben. (Ich habe bei meinem Wehrdienst für die BRD den Umgang mit verschiedenen Schußwaffen erlernt. Und mit einem Panzer.) Was macht also dann ein lebendiges budô in der Gegenwart aus?
Auch für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit ist diese Kampffähigkeit nicht mehr von Belang. Was also mach dann ein lebendiges budô aus? Ohne jetzt zu weit Ausschweifen zu wollen: Aus meiner Sicht ist das elementare vermittelnde Werkzeug der gesamten (alten) Budo-Tugenden der kämpferische Umgang mit der Waffe. Ungefähr so, wie das in der Teezeremonie der ganze Ablauf um die Teezubereitung das vermittelnde Werkzeug sind. Der Vergleich ist nicht wirklich gut, aber ich hoffe, es wird einigermaßen klar, was ich damit meine.


Ich denke, Julian hatte eher an so etwas gedacht (ab 0:40, die Zeitmarkierung will nich):
...
Interessante Videos, danke dafür. Ich hatte mir schon sowas gedacht, allerdings ist das eben auch ein öffentlicher Auftritt und damit einhergehend eine geplante Außendarstellung. Hinter verschlossenen Türen sieht es bei manchen Schulen eben deutlich anders aus.

Nachtrag/Edit: Warum ist es Dir so wichtig, dass es keine Trennlinie zwischen Gendai budo und Kobudo gibt?

ryoma
27-03-2021, 20:29
...
Kobudo und Koryu sind doch aber gerade in Japan austauschbare Begriffe, das hatten wir doch in der Diskussion schon etabliert, denke ich... Zumal, zum Thema Marketing ein direktes Zitat von der Website des Sugino-dojo: "Sugino Dojo provides the most traditional style of Katori Shinto Ryu with believing to Yoshio's spirits." (https://suginodojo.localinfo.jp/pages/928156/katori) Hier findet ja auch ein Rückgriff auf die Betonung des traditionellen statt, etwas, dass bei unseren Definitionsversuchen betreff Koryu/Kobudo ja auch immer wieder auftaucht. Diverse andere Koryu verwenden direkt Begriffe wie Koryu oder Kobudo auf ihren Websites und in ihrem Marketingmaterial. Aber ja, die Diskussion zu koryu vs. gendai (vor allem mit diesem versus in der Mitte) kenne ich auch eher aus Gruppen mit "gemischtem" Publikum.

Ich habe nie verstanden, warum das Wort "Marketing" in den Kampfkünsten oftmals geradezu der Inbegriff des abgrundtief Bösen ist bzw. sein soll.

Es kommt mir vor, wie die berühmte Szene aus "Life of Brian", wo der gesteinigt wird, der als erster Jehova ruft. :D

Der Shihan einer anderen Linie der TSKSR wurde und wird nicht müde, diese Schule in diversen Videos und Filmaufnahmen als "Fountainhead of all (japanese) martial arts" zu bezeichnen. Hey, DAS ist doch mal gutes Marketing! Aber schhhhhhh..... nenn es nie so! :halbyeaha

Man sollte doch etwas lockerer mit dem Begriff umgehen, insbesondere da es schlussendlich ALLE auf die eine oder andere Weise tun. Und ja, dass ist auch gut so!

Das Gegenteil davon wäre die süsse, romantische Vorstellung des alten, tattrigen Lehrers (langer weisser Bart ist ganz wichtig!) hoch oben auf der Bergspitze... aber so ganz ohne Schüler. Und das wollen wir doch alle nicht für unsere jeweilige Kampfkunst, oder?

ETARAK
28-03-2021, 07:35
Ich habe nie verstanden, warum das Wort "Marketing" in den Kampfkünsten oftmals geradezu der Inbegriff des abgrundtief Bösen ist bzw. sein soll.

Es kommt mir vor, wie die berühmte Szene aus "Life of Brian", wo der gesteinigt wird, der als erster Jehova ruft. :D

Der Shihan einer anderen Linie der TSKSR wurde und wird nicht müde, diese Schule in diversen Videos und Filmaufnahmen als "Fountainhead of all (japanese) martial arts" zu bezeichnen. Hey, DAS ist doch mal gutes Marketing! Aber schhhhhhh..... nenn es nie so! :halbyeaha

Man sollte doch etwas lockerer mit dem Begriff umgehen, insbesondere da es schlussendlich ALLE auf die eine oder andere Weise tun. Und ja, dass ist auch gut so!

Das Gegenteil davon wäre die süsse, romantische Vorstellung des alten, tattrigen Lehrers (langer weisser Bart ist ganz wichtig!) hoch oben auf der Bergspitze... aber so ganz ohne Schüler. Und das wollen wir doch alle nicht für unsere jeweilige Kampfkunst, oder?

Da kann ich helfen.

Mit "Marketing" oder besser, dem Zwang Umsatz zu generieren, geht in unserer Welt immer auch eine Werteverschiebung einher. Diese muss nicht mal gewollt passieren.

Motive der Selbstdarstellung, sind schon isoliert schwer genug zu beurteilen.

Ich wünsche mir für unsere KKte Ehrlichkeit, davon gibt es in unserer Zeit recht wenig.

Gast
28-03-2021, 13:44
Warum ist die Trennung zweier unterschiedlicher Dinge, für die es unterschiedliche Namen gibt, wichtig? Ich muss gestehen, ich verstehe Dein Nicht-Verstehen hier nicht.

Wenn es denn zwei unterschiedliche Dinge sind. Ich denke es ist deutlich geworden, dass es keine deutlichen Merkmale gibt, die nur im einen oder im anderen Bereich
vorkommen. Sehr starke Einbindung in alte Traditionen auf der Seite eines "Gendai-Budo", Nichtachtung von Etikette und mangelnde Tugend auf der Koryu-Seite, regelmäßiges Kämpfen oft auf der Seite moderner Kampfkünste, wären die kämpferische Seite in den Koryu teilweise völlig fehlt.
Die Epoche zu nennen in der eine Schule entstanden ist, reicht doch aber völlig aus, um einzuschätzen was einen da ungefähr erwarten kann. Wer damit nichts anzufangen weiß, dem wird der Begriff Koryû auch nichts sagen.

Wenn es nicht reicht, die Unterschiede der eigenen Schule herauszustellen, muss dann vielleicht noch einer draufgesetzt werden, damit es noch besonderer wird?
Gegen gutes marketing habe ich nichts einzuwenden übrigens, jeder will ja überleben. Meinetwegen kann man auch mit dem Begriff Koryû werben, aber dann sollte man sich nicht an daran aufhängen, dass Schulen die nicht vor dem Datum XY entstanden sind, keine Koryû sein können, wenn die gleichen Merkmale zutreffen.
Nun denn, wenn es ein Gesetz sein soll - aber es gibt viele unsinnige Gesetze. Meist dient es ja nur der Vereinfachung, lieber etwas in eine Schublade packen als sich selbst Gedanken um eine Einordnung machen zu müssen, das menschliche Gehirn mag sowas ja.

ryoma
28-03-2021, 15:34
...Ich denke es ist deutlich geworden, dass es keine deutlichen Merkmale gibt...

Ich bin überglücklich, dass du diese Deutlichkeit für dich so deutlich gefunden hast.


...Meist dient es ja nur der Vereinfachung, lieber etwas in eine Schublade packen als sich selbst Gedanken um eine Einordnung machen zu müssen, das menschliche Gehirn mag sowas ja.

Du implizierst, dass z.B. ich mir keine eigenen Gedanken mache? Seit fast 30 Jahren?
:cooolll:

shinken-shôbu
28-03-2021, 17:30
@ carstenm:
Ich muss zugeben, dass mich Deine Äußerungen teilweise wirklich sehr überrascht haben (ja, ein paar Dinge gibst Du nur wieder, scheinst Sie aber auch nicht unbedingt völlig anders als Dir zugetragen zu sehen).

Für mich persönlich zeichnen sich derzeit (da die Einteilung halt immer etwas weichere Grenzen hat) Koryû in erster - aber nicht ausschließlicher - Linie durch ihr Alter aus. Gerne nehme ich noch die ersten Neugründungen aus der Zeit kurz nach dem Ende des Edo-jidai mit mit dazu, bis zu dem Zeitpunkt, an dem dann auch wirklich der allerletzte sich noch aufbäumende Anhänger alter Zeiten "entsamurait" war. Ein weiterer Punkt wäre, dass die jeweilige didaktische Lehrstruktur mehr oder weniger erhalten geblieben ist, die zwingend aus mehr als beispielsweise nur irgendwelchen imgrunde beliebig austauschbaren Kata und Waza besteht, die man völlig nach Belieben durcheinanderwürfeln kann, weil es sowieso keine Rolle spielen würde, was man wann und wie lernt. Etwas komplexere Überbauten mag es auch in manchen oder vielen modernen Stilen geben aber wie gesagt, ist das ja nur eines von mehreren Kriterien anhand derer man Kobudô und Gendai-Budô unterscheiden kann. Ich muss zugeben, dass ich selbst von Koryû-Mitgliedern verschiedener Koryû auch schon voneinander abweichende, wenn auch sich ähnelnde, Einschätzungen gehört habe bezüglich was Koryû sind oder nicht. Das sollte aber auch nicht verwundern, wo hier doch bereits mehrmals auf die "Weichheit" der Grenzen und mögliche Unterscheidungsmerkmale hingewiesen worden ist.

Insbesondere der zweite Punkt ist m.A.n. verständlich, weil es wie auch schon geschrieben wurde "die" Koryû als große Entität ja noch nie gegeben hat. Ich versuche es mal an einem eigentlich nicht passenden und rein fiktivem Beispiel zu erläutern:
Betrachten wir einmal nur Schwertschulen und nehmen wir an, ein Teil der Definition besagt, dass in den Koryû des Schwertes stets Kenjutsu gelehrt wird. Nun würde dadurch eine sehr alte Schule, die Kukamischin-ryû schon herausfallen, weil sie ja Kenpô unterrichtet (okay, hier geht es nicht um Inhalt, sondern nur um eine Bezeichnung aber mir fällt gerade nichts besseres ein, also bitte das Beispiel nicht zu ernst nehmen). Nun käme natürlich Niermand auf die Idee, besagter Schule den Koryûstatus absprechen zu wollen, weil sie eines von mehrere Koryûmerkmalen halt nicht erfüllt, denn INSGESAMT spricht immer noch mehr dafür, dass sie eine Koryû ist, als dass sie es nicht ist. Bei bestimmten anderen Schulen wiederum gibt es nicht den einen Sôke, der allem vorsteht - wie ja weit verbreitet in den Koryû - und trotzdem erfüllen auch diese Schulen selbstverständlich insgesamt die Bedingungen, um als Koryû gelten zu können. Ich könnte mir vorstellen - ist aber reine Speklulation - dass in den jeweiligen Koryû ein bestimmter, in der eigenen Schule nicht erfülltes "Koryû-Merkmal" mitunter auch nicht in deren vermittelter Definition von Koryû auftaucht.

Ein dritter Punkt ist meines Erachtens eine im Großen und Ganzen nachvollziehbare Lehrlinie/Genealogie. Sicherlich werden die Tengu Niemanden ihre Schwertkunst gelehrt haben. Es ist bekannt, dass in manchen Schulen berühmte Persönlichkeiten im Stammbaum auftauchen, die selbst vermutlich am meisten davon überrascht würden, lebten sie noch. Auch das künstliche Altern, sprich ein Vorverlegen der Schulgründung in wesentlich frühere Zeit als real geschehen, ist nicht gänzlich unbekannt. Nichtsdestotrotz ist unter Beachtung der vorgenannten und möglicher weiterer Unstimmigkeiten eine einigermaßen plausible Genealogie vonnöten, um als koryû gelten zu können. Jemand der Ende des 20. oder Anfang des 21. Jhdts. auftaucht als angeblich letzter Schüler und Erbe einer im Geheimen und letztlich nur an ihn allein (=> Zeugen = +/- 0) vermittelten Kampfkunst aus dem 13. Jahrhundert wird es vermutlich eher schwer haben, als Oberhaupt einer Koryû anerkannt zu werden, egal ob in irgendwelchen "offiziellen" Koryû-Verbänden oder der Koryû-Gemeinschaft selbst.

So, ich will es mal nicht unnötig weiter auswalzen, zumal ryoma und Tai_Eule das bestimmt viel besser erklären können und auch haben. Ich wollte aber, dass Du in etwa siehst, wo ich selbst derzeit in etwa stehe bezüglich meiner Ansichten.



Zum "wahren japanischen Geist" fällt mir tatsächlich nichts ein, weil das ja Alles und Nichts heißen könnte, außer dass ich diese Idee wie Tai_Eule zumindest für interessant und auch wie ryoma für "tricky" halte.




@ Inryoku:


Aber was sagt das [Koryû am alter festmachen] denn aus? Ich sage mal: Alle Autos, die vor 2000 gebaut wurden, sind alte Autos, alle Autos die danach gebaut wurden, sind neue Autos. Da ist nichts darüber gesagt, welche Technik in dem "neuen" Auto verbaut wurde, oder in dem "alten". Es ist nur ein Label, mehr nicht.
Man könnte aber natürlich auch hier die Sache ein wenig erweitern, beispielsweise um
- alle Autos, die vor 2000 gebaut worden sind und keine computergesteuerten Elemente enthalten (meinetwegen zumindest kein Navi ab Werk, bin ja kein Autoprofi)
- alle Autos, die ausschließlich durch das Verbrennen von Diesel, Benzin ö.ä. fortbewegt werden (Abschleppen, ein Hochhenem mittels Kran usw. zählen natürlich nicht) und nicht mit Batterien betrieben werden können.
- alle Autos, die kein zu futuristisches Design aufweisen
- alle Autos mit dem Merkmal X, dass die meisten der vor dem Jahr 2000 gebauten Autos im Unterschied zu den meisten der ab 2000 gebauten Autos aufweisen.
- Fehlen des Merkmals Y, dass viele oder gar die meisten der ab dem Jahre 2000 gebauten Autos aufweisen

Bei Autos und dem Jahr 2000 ist die Unterscheidung natürlich sehr willkürlich getroffen worden, bei den japanischen Kampfkünsten empfinde ich dies doch ein wenig anders. Nichtsdestotrotz muss nicht jede einzelne Koryû auch wirklich sämtliche möglichen Unterpunkte, die eine Koryû theoretisch erfüllen kann auch selbst erfüllen. Auch kann man unterschiedliche Punke verschieden stark gewichten. Ich würde z.B. sagen, dass eine Koryû ohne Sôke durchaus eine Koryû sein kann, gibt ja auch tatsächlich auch andere Organisationsformen, wohingegen jedoch eine erst 1940 oder 1950 gegründete Schule m.A.n. niemals eine Koryû sein könnte. Erfüllt eine solche Schule jedoch grundsätzlich andere wichtige Kriterien für die Einstufung als Koryû, würde ich sie dzumindest als eine "koryû-basierte" Gendai-Schule sehen. Ich meine mit koryû-basiert, dass jemand nicht anhand von gesehenen Koryû-Youtubeclips oder eines Probetrainings irgendetwas erfindet, sondern dass Jemand tatsächlich eine gewisse Meisterschaft in einer oder mehreren Koryû erlangt hat und dann - zumindest hauptsächlich - DIESE und nicht einfach irgendeine andere Koryû als Inspirationsquelle seines eigenen Stils nutzt.





@ carstenm & Inryoku:
Mich wundert, dass ausgerechnet Ihr Beiden es offenbar für nicht so wichtig haltet oder gar für völlig überflüssig, die Koryû von anderen Dingen abzugrenzen (dieses Recht sei Euch ja auch völlig unbenommen). Immerhin seid Ihr doch gelegentlich in ultralange Threads verstrickt, bei denen es ab einem gewissen Punkt nur noch darum zu gehen scheint (gelegentlich auch in eigentlich nicht unbedingt aikidô-bezogenen Threads), wer jetzt besser weiß, was Aikidô angeblich oder auch wirklich ist oder auch definitiv nicht ist. Carsten hatte ja kürzlich eingeräumt, wenn auch mit anderern Worten, dass er nur ungewollt als ein "ICH weiß das ganz genau"-Schreiber rüberkommt. Auch betont er ja oft, dass er lediglich von dem redet, was er selbst erlebt oder wie er Dinge erlebt (trotzdem klingen die daraus abgeleiteten Erkenntnisse m.A.n. manchmal stark verallgemeinernd/dominant, was dann bei dem einen oder anderen Aikidôka wiederum Widerspruch auslöst).
Euch ist es also - nur darauf will ich als Aikidô-Laie eigentlich hinaus - offenbar schon sehr wichtig, der Welt darzulegen was genau Ihr macht und wie Ihr das einstuft innerhalb der Aikidôwelt und teils wohl auch wo Ihr wiederum Aikidô in der Welt verortet. Mir geht es bei den Koryû ähnlich. Ohne es gleich auf die Schiene besser oder schlechter als zu ziehen, möchte ich das, was ich tue ERKLÄREND von dem abgrenzen, was ich nicht tue. Soetwas ist über Begriffe wie z.B. "Koryû" und analog "Aikidô" als erstem kleinen Schritt gut möglich, wobei beide Begriffe natürlich noch nicht die vielen kleinen Unterschiede innerhalb der beiden Gruppen erklären aber das aufzubröseln dürfte die meisten Erstbesucher eines Trainings wohl auch ein wenig überfordern.

Gast
28-03-2021, 17:52
I
Du implizierst, dass z.B. ich mir keine eigenen Gedanken mache? Seit fast 30 Jahren?
:cooolll:

Ich rede doch nicht von dir, warum fühlst du dich angegriffen?
Das sind einfach meine Gedanken zu dem Thema, ich gebe zu dass ich mir nicht seit 30 Jahren Gedanken darüber mache, scheint irgendwie ein heißes Eisen zu sein.
Das war nicht meine Absicht, irgendjemanden persönlich anzugreifen, warum sollte ich? Ich habe doch jetzt lange genug versucht deutlich zu machen was meine Intention war, die meiner Ansicht nach vorhandenen Unterschiede vom Aikido zu einem Kata-basierten System herauszuarbeiten. Tja, wo das so hinführen kann...

Tai_Eule
28-03-2021, 20:09
Ich rede doch nicht von dir, warum fühlst du dich angegriffen?
Das sind einfach meine Gedanken zu dem Thema, ich gebe zu dass ich mir nicht seit 30 Jahren Gedanken darüber mache, scheint irgendwie ein heißes Eisen zu sein.
Das war nicht meine Absicht, irgendjemanden persönlich anzugreifen, warum sollte ich? Ich habe doch jetzt lange genug versucht deutlich zu machen was meine Intention war, die meiner Ansicht nach vorhandenen Unterschiede vom Aikido zu einem Kata-basierten System herauszuarbeiten. Tja, wo das so hinführen kann...
War ich dann damit gemeint? ;)

Zu den deutlichen Merkmalen: Ich sehe das insgesamt so, dass es, bis auf das Alter, kein äußeres Kriterium gibt, das von allen Koryu ausnahmslos geteilt wird. Und nicht jedes Merkmal, das Koryu beschreibt, ist exklusiv für Koryu. Verschiedene Beispiele hierzu haben wir ja hier in der Diskussion dargestellt (Äußere Form, Genealogie, Kampf, etc.-). Damit ergibt sich aus meiner Sicht eine Reihe von Wahrscheinlichkeitsaussagen, die man zusammengenommen als Definition heranziehen kann, in der Art zB. "Koryu sind eher nicht auf Wettkämpfe ausgerichtet" (Diese Aussage trifft ja auch auf Aikido zu, aber eher nicht auf Judo oder Kendo). Im Übrigen, vielleicht ein Grund, warum das Alter so vehement als Grenze herangezogen wird, ist möglicherweise auch das Bugei Ryuha Daijiten, dessen Autoren die Meiji-Restauration ebenfalls als Grenze gewählt haben.

Fazit: Man kann meiner Ansicht nach Koryu, wenn man es denn überhaupt umfassender definieren will/muss, nicht auf einen Dreizeiler reduzieren. Das heißt aber nicht, dass man es nicht von Gendai Budo definitorisch deskriptiv abgrenzen kann!

PS: Mir ist beim Durchgehen meiner Postings aufgefallen, dass sich der ein oder andere persönlich angegriffen fühlen könnte, das war nicht meine Absicht.

carstenm
28-03-2021, 21:32
Wenn ich die Diskussionen zu Aikido und was das alles ist oder nicht ist hier so mitlese, entsteht bei mir der Eindruck, es gibt nicht "das aikido"... Inwieweit das inhaltlich so beabsichtigt war, wie von Dir dargestellt, kann ich nicht beurteilen.Du hast recht: "Das" aikidô gibt es nicht. Aber gerade die Verbreitung des aikidô in Europa und den USA durch Lehrer des aikikai in den 1950er Jahren ist eine der wesentlichen historischen Wurzeln dieses Phänomens.


Warum ist die Trennung zweier unterschiedlicher Dinge, für die es unterschiedliche Namen gibt, wichtig? Es ist ja ganz offenbar schwierig, letztgültige Kriterien zu finden, die die postulierte Unterschiedlichkeit definieren. Ist also möglicherweise das Postulat falsch?
Man denke an die Unterscheidung von bujutsu und budô.

Ohne jetzt zu weit Ausschweifen zu wollen: Aus meiner Sicht ist das elementare vermittelnde Werkzeug der gesamten (alten) Budo-Tugenden der kämpferische Umgang mit der Waffe. Ja natürlich. Das ist doch selbstverständlich. Ich bin lediglich der Ansicht, daß es zu den Aufgaben des Übens gehört, sich über die Relevanz des Übens Gedanken zu machen. Und was auch immer die sein mag, sie liegt jedenfalls nicht mehr in der tatsächlichen Benutzung der Waffen.


Interessante Videos, danke dafür. Ich hatte mir schon sowas gedacht, allerdings ist das eben auch ein öffentlicher Auftritt und damit einhergehend eine geplante Außendarstellung. Mir gings bei dem Video um die Frage von "alt" und "modern" ...


Nachtrag/Edit: Warum ist es Dir so wichtig, dass es keine Trennlinie zwischen Gendai budo und Kobudo gibt?Weil ich diese Trennlinie für unscharf halte. Ich bin der Ansicht, dass sie lediglich taugt um eine zeitliche Einordnung zu darzustellen. Sobald daraus aber inhaltliche Aspekte abgeleitet werden, verliert sie - meiner Ansicht nach - ihre Tauglichkeit.

carstenm
28-03-2021, 21:44
Das Gegenteil davon wäre die süsse, romantische Vorstellung des alten, tattrigen Lehrers (langer weisser Bart ist ganz wichtig!) hoch oben auf der Bergspitze... aber so ganz ohne Schüler.Warum wäre das das Gegenteil?

In den Bezügen in denen ich hier vor Ort übe, gilt: Der aikidô Verein betreibt nahezu gar keine Öffentlichkeitsarbeit. Wir haben lediglich eine website. Das keikojô der shintô ryû, in dem ich übe, tut überhaupt nichts in der Richtung. Es gibt nicht einmal eine Internetpräsenz.
Dennoch hat niemand hier enen langen weißen Bart. Berge, die diese Bezeichnung wirklich verdient hätten, gibt's auch keine. (Außer in der Zuckerrübenzeit ...) Aber Schüler finden immer wieder in's dôjô. Den aikidô Verein gibt es seit weit über dreißig Jahren. Die Schülerzahl ist einigermaßen konstant über die gesamte Zeit. Das gilt ähnlich auch für das keikojô der der shintô ryû.

Es lebt niemand von dem Unterricht. Wer uns finden möchte, findet uns. Das Üben kostet wenig bis nichts. ...

Gast
28-03-2021, 21:50
War ich dann damit gemeint?

Niemand war speziell damit gemeint, ich glaube diese Versuche der Abgrenzung oder Einteilung beschränken sich nicht auf die hier an der Diskussion beteiligten.
Ich habe nur versucht ein allgemeines Phänomen zu beschreiben. Es war mir auch nicht bewusst dass es für den einen oder anderen so wichtig sein könnte, dass er sich da persönlich angesprochen fühlen könnte.



Diese Aussage trifft ja auch auf Aikido zu, aber eher nicht auf Judo oder Kendo

So wie ich das immer verstanden habe, war Kano zunächst keineswegs ein Befürworter von Wettkämpfen, aber die Entwicklung hat ihn wohl überholt, und dann hat er sich selbst dafür eingesetzt. Das ursprüngliche Judo hatte wohl noch stark den Charakter der Kito-ryû. Ueshiba, der ja mal in seiner Jugend bei einem Judolehrer trainiert hat, sagte wohl, dass er Kito-ryu trainiert habe.

Gast
28-03-2021, 22:01
Der aikidô Verein betreibt nahezu gar keine Öffentlichkeitsarbeit.

Dann wird's aber Zeit dass ihr mal mit der Mode geht, euch in "Team-Heta" umbenennt und euch in Rashguards mit Team-Logo präsentiert

carstenm
28-03-2021, 22:35
Nun käme natürlich Niermand auf die Idee, besagter Schule den Koryûstatus absprechen zu wollen, weil sie eines von mehrere Koryûmerkmalen halt nicht erfüllt, ...Das läßt mich fragen: Welche Autorität spricht das letztgültig zu oder ab?
Ist damit eine Wertung verbunden?
Was bedeutet "Status" in diesem Zusammenhang? Ist damit in irgendeiner Weise der Anspruch einer besonderen Qualität verbunden? ...


... in deren vermittelter Definition von Koryû auftaucht.Meine sempai mögen mich bitte korrigieren: Mir ist nicht bewußt, daß in unserer Schule eine Definition von koryû vermittelt wird.


Ich wollte aber, dass Du in etwa siehst, wo ich selbst derzeit in etwa stehe bezüglich meiner Ansichten.Vielen Dank für deine ausführlichen Erläuterungen!


Zum "wahren japanischen Geist" fällt mir tatsächlich nichts ein, weil das ja Alles und Nichts heißen könnte, ... Ja, das schrieb ich ja auch.

Nebenbei bemerkt:
In Texten der budô, die ich übe, spielt dieser Geist durchaus eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, zu erläutern, was budô sei.


Mich wundert, dass ausgerechnet Ihr Beiden es offenbar für nicht so wichtig haltet oder gar für völlig überflüssig, die Koryû von anderen Dingen abzugrenzen (dieses Recht sei Euch ja auch völlig unbenommen). Diese Formulierung setzt davon aus, daß es einen [[abgrenzbaren Bereich mit Bezeichung "koryû"]] gibt. Und das ich oder auch Inryoku diesen Bereich aber nicht abgrenzen möchten.
Meine Aussage ist aber eine andere: Ich denke inzwischen, daß es einen solchen ~abgrenzbaren~Bereich~nicht~wirklich~gibt.

Das ist jetzt sehr stark zugespitzt formuliert, um den Unterschied deiner Aussage zu meiner - und ich denke wohl auch Inryokus - Aussage zu verdeutlichen.

Was dein Wundern anbetrifft:
Gerade weil ich so genau hinschaue, wie du es beschreibst, ist mir die abgrenzende und von mir auch oft als elitär wahrgenommene Funktion des Begriffes "koryû", im Laufe der Zeit suspekt geworden.

Das mag auch zu tun haben, mit meiner Biographie, die mich immer wieder in Übungssituationen geführt hat, die genau auf der Grenze des Phänomens koryû liegen und die in der einen oder anderen Weise mit den Problemen der Abgrenzung dieses Phänomens befaßt sind. (Wie auch immer ich das angestellt habe ... aber ich bin immer wieder mitten im Schlamassel gelandet ... obwohl ich - oder vielleicht gerade weil ich - klare Strutkuren so sehr liebe ...):

aikidô: koryû oder nicht? Ich bin der Ansicht, daß die Frage deutlich komplexer ist, als üblicherweise angenommen. Julian hat das ja zart angedeutet.
Das kashima no tachi (Ich hoffe, die Bezeichnung ist noch die Korrekte und von der KSR akezptierte?) von Inaba sensei. koryû oder nicht? Die Verhälntisse sind deutlich komplexer, als es die reine Internetrecherche vermuten läßt. Ich übe und unterrichte das Schwert von Inaba sensei seit einigen Jahren nicht mehr.
Und in der TSKSR muß ich natürlich auch wieder in genau eine Linie geraten, der manche ihre Gültigkeit absprechen.

Ich habe mich also im Laufe der Jahre quasi gezwungenermaßen sehr intensiv mit Fragen der Einordnung und Abgrenzung befaßt, befassen müssen.

ryoma
28-03-2021, 22:50
...Und in der TSKSR muß ich natürlich auch wieder in genau eine Linie geraten, der manche ihre Gültigkeit absprechen...

Lieber carstenm, da musst du dir wirklich keinen Kopf machen!
Ich würde mal sagen, das gilt wohl für die Mehrheit aller ernsthaft Übenden in den klassischen Ryûha. Davor ist wirklich niemand gefeit.
;)

shinken-shôbu
28-03-2021, 23:17
Ohne jetzt zu weit Ausschweifen zu wollen: Aus meiner Sicht ist das elementare vermittelnde Werkzeug der gesamten (alten) Budo-Tugenden der kämpferische Umgang mit der Waffe.
Ja natürlich. Das ist doch selbstverständlich. Ich bin lediglich der Ansicht, daß es zu den Aufgaben des Übens gehört, sich über die Relevanz des Übens Gedanken zu machen. Und was auch immer die sein mag, sie liegt jedenfalls nicht mehr in der tatsächlichen Benutzung der Waffen.Wer sagt das denn so verbindlich für Alle? Es gab und gibt weltweit doch noch genug Flecken, wo gerne auch mal mit eher klassichen Waffen Konfliktlösung betrieben wird. Klar, hier In Deutschland ist es eher unwahrscheinlich, dass ich auch mal zu Schwert, Lanze, o.ä. greifen muss aber zumindest ich persönlich möchte keine "tote" Kampfkunst mit leeren Formen trainieren, in der ich zwar besagte schöne Formen laufe aber imgrunde nicht einmal wüsste, wie ich das dann auch an einem echten, widerstrebenden Gegner überhaupt umsetzen sollte. Es macht dabei für mich auch nur einen eher kleinen Unterschied, dass echter Kampf und ein trainingsbezogenes sich messen, welches in der Regel sehr gut ohne das Produzieren von Toten oder Schwerverletzten realisiert werden kann, natürlich noch immer zwei sich ähnelnde aber keine völlig identischen Dinge sind. Ich spreche dabei natürlich nicht für meine Schule, sondern lediglich über das, was ich selbst suchte und präferiere (und in diversen Schulen nicht fand), ohne Anderen dabei absprechen zu wollen, dass sie aus völlig anderen Beweggründen in Kampf- und/oder reinen Bewegungskünsten aktiv sein können. Es kann durchaus sein, dass ryoma oder tai_Eule aus völlig anderen Gründen Kampfkunst betreiben abgesehen davon, dass mein genannter Grund letztlich auch nicht ALLEINIGER Grund für mein Kampfkunstinteresse ist, meine Motivationslage ist durchaus etwas komplexer aufgebaut.








Nachtrag/Edit: Warum ist es Dir so wichtig, dass es keine Trennlinie zwischen Gendai budo und Kobudo gibt?
Weil ich diese Trennlinie für unscharf halte. Ich bin der Ansicht, dass sie lediglich taugt um eine zeitliche Einordnung zu darzustellen. Sobald daraus aber inhaltliche Aspekte abgeleitet werden, verliert sie - meiner Ansicht nach - ihre Tauglichkeit.Das sehe ich weiterhin anders und begründete es auch (ich verweise auf meinen heutigen früheren Post), so wie Du nun ja auch begründest warum Du so denkst, wie Du denkst. Je weniger Kriterien man heranzieht, um Koryû und Gendai-Budô voneinander zu unterscheiden, umso unschärfer kann die Trennung je nach konkretem Beispiel natürlich sein. Ich denke aber insgesamt ist zumindest in den Koryû im Großen und Ganzen klar, was für Schulen man bei sich, also den Koryû - ausnahmsweise mal als große Entität gemeint - (eher) mit dazu zählen würde und was für Schulen eher nicht.

Gast
28-03-2021, 23:29
Warum ist es Dir so wichtig, dass es keine Trennlinie zwischen Gendai budo und Kobudo gibt?

Gegenfrage: Warum oder für wen ist es wichtig, dass es diese Trennlinie gibt, obwohl wir ja nun herausgearbeitet haben, dass es eben faktisch KEINE (außer eine Zeitgrenze, die inhaltlich keine Bedeutung hat, außer man sagt, der Samurai-Stand sei damals abgeschafft worden, aber genau deswegen wird man auch heute kein Samurai, nur weil man eine Koryû übt) gibt?

Tai_Eule
28-03-2021, 23:44
So wie ich das immer verstanden habe, war Kano zunächst keineswegs ein Befürworter von Wettkämpfen, aber die Entwicklung hat ihn wohl überholt, und dann hat er sich selbst dafür eingesetzt. Das ursprüngliche Judo hatte wohl noch stark den Charakter der Kito-ryû. Ueshiba, der ja mal in seiner Jugend bei einem Judolehrer trainiert hat, sagte wohl, dass er Kito-ryu trainiert habe.
Danke für die Info. Ich bezog mich mit meiner Aussage auf meine Wahrnehmung des Ist-Zustandes. Aber damit haben wir ja auch in den jüngeren Budo-Künsten etwas ähnliches wie auch bei den älteren: Ist es wichtig, was der Gründer mal beabsichtigt hat oder ist es wichtiger, was sich daraus entwickelt hat? Auf Koryu übertragen sind wir (wieder) bei einem "Wie viel Veränderung ist (für mich persönlich) ok?"


Ist also möglicherweise das Postulat falsch?
Du und Inryoku landet aus meiner Sicht immer wieder beim Alter der jeweiligen Kunst, damit ist das Postulat nicht falsch, hat aber ggf. wenig inhaltliche Aussagekraft. Man kann jetzt noch diskutieren, wo die Altersgrenze liegen sollte, ob sie für die Stilgründung (wie es in der Regel gehandhabt wird) oder für das Alter der Komponenten gelten sollte und Überlegungen anstellen, ob und wenn ja, welche inhaltlichen Aspekte möglicherweise mit dieser Grenze einhergehen (Siehe auch meinen Ansatz der Wahrscheinlichkeitsaussagen). Die häufigste Einordnung für diese Altersgrenze liegt im Bereich der Meiji-Restauration. Ich habe aber immer noch den Eindruck, dass ihr damit nicht einverstanden seid (siehe auch Dein aikido: koryu oder nicht? Wenn es nur am Alter liegt: Nein, da nach Meiji gegründet; ebenso MSR -> Gründung nach Meiji = kein Koryu).


Ja natürlich. Das ist doch selbstverständlich.
Finde ich gut, dass das für Dich so selbstverständlich ist. Ich kenne genug, die aus dem Mangel an tatsächlichen Benutzungsmöglichkeiten für diese Waffen ableiten, dass ein Üben bezogen auf ein tatsächliches benutzen können nicht mehr notwendig ist. Das sehe ich als fatalen Fehler an, da man ab dem Moment Gefahr läuft, sich von der Tradition zu entfernen, in der man steht.


Welche Autorität spricht das letztgültig zu oder ab?
Ist damit eine Wertung verbunden?
Was bedeutet "Status" in diesem Zusammenhang? Ist damit in irgendeiner Weise der Anspruch einer besonderen Qualität verbunden? ...

Und in der TSKSR muß ich natürlich auch wieder in genau eine Linie geraten, der manche ihre Gültigkeit absprechen.
Also zumindest einen Teil der Frage hast Du Dir doch selbst beantwortet. Oder anders gefragt, haben die, die TSKSR die Gültigkeit absprechen, irgendeine Autorität inne? Ansonsten schließe ich mich Ryoma an: Die meisten dürften schon gehört haben, dass ihre Linie/ihr Stil nicht legitim/gültig sei.

carstenm
29-03-2021, 00:01
aikido ... Wenn es nur am Alter liegt: Nein, da nach Meiji gegründet;Das genau ist eben nicht so eindeutig, wie es scheint.
Diese "Gründung" erfolgte gewissermaßen von außen durch den butokukai gegen den Willen Ueshibas.
Sobald man das budô Ueshibas als eine Linie der daitô ryú betrachtet - und das ist eine Sichtweise, die auch Vertreter der daitô ryû immer wieder eingenommen haben und die auch Ausdruck finden, in der zuweilen synonyme Verwendungvon aikidô und daitô ryû - kommt etwas Bewegung in diese Einordnung ...

... keine Sorge, ich habe nicht vor, aikidô als koryû zu etablieren ...

... aber die Dinge sind eben deutlich komplexer, als sie auf den ersten Blick scheinen ...

Tai_Eule
29-03-2021, 00:11
Gegenfrage: Warum oder für wen ist es wichtig, dass es diese Trennlinie gibt, obwohl wir ja nun herausgearbeitet haben, dass es eben faktisch KEINE (außer eine Zeitgrenze, die inhaltlich keine Bedeutung hat, außer man sagt, der Samurai-Stand sei damals abgeschafft worden, aber genau deswegen wird man auch heute kein Samurai, nur weil man eine Koryû übt) gibt?
Die Zeitgrenze markiert den Umbruch in die Moderne und damit eine ganze Reihe von Änderungen: Angefangen vom Ende der Samurai/Bushi über die Verfestigung/Integration westlicher Ideen, Vorstellungen und Lehren bis hin zum radikalen Wandel der Kriegsführung. Dem Ganzen ging ein Jahrzehnte währender gesellschaftlicher Umbruch voraus, die Unzufriedenheit vieler Bushi in ihren jeweiligen Han war ja schon vorher da. Da ist Koryu, mit seiner Verwurzelung in der Bushi-Kultur und seinem Bezug zur Kriegsführung und der Lebensrealität einer stratifizierten Gesellschaft, deren obere Schicht ein sehr wörtlich gemeintes Gewaltmonopol inne haben konnte (je nach Han, natürlich), "plötzlich" so einiger grundlegender gesellschaftlicher Aspekte beraubt worden. Wir sind uns sicherlich einig, dass das keine scharfe Grenze war. Der Veränderungsdruck weg von den einzelnen Ryuha hin zu einem einheitlichen Curriculum ging in einigen Han schon vor 1868 von den Fürsten aus.
In einer lebendigen Koryu finden sich eben noch die Spuren dieser alten Zeit: Etikette, Verhaltensregeln, ritualisierte Abläufe die nur mit entsprechenden Waffen oder im Kontext des Vergangenen Sinn machen (Wo liegt das Schwert, wenn man sitzt; wer sitzt im Raum wo; wie verbeuge ich mich richtig...); asymmetrische Bewaffnung, die nichts mit sportlicher Fairness zu tun hat; Bewegungsbesonderheiten, die auf Rüstungen, Terrain oder weiteren Waffen beruhen; alte Philosophie und/oder Religionspraktiken, die sich in der Moderne nicht mehr finden; usw.- Ich erinnere mich an eine Episode, die mir von einem TSKSR Übenden erzählt wurde: Bei einem Seminar in Japan gefiel einem anwesenden Shinto-Priester (er war wohl zu besuch) die Verbeugung der Teilnehmer nicht. Daraufhin wurde den Rest des Tages, mehrere Stunden, verbeugen geübt. Vergleichbares habe ich noch von keiner modernen Kunst gehört. Nur weil es aufgrund der Vielfalt der Koryu und der Veränderungen durch die Entwicklung in der Moderne uns hier nicht gelingt, eine absolut trennscharfe Definition zu finden, heißt es ja nicht, dass GAR KEINE Unterschiede mehr bestehen würden. Und nur, weil es jüngere Budo gibt, die ohne Weiteres in einigen Punkten ähnlich zu Koryu sind, negiert deren Existenz nicht zwangsläufig den im Schnitt unterschiedlichen Charakter von Koryu und Gendai Budo. Für mich ist das Ganze eine Art Venn-Diagramm der Eigenschaften mit sehr ausgefransten Kreisen: Da beides Budo ist, teilen sie einige Eigenschaften und manche Ausreißer in die eine oder andere Richtung existieren für beide Gruppen.

Zu Deiner eigentlichen Frage: Mir ist es wichtig, weil es aus meiner Sicht unterschiedliche Dinge sind und ich (etwas überspitzt) befürchte, dass durch eine weitere Aufweichung der Begrifflichkeiten schlussendlich Koryu aussterben werden. Denn wenn Koryu Kenjutsu und Gendai Kendo ja doch das gleiche sind, warum muss ich dann so einem komischen Verein beitreten, bei dem "richtig verbeugen" zum Curriculum gehört? Da ist Gendai Kendo doch zugänglicher...

Tai_Eule
29-03-2021, 00:20
Das genau ist eben nicht so eindeutig, wie es scheint.
Da vertraue ich auf Deine größere Expertise. Ich hätte jetzt gefragt, wie Ueshiba sein Budo selber benannt hat: Hat er (ausschließlich) Daito-ryu unterrichtet, ist es eine Fortführung der Linie und damit Koryu, so wie ja Sugino im TSKSR auch mit Lehrerlaubnis eine Art eigener Linie (Ja, ich weiss, dass das als eigene Linie sehen umstritten ist) eröffnet hat. Hat Ueshiba jedoch neue Dinge von außen eingebracht und damit die Lehre des Daito-ryu in entsprechendem Maß verändert/ergänzt, handelt es sich um eine Neugründung auf Basis einer Koryu. Etwas, dass man eben auch an der von Ueshiba gewählten Bezeichnung mit ablesen könnte. Weisst Du, carstenm, wie ueshiba selbst sein Budo benannte?

Gast
29-03-2021, 01:38
In einer lebendigen Koryu finden sich eben noch die Spuren dieser alten Zeit: Etikette, Verhaltensregeln, ritualisierte Abläufe die nur mit entsprechenden Waffen oder im Kontext des Vergangenen Sinn machen (Wo liegt das Schwert, wenn man sitzt; wer sitzt im Raum wo; wie verbeuge ich mich richtig...); asymmetrische Bewaffnung, die nichts mit sportlicher Fairness zu tun hat; Bewegungsbesonderheiten, die auf Rüstungen, Terrain oder weiteren Waffen beruhen; alte Philosophie und/oder Religionspraktiken, die sich in der Moderne nicht mehr finden;

Nun ja, solche Dinge gibt es bei uns durchaus. Wo legt man sein Schwert ab, wo zeigt die Schneide hin, etc. Je nach Linie gibt es etwas andere Regeln, aber das gilt ja für jede Schule.
Das richtige Verbeugen ist immer mal wieder Thema, selbst das unterschiedliche Verbeugen von Männern und Frauen.
Auch das, kein Alleinstellungsmerkmal von Koryû, das Label ist weder Garant, noch ist das nicht-labeln ein Beweis für das Gegenteil.
Entweder ist eine Kunst in der japanischen Tradition und Kultur verwurzelt, oder nicht, das hängt weder vom Gründungsdatum noch von einem label ab.
Die Linien gehen ununterbrochen in die Vergangenheit zurück, ob beim Aikido, beim Judo, bei der TSKSR oder einer anderen Schule, und entweder werden Traditionen beibehalten, oder sie werden vollständig gekappt, dann kann man leider nur sagen: Schade, ist aber so.
Ich trainiere in einem japanischen Dojo, bei einem japanischen Lehrer, ich kenne gar nichts anderes als das die Dinge im Kontext der alten Epochen erklärt werden, alles andere wäre für mich befremdlich. Trotzdem bin ich kein angehöriger einer sogenannten Koryû, ich wusste früher gar nicht dass es Leute gibt die solche Unterscheidungen anstellen. Wenn mich jemand gefragt hätte ob die Kriterien auf uns zutreffen, wäre für mich klar gewesen wie die Antwort zu sein hätte.

ryoma
29-03-2021, 08:27
...Ich trainiere in einem japanischen Dojo, bei einem japanischen Lehrer, ich kenne gar nichts anderes als das die Dinge im Kontext der alten Epochen erklärt werden, alles andere wäre für mich befremdlich. Trotzdem bin ich kein angehöriger einer sogenannten Koryû, ich wusste früher gar nicht dass es Leute gibt die solche Unterscheidungen anstellen. Wenn mich jemand gefragt hätte ob die Kriterien auf uns zutreffen, wäre für mich klar gewesen wie die Antwort zu sein hätte.

Offensichtlich ist das "Japanische" auch im Aikidô von herausragender Bedeutung. Inwiefern werden Konzepte etc. auch in der japanischen Sprache vermittelt?

karate_Fan
29-03-2021, 09:21
Nochmal etwas zu Draeger und seiner Einteilung von Budo und Koryu.


Jetzt nichts gegen Draeger und seine Arbeit. Der Mann verdient sehr viel Respekt für seine Pionierarbeit. Allerdings finde ich seine Einteilung etwas zu dogmatisch. Besonders was das Budo angeht.

Auf den ersten oberflächlichen Blick ist Budo nämlich nicht immer so friedlich und die Philosophie steht im Vordergrund. Das mag auf das Budo nach dem zweiten Weltkrieg zustimmen, aber vor während und vor dem zweiten Weltkrieg war das anders.

Da war Budo ebenso kriegerisch wie die Koryu. oder vielleicht sogar noch kriegerischer. Das Buch von Bennet über Kendo ist sehr interessant. Da werden während des Krieges die Übungsmethoden beschrieben und die haben nur wenig mit Philosophie zu tun. Auch im Karate findet man immer wieder Berichte dass man zu diesen Zeiten anders trainiert hat. Man hat Dinge vereinfacht und viel mit Kontakt geübt.

Dann haben Leute wie Nakumura Taisaburo eigene Schwertkampfysteme aufgrund ihre Real Life Erfahrungen gegründet. Nakamura hatte auch laut seinem Buch keine gute Meinung über so manche Koryu was die Praxistauglichkeit angeht, abgesehen von der Jigen Ryu.

Im Aikido findet man auch wieder Andeutungen über das berüchtige Pre War Aikido was ja ganz anders und härter gewesen sein soll das was danach kam.


Ob das stimmt kann ich nicht beurteilen Aikido sieht für meine ungeschulten Augen immer wie Aikido aus.


https://www.youtube.com/watch?v=98yRuBkUBGQ

Abgesehen von manchen Waffe wie dem Gewehr mit dem Bajonett sieht das für mich wie modernes Aikido aus. Aber wie gesagt das sagen mir meine ungeschulten Augen und die liegen wohl falsch wenn es um Aikido geht.


Sollten diese Geschichten einen Kern Wahrheit enthalten und nicht nur Kriegspropaganda sein, dann müsste man zwischen Pre War Gendai Budo and dem Nachkriegs Budo unterscheiden. Da sie ja beide von der Zielsetzung doch scheinbar unterschiedlich waren.

Was sagen die Experten zu meiner abenteuerlichen Meinung?

Und apropos Krieg. Gibt es ähnlich wie in den Gendai Budo Stilen auf auch dem Koryu Gebiet Berichte, dass man in den 1930er und den ersten hälfte der 40er anders unterrichtet hat so wie im Kendo z.B oder ist der Große Pazifische Krieg am Unterricht komplett vorbei gegangen und hat man so unterrichtet wie immer? Weiß da jemand vielleicht etwas darüber?

FireFlea
29-03-2021, 09:37
Nochmal etwas zu Draeger und seiner Einteilung von Budo und Koryu.

Jetzt nichts gegen Draeger und seine Arbeit. Der Mann verdient sehr viel Respekt für seine Pionierarbeit. Allerdings finde ich seine Einteilung etwas zu dogmatisch. Besonders was das Budo angeht.


Zumindest an der Abgrenzung zwischen 'Budo' und 'Bujutsu' wie sie Draeger vorgenommen hat, gibt es auch aus koryu Kreisen Kritik. Dazu findest Du was von Ellis Amdur.

Gast
29-03-2021, 10:07
Ob das stimmt kann ich nicht beurteilen Aikido sieht für meine ungeschulten Augen immer wie Aikido aus.


Erstens muss man sich den Film in Originalgeschwindigkeit angucken, die Version gibt es auch in der Tube. (ich glaube Ueshiba in real speed o.s.ä)
Zweitens sieht man keine Techniken, sondern nur das wss wir heute so unter "kokyu-nage) subsumieren, also das was man gerne beim Randori macht, freies Bewgen im ki no nagare Modus.
Das es das damals schon so gab wundert mich auch immer wieder, ist aber anscheinend Ueshibas persönliche Bewegungsweise, bei anderen Daitoryu-Vorführungen sieht man das so nicht, es gibt aber nichts anderes aus der Zeit.
Wie gesagt sind das keine Kihon-waza, und sicher nicht dss was an den Militärschulen unterrichtet wurde.

karate_Fan
29-03-2021, 10:28
@Inryuko Danke für die Info Wusste gar nicht dass es das Video auch in Original Geschwindigkeit gibt. Da werde ich mich gleich auf die Suche machen.

Auch an FireFlea ein Danke für den Hinweis mit Amdur. Vielleicht finde ich den Hinweis ja in den Büchern die ich vom ihm besitze oder auch online.

Gast
29-03-2021, 10:30
Offensichtlich ist das "Japanische" auch im Aikidô von herausragender Bedeutung. Inwiefern werden Konzepte etc. auch in der japanischen Sprache vermittelt?

Ich würde sagen dass hängt vom jeweiligen Lehrer ab, im Hombu wird Japanisch gesprochen, im Ausland wohl eher die Landessprache. Meist sind die Gruppen zu groß als das man von jedem verlangen könnte, Japanisch zu lernen.

Tai_Eule
29-03-2021, 10:32
Auch das, kein Alleinstellungsmerkmal von Koryû, das Label ist weder Garant, noch ist das nicht-labeln ein Beweis für das Gegenteil.

So langsam habe ich das Gefühl, Du liest nicht, was Ryoma, shinken shobu und ich hier schreiben. Nochmal:

Nur weil es aufgrund der Vielfalt der Koryu und der Veränderungen durch die Entwicklung in der Moderne uns hier nicht gelingt, eine absolut trennscharfe Definition zu finden, heißt es ja nicht, dass GAR KEINE Unterschiede mehr bestehen würden. Und nur, weil es jüngere Budo gibt, die ohne Weiteres in einigen Punkten ähnlich zu Koryu sind, negiert deren Existenz nicht zwangsläufig den im Schnitt unterschiedlichen Charakter von Koryu und Gendai Budo. Für mich ist das Ganze eine Art Venn-Diagramm der Eigenschaften mit sehr ausgefransten Kreisen: Da beides Budo ist, teilen sie einige Eigenschaften und manche Ausreißer in die eine oder andere Richtung existieren für beide Gruppen.
Wo schreibe ich hier, dass es ein Alleinstellungsmerkmal geben muss?


Entweder ist eine Kunst in der japanischen Tradition und Kultur verwurzelt, oder nicht, das hängt weder vom Gründungsdatum noch von einem label ab. Nochmal, es gibt nicht "die japanische Tradition und Kultur", so wie es auch nicht "die deutsche Tradition und Kultur" gibt. Die ganzen gesellschaftlichen Änderungen um die Meiji-Restauration herum sollten doch deutlich gemacht haben, dass es um mehr ging als nur "keine Samurai mehr". Kendo vor 1868, zwischen 1868 und WW2 und nach WW2 unterscheidet sich ja nun auch deutlich voneinander. Die Tatsache, dass carstenm deutlich sagen kann, im Aikido wird nicht gekämpft, ist mit den ganzen berichteten kämpferischen Erfolgen von Ueshiba doch auch nur vereinbar, wenn ich eine deutliche Entwicklung des Aikido auch unabhängig von ihm annehme. Aber sei es drum, nochmal zur Wiederholung: Nur, weil es eine Hand voll Gruppen gibt, die noch "wie zu Vorkriegszeiten" trainieren, heißt das doch nicht, dass dies dem Durchschnitt der Übenden entspricht.

Gast
29-03-2021, 10:32
@Inryuko Danke für die Info Wusste gar nicht dass es das Video auch in Original Geschwindigkeit gibt. Da werde ich mich gleich auf die Suche machen.


https://www.youtube.com/watch?v=qtSBuW7nqBE

Gast
29-03-2021, 10:46
Nochmal, es gibt nicht "die japanische Tradition und Kultur", so wie es auch nicht "die deutsche Tradition und Kultur" gibt.

Natürlich nicht, hat ja auch niemand behauptet. Es gibt aber Dinge, die in der Kultur einfach verankert sind, die man einem Japaner überhaupt nicht beibringen muss weil er das von Kindheit an mit aufsaugt. Alle Bemühungen sich das anzueignen, sind für einen Nichtjapaner fast aussichtslos, wenn er nicht wirklich sehr gut integriert ist, und das für einen längeren Zeitraum.
Wenn ich eine Gruppe von asiatisch aussehenden Menschen an der Straßenbahnhaltestelle stehen sehe, dann kann ich von weitem sehen, ohne die sprechen zu hören, ob es Japaner sind. Das Verhalten ist einfach speziell.
Deswegen, japanische Kultur hin und her, hier geht es doch um Kampfkunst, und ob die Rituale und Gepflogenheiten noch im Zusammenhang der "alten Zeit" stehen.
Man wird aber durch das Üben einer Kampfkunst nicht zum Japaner, und schon gar nicht zu einem Japaner der Vor-Meiji-Ära.
Mein Lehrer sagt das oft, für ihn ist das tatsächlich "alte Zeit", und er hat als Japaner einen völlig natürlichen Zugang dazu, weil er halt in dieser Kultur "verwurzelt" ist.

ryoma
29-03-2021, 11:31
Natürlich nicht, hat ja auch niemand behauptet. Es gibt aber Dinge, die in der Kultur einfach verankert sind, die man einem Japaner überhaupt nicht beibringen muss weil er das von Kindheit an mit aufsaugt. Alle Bemühungen sich das anzueignen, sind für einen Nichtjapaner fast aussichtslos, wenn er nicht wirklich sehr gut integriert ist, und das für einen längeren Zeitraum.
Wenn ich eine Gruppe von asiatisch aussehenden Menschen an der Straßenbahnhaltestelle stehen sehe, dann kann ich von weitem sehen, ohne die sprechen zu hören, ob es Japaner sind. Das Verhalten ist einfach speziell.
Deswegen, japanische Kultur hin und her, hier geht es doch um Kampfkunst, und ob die Rituale und Gepflogenheiten noch im Zusammenhang der "alten Zeit" stehen.
Man wird aber durch das Üben einer Kampfkunst nicht zum Japaner, und schon gar nicht zu einem Japaner der Vor-Meiji-Ära.
Mein Lehrer sagt das oft, für ihn ist das tatsächlich "alte Zeit", und er hat als Japaner einen völlig natürlichen Zugang dazu, weil er halt in dieser Kultur "verwurzelt" ist.

Weiter oben hast du geschrieben, dass man im Westen einfach nicht verlangen kann, dass jeder Schüler die japanische Sprache lernen sollte.

Das halte ich persönlich für falsch: Denn verlangen kann man das sehr wohl. Die Frage ist doch nur, ob man es verlangen will. Und da sind heutzutage zu viele Lehrer viel zu lasch.
Ich bin der Meinung, dass man in jedem Budô zentrale Elemente nur über den Zugang durch die jap. Sprache vollständig erfassen kann.

carstenm
29-03-2021, 11:47
Weisst Du, carstenm, wie ueshiba selbst sein Budo benannte?Zunächst:
Die Bezeichnung "aikidô" wurde 1942 Hisatomi Tatsuo unter Mitwirkung von Hirai Minoru als Titel einer neuen Abteilung des Dai nihon butokukai installiert. "Die Bezeichnung 'Aikido' war ein umfassender Begriff, der alles mögliche gleichermaßen einschließen konnte. Herrn Hisatomis Gedanke war, absichtsvoll ein Bezeichnung zu finden, gegen die vom kendô oder anderen Kampfkünsten keine Einwände kämen, sondern einen unbedenklichen, umfassenden Begriff, um alle yawara-Schulen (!)darunter zu versammeln. ... aikidô würde ein besserer Name für diese Abteilung sein als "aiki budô", da es den Gedanken von michi oder Weg besser herausstreichen würde." (Zitat Hirai Minoru im Interview mit Stan Pranin 1994, deutsche Übersetzung von mir.)

Die Bezeichnung "aikidô" wird bis heute nicht nur als Bezeichnung für die budô von Ueshiba Morihei oder Hirai Minoru (der kein Schüler von Ueshiba war, sondern dessen budô eigenständig war) verwandt, sondern tatsächlich auch als Synonym für das budô der daitô ryû.

1922-1936 benutzte Ueshiba die Bezeichnungen "aiki jujutsu", oder auch "aiki bujutsu".
In dieser Zeit, in der er ja noch ganz und gar im Kontext der daitô ryû unterrichtet hat, gibt es aber auch die Bezeichnungen: "Ueshbia ryû aiki bujutsu" (also nach seinem Namen, wie schon ganz zu Beginn, als er unter sein dôjô "Ueshiba juku" nannte) oder "Asahi ryû jujutsu" (nach dem dôjô in Osaka, in dem er unterrichtet hat und in dem er mit Takuma Hisa geübt hat, der dann den Takumakai begründet hat, einer der Hauptlinien der daitô ryû).
Genannt wird auch "aiki no michi". Aber dafür gibt e soweit ich weiß, keine Belege.

1936-1942, also in der Zeit des kobukan, in der Ueshiba immer noch ganz unbestritten in die daito ryû integriert war, wenn auch seine Verbindung zu Takeda Sokaka bereits weniger eng war, benutzte Ueshiba die Bezeichnung "aiki budô".
Dazu ist zu wissen, daß diese selbe Bezeichnug ebenso auch Sagawa Yukioshi, später der designierte Nachfolger Takedas als Oberhaupt (soke ?) der daitô ryû, für seine Linie der daitô ryû benutzt hat.

Die Bezeichnung des Einschreibebuchs unter der sich die Schüler Ueshibas bei Eintritt in sein dôjô - zunächst das kobukan, dann das aikikai honbu - eintrugen, lautete nachweislich bis in die frühen 1950er Jahre] "Daitô ryû aiki jujutsu".

Von 1925 bis in die 1960er Jahre hinein hat Ueshiba die identischen Schriftrollen des hiden mokuroku der daitô ryû ausgegeben. Sie sind gleichlautend, wie er sie 1925 als Schüler von Takeda sensei gesiegelt hat, wie er sie 1932 als Schüler von Takeda sensei gesiegelt hat und für Minoru Mochizuki ausgestellt hat, und wie er sie bis in die 60er Jahre augegeben hat. Verändert hat sich lediglich die Überschrift von "aiki jujutsu hiden mokuroku" zu "aikidô hiden mokuroku". Und Ueshiba hat irgendwann nicht mehr als "Schüler Takedas" gesiegelt, sondern als "aikidô dôshu Tsunemori Ueshiba". Veröffentlicht ist eine solche Schriftrolle datiert März 1960. Andere gleich lautenden hiden mokuroku sind in privater Hand und nicht öffentlich einsehbar.
Aber auch dieser Vorgang verläuft in anderen Linien der daitô ryû, wie z.B. dem Takumakai oder dem Kodokai, ganz parallel.

Ich bin inzwischen der Ansicht, daß der Bruch zwischen daitô ryû aiki budô und aikidô, wie wir ihn heute wahrnehmen, zurückgeht auf nidai dôshu und die Abgrenzungspolitik der Generation nach Ueshiba Morihei. Wie wir heute wissen, wurden Photos retuschiert, es wurden Texte von Ueshiba redigiert, mit dem Ziel, alles Verbindungen zur daitô ryû zu löschen. Ganz ähnlich, wie man es Ende der 70er Jahre mit Tohei sensei getan hat. Der war auch auf einmal einfach verschwunden auf manchen Bildern. So wie auf dem berühmten Photo von Ueshiba, das man wahlweise mit den Kanji für "Daitô Ryû" an shomen oder ohne diese Schriftzeichen findet ...
... erst die Arbeit von Stan Pranin und später Christ Li und jetzt Guillaume Erard holt diese Verbindung wieder hervor. Und je länger, desto deutlicher.

carstenm
29-03-2021, 12:05
Denn wenn Koryu Kenjutsu und Gendai Kendo ja doch das gleiche sind, warum muss ich dann so einem komischen Verein beitreten, bei dem "richtig verbeugen" zum Curriculum gehört? Da ist Gendai Kendo doch zugänglicher...Ouchhhh .... das tut richtig weh ...

In dem gendai budô, das ich übe, wird rei unterrichtet. Auch von mir selber ... so gut ich es kann ...
Das bezieht sich nicht allein nur auf das Verbeugen - das es in unteschiedlichen Formen je nach Situation gibt - sondern auf vieles mehr ...

Ich habe mehrfach erlebt, daß Prüfungen unterbrochen wurden, weil das rei eines Prüflings - oder eines uke - schlecht war.
Ich habe zwar nicht einen ganzen Tag lang Verbeugen geübt. Aber sehr wohl eine Unterrichtseinheit lang. Auch das mehrfach.
Ich habe erlebt, das jemand aufgrund seines rei von der Matte geschickt wurde und zuschauen mußte.
(Und ich selber habe auch schon Menschen von der Matte geschickt, sie gebeten, etwas zu verändern und dann wieder zu kommen.)
...

Ich hatte oben ein Video gepostet von einer shintô - Zeremonie am aiki-Schrein. Und ich wollte auch geschrieben haben, daß der shihan, bei dem ich jetzt seit einiger Zeit übe, dort in der zweiten Reihe sitzend zu sehen ist.
Endô sensei ist in diesen Dingen ausgsprochen konservativ und unterrichtet rei intensiv. Er ist der Ansicht, daß rei einer der wesentlichen tieferen Inhalte des aikidô ist ...

kyudô fällt mir spontan ein als ein gendai budô ein, in dem rei von großer Bedeutung ist. Zuerst soger fast das einzige, was ein Neuling übt.

Gast
29-03-2021, 12:05
Ich bin der Meinung, dass man in jedem Budô zentrale Elemente nur über den Zugang durch die jap. Sprache vollständig erfassen kann.

Ich bin der Meinung dass man die zentralen Elemente nur durch das Üben dieser Elemente erfassen kann.
Ich habe oft das Gefühl, dass was wir machen ist eine Sprache für sich, die wird, je tiefer man da eintaucht, immer verständlicher. Man kann das natürlich auch in gesprochener Sprache ausdrücken, aber dann hat man es noch nicht mit dem Körper verstanden. Ein Japaner versteht das nicht unbedingt schneller als ein Europäer, der kein Wort japanisch spricht.
Japaner haben aber eine andere Einstellung zum üben, die ist nicht so vom "ich weiß es besser" denken geprägt wie bei uns hier.
Was jemand meint wenn er "bewegen" sagt, hängt davon ab ob man den Kontext kennt, und denjenigen kennt der das Wort gebraucht, und wenn man weiß wie er sich bewegt.
Das wird nicht besser wenn man das Wort in einer anderen Sprache sagt. Sprache ist da natürlich auch ein wichtiges Transportmittel für kulturspezifische Dinge, keine Frage, und die Sprache zu können ist sicher ein großer Vorteil.

ryoma
29-03-2021, 12:12
...
Sollten diese Geschichten einen Kern Wahrheit enthalten und nicht nur Kriegspropaganda sein, dann müsste man zwischen Pre War Gendai Budo and dem Nachkriegs Budo unterscheiden. Da sie ja beide von der Zielsetzung doch scheinbar unterschiedlich waren.

Was sagen die Experten zu meiner abenteuerlichen Meinung?

Und apropos Krieg. Gibt es ähnlich wie in den Gendai Budo Stilen auf auch dem Koryu Gebiet Berichte, dass man in den 1930er und den ersten hälfte der 40er anders unterrichtet hat so wie im Kendo z.B oder ist der Große Pazifische Krieg am Unterricht komplett vorbei gegangen und hat man so unterrichtet wie immer? Weiß da jemand vielleicht etwas darüber?

Oh, das ist gar keine abenteuerliche Meinung. Dazu habe ich auch mal was auf meinem Blog geschrieben.

Ja, das Ende des WKII war ein massiver Umbruch. Viele sind der Meinung, der Umbruch war grösser als die Meiji-Restauration.

Zuerst wurden die Anpassungen bei den modernen KK erzwungen. D.h. die Verbände (über die Politik) haben sich nun u.a. auf Weltfrieden und Völkerverständigung eingeschworen. Dies hatte auch auf die Praxis an sich teils massive Auswirkungen.

Bei den klassischen Schulen waren die (politischen) Einflussmöglichkeiten beschränkt, ganz einfach weil es kaum übergreifende Strukturen gab. Hier wirkte dann meist der subtile oder auch nicht so subtile soziale Druck (ganz beliebt in Japan!). So haben sich, um nicht als "zurückgebliebene Kriegsgurgeln" zu gelten, auch viele Lehrer aus klassischen Ryûha gebeugt um innerhalb der Budô-Community noch ein gewisses Ansehen zu geniessen.

Somit fielen dann zahlreiche wichtige Elemente aus diesen Schulen diesem Anpassungsdruck zum Opfer. Sei es, dass plötzlich das schuleigene Gekiken zugunsten des modernen Kendô entfernt wurde, oder dass es sich einbürgerte, ganz selbstverständlich mit den neu erfundenen Iaitô zu trainieren.
Auch die übliche Duellpraxis zwischen Mitgliedern verschiedener Schulen wurde als verpönt angesehen (man hatte ja nun Kendô, nicht wahr...?). Noch ein Wort zur Duellpraxis, da dies oftmals, manchmal auch aus bösem Willen, völlig falsch und verzerrt dargestellt wird. Duelle waren in Japan seit dem 16. Jhd. oft sog. "Tame-shiai", also ein Sich-Messen um zu sehen, welche Strategien unterschiedlicher Schulen erfolgreicher waren als andere.

Gast
29-03-2021, 12:18
Von 1925 bis in die 1960er Jahre hinein hat Ueshiba die identischen Schriftrollen des hiden mokuroku der daitô ryû ausgegeben. .

Zusätzlich hat er wohl zweiweise auch andere Urkunden ausgegeben, unter der Bezeichnung Aioi-Ryu z.B., wie aus dem Artikel den ich weiter oben verlinkt habe hervorgeht.

carstenm
29-03-2021, 12:22
Offensichtlich ist das "Japanische" auch im Aikidô von herausragender Bedeutung. Inwiefern werden Konzepte etc. auch in der japanischen Sprache vermittelt?Ich habe begonnen, Japanisch zu lernen, um den shihan, bei dem ich übe, besser zu verstehen. Also inhaltlich. Die Seminare finden gerne auf japanisch mit Übersetzung statt.
Mit einer Ausnahme sind aller Lehrer, bei denen ich in den letzten 17 Jahren übe, entweder selbst Japaner oder haben in Japan gelebt. Mein eigener Lehrer ist mit einer Japanerin verheiratet. Und übersetzt zuweilen für Endô sensei. Und hat budô kyôhan von Sugino osensei übersetzt.
Es gibt - wie schon oben gesagt und entsprechend kritisch rezipiert - nicht wenige Lehrer, die der Meinung sind, Nicht-Japaner könnten aikidô nicht im Tiefsten verstehen und erlernen. Zu diesen Lehrern gehört auch Endô sensei. ... Oder hat er gehört ... es scheint sich da etwas verändert zu haben.
In meinem Unterricht sind wir, die wir nicht fließend japanisch sprechen (ich habe es wirklich nur für das passive Verstehen gelernt), an manchen Tagen in der Minderheit. ...

Ich selber kenne das Üben von aikidô in meinem engeren Umfeld insgesamt nur in Verbindung mit einem ernsthaften Interresse an der japanischen Kultur und Sprache.
Und ich kenne den Unterricht von Konzepten, Hintegrund, Esoterik des aikidô in japanischer Sprache ... mit der mühevollen Suchen, nach der "richtigen" oder nach guten Übersetzungen. Eine gute Freundin ist Halbjapanerin und übt auch häufig in Japan. Als Juristin udn gebildete, sehr belesene Frau hat sie gleichzeitig einen tiefen Zugang zur deutschen, wie auch zur japanischen Sprache. Und auch ein tiefes Verständnis für aikidô.
Endôs Vorträge mit dieser Übersetzerin und meinen Grunkenntnissen, die mir erlauben, selber wahrzunehmen, an welchen Stellen die Übersetzung kompliziert ist ... oder "ich es anders übersetzt hätte" ... das sind dann sehr interessante Momente ...

Ich glaube, daß die tieferen Inhalte ohne einen mindestens rudimentären Zugang zur japanischen Sprache, und auch Kultur, was auch das im Einzelnen dann heißt, nicht wirklich zu verstehen sind.

Tai_Eule
29-03-2021, 12:23
@carstenM: Vielen Dank für diese sehr interessante Zusammenfassung! Für mich entsteht insgesamt der Eindruck, dass es damit beim (ich nenne es jetzt mal in Ermangelung eines besseren Begriffs) orthodoxen Aikido, also jenes, das sich so nah wie möglich an Ueshiba Lehren hält, eigentlich um einen Zweig des Daito-ryu handelte. Spätere Lehrlinien/Abspaltungen des Aikido haben sich dann mehr oder minder weit hiervon entfernt. Habe ich das so einigermaßen richtig verstanden?
Wenn dem so ist, dann muss man, sofern man Daito-ryu als Koryu/Kobudo akzeptiert, zumindest das orthodoxe Aikido ebenfalls als solches ansehen. Das erklärt für mich dann auch, warum zum Beispiel Deine Beschreibung von Deinem Aikido (das mir sehr orthodox erscheint) so viel mehr in das passen würde, was ich inhaltlich eher mit Koryu verbinde.

@Inryoku: Ich glaube, wir reden haarscharf aneinander vorbei. Ja, Budo beinhaltet zwingend japanische kulturelle Aspekte (siehe auch Ryoma, dem ich voll zustimme: Ohne Sprachkenntnisse, keine tieferen Einblicke in eine Kultur). Ich bin der Ansicht, dass zumindest in den Koryu einige dieser kulturellen Aspekte, aufgrund ihres Alters, den meisten modernen Japanern auch eher fremd sind: Man schaue sich mal die Krawallnasen und Großmäuler an, die als Begründer oder Meister von Stilen existierten. Auch ist das moderne Japan eher risikoaversiv, auch in vielen Budo ("abunai"). Natürlich muss jemand Kulturfremdes mehr lernen als ein Japaner. Und sicherlich geht das auch nicht in 5 Minuten oder bei einem 2 Wochen Touri-Trip nach Japan. Ich glaube Dir ja auch, dass das für Deine Lehrer "kein großes Ding" ist, aber Du verkennst meiner Ansicht nach, dass diese Menschen ja auch bereits jahrelang im Budo sozialisiert worden sind. Die Budo-fernen Japaner (Freunde und Bekannte), mit denen ich mich bisher unterhalten habe, haben zu Budo nur wenig Meinung/Wissen. Und dass man gerade die junge Generation auch in Japan erstmal auf einige Nicht-Kampfaspekte drillen muss, ist mir als Aussage auch von mehr als einem japanischen Koryu-Lehrer bekannt.

Tai_Eule
29-03-2021, 12:32
Ouchhhh .... das tut richtig weh ...

In dem gendai budô, das ich übe, wird rei unterrichtet. Auch von mir selber ... so gut ich es kann ...
Das bezieht sich nicht allein nur auf das Verbeugen - das es in unteschiedlichen Formen je nach Situation gibt - sondern auf vieles mehr ...

Ich habe mehrfach erlebt, daß Prüfungen unterbrochen wurden, weil das rei eines Prüflings - oder eines uke - schlecht war.
Ich habe zwar nicht einen ganzen Tag lang Verbeugen geübt. Aber sehr wohl eine Unterrichtseinheit lang. Auch das mehrfach.
Ich habe erlebt, das jemand aufgrund seines rei von der Matte geschickt wurde und zuschauen mußte.
(Und ich selber habe auch schon Menschen von der Matte geschickt, sie gebeten, etwas zu verändern und dann wieder zu kommen.)
...

Ich hatte oben ein Video gepostet von einer shintô - Zeremonie am aiki-Schrein. Und ich wollte auch geschrieben haben, daß der shihan, bei dem ich jetzt seit einiger Zeit übe, dort in der zweiten Reihe sitzend zu sehen ist.
Endô sensei ist in diesen Dingen ausgsprochen konservativ und unterrichtet rei intensiv. Er ist der Ansicht, daß rei einer der wesentlichen tieferen Inhalte des aikidô ist ...

kyudô fällt mir spontan ein als ein gendai budô ein, in dem rei von großer Bedeutung ist. Zuerst soger fast das einzige, was ein Neuling übt.
Ich kenne es aus meinen eigenen Ausflügen in gendai budo eben anders: Rei wurde dort nicht mal konkret angesprochen. Aus einer Unterhaltung mit einer Leistungssport-Wettkampf-Judoka ging hervor, dass auf Kata keinen Wert gelegt wurde und Gürtel nach Augenmaß verteilt worden waren, je nachdem, für welche Wettkampfkategorie man die Person anmelden wollte. Ich kenne auch das Gegenteil aus einem Verein, wo Anfängern in der ersten Stunde erstmal ein Rundumschlag an Geschichte verpasst wurde. Und wiederum einen Wettkampf-Kendoka, der nicht mal wusste, wo sein Sport eigentlich herkam.

Wenn sich Deine Erfahrungen auf Dein Aikido beziehen, das erscheint mir ja (siehe anderen Kommentar) sehr orthodox; dieser Umgang ist nach meinen Erfahrungen aber bei weitem nicht selbstverständlich, insbesondere bei im Ausland unterrichtetem Budo.

Nachtrag: Hier ein Artikel zu Budo, der auch Kobudo erwähnt. Budo World ist ein Projekt der Uni Tsukuba - https://budo-world.taiiku.tsukuba.ac.jp/en/2017/02/02/%e6%ad%a6%e9%81%93%e3%81%a8%e3%81%af/

carstenm
29-03-2021, 12:46
Nochmal etwas zu Draeger und seiner Einteilung von Budo und Koryu.Hmmm ... meinst du wirklich budô und koryû? Ich bin der Meinung, daß Draeger eine grundlegende Unterscheidung von budô und bujutsu vorgenommen hat.
Und diese Unterscheidung dann sowohl in Bezug auf die koryû als Gliederungsprinzip angewandt hat: "Classical Bujutsu" und "Classical Budo".
Sowie auch auf die modernen Schulen: "Modern bujutsu and budô".


Allerdings finde ich seine Einteilung etwas zu dogmatisch. Besonders was das Budo angeht.Ich war der Ansicht, daß die inhaltliche Unterscheidung von budô und bujutsu, wie er sie vorgenommen hat, inzwischen allgemein als überholt gilt.


Auf den ersten oberflächlichen Blick ist Budo nämlich nicht immer so friedlich und die Philosophie steht im Vordergrund. "Im Ozean schwimmen Leichen im Wasser,
im Gebirge liegen Leichen im Gras,
wenn man stirbt
gelangt man in die Nähe des Kaiser zurück.
-
Dieses Gedicht drückt sehr gut die geistige Basis von budô aus."
Sugino Yoshio osensei in budô kyôhan im Abschnitt "Die Bedeutung und das Ziel von budô".


Da war Budo ebenso kriegerisch wie die Koryu.budô und koryû ist meiner Ansicht nach kein Gegesatzpaar: In einer koryû wird ein budô geübt. Und dieser Sprachgebrauch ist nicht erst modern, sondern im Gegenteil bereits sehr alt.
Ich habe irgendwo einen schönen Aufsatz, der die Synonymität von budô und bujutsu historisch untersucht und belegt ... oder ich hab den Aufsatz neulich entsort, als ich Dinge aus dem Haus geschafft habe, die mir nicht mehr wichtig erscheinen ...

... nebenbei bemerkt ... oben gings ja um's Japansiche ...
Wenn die Japanischen Lehrer, bei denen ich übe,von aikidô als einer tatsächlichen Kampf-Kunst sprechen und sich auf Aspekte beziehen, die einem Angreifer tatsächlich weh tun und nicht nur die eigene Erleuchtung fördern - wie z.B. ein Stich zum Kehlkopf - dann sprechen diese Lehrer von den "budô-Aspekten". Für die japanischen Lehrer, bei denen ich übe, ist "budô" also gerade das qualifizierte Leute verhauen, das Draeger dem bujutsu zugeordnet hatte.

JL..
29-03-2021, 12:51
Bei der letzten 'Europameisterschaft' im Shorinjikempo war ein japanischer Sensei mit dem Aufstehen und Hinsetzen seiner Gruppe (Shodan und Nidan) so unzufrieden, dass er sie das die gesamte Einheit (ich glaube 1,5–2h) hat üben lassen. Die waren zwar hinterher stinksauer über die kostbare Trainingszeit, aber er fand das eben wichtiger.
Das scheint mir auch im Gendai Budo nicht so unüblich zu sein …

carstenm
29-03-2021, 12:55
... war ein japanischer Sensei mit dem Aufstehen und Hinsetzen seiner Gruppe (Shodan und Nidan) so unzufrieden, …Bei uns ist das Bestandteil einer eigene Übung mit Partner ...

FireFlea
29-03-2021, 12:56
Bei der letzten 'Europameisterschaft' im Shorinjikempo war ein japanischer Sensei mit dem Aufstehen und Hinsetzen seiner Gruppe (Shodan und Nidan) so unzufrieden, dass er sie das die gesamte Einheit (ich glaube 1,5–2h) hat üben lassen. Die waren zwar hinterher stinksauer über die kostbare Trainingszeit, aber er fand das eben wichtiger.
Das scheint mir auch im Gendai Budo nicht so unüblich zu sein …

Geil, schickt den doch bitte mal durch die ganzen Karatevereine hier. :D

Tai_Eule
29-03-2021, 12:58
Bei der letzten 'Europameisterschaft' im Shorinjikempo war ein japanischer Sensei mit dem Aufstehen und Hinsetzen seiner Gruppe (Shodan und Nidan) so unzufrieden, dass er sie das die gesamte Einheit (ich glaube 1,5–2h) hat üben lassen. Die waren zwar hinterher stinksauer über die kostbare Trainingszeit, aber er fand das eben wichtiger.
Das scheint mir auch im Gendai Budo nicht so unüblich zu sein …

Hmm. Ich sehe das eher als Beleg dafür, dass im Training offensichtlich nicht genug wert darauf gelegt wurde, sonst hätten Shodan und Nidan ja nicht dieser Nachholschulung bedurft...

FireFlea
29-03-2021, 13:04
Hmm. Ich sehe das eher als Beleg dafür, dass im Training offensichtlich nicht genug wert darauf gelegt wurde, sonst hätten Shodan und Nidan ja nicht dieser Nachholschulung bedurft...

Ich sags nur im Karate - Katastrophe, was man da so sieht beim An- und Abgrüßen.

JL..
29-03-2021, 13:05
Geil, schickt den doch bitte mal durch die ganzen Karatevereine hier. :D :D :D



Hmm. Ich sehe das eher als Beleg dafür, dass im Training offensichtlich nicht genug wert darauf gelegt wurde, sonst hätten Shodan und Nidan ja nicht dieser Nachholschulung bedurft...Ja, man kann sich das natürlich zurechtdrehen wie man möchte. ;-)

Gast
29-03-2021, 13:05
Ich bin der Ansicht, dass zumindest in den Koryu einige dieser kulturellen Aspekte, aufgrund ihres Alters, den meisten modernen Japanern auch eher fremd sind: Man schaue sich mal die Krawallnasen und Großmäuler an, die als Begründer oder Meister von Stilen existierten.

Verstehe nicht was du damit sagen willst.


Wenn dem so ist, dann muss man, sofern man Daito-ryu als Koryu/Kobudo akzeptiert, zumindest das orthodoxe Aikido ebenfalls als solches ansehen.

Es gibt heut im Daito-ryû Richtungen, die genauso viel oder wenig "orthodox" sind wie modernes Aikido, sogar beide fast das Gleiche machen. Ich kenne einen japanischen Daito-Ryû Shihan, der Aikido und Daito-Ryû unterrichtet, beides sogar auf Seminaren mischt.

Wie gesagt, für mich, war Aikido immer eine "alte Schule" mit modernen Zügen natürlich, nicht an der Vergangenheit klammern, diese aber auch nicht "ausklammernd", Budô für heute, in der Gegenwart lebende Menschen. Man muss dafür weder orthodox noch sonst was sein.
Es gab einen Aikido-Lehrer der seine eigene Richtung begründet hat, und dort alles was mit "kämpfen" und "Samurai-Geist" zu tun hatte, konsequent raushalten wollte.
Wenn du allerdings dort im Dojô warst, wast du in einem japnischen Dojô, mit einem Lehrer der streng auf Etikette, Einhaltung bestimmter Regeln und Umgangsformen achtete, und von seiner Ausstrahlung immer noch mehr "Samurai" war als jeder europäische Koryû betreibende, jemand der auch nach dem "Ausstieg" aus dem Budô sehr, sehr gut mit einem Schwertt umgehen konnte, und wenn er gewollt hätte jederzeit in einen kämpferischen Modus hätte umschalten können. Er hat es aber einfach nicht mehr gewollt.
Man kann es sich nicht aufsetzen wie einen Hut. Entweder tut man die Dinge auf eine Weise, weil man so groß geworden ist, oder eben nicht.
Ich brauche dieses Label nicht, mir kommt es auf den Menschen an der mir da gegenübersteht, und was er repräsentieren kann.

carstenm
29-03-2021, 13:08
Hmm. Ich sehe das eher als Beleg dafür, dass im Training offensichtlich nicht genug wert darauf gelegt wurde, sonst hätten Shodan und Nidan ja nicht dieser Nachholschulung bedurft...Ach so, dann habe ich deine Aussage zur TSKSR oben mißverstanden. Denn das hattest du dann auch so gemeint, daß im katori Training offensichtlich nicht genug Wert darauf gelegt wurde?
Ich hatte es umgekehrt so interpretiert, daß du gerade ausdrücken wolltest, daß dort auf diese Aspekte Wert gelegt würde. Und so war dann auch meine Antwort gemeint.

Tai_Eule
29-03-2021, 13:52
Ach so, dann habe ich deine Aussage zur TSKSR oben mißverstanden. Denn das hattest du dann auch so gemeint, daß im katori Training offensichtlich nicht genug Wert darauf gelegt wurde?
Ich hatte es umgekehrt so interpretiert, daß du gerade ausdrücken wolltest, daß dort auf diese Aspekte Wert gelegt würde. Und so war dann auch meine Antwort gemeint.

Ja, man kann sich das natürlich zurechtdrehen wie man möchte. ;-)
Unabhängig davon, dass FireFlea's Einwurf deutlich macht, dass das scheinbar im Training hier nicht so eine große Rolle spielt, verstehe ich natürlich, was ihr beide meint. Offensichtlich wurde hier mein eigener Bias deutlich.
Carsten, ich meinte schon, dass TSKSR darauf wert legt und sah das explizite Üben als Korrektur im Training von (noch nicht fortgeschrittenen) Schülern; zumal der, der mir das erzählte zu dem Zeitpunkt in den Kyu-Graden war. Also ähnlich, wie nach Beobachtungen das Leute Probleme mit anderen Basics haben, diese eben für alle intensiv wiederholt werden. Mein Eindruck war auch, dass sich da keiner besonders dran gestört hat. Dem gegenüber hatte ich JL so gelesen, dass hier während eines Wettkampfes bei Leuten, die es längst besser können sollten (Shodan/Nidan) ein Defizit (aus Sicht des japanischen Lehrers) aufgefallen ist, was noch vor Ort korrigiert werden musste und das zum Unmut der Betroffenen. Wenn ich jetzt so drüber nachdenke, habe ich Dinge in beide Situationen interpretiert, die so nicht unbedingt da sind.

Tai_Eule
29-03-2021, 14:05
Verstehe nicht was du damit sagen willst. Ein Auffallen in der beschriebenen Art stößt auf sehr viel Gegenwind in der modernen japanischen Gesellschaft; die Betonung von "Bescheidenheit" ist doch eine deutlich andere, meiner Wahrnehmung nach. War das mit dem "abunai" denn wenigstens verständlicher?


... , mir kommt es auf den Menschen an der mir da gegenübersteht, und was er repräsentieren kann.
Volle Zustimmung.

JL..
29-03-2021, 14:17
[…] Dem gegenüber hatte ich JL so gelesen, dass hier während eines Wettkampfes bei Leuten, die es längst besser können sollten (Shodan/Nidan) ein Defizit (aus Sicht des japanischen Lehrers) aufgefallen ist, was noch vor Ort korrigiert werden musste und das zum Unmut der Betroffenen. Wenn ich jetzt so drüber nachdenke, habe ich Dinge in beide Situationen interpretiert, die so nicht unbedingt da sind.Ich habe das vielleicht auch nicht ausführlich genug dargestellt: Warum der Sensei genau in der Situation genau das so gemacht hat, anstatt der Techniken, die in der Einheit auf dem Programm standen – es war Teil des Lehrganges nach dem Turnier, also nicht zwingend direkt darauf bezogen – weiß ich nicht.
Ich war selbst in der Gruppe Sandan and above, wo gleichzeitig sämtliche Sensei extrem darauf eingegangen sind, wie enttäuscht sie von der Yondan-Gruppenprüfung am Vorabend waren und (auch wieder abweichend vom vorgesehenen Programm), mit uns die gröbsten Fehler daraus durchgingen. Vielleicht zum Vergleich ganz erhellend … :-)

Gast
29-03-2021, 14:23
Ein Auffallen in der beschriebenen Art stößt auf sehr viel Gegenwind in der modernen japanischen Gesellschaft; die Betonung von "Bescheidenheit" ist doch eine deutlich andere, meiner Wahrnehmung nach. War das mit dem "abunai" denn wenigstens verständlicher?


Habs verstanden, aber das ist doch bei uns nicht anders. Wer ist denn hier wirklich risikobereit?

Gast
29-03-2021, 14:25
Wenn die Japanischen Lehrer, bei denen ich übe,von aikidô als einer tatsächlichen Kampf-Kunst sprechen und sich auf Aspekte beziehen, die einem Angreifer tatsächlich weh tun und nicht nur die eigene Erleuchtung fördern - wie z.B. ein Stich zum Kehlkopf - dann sprechen diese Lehrer von den "budô-Aspekten". Für die japanischen Lehrer, bei denen ich übe, ist "budô" also gerade das qualifizierte Leute verhauen, das Draeger dem bujutsu zugeordnet hatte.

Solche begriffliche Trennung kenne ich nicht aus unserem Aikido.

ryoma
29-03-2021, 15:20
Habs verstanden, aber das ist doch bei uns nicht anders. Wer ist denn hier wirklich risikobereit?

Risikobereitschaft (allgemein gesprochen) und die sehr typische "Abunai Culture" Japans sind zwei unterschiedliche Dinge.

carstenm
29-03-2021, 18:43
Offensichtlich wurde hier mein eigener Bias deutlich. ...Danke für ausführliche und offene Erläuterung!

Gast
29-03-2021, 21:39
Risikobereitschaft (allgemein gesprochen) und die sehr typische "Abunai Culture" Japans sind zwei unterschiedliche Dinge.


Was hat Risikoaversion mit Pop-kultur zu tun?

carstenm
30-03-2021, 19:32
@carstenM: Vielen Dank für diese sehr interessante Zusammenfassung! Für mich entsteht insgesamt der Eindruck, dass es damit beim (ich nenne es jetzt mal in Ermangelung eines besseren Begriffs) orthodoxen Aikido, also jenes, das sich so nah wie möglich an Ueshiba Lehren hält, eigentlich um einen Zweig des Daito-ryu handelte. Spätere Lehrlinien/Abspaltungen des Aikido haben sich dann mehr oder minder weit hiervon entfernt. Habe ich das so einigermaßen richtig verstanden?Ja, jedenfalls insofern das meine Sicht der Dinge, bzw. meine Erfahrung in Bezug auf das Üben von aikidô ist.

Das, was du mit der Fomulierung "orthodoxes aikidô" bezeichnest, verbinde ich dabei zudem ganz konkret mit dem aikidô der Schule der Familie Ueshiba, also dem aikikai mit honbu in Tokyo. (Die Schule, von deren Zeremonie und embu am aiki Schrein ich das Video gepostet hatte.) Interessanterweise gibt es in Deutschland gar nicht so viele Verbände, die direkt, unmittelbar mit dem aikikai verbunden sind. Damit meine ich, daß sie z.B. einem shihan des honbu unterstehen, daß die Graduierungen direkt vom honbu ausgestellt werden und dergleichen Dinge mehr. (@ Inryoku: Ich meine das gilt im strengen Sinne tatsächlich nur für deinen und meinen Verein?) Es gibt darüberhinaus noch Verbände, die in Abstufungen dem aikikai assoziiert sind. Aber ich glaube, es ist inzwischen die Mehrzahl der Übenden, die keinen Kontakt mehr nach Japan hat und der Verständnis von Aikido sich entsprechend verselbständigt hat.

Innerhalb des aikikai ist das Thema beileibe nicht unumstritten.
Es gab und gibt eine Strömung, die aikidô als eine ureigene, neue Kunst versteht und etablieren möchte. Und das auch in der technischen Umsetzung ausdrückt. (Und die u.a. Daito Ryu Schriftzüge aus Bildern herausretouschiert hat oder Texte verändert hat ...)
Und es gab und gibt eine Strömung der die Verbindung mit dem Herkommen wichtig ist.
Und es gibt die produktive Auseinandersetzung darüber, die in der Schule gewissermaßen seit jeher geführt wird.

Disclaimer:
Auch das aikidô des Yoshinkai und der Iwama ryû fallen ganz deutlich in den Bereich, den die Bezeichnung "orthodoxes Aikido" beschreiben möchte.

Insofern bin ich der Ansicht, daß die Bezeichnung "orthodoxes Aikido" nicht eine willkürliche Gruppe von Übenden bezeichnet, sondern lediglich ein anderer Begriff ist für das aikidô konkreter Schulen.

Gast
30-03-2021, 20:30
@ Inryoku: Ich meine das gilt im strengen Sinne tatsächlich nur für deinen und meinen Verein?

So gesehen würde es dann auch für den TAVD (Evenas) und Shinki-Rengo (Nakajima) zutreffen.

Watanabe war auch eine Zeitlang hier aktiv, aber der ist ja vorletztes Jahr verstorben.

ryoma
30-03-2021, 20:42
Was hat Risikoaversion mit Pop-kultur zu tun?

Popkultur? Keine Ahnung, was du meinst.

Wenn man nicht längere Zeit in Japan gelebt hat, wird man tatsächlich gewisse Probleme haben, dieses Phänomen zu verstehen.
Diese "Gefahren- bzw. Bedrohungs-Kultur" hat sich in allen Lebensbereichen ausgebreitet. Nahezu alles wird häufig mit einer echten (jedoch meist nur eingebildeten) Gefahr assoziiert. Ganz egal ob das nun Aufzüge, Rolltreppen, Toiletten, Eingänge, Ausgänge, Zugtüren, Autotüren, Fahrräder oder Disneyland etc. sind (und hier nenne ich nur mal die "üblichen Verdächtigen").
Dazu gibt es dann die obligate Dauerbeschallung via Durchsagen und die in roter Schrift angebrachten あぶない (abunai)- Schilder und Aufkleber. Selbstverständlich in Hiragana geschrieben, damit es auch schon die Kleinsten lesen können. Und ja, von Waffen, Kami bewahre, hab ich noch gar nicht gesprochen.

Allerdings hat das Ganze eine andere Qualität wie z.B. in den USA, wo ja die Warnhinweise (Katze nicht in der Mikrowelle trocknen, Heisser Kaffee ist wirklich heiss etc.) dazu dienen, um vor exorbitanten Schadensersatzforderungen verschont zu bleiben.
In Japan geht es ja eigentlich nur darum, dem oder den "Anderen" möglichst keine Unannehmlichkeiten zu bereiten (oder noch schlimmer, sie zu nötigen, einem zu helfen…).

Ich kann und möchte das ganze Phänomen hier auch nicht weiter ausbreiten. Aber auch als vernünftiger Ausländer, der sich möglichst normal im japanischen Alltag verhalten will, kommt man ganz schnell in dieses Fahrwasser.

Selbst nach über zwanzig Jahren Ehe mit einer Japanerin (davon über 15 Jahre in der Schweiz) bin ich immer wieder mal überrascht, welche "Gefahren" sie erkennt. Und sie ist keine ängstliche Person und ist zudem sehr "westlich". But hey, it's the culture, stupid! :D

Vielleicht schreibe ich dazu mal einen Artikel auf meinem Blog, da es offenbar ein Aspekt ist, den viele im Westen so nicht kennen.

Und ja, ich weiss: Ausnahmen von der Regel gibts immer mal.

Gast
30-03-2021, 21:26
Popkultur? Keine Ahnung, was du meinst.


Das war so die erste Assoziation, Anime und Manga Events...die laufen hier gerne unter dem label "Abunai!"


Diese "Gefahren- bzw. Bedrohungs-Kultur" hat sich in allen Lebensbereichen ausgebreitet. Nahezu alles wird häufig mit einer echten (jedoch meist nur eingebildeten) Gefahr assoziiert. Ganz egal ob das nun Aufzüge, Rolltreppen, Toiletten, Eingänge, Ausgänge, Zugtüren, Autotüren, Fahrräder oder Disneyland etc. sind (und hier nenne ich nur mal die "üblichen Verdächtigen").
Dazu gibt es dann die obligate Dauerbeschallung via Durchsagen und die in roter Schrift angebrachten あぶない (abunai)- Schilder und Aufkleber.

Kommt mir alles bekannt vor, ich bin als Kind oft mit dem Zug gefahren, und habe ich mich wegen der Warnschilder nicht getraut aus dem Fenster zu gucken, aber ich habe so Italienisch, Französisch und Englisch gelernt:

e periculoso sporgersi
Ne pas se pencher au dehors
It is dangerous to lean out


Auf Rolltreppen wurde ich auch immer ermahnt. Vielleicht war nur meine Mutter so ängstlich, aber alleine ins Flugzeug hat sie mich dann doch gesteckt, dafür bin ich dann aber auch mit 7 Jahren auf dem Flughafen Tempelhof verloren gegangen.

Ich verstehe allerdings was du meinst, aber ich beobachte hierzulande ähnliche Phänomene, Kinder sollen aus Angst der Eltern nicht mehr alleine zur Schule gehen und werden mit dem SUV bis vor die Schultür gefahren, und ähnliches, das ist aber dieses individiuelle Helikopter-Gehabe, damit geht aber auch einher, dass Kinder immer weniger lernen, auch Risiken eingehen zu dürfen.

carstenm
30-03-2021, 21:26
So gesehen würde es dann auch für den TAVD (Evenas) und Shinki-Rengo (Nakajima) zutreffen.Nakajima sensei ist - soweit ich weiß - nicht shihan. D.h. Shinki-Rengo ist zwar vom akikai anerkannt. Aber vergibt z.B. eigene Graduierugen, die man vom aikikai anerkennen lassen kann, wenn man möchte. Es sind aber nicht sofort und per se Graduierungen des aikikai. (So wie das bei dir oder mir der Fall ist.) Eine solche selbständige Vereinigung, die dem aikikai assoziiert ist, hat aus Sicht des honbu einen anderen Status, als eine Gruppe von Schülern eines aikikai shihan.
Für den TVAD weiß ich's schlicht nicht.
Aber für den FDAV, also die Schüler von Tamura sensei, bzw. jetzt Suga sensei gilt das ebenfalls nicht.


Watanabe war auch eine Zeitlang hier aktiv, aber der ist ja vorletztes Jahr verstorben.Richtig. Watanabe sensei hat auf diese unmittelbare Verbindung zum hombu offenbar sehr viel Wert gelegt.
Und sein kihon waza fällt außerordentlich definitivstens unter das, was Tai-Eule "orthodox" genannt hat. ... weswegen sich Ulf - unter anderem - dort auch so gut aufgehoben gefühlt hat.

Gast
30-03-2021, 21:38
Für den TVAD weiß ich's schlicht nicht.


Die haben eine Prüfungskommission, ich glaube das läuft ähnlich wie bei euch, ab 4. (oder 5.) Dan geht's dann über Evenas, der ist aber definitiv Shihan des Aikikai.
Nakajima ist dann aber wohl Shihan des Bokuyokan zumindest.

ryoma
30-03-2021, 22:23
...Ich verstehe allerdings was du meinst, aber ich beobachte hierzulande ähnliche Phänomene, Kinder sollen aus Angst der Eltern nicht mehr alleine zur Schule gehen und werden mit dem SUV bis vor die Schultür gefahren, und ähnliches, das ist aber dieses individiuelle Helikopter-Gehabe, damit geht aber auch einher, dass Kinder immer weniger lernen, auch Risiken eingehen zu dürfen.

Stimmt, Helikopter-Eltern bei uns ist durchaus vergleichbar, aber wie du sagst, ist das eher auf individueller Ebene angesiedelt. In Japan ist es eben eher institutionalisiert.

Gast
31-03-2021, 06:59
Noch ein kleiner Nachtrag, manchmal sieht man ja den Wald vor lauter Bäumen nicht:

Mir ist gerade aufgefallen, dass die ganzen Koryû in großen japanischen großen Sammlungen wie dem Nihon budô taikei oder Nihon budô zenshû erfasst und dann einfach unter kenjutsu, sôjutsu etc. beschrieben werden. Bei den dickeren Einzelbänden zur Kampfkunst-Historie findet sich wenn dann noch kobudô. Koryû habe ich bei einer japanischen Amazon-Suche nur mit Bezug aufs Jujutsu, also Koryû-jûjutsu gefunden. In Japan scheint mir der Begriff zumindest hinsichtlich der Behandlung in den Büchern eher selten vorzukommen und man die entsprechenden Schulen einfach unter Budô oder Kobudô zu versammeln. Das Nihon budô jiten von Sasama Yoshihiko hat zum Beispiel auch gar keinen Eintrag dazu.

ryoma
31-03-2021, 07:42
Noch ein kleiner Nachtrag, manchmal sieht man ja den Wald vor lauter Bäumen nicht:

Mir ist gerade aufgefallen, dass die ganzen Koryû in großen japanischen großen Sammlungen wie dem Nihon budô taikei oder Nihon budô zenshû erfasst und dann einfach unter kenjutsu, sôjutsu etc. beschrieben werden. Bei den dickeren Einzelbänden zur Kampfkunst-Historie findet sich wenn dann noch kobudô. Koryû habe ich bei einer japanischen Amazon-Suche nur mit Bezug aufs Jujutsu, also Koryû-jûjutsu gefunden. In Japan scheint mir der Begriff zumindest hinsichtlich der Behandlung in den Büchern eher selten vorzukommen und man die entsprechenden Schulen einfach unter Budô oder Kobudô zu versammeln. Das Nihon budô jiten von Sasama Yoshihiko hat zum Beispiel auch gar keinen Eintrag dazu.

Ich denke, dass macht auch durchaus Sinn. Koryû (古流) als Begriff ist ja erst mal vollkommen neutral. Und umgangssprachlich wird er manchmal auch benutzt im Sinne von "etwas ist altmodisch".

Leider habe ich das Bugei Ryûha Daijiten von Watatani nicht zur Hand. Kommt der Begriff dort vor, oder wird durchgehend Ryûha verwendet?

Gast
31-03-2021, 08:25
Ich denke, dass macht auch durchaus Sinn. Koryû (古流) als Begriff ist ja erst mal vollkommen neutral. Und umgangssprachlich wird er manchmal auch benutzt im Sinne von "etwas ist altmodisch".


Insofern könnte man vielleicht sagen: Jede Koryû ist (ein) Budô, aber nicht jedes Budô ist (eine) Koryû.



Leider habe ich das Bugei Ryûha Daijiten von Watatani nicht zur Hand. Kommt der Begriff dort vor, oder wird durchgehend Ryûha verwendet?

Da wird eigentlich nur der Name (z. B. Katori-Shintô-Ryû) angeführt, und dann in einer Klammer welcher Bereich/Gattung (z. B. Schwert, Shuriken, Reiten, Bogen etc.).

ryoma
31-03-2021, 08:40
Insofern könnte man vielleicht sagen: Jede Koryû ist (ein) Budô, aber nicht jedes Budô ist (eine) Koryû.

Sorry, ich hätte es etwas besser ausführen sollen.
Die Bezeichnung Koryû hat ja zuerst mal nichts mit Kampfkunst an sich zu tun. Der Begriff wird (in Japan) eben auch anderweitig benutzt.
Aber ja, deine Kurzdefinition ist sicher eine mögliche Herangehensweise.

Gast
31-03-2021, 08:42
Und noch ein kleiner Nachtrag: Das Nihon no kobudô von Yokose Tomoyuki behandelt 30 bzw. 29 klare Koryû-Stile, wobei unter den Jûjutsu-Stilen auch Daitô-Ryû Aiki-Jûjtsu dabei ist. (Das Buch ist quasi das Pendant zum Nihon no budô, welches an Stilen Judo, Kendô, Kyûdô, Sumo, Karate-dô, Aikidô, Shorinji-Kempô, Naginata und Jûkendô behandelt. Gerade beim Sumo scheint mir eine Zuordnung sowohl in die eine als auch die andere Gruppe irgendwie problematisch...)

karate_Fan
31-03-2021, 08:51
Sorry, ich hätte es etwas besser ausführen sollen.
Die Bezeichnung Koryû hat ja zuerst mal nichts mit Kampfkunst an sich zu tun. Der Begriff wird (in Japan) eben auch anderweitig benutzt.
Aber ja, deine Kurzdefinition ist sicher eine mögliche Herangehensweise.

Ja das vergessen die Leute immer die sich nicht mit der japanischen Sprache beschäftigen.

Also Japanisch Lernender interessiert mich die Bedeutung das Wortes aber auch abseits des KK Spektrums.

Koryu ohne KK Kontext kann einfach als alte Strömung übersetzen oder was wäre die wörtliche Übersetzung davon?


@Inyroku Danke für das Video.

Und nochmal danke an @Ryoma und Carsten für das genaue Eingehen auf meine Theorie.

JL..
31-03-2021, 10:18
Vielleicht schreibe ich dazu mal einen Artikel auf meinem Blog, da es offenbar ein Aspekt ist, denn viele im Westen so nicht kennen. Gute Idee!

Gast
31-03-2021, 11:39
Richtig. Watanabe sensei hat auf diese unmittelbare Verbindung zum hombu offenbar sehr viel Wert gelegt.
Und sein kihon waza fällt außerordentlich definitivstens unter das, was Tai-Eule "orthodox" genannt hat. ...


Das kann ich nicht beurteilen, da ich ihn nie gesehen habe.
Ich kenne nur nur seine Lehrvideos die auf dem Kanal seiner deutschen Schüler ansehen kann, und da sieht man jedenfalls kein Kihon.

Die Hände bei tenchinage in Gebetshaltung zusammenzubringen wie er das zeigt, ist jedenfalls kein Kihon, was in Iwama oder Aikikai als Kihon unterrichtet wird.

carstenm
31-03-2021, 11:54
In Japan scheint mir der Begriff zumindest hinsichtlich der Behandlung in den Büchern eher selten vorzukommen und man die entsprechenden Schulen einfach unter Budô oder Kobudô zu versammeln.Meine eigenen Kenntnisse und Erfahrungen sind ja deutlich limitiert. Aber das - daß die Schulen zwar gelistet werden, aber der Begriff "koryû" dabei weder verwandt, noch gar definiert wird - ist einer der Aspekte, der m.E. auf die unterschiedliche Benutzung und vor allem auch die Auffüllung mit Bedeutung dieses Begriffes außerhalb Japans hinweist. Nach meinem - natürlich limitierten - Eindruck, scheint das Label "koryû" außerhalb Japans bedeutsamer zu sein, weil es von außen betrachtend definiert werden muß. Während es aus der Binnenperspektive eher bauchgefühlt zugeordnet werden kann.

Ein Beispiel scheint mir die Einordnung der Schwertarbeit von Inaba Minoru sensei. Während dieses Thema in den USA oder Europa zuweilen unter der Frage diskutiert wurde, "ob das noch koryû sei", ging es in der Binnenperspektive darum überhaupt nicht.


Insofern könnte man vielleicht sagen: Jede Koryû ist (ein) Budô, aber nicht jedes Budô ist (eine) Koryû.Ich denke nicht. Ich hatte ja oben mal erwähnt, daß die Bezeichnung "koryû" auch in Bezug auf z.B. Tee, Töpferei, Theater oder Tuschemalerei verwendet wird.

Zudem, was die Sprache anbelangt:
Eine koryû ist doch nicht ein budô?
Sondern - meiner Ansicht nach: In einer koryû wird ein budô unterrichtet. ... oder Töpferei, Tee, Tusche, Tanz ...


Koryu ohne KK Kontext kann einfach als alte Strömung übersetzen oder was wäre die wörtliche Übersetzung davon?Ich übersetze "ryû" in diesem Kontext mit "Schule". Also auch konkret mit verfaßter Schule, wie z.B. TSKSryû
"Strömung" ist mir zu offen, zu weit. "Stil" beziehe ich in diesem Zusammenhang eher auf eine bestimmte Lehrlinie innerhalb einer Schule.

"ko" übersetze ich in diesem Kontext mit "traditionell". Darin klingt für mich der Aspekt der formalisierten und definierten Weitergabe mit. Wie auch die Anbindung an historische Wurzeln, also die diachrone Tradierung von Wissen, bzw. Erfahrung.

Wenn also in einer koryû ein kobudô unterrichtet wird, übersetze ich: In einer traditionellen Schule wird ein altes budô unterrichet.

carstenm
31-03-2021, 12:03
Das kann ich nicht beurteilen, da ich ihn nie gesehen habe.
Ich kenne nur nur seine Lehrvideos die auf dem Kanal seiner deutschen Schüler ansehen kann, und da sieht man jedenfalls kein Kihon.Ulf hat bei ihm in Japan geübt. Beides kihon mit Anfassen ... und auch "das Andere" ...
Ich habe zudem japanische Schüler von ihm kennengelernt, die zu der Zeit in Deutschland gelebt haben, und die bei ihm bis dahin ausschließlich kihon geübt hatten.


Die Hände bei tenchinage in Gebetshaltung zusammenzubringen wie er das zeigt, ist jedenfalls kein Kihon, was in Iwama oder Aikikai als Kihon unterrichtet wird.Nein. Das ist eine Übungsform.
Leider werden - so scheint es mir jedenfalls - diese Übungsformen und auch seine kontaktlose Arbeit von Schülern hier in Deutschland als "sein aikidô" verstanden. Das ist halt das, was anders ist als bei den Lehrern, von denen sie herkkommen. Daß da bei Watanabe sensei ein ganz klares, "orthodoxes" kihon zugrunde liegt, diesen Schritt überspringen sie. Ohne den bleiben aber m.E. seine luftigen Sachen einfach "leer". Oder sie füllen es mit dem, was sie bei ihrem vorigen Lehrer gelernt haben. Und dann paßt das nicht wirklich zusammen.
Das jedenfalls ist mein Eindruck.

ryoma
31-03-2021, 12:13
...
Ich übersetze "ryû" in diesem Kontext mit "Schule". Also auch konkret mit verfaßter Schule, wie z.B. TSKSryû
"Strömung" ist mir zu offen, zu weit. "Stil" beziehe ich in diesem Zusammenhang eher auf eine bestimmte Lehrlinie innerhalb einer Schule.

"ko" übersetze ich in diesem Kontext mit "traditionell". Darin klingt für mich der Aspekt der formalisierten und definierten Weitergabe mit. Wie auch die Anbindung an historische Wurzeln, also die diachrone Tradierung von Wissen, bzw. Erfahrung.

Also: Die Kun-Lesung des Kanji für "ryû" lautet "nagare" oder "nagareru". Und das ist nun mal ganz simpel "fliessen".
Beispiel: Rheingawa wa Basel o nagareteiru. (Ich lass jetzt mal die Kanji/Hiragana sein). Der Rhein fliesst durch Basel.

Dieses fliessen bezieht sind nicht nur auf Wasser etc. sondern auch z.B. auf Zeit. Ebenso kann es die Beudeutung von "ausbreiten" oder "verbreiten" haben.

Cam67
31-03-2021, 12:23
Einer der schönsten Threads hier in letzter Zeit , für mich. Danke euch allen

Gast
31-03-2021, 12:24
@Carsten und Ryoma
Mein kleines "Jede Koryû ist (ein) Budô, aber nicht jedes Budô ist (eine) Koryû." war ja nur eine Spielerei mit den Begriffen, natürlich unter der nicht genannten Prämisse, dass ich mich jetzt nur auf KK-Koryû beziehe. Dabei erfolgt dann quasi eine Umkehrung dessen, was wir vorher schon mal hatten; nämlich steigt Budô zum allgemeineren Begriff auf, und Koryû sind einfach eine Teilmenge des Budô (der für die gesamte irgendwie geartete japanische KK-Tradition steht, wie eben z. B. in den großen beiden Reihen NBT und NBZ).

Wie gesagt schien mir nach einer ersten nur ganz kurzen Recherche (https://kotobank.jp) das japanische Koryû als Bezeichnung für eine Tradition auf eine Ikebana-Schule der Edo-Zeit zurückzugehen (https://kotobank.jp/word/古流-66541). Jetzt müsste man mal in den größeren Lexika zu einer Begriffshistorie schauen, wenn man da weiter werkeln will :-)

carstenm
31-03-2021, 12:34
Also: Die Kun-Lesung des Kanji für "ryû" lautet "nagare" oder "nagareru". ... Je nun ... das ist mir wohl bewußt. Ich habe ja nicht die lexikalische Bedeutung dargestellt. Die ist ja unstrittig?
Sondern ich habe meine übersetzerische Entscheidung dargelegt.

Gast
31-03-2021, 12:37
Ich vermute mal, dass es dann auch "Strömung" bedeuten kann...

Übersetzerische Entscheidungen sind ja nicht endgültig.


Daß da bei Watanabe sensei ein ganz klares, "orthodoxes" kihon zugrunde liegt, diesen Schritt überspringen sie.

Ja nun, wenn er es denn nicht zeigt, können sie diesen Schritt ja nicht machen. Wenn er es gezeigt hätte, dann wüssten sie es doch?
Ich kenne das ja, dass bei uns auch manchmal Dinge vermischt werden, und von einigen Leuten Dinge die eigentlich Übungsformen sind als Aikido gezeigt werden, aber den Leuten die da Verantwortung für die Weitergabe der richtigen Formen haben, also Shidoin und solche Leute, denen ist das mittlerweile eigentlich klar, hoffe ich zumindest.

ETARAK
31-03-2021, 12:42
Einer der schönsten Threads hier in letzter Zeit , für mich. Danke euch allen

Da schließe ich mich mal an - obwohl ihr Euch ein wenig vom Shu Ha Ri Thema entfernt habt, ein sehr schöner gelungener Austausch!

carstenm
31-03-2021, 12:50
... obwohl ihr Euch ein wenig vom Shu Ha Ri Thema entfernt habt ... :o ... stimmt ... so hat's mal angefangen ... einstmals ...

carstenm
31-03-2021, 13:03
Ich vermute mal, dass es dann auch "Strömung" bedeuten kann...Natürlich kann es das.
Aber ich bin der Ansicht, daß es auch in anderen Fachbereichen tatsächlich dasselbe meint, wie im Kontext von budô, nämlich nicht eine einfach nur alte, aber unstrukturierte, allgemeine Stömung, sondern eine den Fluß durch die Zeit, wie er eingefaßt in einer konkreten und eben traditionellen Schule fließt.

Diese Benutzung des Begriffes erlebe ich in Bezug auf Tee, Tusche, Töpferei ganz ausdrücklich.

Drum würde ich ryû dort, wo das möglich ist, eher konkret mit "Schule" als allgemein mit "Strömung" übersetzen.


Übersetzerische Entscheidungen sind ja nicht endgültig.Natürlich nicht. Und vor allem bleibt sie ja - im Rahmen der lexikalischen Korrektheit - immer auch eine subjektive Entscheidung.




Ja nun, wenn er es denn nicht zeigt, können sie diesen Schritt ja nicht machen. Wenn er es gezeigt hätte, dann wüssten sie es doch?
Ich kenne das ja, dass bei uns auch manchmal Dinge vermischt werden, und von einigen Leuten Dinge die eigentlich Übungsformen sind als Aikido gezeigt werden, aber den Leuten die da Verantwortung für die Weitergabe der richtigen Formen haben, also Shidoin und solche Leute, denen ist das mittlerweile eigentlich klar, hoffe ich zumindest.Naja, Watanabe sensei war relativ alt schon ... und die Schüler, die ihn hierher eingeladen haben, relativ hoch graduiert schon ... ich denke, die meinten nicht, noch einmal ikkyô kihon no kata lernen zu müssen, sondern gleich mit den "Besonderheiten" anfangen zu können. Vielleicht.

Im dôjô von Watanabe sensei gab es "früher", soweit ich weiß, ganz deutlich unterschieden Klassen, in denen diese unterschiedlichen Dinge getrennt geüb wurden.

Tai_Eule
31-03-2021, 13:46
Meine eigenen Kenntnisse und Erfahrungen sind ja deutlich limitiert. Aber das - daß die Schulen zwar gelistet werden, aber der Begriff "koryû" dabei weder verwandt, noch gar definiert wird - ist einer der Aspekte, der m.E. auf die unterschiedliche Benutzung und vor allem auch die Auffüllung mit Bedeutung dieses Begriffes außerhalb Japans hinweist. Nach meinem - natürlich limitierten - Eindruck, scheint das Label "koryû" außerhalb Japans bedeutsamer zu sein, weil es von außen betrachtend definiert werden muß. Während es aus der Binnenperspektive eher bauchgefühlt zugeordnet werden kann.

Ein weiterer Aspekt wird sicherlich sein, dass koryu (im Japanischen) nicht aussagekräftig genug ist, da es sich ja auf (alle?) traditionellen Künste beziehen kann. Im Westen ist dieser Begriff denke ich zunächst ausschließlich auf KK bezogen geprägt worden. Das erklärt dann auch die sich bei vielen westlichen Autoren befindliche Klarstellung, dass koryu und kobudo quasi Synonym seien. Korrekter müsste es dann vielleicht heißen: Was im Westen als "koryu" bezeichnet wird, wird in Japan "kobudo" genannt.

Die Zuordnung zu kobudo erfolgt, auch in den akademischen Kreisen in Japan, am häufigsten an der Altersgrenze. Quellen hatte ich hier ja schon genannt. Die beiden großen Dachverbände für koryu budo (so umstritten sie auch sind) heißen ja auch Nihon Kobudō Kyokai und Nihon Kobudō Shinkōkai.


Wenn also in einer koryû ein kobudô unterrichtet wird, übersetze ich: In einer traditionellen Schule wird ein altes budô unterrichet. Das fängt den Grundgedanken ganz gut ein, denke ich. Die weitere Diskussion würde sich dann halt um das "traditionelle" drehen, was wir hier ja auch am Beispiel Aikido schon hatten. Da zeichnete sich für mich auch eine (fließende) Abstufung ab, wie viel sich die einzelnen Linien an der Tradition orientieren.

Gast
31-03-2021, 14:52
Also sind wir bei: Alle Kobudô sind Koryû, aber nicht alle Koryû sind Kobudô; und alle Kobudô sind Budô, aber nicht alle Budô sind Koryû/Kobudô. :-)

Nochmal zum Sumo: Budô? Kobudô? Zwitter oder sonst was?

Gast
31-03-2021, 15:04
Nochmal zum Sumo: Budô? Kobudô? Zwitter oder sonst was?

Sumo ist auf jeden Fall seehr Ko... wenn es denn wirklich auf eine mythische, im Nihonshoki genannte Kampfkunst Tegoi zurückgeht (auf die ja auch Daito ryu zurückgehen soll)

Gast
31-03-2021, 15:11
ich denke, die meinten nicht, noch einmal ikkyô kihon no kata lernen zu müssen

ikkyô kihon no kata...wer diesen Begriff wohl geprägt hat? zur Zeit Ueshibas, bzw. in der Zeit in der auch Sugino Sensei angefangen hat, gab es kein ikkyô kihon no kata.
Es gab die Technigruppen des hiden mokuroku, und die entsprechende Technik in der Ikkajo heißt dort ippon dori. Diese entspricht aber nicht der heutigen Form.
Diese Nomenklatur, und die Ausformung der Technik wie sie heute unterrichtet wird, stammt doch vom 2. Doshu wenn ich mich nicht irre. Andere, ältere Bezeichnungen, wie sie z.B. von Noquet benutzt wurden, waren u.a, ude osae, oder bei Saito später Dai-Ikkyo.
Ikkyô kihon no kata ist bei uns nie als Bezeichnung verwendet worden, auch nicht von Tada, oder sonst jemandem aus dieser Riege.


nämlich nicht eine einfach nur alte, aber unstrukturierte, allgemeine Stömung, sondern eine den Fluß durch die Zeit

Warum soll eine Strömung unstrukturiert sein?

Gast
31-03-2021, 15:18
Sumo ist auf jeden Fall seehr Ko... wenn es denn wirklich auf eine mythische, im Nihonshoki genannte Kampfkunst Tegoi zurückgeht (auf die ja auch Daito ryu zurückgehen soll)

Ja, ko ist es in jedem Fall (und ich denke weitaus besser und länger bestätigt als Daitô-Ryû). Aber vom Erscheinungsbild (und den Zielsetzungen? zum Teil bestimmt...) ist es halt ganz eigen, und wie gesagt, im Nihon no kobudô ist zwar Daitô-Ryû drin, aber Sumo ist im Nihon no budô aufgenommen.

Gast
31-03-2021, 15:23
Ist halt die Frage ob Sumo eher als Shinto-Ritual oder als alte Kriegs-/Kampfkunst aufgefasst wird. Heute ist es ja eher Ritual, während es im Westen schon in Richtung Kampfsport geht.

Gast
31-03-2021, 15:28
Ist halt die Frage ob Sumo eher als Shinto-Ritual oder als alte Kriegs-/Kampfkunst aufgefasst wird. Heute ist es ja eher Ritual, während es im Westen schon in Richtung Kampfsport geht.

Hm wie meinst du das? Gibt es überhaupt eine nennenswerte westliche Sumo-Szene? Ist es in Japan nicht eigentlich zwar sehr rituell, aber auch sehr wettkampfmäßig durch die Ligen etc.?

Gast
31-03-2021, 15:36
Hm wie meinst du das?

Ich meine das als Abgrenzung zu einer möglichen Vergangenheit als Kriegskunst im Sinne eines Budô, klar ist es auch Volkssport, aber eben mit sehr streng rituellem Charakter.
Im Westen gibt es eine Sumo-Szene, aber wie bedeutend die ist kann ich nicht sagen.

Tai_Eule
31-03-2021, 15:43
Sumo in Japan ist mit Ritual aufgeladener Wettkampfsport, meiner Ansicht nach. Soweit mir bekannt, wird Sumo in Japan zu den gendai budo gezählt. Spekulativ liegt das daran, dass die mehr oder minder endgültige Formalisierung erst Ende des 19 Jhdts. erfolgte. Die Formalisierung als Merkmal zu nehmen, bietet sich insbesondere bei waffenlosen Künsten an, da man sonst sehr weit in der Menschheitsgeschichte zurückgehen kann: Waffenlose Auseinandersetzungen mit Ringen dürfte so einer der ersten physischen Gewaltmittel gewesen sein. Ginge man nur danach, wie weit die Wurzeln in die Vergangenheit reichen, wäre auch jede Schwertkunst in Japan min. 1200 Jahre alt, wenn man sich auf tachi ähnliches bezieht oder noch älter, wenn man sich auf chokutō beruft.

ryoma
31-03-2021, 16:11
Noch eine kleine Bitte an carstenm und Inryoku:

Da es sich hier ja nicht um eine eigentliche Aikido-Diskussion handelt, ist es durchaus verwirrend, wenn ihr immer wieder mal die Namen von irgendwelchen Aikido-Sensei einwerft, ohne weitergehende Erklärungen.

Gast
31-03-2021, 16:22
ikkyô kihon no kata

Dieses Video (eins unter mehreren) ist mit dem Titel Shomen-uchi_Seishiro Endo Shihan (Kihon no Kata) 正面打ち_遠藤征四郎 師範 (基本の型) aufgeführt.

https://www.youtube.com/watch?v=sKmzBh3NZVY

Carsten, ganz konkrete Frage: Ist das das Kihon, von dem du meinst, dass es über Yamguchi und Sugino Sensei direkt auf Ueshiba zuerückgeht?

Ah, Ryoma, gerade erst gesehen. Yamaguchi Sensei war ein Hombu-Dojo Shihan, der u.a. der Lehrer von Christian Tissier, und Endo Sensei (beides Shihan, an denen sich der Verband in dem Carsten Mitglied ist, orientieren.
Dass da auch Watanabe (ein älterer Lehrer der auch noch unter Ueshiba trainiert hat und die letzten Jahre seines Lebens in Deutschland verbracht hat) eine Rolle spielt, war mir neu.

ryoma
31-03-2021, 16:38
Ooops, jetzt muss ich mir noch einen Aikido-Linien-Lehrer-Stammbaum malen!

:biglaugh:

Gast
31-03-2021, 17:19
46673

Vielleicht nicht, wenn du eine gute Brille hast.

Per URL geht irgendwie nicht, weiß jemand woran das liegen kann?

Oder hier:

https://aikidojournal.com/2018/12/23/the-principal-disciples-of-morihei-ueshiba-an-update-to-a-classic/

carstenm
31-03-2021, 18:23
Die weitere Diskussion würde sich dann halt um das "traditionelle" drehen, ...Ja, so verstehe ich es auch. Und finde ich es dann wieder spannend, die Dinge im Einzelnen genau anzuschauen und einzuordnen.


Noch eine kleine Bitte an carstenm und Inryoku:
Da es sich hier ja nicht um eine eigentliche Aikido-Diskussion handelt, ist es durchaus verwirrend, wenn ihr immer wieder mal die Namen von irgendwelchen Aikido-Sensei einwerft, ohne weitergehende Erklärungen.Du hast vollkommen recht. Pardon.


Carsten, ganz konkrete Frage: Ist das das Kihon, von dem du meinst, dass es über Yamguchi und Sugino Sensei direkt auf Ueshiba zuerückgeht?Ganz konkrete Antwort: Ja. duckundweg
Aber das wäre dann wohl wirklich eher in einem eigenen thread zu klären ...


Dass da auch Watanabe (ein älterer Lehrer der auch noch unter Ueshiba trainiert hat und die letzten Jahre seines Lebens in Deutschland verbracht hat) eine Rolle spielt, war mir neu.Watanabe sensei hat nix mit der AikidoFöderatio zu tun. Sondern war einer der Lehrer von Ulf in Japan.

ryoma
31-03-2021, 19:12
46673

Vielleicht nicht, wenn du eine gute Brille hast.

Per URL geht irgendwie nicht, weiß jemand woran das liegen kann?

Oder hier:

https://aikidojournal.com/2018/12/23/the-principal-disciples-of-morihei-ueshiba-an-update-to-a-classic/

Nice! Danke!

shinken-shôbu
31-03-2021, 19:58
Insofern könnte man vielleicht sagen: Jede Koryû ist (ein) Budô, aber nicht jedes Budô ist (eine) Koryû.
Davon ausgehend, dass Du (wie Du später ja bestätigst) SELBSTVERSTÄNDLICH nicht von bspw. Ikebana-/ oder Tee-Schulen sprichst, schriebe ich es so oder als
"In jeder Koryû wird ein Budô gelehrt aber nicht jedes Budô wird auch/deshalb in einer Koryû gelehrt" oder "Bestandteil einer jeden Koryû ist ein Budô aber nicht jedes Budô ist auch/deshalb Bestandteil einer Koryû." :)





In Japan scheint mir der Begriff zumindest hinsichtlich der Behandlung in den Büchern eher selten vorzukommen und man die entsprechenden Schulen einfach unter Budô oder Kobudô zu versammeln.
Meine eigenen Kenntnisse und Erfahrungen sind ja deutlich limitiert. Aber das - daß die Schulen zwar gelistet werden, aber der Begriff "koryû" dabei weder verwandt, noch gar definiert wird - ist einer der Aspekte, der m.E. auf die unterschiedliche Benutzung und vor allem auch die Auffüllung mit Bedeutung dieses Begriffes außerhalb Japans hinweist. Nach meinem - natürlich limitierten - Eindruck, scheint das Label "koryû" außerhalb Japans bedeutsamer zu sein, weil es von außen betrachtend definiert werden muß. Während es aus der Binnenperspektive eher bauchgefühlt zugeordnet werden kann.
und

Ein weiterer Aspekt wird sicherlich sein, dass koryu (im Japanischen) nicht aussagekräftig genug ist, da es sich ja auf (alle?) traditionellen Künste beziehen kann. Im Westen ist dieser Begriff denke ich zunächst ausschließlich auf KK bezogen geprägt worden. Das erklärt dann auch die sich bei vielen westlichen Autoren befindliche Klarstellung, dass koryu und kobudo quasi Synonym seien. Korrekter müsste es dann vielleicht heißen: Was im Westen als "koryu" bezeichnet wird, wird in Japan "kobudo" genannt.
Also ich selbst habe bestimmt mehr als zwei offenbar ausschließlich für den japanischen Markt bestimmte kampfkunstbezogene Bücher im Regal, welche die Kanji für Koryû bereits im Titel nennen. Nur so als Idee käme mir in den Sinn (auch wenn man sich einmal überlegt, dass sowohl unsere zwei großen "Standardwerk-Sets Nihon Kobudô Taikei und Nihon Kobudô Zenshû, sowie auch das Bugei Ryûha Jiten/Daijiten bereits älteren Datums sind), dass es mittlerweile vielleicht auch in Japan als notwendig erachtet wird, Koryû als solche noch einmal explizit herauszustellen gegenüber andersartigen Kobudôstilen und/oder modernen Stilen, die mittlerweile js auch oft - da kann ich jetzt nur für den "Westen" sprechen - als "traditionell" gelten (z.B. Jûdô - was natürlich immer noch etwas anderes und "traditionelleres" als "Special Forces X Army Combat" ist).









Ich übersetze "ryû" in diesem Kontext mit "Schule". Also auch konkret mit verfaßter Schule, wie z.B. TSKSryû
"Strömung" ist mir zu offen, zu weit. "Stil" beziehe ich in diesem Zusammenhang eher auf eine bestimmte Lehrlinie innerhalb einer Schule.

"ko" übersetze ich in diesem Kontext mit "traditionell". Darin klingt für mich der Aspekt der formalisierten und definierten Weitergabe mit. Wie auch die Anbindung an historische Wurzeln, also die diachrone Tradierung von Wissen, bzw. Erfahrung.

Wenn also in einer koryû ein kobudô unterrichtet wird, übersetze ich: In einer traditionellen Schule wird ein altes budô unterrichet.
Zum ryû hat ryoma ja bereits etwas ausführt.
Ich persönlich finde es etwas ungünstig, ein- und dasselbe Kanji (sofern ein bestimmtes Komposit das nicht unbedingt erfordert) im selben Satz unterschiedlich zu übersetzen bzw. einmal eine der definitiv möglichen Übersetzungen zu nehmen und einmal dann eine eigene Auslegung dessen, was möglicherweise auch noch gemeint sein könnte. Das ist jetzt aber auch nur meine persönliche Ansicht und ich weiß nicht, wie streng man das tatsächlich handhabt jenseits von reinen Übersetzungsarbeiten (mit dem Kanji für ko in 古風 komme ich noch auf "alte Sitte", mit traditionell komme ich umgekehrt dann auch nur auf ko in Komposita oder gleich andere Kanji - vielleicht weiß ryoma, ob man ko für sich allein auch mit "traditionell" übersetzen darf). Ich muss übrigens zugeben dass ich (ryoma wird gleich lachen oder in sein Keyboard beißen) in einem Artikel an einigen Stellen, wo ich Ryû, Ryû-ha oder direkt Schule hätte einsetzen können (es geht um kein Überstzen an diesen Stellen!) auf den Begriff Schultradition ausgewichen bin, da Schule bei "uns" ganz schnell mit einem physischen Gebäude verwechselt wird und mehr als einmal im Text möchte ich nur ungern erklären, was ich gerade mal wieder genau mit "Schule" überhaupt meine.




Nochmal zum Sumo: Budô? Kobudô? Zwitter oder sonst was?
Zumindest das, was ich als Sumô bisher kenne, ist in meinen Augen seit mindestens sehr, sehr vielen Jahren schlichtweg ein waschechter Profisport mit den diversen Vor- und Nachteilen des Profisports. Beim Sumô wäre es meiner Ansicht nach allerdings aufgrund dessen hohen Alters nötig, sich einmal weitere Definitionsmerkmale von Koryû anzusehen und zu prüfen, inwiefern diese dann jeweils auf Sumo zutreffen bzw. zutrafen und im zweiten Fall dann vielleicht auch bis zu welchem Zeitpunkt genau sie das jeweils taten.





Ooops, jetzt muss ich mir noch einen Aikido-Linien-Lehrer-Stammbaum malen!

:biglaugh:
und


]46673

Vielleicht nicht, wenn du eine gute Brille hast.

Per URL geht irgendwie nicht, weiß jemand woran das liegen kann?

Oder hier:

https://aikidojournal.com/2018/12/23/the-principal-disciples-of-morihei-ueshiba-an-update-to-a-classic/

Leider sehe ich bei voller Größe dann auch nur vergrößerte Verpixelungen. :D

Es hat zwar gedauert aber ich habe die Genealogie in voller Pracht diesem Post hier als Anhang beigefügt. :)

Gast
31-03-2021, 20:04
.

Ganz konkrete Antwort: Ja.

Ist aus unterschiedlichen Gründen (zeitlich, entwicklungshistorisch / technisch, funktional)
unmöglich.
Ein extra thread würde wahrscheinlich nur uns beide interessieren.

Aber ich habe da ein Mantra im Ohr:
O Sensei hat immer so gezeigt.
Zweite Doshu, der hat ja so gezeigt.
Aber O Sensei, der hat ja hat IMMER so gezeigt.
Das ist zweite Doshu, der zeigt ja so.
Aber O Sensei....

Deutlicher geht es nicht.

1930 gab es kein Ikkyo, Nikyo, Sankyo, Yonkyo als didaktische Reihe mit Basis Ikkyo.
Gab es schlicht nicht in dieser Form.

Gast
31-03-2021, 20:52
Es hat zwar gedauert aber ich habe die Genealogie in voller Pracht diesem Post hier als Anhang beigefügt. :)

Cool!

Gast
31-03-2021, 21:06
Übrigens was Ueshibas Budo angeht:

Er nannte sein Dojo, das er 1931 in Tokio eröffnete, ja:
Ko-Bu- Kan.
Man beachte das "Ko".
Zur Eröffnung leitete Sokaku Takeda ein 17-Tage Seminar.
Damit war klar, was da unterrichtet wurde.

ryoma
31-03-2021, 22:27
...
Zum ryû hat ryoma ja bereits etwas ausführt.
Ich persönlich finde es etwas ungünstig, ein- und dasselbe Kanji (sofern ein bestimmtes Komposit das nicht unbedingt erfordert) im selben Satz unterschiedlich zu übersetzen bzw. einmal eine der definitiv möglichen Übersetzungen zu nehmen und einmal dann eine eigene Auslegung dessen, was möglicherweise auch noch gemeint sein könnte. Das ist jetzt aber auch nur meine persönliche Ansicht und ich weiß nicht, wie streng man das tatsächlich handhabt jenseits von reinen Übersetzungsarbeiten (mit dem Kanji für ko in 古風 komme ich noch auf "alte Sitte", mit traditionell komme ich umgekehrt dann auch nur auf ko in Komposita oder gleich andere Kanji - vielleicht weiß ryoma, ob man ko für sich allein auch mit "traditionell" übersetzen darf). Ich muss übrigens zugeben dass ich (ryoma wird gleich lachen oder in sein Keyboard beißen) in einem Artikel an einigen Stellen, wo ich Ryû, Ryû-ha oder direkt Schule hätte einsetzen können (es geht um kein Überstzen an diesen Stellen!) auf den Begriff Schultradition ausgewichen bin, da Schule bei "uns" ganz schnell mit einem physischen Gebäude verwechselt wird und mehr als einmal im Text möchte ich nur ungern erklären, was ich gerade mal wieder genau mit "Schule" überhaupt meine....

"...übersetzen darf"? Nun ja, diese Formulierung scheint mir doch etwas zu restriktiv zu sein. Auch hier ist der Kontext entscheidend.

Wobei "Tradition" bzw. "traditionell" natürlich ein eigenes Wort besitzt: Dentô bzw. Dentôteki

"ko" andererseits betont schon eher das "alt sein" einer Sache. Vielleicht trifft "antiquiert" es noch etwas besser.
Und nicht vergessen: Ich wiederhole mich hier, aber das eher herabstufende "altmodisch" bzw. "überholt" sollte nicht übersehen werden, auch wenn dies natürlich in der modernen Nutzung von "Koryû" sicher nicht an erster Stelle steht. ;)

Um die Sache auch noch etwas komplizierter zu machen: Das Wort für "Mittelalter" (also das jap. Mittelalter, sprich ca. späte Nara-Periode und Heian-Periode) lautet "Chûko" (中古). Wohingegen "Chûko" aber auch "secondhand" heissen kann. :D

(Das Zeugs macht fast so viel Spass wie Sheldon's "Fun with Flags"!)
:rofl:

Gast
31-03-2021, 23:13
Wohingegen "Chûko" aber auch "secondhand" heissen kann. :D


Gibt's dann vielleicht auch sowas wie secondhand Kampfkunst?

shinken-shôbu
01-04-2021, 00:00
Cool!
Ohne Dein Einstellen der Grafik hier wäre ich aber gar nicht erst auf die Idee gekommen, nach ihr in qualitativ etwas besserer Form zu suchen. :)




"...übersetzen darf"? Nun ja, diese Formulierung scheint mir doch etwas zu restriktiv zu sein. Auch hier ist der Kontext entscheidend.

Wobei "Tradition" bzw. "traditionell" natürlich ein eigenes Wort besitzt: Dentô bzw. Dentôteki

"ko" andererseits betont schon eher das "alt sein" einer Sache. Vielleicht trifft "antiquiert" es noch etwas besser.
Und nicht vergessen: Ich wiederhole mich hier, aber das eher herabstufende "altmodisch" bzw. "überholt" sollte nicht übersehen werden, auch wenn dies natürlich in der modernen Nutzung von "Koryû" sicher nicht an erster Stelle steht. ;)
Danke für Deine Sicht der Dinge. :)
Deine letzten Beispiele fand ich auch und bezüglich der anderen Punkte bin ich sowieso bereits bei Dir gewesen.
Bezüglich des "übersetzen dürfen" stellte sich mir eben die Frage (zumal im Japanischen Kanji/Kompostita/Begriffe mitunter ja nicht zwingend so fest umrissen sind wie im Deutschen), ob Dir irgendeine Situation bekannt ist, bei der ko für sich alleine halt völlig unproblematisch auch mit traditionell übersetzt werden kann oder man lieber Anstand davon nehmen sollte (gerade weil es bereits mehrere entsprechende Komposita mit diesem oder anderen Kanji gibt, stellte sich mir diese Frage und ich sie dann dem diesbezüglich natürlich weit mehr Wissenden).





Um die Sache auch noch etwas komplizierter zu machen: Das Wort für "Mittelalter" (also das jap. Mittelalter, sprich ca. späte Nara-Periode und Heian-Periode) lautet "Chûko" (中古). Wohingegen "Chûko" aber auch "secondhand" heissen kann. :D

(Das Zeugs macht fast so viel Spass wie Sheldon's "Fun with Flags"!)
:rofl:Ha ha "Fun with Flags" wie gut nur, dass Du uns nicht den Sheldon gibst, sondern noch "normal" in der Welt lebst. :D Ich denke ein Sheldon hätte so Einige von uns schon längst mit Lemmingen oder so verglichen.

Zum Chûko muss ich sagen, dass ich beide Übersetzungsmöglichkeiten tatsächlich ohne das leiseste Hinterfragen oder kurze Nachgrübeln für recht einleuchtend halte. "Mittelalt(er)" für Second hand-Artikel, die ja eben nicht (völlig?) abgenutzt sind (also nicht 古い sind hihi - nicht ganz ernst gemeint), sondern durchaus noch (sehr gut) genutzt werden können, wenn man sie weitergibt, halte ich für ungemein passend.




Gibt's dann vielleicht auch sowas wie secondhand Kampfkunst?
Ich habe schon eine super Idee für einen neuen Thread:
"Suche traditionelle jap.Kampfkunst: wer hat bereits ein firsthand experience mit einer second hand ryû gehabt?"

ryoma
01-04-2021, 07:50
Ha ha "Fun with Flags" wie gut nur, dass Du uns nicht den Sheldon gibst, sondern noch "normal" in der Welt lebst. :D

Hier erkenne ich den (deutlich gescheiterten!) Versuch eines 1. April-Scherzes! :biglaugh:

carstenm
01-04-2021, 11:52
Ist aus unterschiedlichen Gründen (zeitlich, entwicklungshistorisch / technisch, funktional)
unmöglich.
Ein extra thread würde wahrscheinlich nur uns beide interessieren. ... dann lasse ich das hier einfach mal so stehen ... auch wenn ich dazu gar viel zu sagen hätte ...

carstenm
01-04-2021, 12:12
Wobei "Tradition" bzw. "traditionell" natürlich ein eigenes Wort besitzt: Dentô bzw. DentôtekiJa.
Und da dann doch auch "furui dentô", also eine alt(hergebrachte)/alt(ehrwürdig) Tradition?


Auch hier ist der Kontext entscheidend.Insofern nach meiner Wahrnehmung aus den entsprechenden Komposita eine wertende Bedeutung von furui in beide Richtungen möglich ist, also sowohl ver~alt~et, alt~ -modisch/-backen ..., als auch alt~hergebracht, alt~ehrwürdig oder von alt~ers her, alt~eingessen ... ist der Kontext -wie ja immer beim Übesetzen - bestimmend.
Und wenn "wir" von koryû sprechen, dann ja nicht mit einem abwertenden Bedeutungsgehalt im Sinne von "alt und vorbei", sondern im Sinne einer langen Geschichte, der Anknüpfung an frühere historische Epochen und die getreu Vermittlung des Alten in die moderne Zeit hinein.
Diesen Bedeutungsgehalt trägt nach meinem Sprachverständnis im Deutschen das adjektiv "traditionell".

Nebenbei:
Diese besondere Wertschätzung des "Alt-seins" , "von Alters her", usw. enthält ja m.E. auch keiko in sich.

shinken-shôbu
01-04-2021, 13:17
Hier erkenne ich den (deutlich gescheiterten!) Versuch eines 1. April-Scherzes! :biglaugh:
:rofl:




Diese besondere Wertschätzung des "Alt-seins" , "von Alters her", usw. enthält ja m.E. auch keiko in sich.
Warum denkst Du das?

carstenm
01-04-2021, 13:26
Ich persönlich finde es etwas ungünstig, ein- und dasselbe Kanji (sofern ein bestimmtes Komposit das nicht unbedingt erfordert) im selben Satz unterschiedlich zu übersetzen bzw. einmal eine der definitiv möglichen Übersetzungen zu nehmen und einmal dann eine eigene Auslegung dessen, was möglicherweise auch noch gemeint sein könnte.Ich übersetze ja nun zum einen selbst, und bin zum anderen mit der Einordnung von Übersetzungen anderer befaßt. Wenn auch meine Sprachen andere sind.

Übersetzung ist in jedem Falle "eine eigene Auslegung dessen, was möglicherweise auch noch gemeint sein könnte."
Jeder Begriff, hat unterschiedliche Bedeutungsgehalte, hat konnotative Aspekte, weckt Assoziationen. Die sind je nach Kontext - sowohl dem Kontext im Text, als auch dem Kontext des Rezipienten - unterschiedlich. Ich halte es daher für geboten, unterschiedliche Beutungsgehalte des einen selben Begriffes in der Übersetzung jeweils kontextgemäß darzustellen.

Wie definierst du "eine der definitiv möglichen Übersetzungen"?
Das Kodansha Kanji Learner Dictionary z.B. hat die Bedeutung "nach alter Schule", "altes Brauchtum", die mir Synonyme für "traditionell" sind, als erste Bedeutungen des Kompositums. Der einzige Eintrag, der sich überhaupt noch davor findet, ist das Absolutum "alt".

Dazu muß ich sagen, daß ich den Eintrag erst im Nachhinein aufgesucht habe. Ich kenne die Bedeutung "traditionell" für furui einfach aus dem Gespräch mit japanisch sprechenden Menschen. Gerade in Bezug auf die Töpferkunst erinnere ich mich an ausführliche Diskussionen dazu ...

Gast
01-04-2021, 13:41
... dann lasse ich das hier einfach mal so stehen ... auch wenn ich dazu gar viel zu sagen hätte ...

Naja, wie kannst du das denn anders einordnen, als entwicklungsgeschichtlich unmöglich?
Was denkst du, wann diese Didaktik entstanden ist, und auf wen sie zurückgeht?
Wie soll man die Aussagen Hisa Takumas einordnen, der bestätigt hat das Ueshiba technisch das Selbe unterrichtet hat wie Takeda?
Wie kann dann eine technische Abfolge, die eindeutig Kennzeichen des "modernen" Aikido ist, in einer Zeit unterrichtet worden sein, als die techniken noch in Kajo gruppiert waren die auf einer ganz anderen Systematik aufgebaut waren?

Das passt nicht zusammen, dass kann man doch nicht übersehen?:confused:

carstenm
01-04-2021, 13:42
Naja, wie kannst du das denn anders einordnen, als entwicklungsgeschichtlich unmöglich? ... also doch hier diskuitieren?

Gast
01-04-2021, 13:55
... also doch hier diskuitieren?

Was heißt also doch, war doch nicht mein Vorschlag? Ich schrieb nur dass ein extra Thread vielleicht keinen Sinn macht, aber ich will auch nicht diesen Thread überfrachten.
Wenn du meinst du kannst deine Theorie belegen, dann kannst du das auch in einem anderen Thread tun. Mich würde einfach interessieren wie du das übereinander bringen willst.

ryoma
01-04-2021, 14:06
...Und da dann doch auch "furui dentô", also eine alt(hergebrachte)/alt(ehrwürdig) Tradition?...

Das ist mir jetzt noch nie untergekommen. Aber das will ja nichts heissen.