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Vollständige Version anzeigen : Weichheit ist nicht gleich weich.



DieKlette
05-04-2003, 18:07
"Sei weich, gib nach, nicht anspannen... .", dass ist es, was man in einigen Kampfkünsten zu hören bekommt, wenn es um das Aufnehmen und Umlenken von Angriffen geht. Viele glauben, dass dies mit absoluter Nachgiebigkeit geleistet werden muss. Dabei handelt sich dies nur allzu oft um eine falsche Übersetztung des Schülers vom Lehrer. Denn im asiatischen Raum wird der Begriff Weichheit oder das Weichsein anders verstanden als hier. Weichheit bedeutet nicht das erschlaffen der Glieder sondern den nicht angespannten Zustand. Da wir Europäer vermehrt dazu neigen mit "Hau-Ruck-Methodik" zu arbeiten im Gegensatz zu den Asiaten haben östliche Lehrer versucht dies auszubügeln indem sie uns erklären, dass wir loslassen sollen von Körperkraft. Dies heißt aber definitiv nicht, dass man, wie es stellenweise gelehrt wird, wie ein Pudding vor dem Gegner stehen soll.
Um Energie aufzunehmen muss man nicht nach hinten ablenken in dem man völlig nachgibt. Ein Block, der in den Gegner hinein geht und ihn durch Nähe bedrängt und seine Abwehr behindert ist sinnvoller. Aber auch dies gelingt ohne großartige Körperanstrengungen, wenn man die Hebelgesetzte kennt und sich einer flüssigen energetischen Bewegung bedient. Wirklich mit Kraft zu arbeiten hieße zu "hacken". Aber der Block nach vorne ist ebenso im Sinne der asiatischen Sicht weich und hat nichts mit Schlaffheit sondern mit Energie zu tun, die vorhanden ist.

Einen freundlichen Gruss

Julian

Xiaoshi
05-04-2003, 19:09
Ich dachte der Spruche wäre "Wer andere kennt, ist klug, wer sich selbst kennt, ist weise"?!?


P.S. Ich denke, es wäre sinnvoll, wenn man ganz einfach "weich" durch "elastisch" ersetzt, das passt meiner Meinung nach besser.

der kampfkünstler
05-04-2003, 21:19
Nein, noch besser "flexibel";)

Alephthau
05-04-2003, 21:33
Hi,

Ich schließe mich Xiaoshis definition an. Eine Stahlfeder gibt auch weich nach, ist elastisch. Flexibel bedeutet für mich nur "sich anpassen". Hat aber nichts mit "nachgeben" zu tun. Aber ist nur meine Meinung.

Gruß

Alef

Dao
06-04-2003, 10:24
Hi,
elastisch triffst doch ganz gut, da hier die Verhältnismäßigkeit des Ausweichens und des Zurückschnellens beinhaltet ist.
Die Thematik weich sein und was heißt das in der Praxis, finde ich absolut wichtig. Die richtige Körperspannung an der der richtigen Stelle vermag vieles, was aus der puren Härte überhaupt nicht möglich ist!!!

cryphos
10-04-2003, 13:22
Mir hat man beigebracht, ich solle mcih wie Wasser verhalten und den Gegner umfliessen.
Gemeint war damit, dass ich die Kräfte die mein gegner aufwendet um mich zu erwischen nicht meinerseits mit Kraft, bzw. starren Schlägen und blocken abwehre oder kontere, sondern versuche diese Kräfte für mich einzusetzen, dessen Kraft zu neutralisieren oder auszunutzen indem ich z.B. einem schlag ausweiche und seinen Bewegungsmoment nutze um ihm meinerseits einen Schlag zu verpassen.
das Umfliessen heisst aber auch am Gegner zu bleiben, mit ihm zu tanzen und ihn sich somit so zurechtzustellen, dass es mir ein Leichtes wäre ihn auszunocken.
Dabei fielen auch so Worte wie, sei weich wie der See um auszuweichen und hart wie eine Springflut wenn du angreifst.

SuBzErO
10-04-2003, 14:55
wenn man diese aussage, wie in verschiedenen kk mit tao's elemente verbindet z.b. ninjutsu, gibt es nciht nur die weiche arb wie das wasser, sonder auch die harte, wie das feuer. doch dabei gibt es eine kleinigkeit, die alle umschliest und das ist die leere. denn in diesem element verbirgt sich alles nach der situation. also man ist netspannt und weich, nutzt die kraft und schnelligkeit, sowei geschmeidigkeit erst dann aus, wenn sie benötigt wird. un dzum schluss wo der angriff kommt, entsteht die kraft des feuers...

taiji-ulrich
10-04-2003, 15:59
Bei den 13 Bewegungsprinzipien des Taijiquan betreffen zwei besonders die "Weicheit":

Ji - bedeutet soviel wie "drücken",
eine weiche Kraft, die die Struktur des anderen bricht, außen weich mit hartem Kern (eine mit Wolle umwickelte Eisenstange)

An - bedeutet soviel wie "stoßen",
außen hart, innen weich (erzeugt elastische Kraft)

Gruß
Ulrich

doc faust
10-04-2003, 17:21
lustiger gedanke: stelle mir einen weichen / elastischen kämpfer vor, wie er versucht zu dahinzufliessen, während ein 100 kg typ mit nem straight blast in ihn reindonnert.

na ja wenn ein kleiner, leichter asiate mit klaren spielregeln gegen nen anderen kämpft vielleicht, aber ich zweifle an der umsetzbarkeit bei einem grösseren / stärkeren / technisch besseren / aggressiveren kämpfer, der nicht nur rumspielen will.

aber wenns bei euch funktioniert...

Xiaoshi
10-04-2003, 17:29
Darum geht es gar nicht. Das grundlegende Prinzip der Weichheit geht, zumindest in den chin. KKs, nicht um das Ausweichen oder Ablenken, sondern, wie taiji-ulrich beschrieben hat, um eine Art der Kraftgenerierung. Bajiquan beispielsweise basiert darauf, schlicht und einfach durch die Verteidigung des Gegners "durchzuschmettern" und in mit einem Treffer von Faust oder Ellbogen niederzustrecken (ok, etwas mehr gehört schon dazu :D ). Trotzdem ist die Kraft absolut elastisch, Entspannung wird im Baji groß geschrieben...

Außerdem sind nicht alle Asiaten klein, bei den Nordchinesen, die sich mittlerweile mit Manjuren und anderen "Reitervölkern" vermischt haben, sind kräftige Männer von 180 cm und mehr durchaus an der Tagesordnung!

taiji-ulrich
10-04-2003, 19:20
Original geschrieben von doc faust
lustiger gedanke: stelle mir einen weichen / elastischen kämpfer vor, wie er versucht zu dahinzufliessen, während ein 100 kg typ mit nem straight blast in ihn reindonnert.

na ja wenn ein kleiner, leichter asiate mit klaren spielregeln gegen nen anderen kämpft vielleicht, aber ich zweifle an der umsetzbarkeit bei einem grösseren / stärkeren / technisch besseren / aggressiveren kämpfer, der nicht nur rumspielen will.

aber wenns bei euch funktioniert...

Hallo Doc,

natürlich genügt allein das dahinfliessen nicht. Ji und An sind ja auch nur zwei der Grundprinzipien, die übrigen sind:

Peng - bedeutet soviel wie "aufblähen"
Balance in alle Richtungen, verschafft eine kompakte Struktur, ist Grundvoraussetzung für alle anderen techniken, ist zuerst und zuletzt vorhanden

Lu - bedeutet soviel wie "zurückfliessen / zurückrollen"
nachgeben, ohne die Struktur zu verlieren, Lu braucht Peng

Ji - siehe oben

An - siehe oben

Cai - bedeutet soviel wie "nach unten ziehen / führen"
z.B. Hebel über ein Gelenk nach unten ziehen

Lie - bedeutet soviel wie "trennen"
Energie im Körper trennen, z.B. Hebel über mehrere Gelenke, Körper abbiegen...

Zhou - bedeutet soviel wie "Ellenbogen" - §das aus dem Verborgenen kommende", also Ellenbogenstoß

Kao - bedeutet soviel wie "Schulter"
Schulterstoß in allen Varianten

Tong - von unten nach oben schlagen

Shan - nach hinten ableiten, einer Kraft nach unten folgen

Zhi - im Kreis nach unten bewegen (bringen)

Kong - nicht dort sein, wo der andere mich vermutet ("leer" sein)
Wechsel von Substanz und Nicht-Substanz

Huo - etwas von allem innewohnt
(Lebendigkeit / Agilität - Feuer)

Um die völlige Bedeutung dieser Kurzbeschreibungen zu erkennen, zu erfahren und zu verstehen, bedarf es dem üblichen ---- üben, üben, üben, mit Anleitung eines erfahrenen Lehrers.


Ein weiterer Lehrsatz:
Der Gegner bewegt sich nicht - ich bewege mich nicht.
Der Gegner bewegt sich - ich bin schon da.

Wenn Du also beginnst zu zählen 3 - 2- 1 ist der weiche / elastische, kleine Asiat im Zweifel schon längst da. Nix für ungut.

Gruß
Ulrich

Dao
10-04-2003, 21:16
Hi,
insofern hat docfaust nicht ganz unrecht, wenn du deine Techniken nicht präzise (ca 120 %) beherrscht, wird der agressive, schwere Straight Blaster :D sicher erst einmal im Vorteil sein, vor allem wenn er auch etwas gelernt hat, und das ist auch bei einem solchen Typen nicht auszuschließen.
Funktionieren die Ansätze auf Anhieb absolut, tut mir der Blaster-Knaster jetzt schon leid. Das ist vernichtend für ihn, fast noch mehr für sein Selbstbewußtsein!
Unsere Prinzipien mit nicht bewegen und vorher ankommen, wie von dir beschrieben, wenn ich die bereits meistern könnte, tja, dann wäre ich ein großes Stück weiter.
Und so bewegen wir uns schön weiter auf dem Weg, einen Schritt heute und irgendwann wieder einen.

Dao
10-04-2003, 21:18
Hi ulrich,
peng, lu, ji, an usw. wird leider sehr unterschiedlich interpretiert, von den einzelnen Lehrern. Hast du sie schon alle verinnerlicht?

taiji-ulrich
11-04-2003, 07:36
Original geschrieben von Peter J.
Hi ulrich,
peng, lu, ji, an usw. wird leider sehr unterschiedlich interpretiert, von den einzelnen Lehrern. Hast du sie schon alle verinnerlicht?

Hallo Peter,

schön wär´s. Siehe auch anderes thread: Man lernt nie aus!

Gruß
Ulrich

Dao
11-04-2003, 09:33
Hi,
eigentlich sollte es mich nicht beruhigen, sondern anspornen, wenn das wirklich verinnerlicht wäre.
Es zu lernen ist ein langer Weg und da braucht es gute Lehrer und kompetente Trainingspartner und da sind war alle irgendwo unterwegs!

Grushnak
11-04-2003, 10:15
Original geschrieben von doc faust
lustiger gedanke: stelle mir einen weichen / elastischen kämpfer vor, wie er versucht zu dahinzufliessen, während ein 100 kg typ mit nem straight blast in ihn reindonnert.

na ja wenn ein kleiner, leichter asiate mit klaren spielregeln gegen nen anderen kämpft vielleicht, aber ich zweifle an der umsetzbarkeit bei einem grösseren / stärkeren / technisch besseren / aggressiveren kämpfer, der nicht nur rumspielen will.

aber wenns bei euch funktioniert...

Weichheit = nicht verkrampft

(zumindest in diesem Zusammenhang. Siehe auch
hier (http://www.kampfkunst-board.de/kampfkunst/forum/showthread.php?s=&postid=70319#post70319) für einen anderen Zusammenhang.)

Was ist besser:
a) Ein straight blast wenn du völlig verkrampft bist.
b) Ein straight blast mit Schwung und Elan.


Wie es oben schon steht:
Auf die richtige Körperspannung kommt es an.
Kraft darf durchaus verwendet werden. (Hat man sie und verwendet sie nicht, wozu sollte das gut sein?)

Wenn ich einen Boxkampf sehe, so schauen (zumindest in den ersten paar Runden) die Schläge ziemlich "weich" (dynamisch?) aus. Wenn in der 10. Runde dann die Kämpfer nur noch auf einander gestützt stehen und nur noch irgendwie reinbolzen, so sind das hervorragende Beispiele für das oben erwähnte "Holzhacken".

Gruß,
Grushnak

Grushnak
11-04-2003, 10:24
p.s.: Mach mal folgenden Versuch:
1) Mach eine Faust, so fest du nur kannst. (Wenn der Arm zu zittern anfängt ist es richtig.) Halte diese Spannung und schlage auf einen Sandsack (o.ä.).

2) Diesmal schlag so zu, wie du es gelernt hast.
DAS verstehe ich unter "weich".


pp.s.: Das Selbe gilt natürlich genauso für Abwehren wie für Schläge.

Dao
11-04-2003, 12:11
Hi,
Leute die gelernt haben weiche Bewegungen präzise und genau auszuführen, sind nach meinen Erfahrungen weit weniger verletzt als di sogenannten Holzhackertypen.
Da ist auch ganz stark eine geistige Komponente am Arbeiten!
Erläuterung dazu ist. Such dir einen Grenzzaun, wie der auch immer aussieht. Wenn du Orientierungsprobleme hast und dich immer an diesem Zaun entlang bewegst kannst du dich nicht "verlaufen". Das hat was mit Angst und Orientierung zu tun.
Jemand der sich in einem breiten Spektrum bewegen kann von smooth bis hammerhart hat ein wesntlich größeres Spektrum an Möglichkeiten. Und das ist doch wesentlich.
(Wenn jemand ein Weltmeisterin im Schwimmen ist, heißt das noch lange nicht das sie sich in jedem Becken wohl fühlt. Sandra Völker konnte bis vor einiger Zeit nicht in die Tiefe des Meers blicken).

cryphos
14-04-2003, 08:37
@doc faust



lustiger gedanke: stelle mir einen weichen / elastischen kämpfer vor, wie er versucht zu dahinzufliessen, während ein 100 kg typ mit nem straight blast in ihn reindonnert.


Mhh....
Im Sparring mit einem Boxer habe ich dieses "fliessen" wirklich schätzen gelernt. Denn dadurch war ich ständig in Bewegung und gab ein schwer zu treffendes Ziel ab, während er langsamers eine Stellungen wechselte und mir viel Fläche für Fuss-, und Ellenbogenschkläge gab.
Als ich weniger 'elastisch' oder 'fliessend' kämpfte und mich auf Kraft und statische Technik verliess hat er mich regelrecht vermöbelt. Und zum Vergleich der psychischen Merkmale. Beide 23 Jahre, beide kräftig gebaut (Mischung aus Athlet und Leptosom), er ehemaliger Judoka und nun Boxer, 190cm gross ca. 96-100 Kilo Kampfgewicht, ich ca. 170cm gross, 82 Kilo Kampfgewicht (sollte mehr trainieren :rolleyes: ), ehemals Shotokan Karateka, jetzt mal hier mal dort im Training, je nachdem wo ich gerade bin und wieviel zeit ich neben Arbeit und Studium noch habe.