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Kampfkunst Kurzgeschichten

Cobra Kai wirkt - Teil 2

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In der nächsten Übung nutzten die beiden Kampfkunsttrainer große Trittpolster, um ihren Zöglingen passenden Widerstand für ihre Fauststöße zu geben.
„Denkt immer daran, wir zielen bei anderen Kindern nur auf die Brust und auf die Arme!“, schärfte Juliano den Schülern ein und stemmte sich hinter das Trainingsgerät.
Alle Mädchen und Jungen schlugen kräftig die geforderten fünf Sekunden lang in das Polster. Alle, bis Ingmar an die Reihe kam. Seine beiden Tritte mit den fast sauberen Sportschuhen durften als gekonnt und geübt bezeichnet werden. Technisch entsprachen sie nicht ganz dem Wing Chun. Der Trainer wusste, dass dies unter anderem der Tatsache geschuldet blieb, dass der Großvater des Heißsporns ein begeisterter Karateka war.
„Keine Tritte, bitte“, ermahnte Juliano und versuchte mit einer Hand, die leichten Schmutzspuren von dem Polster zu entfernen. „Wir verwenden unsere Hände, um Prügler von einem Angriff abzubringen.“
„Mein Opa sagt, dass ein Tritt viel schneller zum Erfolg führt“, widersprach Ingmar. „Außerdem bockt das mehr.“
„Da hat dein Großvater nicht ganz unrecht“, erwiderte Juliano ruhig und visualisierte dabei das Bild von Mister Miyagi, dem weisen Meister aus den Karate Kid-Filmen. „Das ist jedoch nicht unser Weg. Wir wollen das andere Kind nur von seinem Tun abbringen und nicht wirklich verletzen.“
„Also, ich würde so einem schon gerne was mitgeben, woran der noch lange zu knabbern hat“, erwiderte Ingmar mit einem Lächeln.
Ehe sein Wing Chun-Lehrer die Chance ergreifen konnte, darauf zu antworten, stellte sich der scheinbar Unbelehrbare in der Reihe von Susann an. Juliano schüttelte nachdenklich den Kopf und widmete seine Aufmerksamkeit dem nächsten Mädchen.

***

„Stopp! Lass mich in Ruhe!“, brüllte Marie ihrem Trainer entgegen und Julianos Herz vollführte vor Stolz einen Hüpfer.
„Sehr gut!“, lobte er und richtete sich mit zur Bedrohung erhoben Fäusten auf den nächsten Kampfkunstschüler aus.
„Na, Kleiner! Willst du eine aufs Maul?“, rief der Lehrer mit gespielt sehr tiefer Stimme.
„Mach keinen Stress, Opa!“, schrie Ingmar. „Du bekommst sonst noch einen Herzinfarkt!“
Die Kinder lachten. Julianos Blick versteinerte.
„Das ist nicht unser Weg“, versuchte Susann die Situation zu retten. „Bitte halte dich an die Übung, Ingmar. Wir beleidigen niemanden, sondern verdeutlichen, was wir nicht wollen, wenn uns jemand ärgert oder bedroht.“
„So macht das aber viel mehr fun“, erwiderte der Junge gelassen.
„Wenn du den Weg verlässt, dann verläufst du dich leicht“, sprach Susann ruhig weiter. „Sihing Juliano und ich bringen es euch so bei, weil wir nicht möchten, dass euch etwas Schlimmes passiert.“
„Och, ich verlaufe mich schon nicht“, gab Ingmar grinsend zurück. „Ich nehme nur eine Abkürzung.“
Bei dieser passenden, rotzfrechen Metapherergänzung blieb Susann sprachlos. Der Kleine hatte durchaus charmanten Witz. Die Kinder begannen zu lachen.
„RUHE!!!“, brüllte Juliano, sodass die Wände des Trainingsraums gefühlt wackelten und die Herzen der Anwesenden kurz aussetzten.

Fortsetzung folgt in Kürze ...

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