Zitat:
...Leben darf nicht gegen Leben abgewogen werden
Ein Triage-Gesetz gibt es in Deutschland nicht. Es ist also nirgends explizit gesetzlich geregelt, wie Mediziner in einer solchen Extremsituation entscheiden können oder müssen. Ein Gesetz hätte auch klare Grenzen, denn die Menschenwürdegarantie im Grundgesetz verbietet es, ein Menschenleben gegen ein anderes abzuwägen.
Jeder Mensch ist gleich viel Wert, der Staat darf keine Wertung vornehmen - so stellte es das Bundesverfassungsgericht 2006 klar, als es einen Paragrafen im Luftsicherheitsgesetz kippte. Es ging um die Frage, ob der Staat den Abschuss eines entführten Flugzeugs, das in ein Hochhaus fliegen will, regeln darf. Das verbiete die Menschenwürdegarantie, entschieden die Richterinnen und Richter. Auch wenn man durch das Opfern der Insassen vielleicht wesentlich mehr Menschen vor dem Tod bewahren könne und auch wenn die Menschen im Flugzeug wahrscheinlich ohnehin nach kurzer Zeit sterben würden.
"Menschliches Leben und menschliche Würde genießen ohne Rücksicht auf die Dauer der physischen Existenz des einzelnen Menschen gleichen verfassungsrechtlichen Schutz", stellten die Richterinnen und Richter klar.
Übersetzt auf die Krankenhaussituation heißt das: Auch hier darf der Staat nicht entscheiden, dass das Leben eines jungen Menschen mehr wert ist als das eines alten, dass die Mutter von Kindern eher gerettet wird als die alleinstehende Frau. ... ieben medizinische Fachgesellschaften haben in Mangel der gesetzlichen Regelung Empfehlungen für eine Triage-Situation abgegeben. Wenn es zur Überlastung des Systems komme, sollte nach dem Kriterium der medizinischen Erfolgsaussichten entschieden werden.
Ein Oberarzt spricht auf der Isolierstation für Coronavirus-Behandlungen im Klinikum in Schwerin mit einem Patienten | Bildquelle: dpa
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In einer Notsituation müssten alle Patienten miteinander vergleichen werden.
"Dann wird eine Art medizinische Gesamtschau vorgenommen, in denen die Patienten miteinander verglichen werden. Und zwar alle Patienten, nicht nur die Covid-19-Patienten, sondern auch jemand, der nach einem Autounfall eingeliefert wird oder mit einem Herzinfarkt", erklärt Kubiciel, der diese medizinisch begründbare Auswahl für eine gute Lösung hält.
Behandelt wird also, wer die höheren Überlebenschancen hat. Der Patient mit weniger guten Chancen wird, so hart es klingt, aussortiert. Und dies, so empfehlen es die Fachgesellschaften, dürfe auch dazu führen, dass einem Patienten das Beatmungsgerät wieder weggenommen wird, wenn ein anderer eingeliefert wird, der eine höhere Überlebenschance hat....