Hallo xyto,
ich wollte eigentlich nur noch lesen, aber ich gebe Dir zu Deinen Fragen gerne eine Antwort. Ich muss in der Vergangenheit antworten, da ich diese Art des Trainings schon lange nicht mehr mache.
Frage: Benutzt ihr hierzu ausschließlich das klassische Makiwara ?
Antwort: lese weiter unten....
Frage: Welche Fauststöße, -schläge trainiert ihr vorwiegend?
Meint ihr beispielsweise dass der Mawashi Tsuki und der Ura Tsuki automatisch mit dem Oi Tsuki mitgeübt werden?
Antwort: Jede dieser Techniken erfordert eine etwas andere Koordination des Körpers und fordert andere Teile der Muskulatur. Willst Du jede dieser Techniken im Sinne von Makiwaratraining stark machen, musst Du auch jede Technik üben.
Meistens trainiert man aber bestimmte Grundtechniken, wie Gyaku Zuki Oi Zuki, Mae Geri (Kekomi). Ich habe zusätzlich noch sehr viel Yoko Geri Kekomi geübt.
Beim Oi Zuki macht es keinen Sinn, den aus dem Stand zu machen. Besser ist es, wenn man wie beim Kihon einen Schritt nach vorne geht und dann den Oi Zuki macht. Den Gyaku Zuki kann man dagegen bequem aus dem Stand üben.
Wichtig ist es, langsam mit sehr genauer Technik anzufangen und dann langsam zu steigern. Qualität geht über Quantität. In einer Stunde 1200-1500 Techniken sind ein gutes (Spät-) Ziel.
Man sollte auch Vorübungen, wie Liegestütze auf den Knöcheln und den Fingern machen um die Struktur der Hände zu stärken.
Ein paar Worte zum Thema kräftigen der Hand: Es ist viel wichtiger die Muskulatur und die Knochen der Hand und des Handgelenkes zu stärken, als die Hand "unempfindlich" zu machen oder Hornhaut auszubilden oder gar Deformationen zu provozieren. So wie Muskeln auf Trainingsreize mit Anpassung reagieren, reagieren Knochen auf Dehnungs und Stauchungsreize mit vermehrter Kalkeinlagerung, was die Knochen stabiler werden lässt. Liegestütze auf den Knöcheln und den Fingern sind da eine gute Vorübung. Durch langsam aufbauendes Makiwara Training wird der Effekt noch verstärkt.
Frage: Welche Art von Makiwara verwendet ihr?
Ich habe ein Makiwara aus Buche verwendet. Etwa 3 cm dick, 12 cm breit und 170 cm hoch. Darauf ein leicht dämpfendes Material, was es zulässt, dass Holz noch etwas zu spüren. Das ganze dann mit Leinen überzogen.
Man kann es auch klassisch machen und als Polster geflochtenes Reisstroh nehmen. Dann bildet sich aber mehr Hornhaut auf den Knöcheln, was nicht jeder unbedingt will.
Frage: Wieviel Prozent eures Trainings macht Makiwara - Training aus?
Antwort: Bei mir war es ein Virtel bis ein Drittel der Trainingszeit. Bei 3-4 Stunden Training bleibt dann noch genügend Zeit für "normales" Training.
Frage: Seid ihr der Auffassung, dass (richtig ausgeführte) Kata, in Verbindung mit (richtig ausgeführter) Kihon und dem Maikwara Training Kumite zu weiten Teilen "überflüssig" macht?
Kumite ist durch keine andere Trainingsform zu ersetzen. Wenn man kämpfen lernen will, muss man kämpfen.
Partnerübungen, besonders so kooperative Übungen wie man Sie im Karate übt, trainieren Techniken ein, sind aber nicht wirklich eine Vorbereitung für _freies_ Kämpfen.
Dann ist da noch das Problem, dass Kämpfen nicht gleich Kämpfen ist. Wenn Du zum Beispiel perfekt gelernt hast im traditionellen Ramen 0 Kontakt Kumite zu machen, funktioniert das sehr gut gegen Karatekas, die das Gleiche machen.
Ein paar Leute aus unserer Gruppe wollten es damals genauer wissen. Wir haben dann leiche 8 Unzen Handschuhe angezogen und dachten, die realistischere Version des Kampfes mit Kontakt wäre mal eben so zu machen. Man braucht ja NUR nicht mehr zu stoppen und zieht die Technik einfach durch.
Die Realität war anders. Treffer mit Wirkung waren eher zufällig, weil durch das gelerne Stoppen der Technik die Distanz nicht stimmte. Es handelt sich zwar nur um cm, aber diesen gap in der Distanz zu überbrücken und dann auch noch Wirkung zu erzielen, war sehr schwer. Erst nach vielen Stunden Kontakt-Sparring gelang das dann immer häufiger.
Man bekam durch dieses Training auch ein besseres Distanzgefühl im Sinne der Vermeidung von Treffern durch minimale Bewegungen.
Bestätigt wurde das dann auch durch rein traditionell trainierende Karatekas die später zu unserer kleinen Gruppe gestossen sind. Es war im Kampf mit Kontakt mit den "Neulingen" sehr leicht, allein durch die erworbene Fähigkeit die Distanz wirklich zu überbrücken und die Fähigkeit mit Distanz überhaupt besser umzugehen und so durch kleine Meidbewegungen Treffer zu vermeiden, diese zu "besiegen". Das hat sich aber in ein bis zwei Wochen training wieder relativiert.
Es gibt also mehrere Stufen des Kampfes. Man muss selbst entscheiden, was man erreichen möchte. Will man auf traditionellen 0 Kontakt Turnieren kämpfen ist die traditionelle Trainingsmethode ausreichend.
Möchte man mit realen Konfrontation besser zurecht kommen, genügt das nicht, von Anekdoten mal abgesehen. Wenn man in einer SV Situation von einem Grobmotoriker angegriffen wird, kann man warscheinlich die eine oder andere Grundschultechnik auch so ins Ziel bringen.
So, nun konnten wir also im Ramen von Karatetechniken im Kampf ganz gut und wirkungsvoll treffen.
Dann sind Boxer zu unserer "privaten" Gruppe gestossen. Ich habe als Erster aus unserer Gruppe gegen einen Boxer gekämpft, ohne die Füsse zu benutzen, da mich nur der Vergleich der Armtechniken interessierte.
Zum Kampf: Das Distanzspiel und das Abtasten waren kein Problem, da wir das ja mittlerweile gelernt haben, die eigentlichen Angriffe aber schon. Ich habe mit einem sehr schnellen schulmäßigen rechten Gyaku Zuki den Kopf angegriffen. Natürlich wie es sich für gute Grundschule gehört mit tiefer Schulter, ich wusste es ja nicht besser.
Der Boxer ist mit einer kleinen Meidbewegung seines Kopfes dem Schlag nach innen ausgewichen und ich bekam von ihm eine Mischung aus Cross und linken Haken von aussen über meinen gestreckten Arm auf das Ohr. Dabei ist in diesem Ohr das Trommelfell geplatzt. Mein jahrelanges Karatetraining hat mich auf derartige Techniken nicht vorbereitet.
Ich habe mir dann die Boxtechniken angeeignet und Schläge modifiziert. Zum Beispiel habe ich bei einer Technik die in etwa einem Gyaku Zuki entsprach Den Hals kürzer gemacht, bze den Kopf etwas eingezogen und die Schulter des schlagenden Armes etwas hochgezogen um diese Seite des Kopfes zu decken. Dann habe ich mir abgewöhnt, die Hand, die nicht schlägt als Deckung zu nutzen. Man verschenkt so zwar den Vorwärsimpluls den das Zurückziehen der entgegengesetzten Schulter bringt, aber so bedeutend ist der Unterschied nicht.
Die Erlebnisse mit realem Kontakt waren auch einer der Gründe die Idee des Kime als kurze Ganzkörperspannung aufzugeben. Schlicht und einfacht, weil ich festgestellt habe, dass es sehr unwarscheinlich und eher Glückssache ist, den Kampf mit einem Schlag zu beenden. Viele Techniken, die in einem Turnier einen Ippon gebracht hätten, haben oft nur wenig Wirkung erziehlt.
Kime in dieser harten Form steht meiner Meinung nach flüssigen Kombinationen im Wege, aber genau das ist es, worauf es meiner Meinung nach ankommt.
Ich habe lange Zeit traditionell unterrichtet. Wenn ich bei einem Schüler einen Fehler in der Abwehr bemerkt habe, habe ich diesen Fehler korrigiert. Der Schüler sagt Oss und verbeugt sich und macht weiter wie bisher. Nachdem man den Schüler 20 korrigiert hat gibt man es in der Regel auf.
Nimmt man nun die Trainingsmethoden der Vollkontaktkämpfer, erledigt sich das Problem von selbst, weil der Schüler sofort spürt, was er falsch macht. Fehler tun weh. Man hat eine extrem steile Lernkurve. Gute Abwehr ist unabdingbar. Entweder er entwickelt sie oder er hört auf und wendet sich einer anderen Betätigung zu.
Was unsere kleine Gruppe später gemacht hat, hat sich sehr weit vom traditionellen Karate entfernt, so weit, dass ich es eigentlich nicht mehr als Karate bezeichnen möchte. Boxtechniken mit den Armen, dass ganze Arsenal der Thai Ellenbogentechniken, Rückhandschläge und flüssige Hand/Fuss Kombinationen und ganz grundlegende Bodenkampffähigkeiten. Das Letztere kann man heute ganz hervorragend von den BJJ Leuten lernen.
Wenn man im traditionellen Ramen bleiben möchte, braucht man sich das alles natürlich nicht anzutun. Wenn man Karate Do aus philosophischen Gründen betreibt kann man das auch lassen. Wenn man aber wirklich kämpfen lernen möchte, führt kein Weg daran vorbei, eben das auch zu tun. Meine Erfahrungen haben mir gezeigt, dass es ganz wichtig ist, auch mal mit Kämpfern anderer Kampfstile wie Boxern oder Kickboxern, Thaiboxern oder JKD Leuten und auch Judoleuten zu sparren. Das ist ein Realitätscheck und ein Augenöffner. Jede theoretische Diskussion erübrigt sich dann.
Selbst wenn man nach diesen Erfahrungen auf der traditionellen Schiene bleibt, wird sich die Kampfkraft und Kampffähigkeit auf jeden Fall verbessern.
Wie Du siehst, ist Deine Frage ob es irgendeinen Ersatz für das Kampftraining gibt, nicht mit einem Satz zu beantworten. Willst Du grundlegende Kampffähigkeiten _in Deinem System_ erlangen, musst Du gegen Leute kämpfen, die auch Karate machen. Willst Du halbwegs realistisch kämpfen lernen musst Du auch das tun und vor allem Deine systemspezifischen Techniken gegen fremde Stile überprüfen. In dem Fall bin ich mir sicher, dass Du dann die Erfahrungen, die unsere kleine Gruppe gemacht hat wiederholen wirst.
Grüße,
Karl-Heinz
Ergänzung: Natürlich ist Karate mehr als nur kämpfen, aber das war ja nicht die Frage. Selbstverständlich soll man in einer SV Situation auf der Strasse alles versuchen, was einen Kampf vermeidet, notfalls sogar flüchten. Erst wenn überhaupt kein anderer Ausweg besteht soll man kämpfen mit der Absicht den Kampf so schnell wie möglich zu beenden.




