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Geändert von Freier Geist (16-04-2011 um 18:43 Uhr)
Ich denke über Yi im Training nicht nach ... ebensowenig wie über Acetylcholin oder Membranpotentiale. Ich könnte höchstens auf diese Begriffe zurückgreifen, wenn mich jemand nach einer komplizierten Erklärung fragt ... aber weshalb sollte das jemand tun?
Yi taucht (bei uns ...) wenn überhaupt nur in Erklärungen auf, nicht in Anweisungen![]()
But if they tell you that I've lost my mind
Baby it's not gone just a little hard to find
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Geändert von Freier Geist (16-04-2011 um 18:42 Uhr)
Man muss unterscheiden, was man wissen will:Aus diesem Vergleich heraus, frage ich mich, ob hinter Yi letzten Endes vielleicht nur hohe Aufmerksamkeit steht
Geht es darum, rauszufinden, wie man richtig trainiert, oder was irgendwelche Anleitungstexte wie z.B. irgendwelche Klassiker bedeuten.
Beides erfordert eigene Regeln, und wenn man sich für Texte und Begriffe interessiert, dann muss sich zuerst um die Regeln der Sprache kümmern, weil es sonst passiert, dass man die Lehrinhalte unkontrolliert in die unverstandenen Begriffe reinprojiziert. Dann findet man in den Texten auch nichts, was man nicht ohnehin schon weiß oder glaubt, und wundert sich, warum nicht alle das glauben, was man selbst dabei "versteht".
Nicht alles, was im Training wichtig und richtig ist, steckt in den Begriffen drin.
Was die Konzentration betrifft, ist es so, dass Konzentration nunmal einfach Konzentration ist. Leider kann die Konzentrationsfähigkeit des Menschen fast nur in inhaltlicher Hinsicht geschult werden, aber nicht wirklich quantitativ verbessert werden. D.h. man kann lediglich lernen, dass man sich in möglichst geschickter und effektiver Art auf die richtigen Dinge konzentriert, und dieses auch intensiv übt. Man kann sich dadurch aber nachher nicht wirklich "besser" im Sinne von "mehr" oder "stärker" konzentrieren, es sei denn, man war vorher irgendwie beeinträchtigt durch ungesunde Lebensführung o.ä..
Dementsprechend gibt es auch kein "Yi", was gestärkt oder "angesammelt" werden könnte, sondern Yi ist einfach Yi, d.h. das Bewusstsein, wie es eben ist.
Klassische Anweisungstexte sind nicht die heilige Schrift, können aber die Erläuterungen des Lehrers ergänzen, falls er sich nicht ohnehin darauf bezieht.
Wichtig ist aber die direkte Unterweisung, die praktische Erfahrung in den richtigen Kontext mit den Begriffen stellt. So ändert sich mit dem Fortschreiten das Verständnis der Begrifflichkeiten.
Fehlt der praktische Bezug, kommt es zu den bekannten Stilblüten, wie Schüler die tatsächlich denken, sie könnten sich ohne Muskelkraft bewegen.
Eine gewisse Geistesschulung oder besser Geistesberuhigung ist schon, zumindest im klassisch trainierten Chenstil, vorhanden.
Dadurch erreicht man (allerdings sehr allmählich) eine größere geistige Klarheit.
Du kannst jetzt natürlich die Geistestrübung oder die starke sprunghafte Gedankenaktivität unter Beeinträchtigung durch ungesunde Lebensführung einordnen. Allerdings könnte man dann auch Fehlhaltungen und energetische Blockaden (Verspannungen), die das Jin schwächen, so sehen.
Tatsache ist, das der durchschnittliche Mensch diese Qualitäten durch Training steigern kann.
Für mich ist der Hauptzugang zu den Begrifflichkeiten Yi, Xin, Qi, Jin, Li die inneren drei Zusammenschlüsse (Nei San He) die als Bestandteil der sechs Harmonien ja in den meisten CMA vorkommen.
Die Chen-Version:
Xin Yu Yi He - Das Herz verbindet sich mit der Aufmerksamkeit - Geist
Qi Yu Li He - Die Energie verbindet sich mit der Kraft - Energie
Jin Yu Gu He - Die Sehnen verbinden sich mit den Knochen - Körper
Hier ist auch die Antwort enthalten, ob man mit Yi, Qi, Jin oder Li agiert: Ja, alles arbeitet zusammen!
Nun gibt es durchaus verschiedene Ansichten darüber, ob das Nei San He einfach eine Beschreibung darstellt, wie die Aussteuerung von Bewegung durch den Geist funktioniert, oder ob es eine Trainingsanweisung /-Ziel darstellt.
Für den Blick auf Yi ist die erste, geistige Ebene interessant.
Es gibt mindestens zwei Interpretationsmöglichkeiten:
die profane Beschreibungs-Interpretation:
Emotionen/Triebe (Xin) werden zu Handlungsabsichten (Yi)
Das würde mit der modernen Sicht der Dinge übereinstimmen, dass unsere Handlungen zwar mit dem Verstand oder zumindest motorischen Hirnstrukturen ausgeführt werden, ihre Ursache, ihren Antrieb aber in Emotionen oder eben "Trieben" haben (von Reflexen mal abgesehen).
die Version, wie sie in der WCTAG (als Lernziel) vermittelt wird:
Xin wird ebenfalls als Trieb, Emotion (oder freudsches "ES") gedeutet.
Yi als (kontrollierendes?) Bewusstsein oder auch Handlungsabsicht.
Zwischen dem Herzen und dem "Verstand" kann es zu Konflikten kommen:
Ich werde wütend, möchte jemanden schlagen, aber mein Verstand weiß um die Konsequenzen und ich beherrsche mich.
Oder ich habe die Ansicht, dass ich meine Meinung vertreten sollte, tue es aus Angst aber nicht.
Solche inneren Konflikte sind natürlich dem Kampferfolg abträglich, daher lautet das Ziel:
"Wenn Du handelst (kämpfst), dann mit dem ganzen Herzen, ohne Zweifel (oder Skrupel)!"
Eine Zielsetzung, die auch anderen Methoden der Geistesschulung (z.B. Zen) nicht fremd ist.
Darüberhinaus gibt es die Anweisung, das Yi sollte nicht (zu sehr) auf das Qi gerichtet sein, sonst wird sich das Qi zerstreuen (was man bei manchen esoterischen Sumpfblüten beobachten kann).
Wie gesagt ergibt sich die (persönliche) Interpretation der Begriffe durch den Praxisbezug und den Austausch mit entsprechenden Lehrern.
Die chinesischen inneren Künste sind angewandte Künste mit einer großen subjektiven Komponente.
Daher sollte man IMO die Begriffe oder Texte nicht als objektive Gebrauchsanweisung oder Fachbegriffe/-Literatur verstehen, die ohne weitere persönliche Unterweisung die Kunst erklären.
Edit: Vielleicht sollt man die Beiträge ab Nr. 12 in ein separates Thema ausgliedern
Geändert von bluemonkey (13-12-2008 um 05:39 Uhr)
In vielen Situationen gebe ich Dir da recht, oft wird zu sehr "gewollt" und nachgedacht und man hindert sich so daran, Dinge im Training wirklich zu erfahren.
Jedoch gerade was Yi angeht, bin ich anderer Ansicht. Für mich steht Yi für Intention. Und auf Intention muss ich mich, gerade als Anfänger, konzentrieren. Fehlende Intention ist bei vielen als Ursache für die schlechte Ausführung von Techniken oder schlechte Kampfesfähigkeit zu sehen. Dem Praktizierenden mal zu erklären was Yi also ist und wie man es entwickeln und nutzen kann, ist mehr als sinnvoll. Dafür gibt es auch schöne Qi Gong Übungen ...![]()
So würde ich das auch sehen, und zwar auch als unbewusste Handlungsabsicht. Die Leute haben auch früher schon gemerkt, dass man sich eher weniger bewegt, wenn man schläft oder tot ist, und daraus haben sie wohl geschlossen, dass das Bewusstsein was mit den Bewegungen zu tun hat. Der Geist alleine kann es nicht sein, denn ich kann mir eine Bewegung vorstellen, ohne sie auszuführen. Da fehlt also noch ein Bindeglied. Nennen wir es doch Yi
Natürlich erfährt ein derartiger Begriff, ist er erst einmal etabliert, zahlreiche Veränderungen, Verfeinerungen und Korruptionen. Genauso wie Qi, das von einem nahrhaften Luftbestandteil zu einer Art Universalnahrung aufgestiegen ist. Man muss sich also nicht mehr wundern, dass nach mehreren Jahrhunderten vielleicht nicht mehr alle irgendwo auftauchenden Yi-Erwähnungen unter der gleichen Hut zu bringen sind.
Grüße,
Trinculo
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Und wie erklärst Du Deinen Schülern den Unterschied zwischen "Wollen" und "Absicht"? Ich will keinen Fauststoß ausführen, aber ich habe die Absicht, es zu tun?
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Ich verstehe Intention als weiter gefasst als nur Wollen oder Absicht.
Intention ist auch die Einstellung, der Focus, die Konzentration bei einer Aktion.
Ohne Wollen und Absicht geht natürlich auch nichts, zuviel ist aber schlecht. Da sind wir wohl einer Meinung.
Bei vielen Taiji übenden ist es gerade die fehlende Intention (Focus etc) die das ganze "nur" nach Gymnastik aussehen läßt.
Bei richtig guten Leuten (Wang Chieh, Mike Martello, Zhang Xin Bin) fehlt das Yi nie. Wenn Zhang YiQuan demonstriert, ist es natürlich, weich aber it Intention. Und die Intention liegt deutlich im Martial Arts Bereich ....
Einstellung ist doch etwas sehr allgemeines. Welche unterschiedlichen Einstellungen könntest Du Dir denn bei einer bestimmten Bewegung vorstellen?
Konzentration ... auf was konzentrierst Du Dich genau?
Insgesamt fände ich es verwirrend, all die oben genannten Begriffe unter "Intention" zu subsummieren. Intention ist nun mal Absicht, das würde ich schon von Konzentration (die mit Fokus wohl weitgehend identisch ist) abgrenzen. In jedem Fall sind Konzentration und Fokus sehr "bewusste" Komponenten
Und es ist klar, dass sie bestenfalls im Training, aber sicherlich nicht in einer Selbstverteidigungssituation auftauchen![]()
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Was mantis schreibt, finde ich sehr richtig. Ich sehe das so, dass sich diese Sauberkeit, Präzision und auch mentale Klarheit, die man dann in den Bewegungen sieht, vor allem daraus ergibt, dass diese Leute ein sehr sauber ausgewogenes Konzept der Bewegungen und aller nötigen Qualitätsmerkmale und Anforderungen haben. Dadurch können sich die Praktiker geistig auf alle Aspekte konzentrieren, und alle Ideen und Intentionen werden auch umgesetzt, und bleiben nicht nur theoretische Wunschträume, wie es irgendwann mal sein soll. Gleichzeitig ist der Weg der Konzentration durch die Übung zusammen mit den Bewegungen eingeschliffen, so dass sich der Geist in Harmonie mit dem Körper im Einklag mitbewegt, weil eben beides und alles zusammengehört. Dsa entsteht natürlich nur durch Übung und immer feineres Basteln an den Bewegungen.
Wo ich aber drauf hinweisen möchte, ist, dass "Yi" nicht erst dann vorliegt, wenn so eine Abstimmung von Geist und Bewegung durch viel Übung erworben wurde, und durch das Üben und Verbessern dieser Abstimmung sich das "Yi" im eigentlichen Sinne auch nicht verbessert, oder "mehr" davon entstehen würde, sondern das Yi ist von Anfang an vorhanden, wird aber durch Übung in die ganzen Zusammenwirkungen mehr und mehr eingebunden.
Yi hat jeder Ungeübte, genauso wie jeder Ungeübte die gleichen Beine oder Arme hat, wie jeder Geübte auch. So wie man durch Üben nicht wirklich bessere oder "mehr" Arme oder Beine bekommt, bekommt man durch Üben nicht mehr oder besseres Yi, sondern man muss mit dem Leben, was man hat.
Aber ebenso wie man lernen kann, seine Arme und Beine besser zu steuern, kann man lernen, sein Yi besser zu kontrollieren.
Deswegen braucht man sich aber auch nicht großartig um ein Verständnis bemühen, was "Yi" denn nun wirklich ist, oder ob es sich von "Absicht", "Konzentration" usw. nun irgendwie unterscheiden würde (was es nicht tut).
Man braucht sich ja auch nicht darum kümmern, wie man "Bein" und "Arm" genau definiert, oder ob das chinesische Wort "tui" für "Bein" was leicht anderes bedeutet als das deutsche Wort. Es reicht, wenn man seine Beine beim Üben richtig bewegt oder stillhält, je nach dem.
Dementsprechend braucht man ein Konzept, man braucht die Absicht (=Yi), dieses Konzept in jeder Sekunde umzusetzen, und man braucht die Konzentration (=Yi), dass das ganze nicht nur Absicht bleibt, sondern tatsächlich geschieht. Das Werkzeug dafür ist das Yi, nicht das Ergebnis.
Yi wird notorisch ungeeignet übersetzt, damit es für manche Leute immer was mit Wollen und total konzentrieren zu tun hat. Eigentlich ist etwas gemeint, das zwar eine geradezu unheimliche Aufmerksamkeit schafft, aber eben dadurch dass man das "Merken" von Gefahren einem tieferen Bewusstsein überlässt. Das greift dann obwohl man rumdöst ruckartig und heftig, mit überragender Präzision ein.
Das beste Beispiel hat FG schon genannt, AUTO FAHREN. Man stiert nicht wie bekloppt auf die Strasse und konzentriert sich unheimlich, sondern man fährt sogar entspannt und lässt sich mehr oder weniger treiben, nur ohne die Augen von der Umgebung zu nehmen. Die Konzentration ist nach genügend Erfahrung einfach da, und stellt sich auch von alleine beim Einsteigen ein. Und wenn dann was kommt, fahren solche Autofahrer wie von selbst aus der Gefahr.
Das gleiche gilt für Selbstverteidigung. Wenn man ausreichend viel seine Partnerübungen macht, wo man längere Zeit immer wieder die penetrant kommenden Hände ableitet, dann geht das irgendwann von alleine. Auch wenn man Zeitung liest, oder gerade die Treppe putzt. Voraussetzung ist allerdings, dass man das Gefühl sich auch wehren zu wollen zugelassen hat, sonst kommt es immer zu Konflikten zwischen dem was der abwehrende Geist machen will, und was andere Gefühle wollen die sich lieber verstecken oder unterwerfen. Letzteres führt immer dazu dass man in die Fresse bekommt. Auf solche Gefühle wirken Standübungen übrigens ebenfalls, weil das Unterbewusstsein dabei Zeit hat sich darum zu kümmern. Das blosse Vorhaben DASS man die Zeit nimmt mit der losen Intention sich um seine Verteidigungsfähigkeit, Gesundheit und Unversehrtheit zu kümmern führt zu solchen Prozessen.
Wenn man unbedingt wollte, liesse sich, über geeignete Methoden der Hirnforschung, sicher feststellen welcher Teil der normalerweise "schlummert" da plötzlich aktiv wird. Wer das nie erlebt hat, mag jetzt glauben dass er das auch hat, oder vehement streiten es gäbe sowas nicht, letzten Endes kann es einem völlig egal sein was so jemand meint. Wer das mal erlebt hat weiss dass es das gibt, Punkt.
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