Hoppla,
da schaut man hier mal kurz nicht rein und schon läuft eine angeregte Diskussion.
Ein paar Anmerkungen meinerseits:
Die mir bekannte, gängige Definition für Historisches Fechten, historische KK oder HEMA (Historical European Martial Arts) oder auch WMA (Western Martial Arts) ist folgende: Sämtliche Kampfkünste des europäischen Kulturkreises bis zum Ende des 19. Jahrhunderts mit unterbrochener Tradierungslinie.
Die Definition ist natürlich eine Kopfgeburt, hilft aber beim Differenzieren.
Hatte Meister Liechtenauer nun Einflüsse anderer Meister aus anderen Regionen? Fragen wir doch einfach einen seiner Schüler, was der dazu meint. (Der junge Mann schreibt frühneuhochdeutsch - das kommt dem einen oder anderen vielleicht spanisch vor. Lest es laut, dann funktioniert es einigermaßen. Und denkt dran, dass er es mit u,v und w etwas entspannter sieht! haw heisst z.B. Hau und newe neue. Und y = i! Und ~ = n! Naja, Ihr checkt das schon - er redet ja von KK!)
Also, woher hat dein Meister Liechtenauer sein Können, wenn man fragen darf?
Ah, verstehe, er hat die Kampfkunst also nicht selbst erdacht oder erfunden, sondern auf seinen Reisen von anderen gelernt.Nicht das her sy selber habe~ fvnden vnd irdocht / als vor ist geschreben / Sonder / her hat manche lant / durchfaren vnd gesucht /
Interessant. Und hat er sich dann für einen bestimmten Stil entscheiden müssen oder war das alles gleich? Oder wie muss ich mir das vorstellen?
Aha, nur eine Kunst des Schwertes. Schon zu Liechtenauers Zeiten uralt, interessant - scheint sich bewährt zu haben! Offensichtlich, weil die Kampfkünste auf denselben Grundlagen fußen - das kommt mir bekannt vor. Sprechen wir hier etwa von denselben Grundlagen?vor allen dingen vnd sachen / saltu merke~ vnd wissen / das nür eyne kunst ist des swertes / vnd dy mag vor manche~ hvndert Jare~ seyn fvnden vnd irdocht / vnd dy ist eyn grunt vnd kern aller künsten des fechtens / vnd dy hat meist° lichtnaw° gancz vertik vnd gerecht gehabt vnd gekunst /
Schlicht und gerade auf kürzestem Weg zum nächsten Ziel schlagen? Na, das kenn ich doch! Wird von jedem kompetenten Kämpfer heute noch so gemacht, auch wenn es sich leichter anhört, als es auszuführen ist.dy selbe kunst ist ernst gancz vnd rechtvertik / Vnd get of das aller neheste vnd körtzste / slecht vnd gerade czu
Da hat es doch sicher noch mehr Lehrer gegeben, als den Herrn Liechtenauer, wahrscheinlich auch verschiedene Stile. Ich meine, immerhin gab's bei Euch eine ganze Latte Disziplinen: Waffenlos, Dolch, Langes Messer, Langes Schwert, Schwert und Schild, Mordaxt, Speer das ganze in Rüstung oder ohne, im Sattel oder zu Pferd ...
Ach, du liebe Zeit! Da habe ich wohl in ein Wespennest gestochen. Tja, Leute, die dicke Backen machen und sich aufplustern und cool aussehende Akrobatik und Schaugefechte als selbst erfundene Kampfkunst verkaufen wollen, gab es wohl damals wie heute. Und natürlich glaubt ein jeder erstmal seinem eigenen Meister - was jetzt nicht bedeuten soll, dass ich glaubte, Dein Lehrer Liechtenauer wäre nicht absolut kompetent gewesen. Mein ja bloß, vielleicht gab es z.B in Italien Schwertkämpfer, die einige Sachen etwas anders machten, aber trotzdem nicht völlig verkehrt. Nur so ein Gedanke. Das mit den Grundlagen und der Biomechanik sehen wir allerdings schon genau gleich.
dy do sprechen / das sy selber newe kunst vinden vnd irdenke~ vnd meyne~ das sich dy kunst des fechtens von tage czu tage besser vnd mere / Aber ich wölde gerne eyne~ sehn der do / möchte nür ey~ gefechte / ader eyne~ haw / irdenke~ vnd tue~ / der do nicht aus lichtnaw°s kunst gynge / Nür das sy ofte eyn gefechte vorwandeln vnd vorkeren wöllen / mit deme / das sy im newe name~ gebñ / itzlicher noch seyme hawpte / Vnd das sy weit vm~efechten vnd paryrn irdenken / vnd oft vör eyne~ haw / czwene ader dreye tue~ / nür durch wolstehens wille / do von sy von den unvorstendige~ gelobt wolle~ werden / mit dem höbsche~ paryrn vnd weit vm~efechte~ / als sy sich veyntlich stellen / vnd weite vnd lange hewe dar brenge~ lanksam vnd trege / mit deme sy sich gar sere vorhawen
Eine Frage hätte ich zum Abschluss noch: War Meister Liechtenauer eigentlich der Meinung, dass man das Kämpfen allein aus einem Buch lernen kann?
Okay, hatte ich mir gedacht. Merkt man auch in Foren dauernd: Fünf Tage Disput und wuttippende Finger und keine Einigkeit. Fünf Minuten im Dojo oder Fechtsaal und es gibt keine zwei Meinungen mehr.Auch merke das / vnd wisse das mã nicht gar eygentlich vnd bedewtlich von dem fechten mag sage~ vnd schreibñ ader auslege~ / als mã is wol mag czeige~ vnd weisen mit der hant /
Bedeutet aber auch, dass man um gute Lehrer nicht herumkommt, oder? Von Euch Jungs lebt ja keiner mehr. Blöd, irgendwie.
Jedenfalls danke für die Info.
Sehr interessant. Schätze aber, dass man mit der nötigen Kampfkunstvorbildung eine Menge lernen kann aus dem, was Du und andere aufgeschrieben haben von Deinem Meister Liechtenauer und seinen Nachfolgern. Vor allem, wenn es um Eure Waffen geht. Die benutzen wir ja heute nicht mehr, deshalb können wir unmöglich soviel Ahnung davon haben, wie ihr, die ihr damit ernsthaft gekämpft habt.
Fühle mich als historischer Fechter ehrlich gesagt manchmal wie eine Jungfrau, die über Sex fachsimpelt - aber, hey, wenn ich es recht bedenke, will ich meine Unschuld gar nicht verlieren! Und als Escrimador habe ich mich eigentlich auch nie in einem Duell mit einer Machete befunden. Tut mir aber auch nicht leid.
Beste Grüße ins Mittelalter,
Roland




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