Hallo SchwingDeinDing,
Kein Verhalten kann das Attribut „unnatürlich“ haben, sondern (wie du am Ende richtig schreibst) allenfalls das Prädikat des Abnormalen. Das Gegenteil von Natur ist in diesem Kontext aber Kultur, nicht Norm. Jedes kultivierte Verhalten, ist nicht mehr ein natürliches Verhalten.Verhalten lässt sich m.M.n. nicht in "natürlich" und "unnatürlich" differenzieren,
Daß wir uns in der Diskussion damit selbst Probleme erzeugen, die faktisch gar nicht bestehen, kann man daran erkennen, daß auch bei Tieren konditioniertes Verhalten existiert und hierbei die Differenzierung zwischen Natur und Kultur nicht existiert.
Ein „unnatürliches“ Verhalten wäre jenes, was in der Natur nicht vorkommt. Die einzigen Bereiche, die außerhalb der Natur existieren, sind jene durch Menschen geschaffenen „kultivierten“ Räume. Verhaltensweisen, die ausschließlich diesen Räumen zuzuordnen sind, wären damit unnatürliche Verhaltensweisen. Dies beginnt bereits im Verhalten, mit Messer und Gabel zu essen.
Was Du unter nicht-motiviertes Verhalten verstehst, ist mir noch nicht ganz klar. Bedürfnisse erzeugen Motivation. Verhalten ohne Bedürfnis... gibt es das? Selbst das Verhalten, welches Spontanreaktionen auslöst, wird durch Bedürfnis angeregt. Vielleicht kann man hier das Bewußtsein stärker berücksichtigen, welches Bedürfnisse über kongnitive Prozesse auszugleichen versucht. Und hier käme der Aspekt ins Spiel, daß der Drang nach Bedürfnisbefriedigung den Menschen ja erst dazu veranlaßt, Lösungen auch über das Angebot der Natur hinaus zu suchen, was im Ergebnis zur Kultur führt.
Radfahren ist nur insofern eine Folge des Natürlichen, indem es dem Menschen ein natürliches Bedürfnis befriedigt. Das Verhalten selbst, das Herstellen und Verwenden von Fahrrädern ist jedoch eindeutig ein kulturelles Verhalten und somit Teil von Kultur, nicht Teil der Natur. Es sei denn, Du postulierst, daß Kultur auch Teil der Natur sei (der Natur des Menschen). Damit würdest Du den Begriff Kultur eliminieren.
Angst ist einer der stärksten Motivatoren, hat aber eben Kultur zur Folge. Die Mechaniken, die der Mensch auf Grund von Ängsten entwickelt, sind nur so weit natürlich, so sie als Lösungen von der Natur zur Verfügung stehen. Sind die Mechaniken zur Lösung aber vom Menschen designt, sind sie Teil seiner Kultur, unnatürlich.Wenn also das Motiv "ängstlich" nur gering ausgeprägt ist, wird auch die geringe ausgeprägte Motivation "Angst" das Verhalten nur im geringen Maße, als Reaktion auf den Anreiz, beeinflussen und das auf vollkommen natürliche Art und Weise.
Ich halte Kampfstile grundsätzlich für von Menschen designte, kulturelle Errungenschaften, nicht für natürliche Prozesse.
Ist das so? Wenn man die reale Gefahrensituation der meisten KK-/KSp-Aktiven bewertet, dann ist die Gefährdung meist hypothetisch. Die Motivation zum Betreiben eine KK, so sie sich mit dieser hypothetischen Gefährdung begründet, wäre in diesen Fällen synthetisch, unnatürlich. Begründet man jedoch die Motivation über real existierende Ängste, dann kann das schon wieder ganz anders aussehen. Nicht jeder Angst steht eine akute Gefahr gegenüber, manche Ängste sind auf Grund von Wahrscheinlichkeiten real begründet. Daß die Kampfkünste selbst die Wahrscheinlichkeit bemühen, sich zu begründen, liegt auf der Hand und ist auf Grund der Kultur des Menschen sogar gerechtfertigt.Man kann jedoch (versuchen) systemisch interagierende Motive auszurichten, indem durch situative Gegebenheiten Interesse derart geweckt wird, als das der Gegenstand der Situation aufbereitet oder anders darstellt wird (künstlich Anreize zu schaffen, die in der normalen Umwelt nur selten vorkommen), um gewünschtes Verhalten zu erhalten. Das versucht im Prinzip JEDE KK/KS/SV .... und jeder Schullehrer
Das geht auch nicht anders, weil KK (....“Kunst“(!!)) postuliert. Dem gegenüber steht aber auch, daß die meisten realen Angriffe künstlich erzeugte Situationen darstellen, meist durch kulturelle/soziale Motivation begründet ist.nur die Situation ist künstlich erzeugt
Normalität orientiert sich an das Verhalten der Mehrheit, was nicht in Korrelation zu einem natürlichen Verhalten stehen muß. Die Normalität ist kulturell stark variabel. Im 3. Reich war sie eine Andere, als heute, im Mittelalter eine andere, als in der Moderne.Vllt. sollte man sich hier auf die Terminologie "normales" und "abnormales" Verhalten, also von der Norm abweichendes Verhalten, einigen.
Abnormalität setzt ein allgemein anerkanntes Normverhalten voraus, eine Norm, sie selbst nie Natur ist, sondern Kultur im starken Sinn darstelle. Das Normale wird bestimmt. Das Abnormale wird an dieser Norm determiniert. Wir rutschen hierdurch in den Zeitgeist. Kampfstile, die beispielsweise Blankwaffen verwenden, sind heute anders motiviert, als zu ihrer Entstehungszeit - was die KK selbst aber gar nicht verändert. Die Motivation der aktiven in der damaligen Zeit war jedoch eine andere, als sie bei heutigen Aktiven.
Ich halte es für schwierig, heutige KK mit Motivationen zu begründen, die uns aus ganz anderen Epochen überliefert wurden, in denen die Motivationen gänzlich anderer Natur waren. Das macht ja auch gerade die Diskussionen schwerfällig, in der es um traditionelle Kampfkünste geht und um die Frage, in wie weit es berechtigt ist, Kampfstile heutigen Notwendigkeiten gegenüber anzugleichen. Auf das Notwendige reduziert müßte man KK ständig aktualisieren. Um sie als Kunst zu erhalten, dürfte man deren Inhalte nicht anfassen.
Gruß, WT-Herb




