Erfahrung mit Kadeshi am Montag
An: @web.de
Lieber ,
da hast Du mich ganz schön perfide hinter's Licht geführt. Dein Glück,
dass mir die Web-Präsenz dieser Yoshin Ryu längst entfallen war. Emoji
Ich habe sie mir nach dem Training mal angesehen, war wie erwartet.
Es fällt mir nicht ganz leicht, mich ehrlich über mein vorgestriges Erlebnis zu äußern,
weil man im Kadeshi e.V. - insbesondere der Lehrer meiner Gruppe - sehr nett war.
Der besagte Besuch hat mich jedoch leider darin bestätigt, das Problem der
japanischen und der nur japanisch angehauchten Schulen - welches ich um des
lieben Friedens willen genauso wie allzu kritische Beiträge über das moderne
Ninjutsu vermeiden wollte - auf meiner Homepage, wenn wir deren Start
wirklich noch erleben, zu thematisieren und Hilfestellung anzubieten.
-----------------------------------------
Ich bin wie angedacht vorgestern mit einem Makimono der Yôshin-Ryû und einem Bokken
im Gepäck zum Montags-Training der vermeintlichen Yôshin-Ryû gefahren - direkt zum Sitz der
Schule, weil dort auch die Landesvertreterin unterrrichtet. Letzte Woche schaffte ich es nicht mehr.
In den Gängen einer Schul-Sporthalle bin ich auf zwei Farbgurte im weißen Anzug und einen
Schwarzgurtträger gestoßen, der mir bestätigte dass ich auf der Suche nach der Yoshin Ryu
- gefragt hatte ich allerdings nach der Yôshin-Ryû, dazu später mehr - auch völlig richtig sei.
Ich habe - um mein möglicherweise als unhöflich empfundes, unangekündigtes Kommen
zu erklären - sofort gesagt, dass ich eine alte Schriftrolle (Makimono) der Yôshin-Ryû hätte
und weil mir ein Freund verraten habe, dass es tatsächlich eine Yôshin-Ryû in der Stadt gäbe,
sei ich einfach mithilfe eines auf mein Handy gesendetem Googlemap-Fotos vorbeigekommen.
Heinrich, der Schwarzgurtträger, der uns später unterrichtete, musste mich hinsichtlich der
Hoffnung, die Yôshin-Ryû oder einen Zweig der Yôshin-Ryû gefunden zu haben, enttäuschen.
Man habe nur indirekt mit Japan zu tun über den Umweg Italien, wo die Mutterschule sitze
- ich denke, er meinte damit soetwas wie ein Honbu-Dôjô. Nachdem ich mich über die sehr
schnelle Ausprache von Yôshin-Ryû als "Yoshin Ryu" zwar gewundert hatte, dass aber nur
darauf schob, dass nun einmal nicht jeder Japanisch kann/schon selbst mit japanischen
Lehrern trainiert hat, beschlichen mich im Zusammenhang mit der Aussage dass man
Jutaijutsu betriebe erste Zweifel, denn diesen Begriff kennt man in erster Linie aus
dem Ninjutsu. Es fiel auch auf, dass offenbar alle Lehrer "Ninja-Anzüge" tragen
- auch ein Braungurtträger, der neben uns auf einer zweiten Mattenfläche für
eine Schwarzgurtprüfung im nächsten Monat trainierte, wie ich später erfuhr.
Würde man hier etwa vom Samurai langsam zu einem Ninja aufsteigen können?
Die Idee, mal mit Musik zu trainieren fand ich interessant, nur ist das in der Gruppe
als Dauerzustand vorgesehen, auch wenn nicht zu jedem Training Taikomusik gespielt,
sondern die Musikrichtung auch mal gewechselt wird, wie man mir verriet. Sofort beim
Beginn der von leichter Bushidô-Demut getragenen Begrüßungszeremonie war mir klar,
dass die Leute niemals im Leben soetwas Klassisches trainieren würden, wie sie es zu
glauben scheinen, sondern irgendeine reine Gaijin-Ryû mit erfundener Geschichte.
Es ist daher kaum der Rede wert, dass mir die Übung "Sumoringer links, rechts"
beim Aufwärmen neben Be- und Abgrüßen neueren Datums zu sein schien.
Ich vergaß leider zu fragen, wer eine Holzkiste, in der irgendwelche Papiere
verwahrt werden, mit einem der 47 Rônin verziert hat statt mit irgendetwas,
das mit der Yôshin-Ryû zu tun hat, wobei man das ohne Hintergrundinfos aber
nicht bewerten sollte, es würde nur unter Umständen das Bild weiter abrunden.
Leider blieb nach Aufwärmen, Rollen und Fallen kaum noch Zeit für das Training selbst.
Ich bin kein Wurfexperte aber den geübten Hüftwurf hätte ich gefühlsmäßig eher dem
modernen Jûdô oder Jujutsu/Jiu-Jitsu als einer Koryû zugeordnet. Es wurde auch noch
ein Kreuzblock, der zugleich Angriff sein sollte, gegen den Angriff mit einem ungefähr
40cm langen Stab geübt, dem sich eine Hebeltechnik anschloss. Nach dem Ende des
Trainings konnte ich kurz dem Braungurt, dessen Training bei Beginn des Trainings
unserer Gruppe bereits lief, bei seiner Schwarzgurtvorbereitung zusehen. Auch
er übte so einen Kreuzblock - allerdings gegen den Angriff mit einem Messer.
Die Lehrerin die seine Prüfungsvorbereitung leitete, demonstrierte auch,
wie diese Technik richtig funktioniert und ich hätte gerne mitgemacht.
Die Prüfungen sind in Italien, wahrscheinlich kein billiges Vergnügen.
Vielleicht bin ich unfair aber das Niveau für einen angehenden
Shodan fand ich so niedrig angesetzt, wie ich's nur aus den
Gaijin-Ryû und / oder den berühmten Mc Dojos kenne.
ich meine damit nicht die gezeigten Techniken - über
die man von Stil zu Stil sowieso oft anders denkt -
sondern völlig fehlendes Körperbewusstsein,
dass man in egal welcher Koryû entwickelt.
Gerne hätte ich weitere Techniken gesehen.
Ging ich auch anfangs mit völlig anderer Erwartungshaltung an die Sache heran, so
wunderte ich mich nun nicht, dass mein makimono niemandem irgendetwas sagte,
und auch meine kurze Erläuterung zum Inhalt der Rolle nur Fragezeichen hervorrief.
Etwas enttäuscht war ich aber darüber, dass dieses makimono - trotz schöner Bilder
von Menschen mit verschiedenen Waffen im Kampf gegeneinander - kein rechtes
Interesse hervorzurufen schien, auch wenn die Lehrerin später noch meinte, Sie
hätte Interesse an den Infos, wenn ich etwas herausbekommen haben sollte.
Mal angenommen, die Leute glauben wirklich, dass ihre Quelle in Turin authentisch ist,
was sie mit Sicherheit nicht ist, dann wird man doch erwarten, dass sie - auch wenn sie
kein Japanisch können - an alten Bildern ihrer Kampfkunst ein gewisses interesse zeigen?
Ich musste mir ein wenig auf die Zunge beißen, als die Lehrerin meinte, dass ein paar Leute,
die Japanisch könnten, leider nicht mehr kommen würden, denn ich konnt's mir gut denken.Emoji
-----------------------------------------
Ich kann leider nur festhalten, dass die Leute nett waren, alle/einige von ihnen die wilden Geschichten
aus Italien wahrscheinlich glauben, sie aber keine Ahnung haben was sie wirklich tun oder vielleicht ja
gar nicht sehen wollen, dass sie "mittelalterliche Traditionen aus Japan" pflegen die es nie gegeben hat.
Ich habe schon einige Koryû gesehen und erlebt und was immer beim Kadeshi e.V. trainiert wird hat mit
Japan - mal abgesehen von romantischen Anleihen - soviel zu tun wie ich mit der allerersten Mondlandug.
Leider wusste ich nicht recht, wie ich diesen Leuten - höflich und glaubhaft genug für sie - beibringen sollte,
dass sie alle von vorne bis hinten nur durch den Kakao gezogen werden und vielleicht noch stolz darauf sind.
Ich beließ es daher bei einem freundschaftlichen Besuch ohne jede noch so gerechtfertigte Kritik meinerseits.
Leider habe ich in der Vergangenheit wiederholt festgestellt, dass man egal ob als "Interner" oder als Person
von Außerhalb nicht gerade beklatscht wird, wenn man es wagt, erkannte Probleme offen anzusprechen und
argumentativ zu erörtern, warum behauptete Dinge nachweislich falsch sind oder doch arg unwahrscheinlich.
Wer bewusst irreführt, dem ist man dann selbstverständlich ein Dorn im Auge und wer irregeführt wird, dem
fällt es schwer sich einzugestehen, dass man - möglicheise seit vielen Jahren - in einer reinen Traumwelt lebt.
Kritik an der Sache kann von Betroffenen oftmals nur als persönliche Kritik aufgefasst werden, denn wer will
sich schon eingestehen, dass man wertvolle Lebenszeit verschenkt hat und "Erreichtes" nicht wirklich zählt?
Wer aber - vermeintlich - einen selbst angreift, der muss natürlich der wahre Übeltäter sein und so schafft
man's unter Verdammung der bösen Schmäher mühelos, sich selbst die vielen Märchen aus Tausend und
einer Nacht noch lange als wahre Weltgeschichtschronik verkaufen zu lassen und das beruhigt ungemein
das eigene zarte Seelchen. Gewachsene zwischenmenschliche Beziehungen erschweren eine Aufklärung
zusätzlich und das Vertrauen in die eigenen Lehrer zählt mehr als das Wort von Schülern oder Fremder.
Ich kann nur hoffen dass wenigstens der/ die Eine oder Andere früher oder später mal aufwacht und sich
dazu durchringt, irgendwo nochmal neu anzufangen - auch wenn man dann wieder ganz am Anfang steht.
Bis bald,