Hallo,
mein Hinweis ist doch nicht so schwer verständlich: es geht um vom Karateka zu erwerbende technische Fertigkeit, die sowohl körperliche als auch geistige Aspekte umfasst. In den Kommentaren zu meinem Beitrag scheint es mir eher um allein körperliche Punkte zu gehen. Das würde dem Ratschlag mit der Katze aber nicht gerecht werden.
Schauspieler können das Wesen bzw. den Geist von Katzen übrigens ganz gut nachahmen, was ein gewisses auf Beobachtung beruhendes „Wissen“ davon bezeugt. Als allgemeines Beispiel nehme ich mal das hier:
https://www.youtube.com/watch?v=XOGt55biazc
Solche Beobachtungen können auch Kampfkünstler machen und dabei das Wesen bzw. den Geist einer Katze zumindest erahnen. Jedenfalls fällt mir das nicht schwer. Kulturell bedingt gibt es möglicherweise Unterschiede in der Auswertung der Beobachtung eines Japaners Mitte des 20. Jahrhunderts und eines Deutschen aus der Gegenwart. Unterschiede gibt es möglicherweise auch im Verhalten (dem Geist) von einer Katze, die ausschließlich in der Wohnung lebt, und einer, die auch im Garten und der Umgebung streunen kann. Da Katzen in Japan Haustiere sind, eignen sie sich für japanische Karateka als Metapher.
Kaninchen sind ähnlich groß und behaart wie Katzen. Aber sie haben ein ganz anderes, ihrer Art entsprechendes Verhalten. Ihr „Geist“ würde wegen dieser Andersartigkeit nicht als Metapher für hohe Kunstfertigkeit im Shōtōkan-Ryū taugen. Da es sich um eine Metapher handelt, geht es nicht darum, sich ein Katzenfell anzuziehen und das Verhalten einer Katze nachzuahmen. Auch das sollte verständlich sein.
Die (hohe) technische Fertigkeit, die Y. Funakoshi mit der Katze vergleicht und die körperliche und geistige Aspekte umfasst, wird im Kumite deutlich. Aber sie wird da weniger den Zuschauern klar. Nur der Trainingspartner des Könners wird diese Fertigkeit wirklich erfahren können. Und der kann dann so etwas in Richtung „wie eine Katze“ sagen. Das Shōtōkan-Ryū war ursprünglich kein Zuschauersport, es war überhaupt kein Sport im heutigen Sinn. Von außen lassen sich vor allem Körperbewegungen beurteilen, nicht aber das, was im Kopf vor sich geht. Das muss bitte verstanden werden – nur der Trainingspartner selbst kann das im Kumite erfahren, kein Zuschauer und schon gar kein Videoclipgucker. Im Gegenteil würde der Zuschauer wohl von einer abgesprochenen Show oder ähnlichem ausgehen, wenn er ein Kumite mit einem Karateka auf einem entsprechend hohen Niveau sehen würde.
Ich verzichte hier bewusst darauf, meine persönlichen Erfahrungen niederzuschreiben, weil ich dann wohl von einigen für „Balla Balla“ erklärt werden würde, und andere das nach dem Motto „Kenn‘ ich!“ banalisieren würden (obwohl sie es gewiss nicht „kennen“). Das sind für mich private Erfahrungen, die ich nicht öffentlich teile. Wichtig ist, dass dabei immer auch eine besondere Konzentration („Geist“) Teil der körperlichen Handlung ist.
Wem die Katzenmetapher zu befremdlich erscheint, der sollte unbedingt meine Übersetzung von S. Matsumuras Text („Shōtōkan Band I“, S. 2 ff.) sowie meine Erklärung der entsprechenden Textstelle („Karate. Kampfkunst. Hoplologie“, S. 178) lesen. Er beschreibt die Situation etwas ausführlicher und mit anderen Worten. Natürlich kann ich nicht behaupten, dass er völlig übereinstimmend das meint, was Y. Funakoshi mit der Katzenmetapher meint, aber es geht in dieselbe Richtung.
Schließlich möchte ich betonen, dass das eigene Trainingsziel ausschlaggebend ist und die Ausrichtung des eigenen Trainings bestimmt (was das Thema meines obigen Beitrags ist). D. h. in meiner Minigruppe beginnen Neulinge im ersten Training mit Übungen, die auf die Erlangung der skizzierten und spezifischen technischen Fertigkeit ausgerichtet sind. Durch Zufall und Trainingsmethoden die auf andere Ziele (falls denn Trainingsziele vorhanden sein sollten) ausgerichtet sind, wird das eher schwer oder gar nicht erreichbar sein.
Grüße,
Henning Wittwer





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