Boxen und Ringen sind aber keine traditionellen Kampfkünste sondern moderne Kampfsportarten. Da interessiert mich vom Trainer eher wie erfolgreich eher als Wettkämpfer und (noch wichtiger) als Trainer war/ist.Wen interessiert es, wer den Trainer es Boxers trainiert hat oder Trainer eines Ringers. Auch im Judo oder Ju-Jutsu ist es vollkommen schnuppe, solange die Leute etwas können. Komischerweise legen gerade im Karate und den chinesischen Künsten die Leute das wahnsinnig viel Wert darauf - warum auch immer.
Beim Judo finde ich die Fragestellung aber durchaus wichtig! Wie auch beim Karate und den IMA. Letztlich war dies für mich mit ein Grund im Judo den Lehrer zu wechseln (obwohl ich auch vorher sehr gute und im Judosport erfolgreiche Judolehrer hatte). Was alles im Judo verloren gegangen ist, sieht man erst wenn man diesen Schritt getan hat.
Vielleicht, weil viel an Inhalt verloren gegangen ist?Komischerweise legen gerade im Karate und den chinesischen Künsten die Leute das wahnsinnig viel Wert darauf - warum auch immer.
Wenn ich (!) eine traditionelle Kampfkunst lernen möchte, bin ich daran interessiert möglichst jemand zu haben, der sie noch in einer Zeit gelernt hat, in dem es ein (möglichst) vollständige Übertragung der Inhalte gab (ja ich weiß, Verlust und persönliche Entwicklung spielt immer mit rein). Da spielt dann der Lehrer (die Linie) durchaus eine wichtige Rolle. Ansonsten kann ich auch zu jemand gehen, der "moderne" KK/KS ausübt (z.B. MMA oder gute Leute in den Combatives).
Hallo,
Shōtōkan-Ryū ist eine „Strömung“ (Ryū) des Karate und daher vom eigentlichen Wortsinn dieses Suffixes her etwas, bei dem Wissen über einen längeren Zeitraum von einer Person zur nächsten Person bis hin zu mir geflossen ist. Das allein deutet bereits an, dass die Personen, die vor mir da waren von großer Bedeutung dafür sind, was ich heute ausübe.
Ich kenne eingeschränkte „Stildefinitionen“ in Richtung „Shōtōkan ist gleich die Summe von X Kata bzw. Y Techniken“. Allerdings ist das eine recht moderne Vereinfachung, die u. a. durch die massenhafte Verbreitung, die Versportlichung und das Verbandswesen hervorgerufen worden ist.
Shōtōkan-Ryū als „Ryū“ im engeren Sinn hat eine eigene Seele, die ihr/ihm durch die maßgeblichen, mit ihr/ihm verbundenen historischen Persönlichkeiten eingehaucht worden ist. Allerdings versteht das nur jemand, der selbst über lange Jahre (Jahrzehnte) mit einem echten Vertreter einer Übertragungslinie lernt. Tatsächlich gibt es je nach Zweig („Ha“) bzw. Übertragungslinie augenfällige Nuancen im Charakter des jeweiligen Shōtōkan-Ryū.
Jedenfalls geht Shōtōkan-Ryū in diesem engeren Sinn weit über einen losen Haufen von Kata bzw. „Techniken“ hinaus. Ihre/seine Geschichte ist genauso natürlicher, nicht abtrennbarer Bestandteil wie Lehre, Taktik, Folklore oder auch der Adept (das Wort verwende ich hier nicht ironisch) selbst. Für jemanden, der diese „Dimension“ kennt, ist es selbstverständlich, dass historisches, taktisches usw. Wissen der Ryū in engster Beziehung zu den „eigentlichen“ Techniken steht.
Tatsächlich brachte mich selbst erst die Beschäftigung mit der Geschichte des Shōtōkan-Ryū dazu, dass sich mein „technisches“ Training enorm erweitern und vertiefen konnte. Als ein oberflächliches Kennzeichen dafür nenne ich nur mal die Stock-Kata des Shōtōkan-Ryū, die ohne mein historisches Wissen nie mein Training hätten bereichern können (weil sie in keiner deutschen Prüfungsordnung und keinem deutschen Kata-Katalog zu finden sind).
Ich schreibe das einfach als „weitere“ Meinung zu der obigen Frage, was denn Shōtōkan-Ryū sei. D. h. damit versuche ich niemanden von seiner eigenen wie auch immer begründeten Meinung zum Thema abzubringen.
Nebenbei für historisch interessierte Leute: G. Funakoshi (1868–1957) hatte vier Söhne und sein Hauptlehrer sollte besser „Asato“ transkribiert werden.
Grüße,
Henning Wittwer
Nicht falsch verstehen, ich finde den historischen Background sehr interessant und auch sehr wertvoll. Ich lese seit Jahren sehr viel bzgl. Judo und Karate. Auch Hennings Arbeiten sind sehr interessant.
Was ich eher meine ist, dass es ja zum Beispiel deutsche "Karate-Pioniere" gibt (ohne jetzt Namen zu nennen), die direkt von japanischen Instruktoren unterrichtet wurden, die sich wiederum bis zu Funakoshi zurückverfolgen lassen. Also in der Logik eine ununterbrochene Linie. Demnach sollten diese Herren ja im Vollbesitzt des gesamten Curriculum-Schatzes der Kampfkunst sein.
Was diese Herren, ohne ihre Leistungen für das Karate und das Karate in Deutschland schmälern zu wollen, teilweise vermitteln oder demonstrieren, ist ... nennen wir es eigentümlich und hat mit Karate als anwendbare Kampfkunst in meinen Augen wenig zu tun. Ich behaupte sogar mal, dass diese Herren in ihrer K(r)ampfkunst noch nie einen Hebel oder Wurf gelernt, geschweige denn benutzt haben. Das Bunkai auf Lehrgängen, so sie noch welche geben, besteht auch nur aus den oft genannten lächerlichen Oi-Zuki-Angriffen und an den Haaren herbeigezogenen Anwendungsbeispielen - wenn der Schmarrn dann nicht klappt, wurde falsch angegriffen.
Ich frage mich oft, wo und warum so viele Elemente hier auf der Strecke geblieben sind.
Da ist mir doch ein "Wald-und-Wiesen-Karate-Trainer", der sich Gedanken macht, probiert, liest, sich Youtube-Videos ansieht, zu Lehrgängen von alternativen Lehrern fährt und sich so sein Wissen aneignet, erprobt, willens ist Karate als anwendbare Kampfkunst zu lernen und weiterzugeben, lieber, als einer der genannten Größen.
Hallo,
Karate-„Pioniere“ in Deutschland haben mit Karate-„Pionieren“ in anderen europäischen Ländern eines gemeinsam: sie lernten als blutige Anfänger in insgesamt eher kurzer Zeit unter japanischen Lehrern/Trainern/Sensei. Unmittelbar darauf oder schon während dessen begannen sie selbst, das wenige Wissen/Können weiterzugeben, das sie mehr oder weniger gut aufgegriffen hatten. Hinzu kommen die zwei Punkte, dass (1) sie durch die eigene kurze Lernzeit schon von Anfang an viel „improvisierten“ und (2) ihre Trainer aus z. B. der JKA selbst noch recht jung waren und im Fall der JKA aus einer Karate-Neuschöpfung, die von G. Funakoshi abgekappt worden war (also keine ununterbrochene Linie), entstammten. Im herkömmlichen Karate sind zehn Jahre ein beinahe lächerlich kurzer Lernzeitraum, wenn ich in einer validen Übertragungslinie stehe. Denn der Umfang bzw. die Tiefe des Lernstoffs macht es unmöglich, ihn an ein paar Wochenenden im Lehrgangsformat erlernen zu können. Das beziehe ich nicht auf einen bestimmten Karate-Verband, sondern möchte das bitte als allgemeine Beobachtung verstanden wissen.
Hinsichtlich der Söhne lese und höre ich von vier Söhnen und schreibe folglich über vier Söhne. Dass „man“ nur von einem Sohn liest, finde ich bedauerlich, kann es aber auch nur bedingt ändern. Für die technische Ausrichtung war insbesondere der dritte Sohn, Yoshitaka (1906–1945), von Bedeutung.
Grüße,
Henning Wittwer
Hallo Henning,
Bei mir kommt das halt daher, dass ich mir, mangels Training, das alles selbst aus verschiedensten Quellen zusammenpuzzlen musste.Ich kenne eingeschränkte „Stildefinitionen“ in Richtung „Shōtōkan ist gleich die Summe von X Kata bzw. Y Techniken“. Allerdings ist das eine recht moderne Vereinfachung, die u. a. durch die massenhafte Verbreitung, die Versportlichung und das Verbandswesen hervorgerufen worden ist.
Könntest Du das bitte an einem ganz konkreten Beispiel festmachen? Am besten etwas, das einfach genug ist, dass ich es zu Hause im Dojo nachvollziehen und ausprobieren kann.Shōtōkan-Ryū als „Ryū“ im engeren Sinn hat eine eigene Seele, die ihr/ihm durch die maßgeblichen, mit ihr/ihm verbundenen historischen Persönlichkeiten eingehaucht worden ist. Allerdings versteht das nur jemand, der selbst über lange Jahre (Jahrzehnte) mit einem echten Vertreter einer Übertragungslinie lernt. Tatsächlich gibt es je nach Zweig („Ha“) bzw. Übertragungslinie augenfällige Nuancen im Charakter des jeweiligen Shōtōkan-Ryū.
Aber hat das bei Dir aus Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Technik gehabt? Ich stelle mir das so vor, dass ich, beim Abfeuern eines modernen Gewehrs eigentlich keinen Wirkungszuwachs habe, nur allein aus dem Wissen heraus, dass es früher Gewehre ohne gezogenen Lauf gab.Tatsächlich brachte mich selbst erst die Beschäftigung mit der Geschichte des Shōtōkan-Ryū dazu, dass sich mein „technisches“ Training enorm erweitern und vertiefen konnte.
Das Beispiel mag weit hergeholt sein, aber wenn wir dabei bleiben. In der NVA hatte ich ein Gewehr (AK-74S). Ich weiß, dass dies eine DDR-Lizenzproduktion des russischen Modells ist, dass wiederum auf der AK-47 beruht, dass wiederum auf dem deutschen SG-44 beruht.
Dieses Wissen hilft mir beim Zielen und Treffen überhaupt nicht. Es verbessert nicht meine Wirksamkeit im Umgang mit der Waffe.
Der technische Aufbau und die physikalischen Prinzipien der Waffe helfen allerdings gewaltig.
Meine Frage: Warum ist das bei Kampfkünsten (hier exakt: beim Shotokan) anders? Wie gesagt, ich würde das gern ein einem, und sei es ein noch so kleines, Beispiel nachvollziehen können.
Danke und Grüße
SVen
Hallo wahi-te,
Das glaube ich nicht.Die zeigt sich immer in der Einstellung des Prüflings, wird also vom Prüfer automatisch mit beurteilt.
Ich halte das für einen ähnlichen Trugschluss, wie Assessment Center, die gerade in Personalwesen ihr Unwesen treiben. Psychologische Einschätzungen in Sonderfällen über einen kurzen Zeitraum funktionieren nicht.
Konkret erkenne ich eigentlich am Prüfling nur, wie sehr er die nächste Graduierung will. Sprich, wie motiviert er ist.
Sonstige Rückschlüsse auf andere Persönlichkeitsmerkmale sind ziemlich wackelig, denke ich.
Ich bin aber auch kein Psychologe, ich habe mich nur hobbymäßig mit dem Thema beschäftigt (Tilt, Tilt Exploitation und Tilt Control beim Poker)
Grüße
SVen
Hallo Tom,
Das habe ich nie verstanden.Fußballprofis sollten doch auch Vorbild sein, siehe das Skandälchen wegen Kevin Großkreutz
Sportprofis sind Teil der Unterhaltungsindustrie, genau wie Schauspieler oder Circusclowns oder *****darsteller. Warum die zu Vorbildern hochstilisiert werden, habe ich nie verstanden.
Aus dem selben Grund (und das ist mal völlig OT) habe ich auch nie verstanden, warum Doping verboten ist. Es steigert die Leistungsfähigkeit und damit den Unterhaltungswert.
Man verbietet Schauspielerinnen ja auch keine Schönheits-OPs.
Grüße
SVen
P.S.: In der Vorschau habe ich gesehen, dass ein Wortteil wegge**** wurde. Aber ich denke, man kriegt raus, was ich meine
SVen
Hallo Thomas,
Beides sind Sportarten, die eine Jahrtausende währende Tradition aufweisen. Ich persönlich würde mich weder mit einem Ringer noch einem Boxer anlegen wollen.Boxen und Ringen sind aber keine traditionellen Kampfkünste sondern moderne Kampfsportarten.
Hier liegt die Crux, denke ich. Das Verständis dafür, was traditionell ist und was nicht, ist für mich eher emotional denn technisch/taktisch zu sehen.Wenn ich (!) eine traditionelle Kampfkunst lernen möchte, bin ich daran interessiert möglichst jemand zu haben, der sie noch in einer Zeit gelernt hat, in dem es ein (möglichst) vollständige Übertragung der Inhalte gab (ja ich weiß, Verlust und persönliche Entwicklung spielt immer mit rein).
Bin ich schon traditionell, wenn ich das tue, was mein Lehrer tat, auch wenn er ein Stilgründer ist?
Wie weit muss eine Übertragungslinie zurück gehen, um traditionell zu sein? Und haben die alten Meister auf Okinawa die chinesischen Ursprünge nicht auch massiv verändert und sind somit stark, wie ist das richtige Wort, "untraditionell"?
Grüße
SVen
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