Zitat von
Kensei
Wobei es nicht nur um körperliche Bedrohungen geht. Du kannst auch Angriffe auf andere Rechtsgüter als die körperliche Unversehrtheit abwehren, zur Not mit körperlicher Gewalt. Eigentum (Diebstahl) z.B., oder sogar auf deine "Ehre", etwa bei wiederholter Beleidigung der du dich nicht anderweitig entziehen kannst.
Das ist richtig. Notwehr bezieht sich auf ein angegriffenes Rechtsgut, i.d.R. bedeutet das für Notwehr Leben, Gesundheit, Freiheit. Genauso können aber auch Rechtsgüter wie Sexuelle Selbstbestimmung, Eigentum, Ehre oder das Recht am eigenen Bild betroffen sein. Werden diese Rechtsgüter angegriffen, kommt ggf. in jedem Beispiel auch Notwehr in Betracht. Natürlich mit entsprechend harter Auslegung. Bei Beleidigung denke ich hier genau an die erwähnte Schimpfkanonade.
Wenn ich das richtig erinnere werden an trainierte Kampfsportler schon andere Maßstäbe gestellt, als an Otto-Normal Bürger. Da gibts Urteile zu.
Auch das ist richtig. Meines Wissens nach ist da primär der Hintergrund, dass bei Kampfsportlern die Erforderlichkeit besonders im Fokus steht. Z.B. kann es sein, dass einem Profiboxer gefährliche Körperverletzung angelastet wird, wenn er mit den Fäusten zuschlägt, während es bei anderen Zeitgenossen bei einfacher Körperverletzung bleibt. Hier ist die Frage, ob der bloße Einsatz der Fäuste lebensgefährliche Folgen haben könnte. Und das wird im Falle eines Boxers deutlich kritischer gesehen - also schneller bejaht. Wie Du schreibst, gibt es hier Urteile. Die Frage, ob es mildere Mittel gegeben hätte, sollten sich für geübte Kampfsportler also tatsächlich noch vordergründiger stellen, als dies sowieso schon der Fall ist.
Das Buch ist sogar sehr ordentlich, ich besitze es auch und kann es nur empfehlen.
Allgemein zum Thema:
Ab wann zuschlagen?
Also, ich beziehe mich eigentlich nur ungern auf amerikanisches Recht, aber in vielen Staaten hat es einen großen Vorteil. Das in Deutschland so gern zitierte Rechtsbewahrungsprinzip ("Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen") gibt es dort vielerorts nämlich nicht. Bzw. gilt dies nur innerhalb des umfriedeten Besitzes. Was dazu führt, dass man wenn möglich bitteschön in Gefahrensituationen fliehen sollte. Ein sehr kluger Ansatz und ein sehr gesunder Ansatz. Ich persönlich halte gar nichts davon, auf Kosten von Leib und Leben auf meinen Rechten zu bestehen.
Im Vorfeld eines möglichen Konfliktes -man nennt es auch Prävention - sollte man sich hierüber Gedanken machen. Es schadet auch nicht, darüber nachzudenken, was man später aussagt und wie man sich verhält. Es geht bitte nicht um Falschaussagen, aber richtig ist: eine subjektive Situation muss einem Richter, der vielleicht noch nie mit Gewalt in Berührung gekommen ist, nie Kämpfen trainiert hat und nie eine heikle Situation, geschweige denn Todesangst, erfahren musste so vermittelt werden, dass die eigene Handlung als plausibel im Sinne des Notwehrrechtes nachvollzogen werden kann. Man muss bedenken, der Angreifer kann ein vorbestrafter Schläger sein - kommt es erst einmal zu einer Gerichtsverhandlung ist er der erste Zeuge, gegen den man sich verteidigen muss. Nur diesmal mit schlüssigen und wahrheitsgetreuen Argumenten.
Von daher gibt es eine Reihe Überlegungen, die man im Vorfeld anstellen sollte. Dies alles auszuführen - naja, dafür gibt es gute Literatur
Wenn es dann allen Überlegungen zum Trotz zu einer gefährlichen Situation kommt, sollte der erste Gedanke sein, so schnell und so unversehrt wie möglich aus dieser Situation "fliehen"(!) zu können. Ich schreibe nicht entkommen, denn der Fluchtgedanke ist passender. Fliehen kann natürlich auch bedeuten, dass ich den anderen vorher komplett ausschalten muss. Mein Gedanke sollte aber immer meinem Wohlergehen gelten. Und erst wenn das gesichert ist, kann ich mich um andere Belange kümmern.
Diese Sichtweise ist ehrlich und vor allem gesund. Wenn mir nachher trotzdem juristisches Nachspiel droht, ist das im Zweifel "höhere Gewalt". Ich kann mir in einer akuten Notwehrsituation nur sehr bedingt leisten, komplexere Überlegungen zu verfolgen.
Damit beantworten sich hoffentlich auch die Fragen des TE: Ich schlage, wenn es für mich zur Abwehr eines Angriffs "erforderlich" ist. Die abstrakten Beispiele bringen da wenig. Wer mich am Kragen packt, kann mich genauso schnell mit einem Schlag verletzen, wie die Person, die gerade ausholt. Sucht jemand Ärger und befindet sich in Schlagdistanz, ist die Situation denkbar bescheiden. Wird er dann auch noch handgreiflich, ist zumindest Notwehr gegeben. Den Rest braucht man nicht diskutieren. Ich persönlich verhalte mich so mit Worten und Gesten, dass ich überzeugt bin, jemanden, der mich trotzdem am Kragen packt, auch mittels Faustschlag abwehren zu dürfen
It 's not who I'm underneath but what I do that defines me. Bruce Wayne
Dabei würdest Du sogar beim Schattenboxen verlieren. Kannix