
Zitat von
Nymphaea Alba
Das klingt zwar gut, dass man da einfach emotionsfreier sei und daher vernunftgeleitet die gescheiteren Abwägungen zum Wohl der Gemeinschaft treffen könne, in deinen Ausführungen (auch an andere) verkürzt du meiner Meinung nach jedoch ein paar Gedankengänge. Bei der Triage oder dem Krisenmanagement geht es zwar irgendwann auch darum, das kleinere Übel zu finden.
Was hier in diesem Faden meiner Meinung nach wiederholt passiert ist, allgemein, ist dass diese Triage-Situation rhetorisch vorweggenommen (und argumentativ verkürzt) wurde, um zu untermauern,
Das ist halt auch ein Problem bei Diskussionen im Internet - der eine geht davon aus, dass eine eigentlich logische Schlussfolgerung von den anderen Usern dann auch anhand verkürzter Darstellungen selbst getroffen werden kann und keiner expliziten ausführlichen Erklärungen bedarf. Da will ich mich gar nicht von ausnehmen, bestimmte Dinge die für mich selbstverständlich sind scheinen für andere eben nur schwer bis gar nicht nachvollziehbar zu sein.
Bevor man aber an diesen Punkt gelangt, gilt es die Wahl zwischen den Übeln tunlichst zu vermeiden bzw. eine Krisensituation so zu steuern, dass möglichst viele Alternativen offen bleiben und man sich nicht in einer solchen ethischen Zwickmühle wiederfindet. Denn ob du es selbst für eine hältst oder nicht, ist erst mal irrelevant.
Soweit korrekt - es hat hier glaube ich auch kein einziger User behauptet es gäbe keine Viren (wir haben da ja durchaus den ein oder anderen Kandidaten hier im Board), oder das bestimmte Verhaltensweise deswegen jetzt übertrieben oder unsinnig seien. Es ist aber eben auch nicht so, als wäre Dinge wie Handhygiene, Abstand etc. pp. jetzt alles komplett brandneue Erfindungen die es vor Corona nicht gegeben hätte (wobei wenn man sich hier gerade die Herren den Schöpfung und den Umgang mit dem Wasserhahn nach dem Toilettengang vor Corona anschaut...). Sowas sollte (nicht nur) in Grippe / Erkältungszeiten eigentlich eine weitere Selbstverständlichkeit sein. Fast schon traurig bis erschreckend, dass es hier offensichtlich doch in breiten Teilen der Bevölkerung erst derartige Hinweise bedarf.
Nur ist es eben auf der anderen Seite dann wenig sinnvoll bis hilfreich wenn gleichzeitig irgendwelche komischen Rechnungen angestellt werden bei denen die Lethalitätsrate künstlich hochgerechnet wird etc. pp..
dass die aktuelle Krisensituation gar nicht so bedrohlich sei (was irgendwie an sich schon paradox ist - eine Situation, die so hohes Potential besitzt, in einem solch unguten Szenario zu enden, ist nicht schlimm oder bedrohlich): "Ja mei, es sterben zwar so und so viele Hunderte täglich, aber schaut euch den Altersdurchschnitt an, so schlimm ist die Bedrohung nicht." Für wen ist die Bedrohung nicht schlimm? Und wer versucht mit dieser recht einseitigen Behauptung seine Emotionalität/sein Stresslevel zu regulieren?
Ich schrieb (glaube ich schon bevor WHO und Regierung das böse Wort in den Mund nahmen) von einer Pandemie. Allein das Wort reicht aber offenbar schon aus, damit bei vielen Menschen der Verstand erstmal kurzzeitig aussetzt. Ja wir haben eine Pandemie aber Nein das bedeutet nicht zwangsläufig das Ende der Welt. Der Verweis auf andere "Pandemien /Epidemien" (auch wenn diese dann nicht global sondern national o.ä. sind) ist daher primär nicht als Relativierung eines möglichen Bedrohungspotentials zu verstehen, sondern um denen die sich am Rand einer Hysterie bewegen oder unnötige Panik erzeugen einfach mal aufzuzeigen wie irrational ihr aktuelles Verhalten eigentlich tatsächlich ist und die "Bedrohung" einfach mal realistisch einzuordnen.
Nehmen wir noch mal die vielfach zitierte Grippewelle (Epedimie) aus 2017/18:
https://influenza.rki.de/Saisonberichte/2017.pdf
Um die 9 Millionen in DE waren wegen einer grippalen Erkrankung beim Arzt (Dunkelziffer derer die zwar auch infiziert waren aber nicht zum Arzt gegangen sind darf sich jetzt mal jeder selbst ausrechnen) - 5,3 Mio. Krankschreibungen, 334K labordiagnostisch bestätigte Fälle, 60K Hospitalisierung, 25K Tote in einem Zeitraum von 16 Wochen bzw. ca. 4 Monaten.
Heißt also unterm Strich wenn man das jetzt einfach mal stumpf auf die Dauer umlegt 6.250 Tote pro Monat. (Und wir reden hier über einen Virus für den es grds. eine Impfung gegeben hätte.) Auch bei der Grippe ist die Lethaltiätsrate bei den Risikogruppen analog jetzt zu Corona höher als im Rest der Bevölkerung.
Soviel zum nackten Zahlenwerk.
Und jetzt schaut man sich mal die (mediale) "Reaktion" dazu an:
...
Vielleicht gab es in den Medien mal ein paar mehr Berichte, Hinweise auf Handhygiene etc. aber sonst? Kein Diebstahl von Desinfektionsmitteln, keine Hamsterkäufe, keine Themenstränge im KKB. Allgemeines Achselzucken könnte man sagen. Die "Bedrohung" war jetzt deswegen aber nicht wirklich kleiner - auch hier waren Alte und Personen mit geschwächtem Immunsystem besonders gefährdet und auch hier sind Personen aus Nicht-Risikogruppen verstorben.
Jetzt nehmen wir dagegen mal Corona - in China hat das Virus in 2,5 Monaten 3.218 Tote gefordert (gehen wir mal davon aus, dass die Zahlen sehr "optimistisch" sind und verdoppeln einfach mal) - 6.500 Tote in 2,5 Monaten macht 2.600 Tote pro Monat. Zur Erinnerung: Grippetote in DE 17/18 pro Monat = 6.250 also 60% mehr.
Wir haben Stand heute 26 Todesfälle in 14 Tagen - das lässt sich natürlich nur sehr bedingt hoch skalieren, aber selbst wenn die Todesfälle deutlich ansteigen, dann hätten wir in einem Monat vielleicht 500 Todesfälle - also nicht mal 10% dessen was eine ordinäre Grippewelle ausrichten kann.
Italien hat innerhalb eines knappen Monats derzeit 2.500 Tote zu beklagen, auf einen Monat gesehen dann evtl. 50% dessen was die Grippe 17/18 in DE im Monat ausgemacht hat.
Nur um das noch mal klar zustellen:
Ja Corona ist ein Problem und Nein Corona ist deswegen nicht weniger "schlimm" oder man sollte jetzt hingehen und alle angeordneten Maßnahmen unterlaufen.
Ebenfalls ist klar - aufgrund der schnelleren und massiveren Verbreitung des Virus sind hier anders als bei einer "ordinären" Grippe Handlungen gefordert, die die Ausbreitung verlangsamen.
Verlangsamen - nicht stoppen!
Wenn jetzt wirklich massiv (schwere) Fälle auftreten werden die Todeszahlen hochgehen - ja auch bei uns. Aber auch das ändert eben nichts daran, dass letztendlich fast jeder irgendwann mit dem Virus in Kontakt kommen wird - nicht heute, nicht morgen, aber irgendwann.
Und da sind wir dann wieder an dem Punkt: Wenn etwas eh nicht zu verhindern ist - warum dann panisch reagieren? Warum Angst haben?
Die Anzahl der Todesopfer wird sich nicht durch im Keller gehortete Klopapierrollen ändern. Ob die Letalitätsrate dann in der Nachbetrachtung bei 0,X % 1 % oder 2 % liegen wird hängt nicht davon ab, dass irgendwer Desinfektionsmittel geklaut hat.
Nach bisherigem Kenntnisstand verläuft die Infektion für die allermeisten ohne große Probleme, ob ich mich als Nicht-Risikogruppe heute mit dem Virus infiziere (und davon nichts merke) oder in 6 Monaten spielt somit keine Rolle. Riskant wird es in dem Moment, wo Patienten aus Nichtrisikogruppen schwer Verläufe bekommen und hospitalisiert werden müssen die vorhandenen Kapazitäten dann aber ausgereizt sind, so das diese dann nicht ausreichend versorgt werden können und ggf. versterben was bei einer normalen Auslastung eben nicht der Fall wäre.
Wenn Ärzte jetzt davon berichten, dass Patienten ohne offensichtliche Symptome sie in Klinken anschreien, weil sie keinen Test bekommen - welchen Sinn macht das? Sind wir dann wieder bei dem Punkt den ich auch schon mal ausgeführt hatte: "Ich will es jetzt wissen - damit ich schon mal man Handtuch auf die Beatmungsliege legen kann?"
Was bringt es mir persönlich, ob ich es weiß (begründete Fälle wo es dann um Quarantäne geht außen vor) oder nicht. Wer glaubt er könne Corona haben kann sich ja auch ohne behördliche Anordnung in Quarantäne begeben und seine sozialen Kontakte einschränken. Erst in dem Moment wo der Virus tatsächlich schwere Verläufe verursacht muss ärztlich gehandelt werden. Niemand kann vorsorglich schon mal an die Maschine angeschlossen werden für den unwahrscheinlichen Fall, dass er / sie vielleicht einen schweren Verlauf bekommen könnte.
Um den Bogen zur Grippe zu schlagen - wie gesagt einem Virus gegen das man sich impfen lassen kann - wie viele Leute aus Nichtrisikogruppen lassen sich denn tatsächlich impfen - die Quote liegt bei 35%? Ist ja "nur" eine Grippe. Rest siehe oben. Und da passt eben das Verhältnis des Verhaltens vielfach einfach nicht zusammen. Auf der einen Seite wird die Grippe mehr oder minder ignoriert - bei Corona wird dagegen durchgedreht.
https://www.aerzteblatt.de/nachricht...quote-vorgehen
Insofern ist es kein "Stellt euch nicht so an - so schlimm ist es nicht..." sondern vielmehr ein "Hinterfrage doch mal bitte Dich und Deine Reaktion im Vergleich zu anderen Dingen die objektiv betrachtet jetzt auch nicht ungefährlicher sind."
Von daher muss ich persönlich damit auch kein Stresslevel o.ä. regulieren. Ich werde irgendwann infiziert werden (oder war es vielleicht schon und habe es nicht gemerkt). Sollte es mich treffen ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die ganze Kiste ohne Probleme auch wieder vorbeigeht (und nach neuesten Ergebnissen dann auch eine Immunität gegeben ist). Erwischt es mich und ich habe einen schweren Verlauf kann ich nur hoffen, dass dann noch ein Bett für mich im KH frei ist. Ist zu diesem Zeitpunkt das Gesundheitssystem kollabiert habe ich die A-Karte und ein massives Problem.
Nur kann ich dieses potentielle Problem oder die damit verbundene Bedrohung nicht verringern indem ich Letalitätsraten berechne oder Klopapier bunkere. Ich kann sie dadurch verringern in dem ich den Kopf einschalte, mich entsprechend verhalte und ansonsten schauen kann (auch dazu hatte ich schon was geschrieben) in wie weit ich mich selbst ggf. sinnvoll einbringen kann, damit es eben nicht erst so weit kommt.
Da DRK und Co. auch von den Sperren betroffen sind, sind öffentliche Blutspenden aktuell problematisch (man arbeitet an einer Lösung). Unser Klinikum hat auf der Webseite ein Formular wo man sich als Spender registrieren kann und dann bekommt man Info wann und wo. Solche Sachen halt.
"It's not the size of the dog in the fight, it's the size of the fight in the dog." M. Twain
"Whoever said one person can’t change the world never ate an undercooked bat..."