
Zitat von
Han Fei
Wie ich bereits schreib, finde ich die nationale Perspektive hier für viel zu kurz gegriffen. Darüber hinaus sind, wie bereits geschrieben, die durch Armut erzeugten Toten schwerer zuordenbar, aber die Studien, die ich kenne, weisen da in eine sehr klare Richtung. Wenn derzeit die Lebenserwartung zwischen den Reichsten und Ärmsten um 10 bis 11 Jahre auseinanderklafft, was passiert, wenn wir mal eben ein paar Millionen in die Arbeitslosigkeit schicken? Es geht mir nicht um Horrorszenarien, sondern darum, zumindest die Frage aufzuwerfen, ob die Maßnahmen die Opfer rechtfertigen.
Das Konzept, "treat first, what kills first" ist im Krankenhaus sicher richtig, aber gesellschaftlich problematisch, weil diese Methode mir oftmals die Möglichkeit raubt, das zu behandeln, was als nächstes folgt, da bereits die als Reaktion auf den Lockdown bzw. dessen ökonomische Auswirkungen aufgenommenen Kredite den Staatshaushalt für mindestens zwei Jahrzehnte stark strapazieren werden. Nebenbei erwähnt, dürfte die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Italien eine Rolle bei der Sterblichkeit in Italien spielen, da aufgrund dieser häufiger mehrere Generationen unter einem Dach leben.
Schließlich sei noch angemerkt, dass auch ich Zahlen überspitzt habe, um Relationen zu verdeutlichen, dies jedoch auch bei anderen nur dann angekreidet habe, wenn die der Überspitzung zugrundeliegenden Annahmen m. E. inkorrekt waren - spreche mich schließlich nicht davon frei, auch gerne mal zu polemisieren.
Ich schrieb auch nicht, dass wir alle in Deutschland in Armut hinsiechen würden, sondern dass Millionen - das ist basierend auf den Daten aus Österreich und den USA unter Berücksichtigung der dortigen Verhältnisse nicht unwahrscheinlich - eben deutlich ärmer werden und dies, wie oben beschrieben, zu Änderungen der Mortalität in diesen Schichten führen dürfte. Der Vergleich mit 1970 hinkt aufgrund diverser Faktoren. Auch hat sich die Produktion (zumindest größtenteils) nicht selbst runtergefahren, sondern wurde aufgrund von Lieferschwierigkeiten heruntergefahren.
Ein schönes Beispiel hierfür ist die durch den massiven Einsatz in der Corona-Krise verkürzte Lebensdauer von Röntgengeräten, die zu einer erhöhten Nachfrage bei den entsprechenden Herstellern in Europa führt. Diese versuchen jedoch händeringend Röhren aus Fernost zu bekommen, was derzeit kaum möglich ist; et ergo sinkt die Produktion. Das mit den Wahrheiten/Fakten ist eben in der Regel komplexer; ich habe nicht umsonst viele meiner Aussagen im Konjunktiv oder eben putativ - nicht in juristischem Sinne - formuliert.
Die Hochrechnungen von Toten durch Wirtschaftskrisen sind national eh relativ untauglich, nur halte ich auch die Hochrechnungen zu der Zahl der Covid19-Toten nicht für sehr belastbar, da die derzeitige Datenbasis eine Tautologie ist - die Daten aus dem isländischen Sample lassen ja wenig Rückschlüsse auf Deutschland zu. Aus diesem Grund ist das Aufwiegen schwer. Ich habe ja auch nie dazu aufgerufen, nichts zu tun, sondern abzuwägen und aufzupassen, nicht einem Extrem hinterherzujagen. Ja, ich halte die Methode Taiwans und Südkoreas für besser - nicht für fehlerfrei, dies aber als Extremismus auszulegen, finde ich fragwürdig.
Generell, wäre es schön, wenn mehr Leute versuchten, sich an den Altphilologen Moellendorf zu halten, der als Reaktion auf die Widerlegung einiger seiner Thesen hochbetagt geantwortet haben soll: "umzulernen stets bereit". Davon nehme ich mich selbst nicht aus.
@MichaelII: Danke für die Links.