
Zitat von
Kannix
In Italien und Spanien wurde doch, soweit ich weiß, zu drastischen Maßnahmen gegriffen, nachdem sie es mit voller Breitseite erwischt hat. Wir hatten das Glück die Entwicklung in Italien zu sehen und darauf reagieren zu können.
Ich hatte die Zahlen dazu ein paar Beiträge weiter vorher schon mal hier reingeschrieben. Die Maßnahmen in IT, FR und ES wurden zu einem Zeitpunkt ergriffen wo von einer "vollen Breitseite" wohl noch nicht die Rede gewesen sein kann - die Zahlen in DE waren entsprechend ähnlich. Durch die Decke ist das hinsichtlich der Todeszahlen eben erst während und nicht vor dem Lockdown gegangen.
Italien:
Positive Getestete / Infizierte am 10.03. - Tag des "Lockdowns": ca. 8.500 - Todesfälle bis dahin: 631
Frankreich:
Positive Getestete / Infizierte am 17.03. - Tag des "Lockdowns": ca. 6.900 - Todesfälle bis dahin: 175
Spanien:
Positive Getestete / Infizierte am 17.03. - Tag des "Lockdowns": ca. 10.200 - Todesfälle bis dahin: 533
Deutschland:
Positive Getestete / Infizierte am 23.03. - Tag der "Kontaktbeschränkungen": ca. 29.300 - Todesfälle bis dahin: 267
Positive Getestete / Infizierte am 16.03. - Tag der Schulschließungen: ca. 9.400 - Todesfälle bis dahin: 17
Und so richtig Zeit sich was "anzuschauen" hatte man in DE wohl eher nicht - oder wenn hat man nicht gut hingeschaut. Italien hat Ende Februar schon den Karneval abgesagt, während Hr. Spahn die Absage von Veranstaltungen dann noch für unverhältnismäßig hielt und Hr. Drosten anhand der ihm vorliegenden Daten fest davon überzeugt war, dass Corona für DE kein Problem wäre.
Es ist müßig darüber zu sinnieren wie das ganze dann ohne jegliche Maßnahmen oder Lockdown ausgesehen hätte - nur gibt es eben hier offensichtlich keine strenge Kausalität zwischen dem Ausmaß des Lockdowns und der daraus resultierenden Eindämmung im Sinne von "Härter = Besser". Insofern bedeutet Kritik am Lockdown ja eben auch nicht automatisch "Man hätte gar nichts machen brauchen...".
Im Endeffekt hat es keiner - egal mit welchen Maßnahmen - geschafft die besonders für schwere Verläufe anfällige Gruppe der älteren Menschen wirklich zu schützen. Weder IT noch FR noch DE oder SE.
Das man auch mit weniger drastischen Maßnahmen hier Erfolg haben kann zeigen DE und z.B. JP. Ob sich dieser Erfolg ggf. auch anderweitig eingestellt hätte ist m.E. eben nach wie vor fraglich. Ob es wirklich die beste Idee war den Leuten in IT, ES und FR weitestgehend zu verbieten raus zu gehen ist nach heutigem Stand auch durchaus diskussionswürdig.
Kontaktbeschränkungen, Abstand etc. sind eine Sache - Geschäfte, Spielplätze etc. zu schließen eine andere. Friseure haben jetzt seit knapp 4 Wochen wieder offen - mit entsprechend großem Andrang - und es scheint offensichtlich kein großes Problem zu sein. Gleiches gilt für Baumärkte, Shopping-Malls oder die leidige 800qm Diskussion usw.. Ob es da wirklich 8+ Wochen Zwangsschließung bedarf hätte kann wohl berechtigt hinterfragt werden - hier wäre es durchaus möglich anstatt mit Verboten mit Geboten zu arbeiten: Du zeigst, dass Du bestimmte Vorgaben erfüllst - Du kannst wieder aufmachen.
Es hatte sich ja ziemlich schnell gezeigt, dass z.B. die unterschiedlichen Regelungen hinsichtlich der Baumärkte in den Bundesländern hier nicht das eigentliche Problem gewesen sind.
Irgendwelche modulierten Berechnungen zu Verläufen sind zwar ganz nett - sie basieren aber wie mehrfach schon angemerkt wurde eben auch bisherigen Annahmen und einer sehr dünnen Datenlage.
Mittlerweile schwenkt man ja auch im Hinblick auf die Verbreitung in Richtung der Entwicklung wie sie auch schon bei SARS und MERS zu sehen war - es ist nicht jeder Infizierte automatisch auch potentieller Überträger, sondern die Epidemie wird primär von einigen wenigen die überproportional viele anstecken getrieben:
"Lloyd-Smith und sein Team haben in jahrelanger Forschung an SARS und MERS herausgefunden, dass der Reproduktionsfaktor R nur eingeschränkt aussagekräftig ist, denn „die meisten Menschen übertragen die Krankheit nicht“, so Lloyd-Smith.
Superspreading and the effect of individual variation on disease emergence
https://www.nature.com/articles/nature04153
Gleiches scheint wohl auch für Corona zu gelten, auch Hr. Lauterbach und Hr. Drosten tendieren in diese Richtung.
Das deckt sich insoweit auch mit den bisherigen Erfahrungen der Verläufe und ist ausnahmsweise auch mal was positives, da es einfacher ist bei Ausbrüchen dann zu reagieren, weil es eben schon "reicht" relativ kleine Cluster abzugrenzen und selbst wenn einem dabei vereinzelt jemand durch die Lappen geht ist die Gefahr verhältnismäßig gering.
Heißt gleichzeitig aber auch, dass irgendwelche komplizierten Berechnungen mit vermuteten R-Werten etc. hier keine wirkliche Aussagekraft haben wenn es darum geht die Wirksamkeit von Maßnahmen zu berechnen. Rein mathematisch mag es zwar hinkommen wenn man sagen kann "Im Durschnitt steckt ein Mensch 2-3 andere Menschen an..." - im Hinblick auf den tatsächlichen Verlauf macht es aber einen Unterschied ob jetzt 5 Personen jeweils 2 andere anstecken oder 1 Person 10 andere ansteckt.
Geändert von Little Green Dragon (28-05-2020 um 08:46 Uhr)
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