Hallo nochmal,
kurz zu den Nachfragen:
Hinsichtlich der Technikgeschichte werden in dem Video von J. Enkamp zwei zunächst nicht unmittelbar zusammenhängende Punkte behandelt, auf die ich in meiner Antwort oben bewusst getrennt eingegangen bin, nämlich „neuartige“ Tritte wie Drehtritt und Rückwärtstritt, Punkt (1) in meiner Antwort, sowie Tritthöhe, Punkt (2) in meiner Antwort.
Was die Tritthöhe betrifft, sind in den historischen Savate-Filmschnipseln eindeutig auch Tritte zur Bauchgegend und zu tiefer liegenden Angriffszielen zu sehen. Daher wäre es falsch, nur auf „hohe“ Tritte zu achten, wenn es um die „neuartigen“ Tritte geht. In dem Filmmaterial von 1932 werden verschiedene Tritttechniken zu verschieden hohen Angriffszielen dargestellt. Ein „Vorwärtstritt“ (Mae-Geri) zielt dabei nach oben (wohl auf Kopfhöhe); ein Drehtritt und ein gestreckter Rückwärtstritt ungefähr auf Bauchhöhe. Allein aufgrund dieses kurzen Filmschnipsels zu urteilen, dass diese Tritte damals ausschließlich dorthin zielten, wäre ähnlich ungünstig, wie in Unkenntnis anderer Savate-Filmschnipsel zu behaupten, damalige Savate-Anhänger hätten nur zur Bauchgegend und zu tiefer liegenden Angriffszielen getreten.
Bei dem Verweis auf die „wundersame“ Fähigkeit des Aufwärtstretens von S. Matsumura aus dem 19. Jahrhundert muss bitte verstanden werden, dass vielen Adepten jener Zeit jeweils eine oder zwei „Spezialtechnik(en)“ (oder „Lieblingswaffe[n]“) zugeschrieben wurden. Einige waren beispielsweise für ihre Fauststöße berühmt, die dann mit Worten wie „wundersam“ oder „geheimnisvoll“ gepriesen wurden, andere, wie S. Matsumura, eben für das Hochtreten. Solche bekannt gewordenen Spezialtechniken führten dann hin und wieder zu preisenden Beinamen des jeweiligen Kampfkünstlers, wie z. B. „Miyagi, ‚die Eisenfaust‘“. Zudem ist ein Vergleich mit „heute“ ungünstig, weil „heute“ Karate öffentlich allerorten von (in Deutschland) etwa hunderttausend Menschen in Gruppen als Einheitsbrei erlebbar ist, während „Karate“ im 19. Jahrhundert von sehr viel weniger privilegierten Personen recht individuell ausgeübt wurde. Somit ähnelte die Verknüpfung von einer „Spezialtechnik“ mit einem damaligen Adepten eher der Situation in der Box-Elite, wo bestimmte Champions für bestimmte Spezialtechniken gepriesen werden, ohne dass dies darauf hinweisen würde, dass alle anderen Boxer jene Spezialtechniken nicht übten.
G. Funakoshi schrieb in vielen Texten auch über andere Kampfkünste aus Japan und Europa. Im letzten Fall vornehmlich Boxen und Ringen. Savate oder etwas, das auf Savate hindeutete, habe ich bislang in all den mir zugänglichen japanischen Quellen, die ich zum Teil in deutscher Übersetzung vorlege, nicht gefunden …
Grüße,
Henning Wittwer





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