Mir ist auch nicht ganz klar, was ein Prüfungsprogramm oder Stil damit zu tun hat, Karate an "eigene körperliche Gegebenheiten" anpassen zu können. Das kann man immer.
Eigene Auffasung, aha. Also jeder der meint zu wissen was Karate ist, zeigt in der Prüfung was er sich da so zusammengereimt hat, und die Anpassung an die "eigenen körperlichen Gegebenheiten" geht dann etwa so: "Hei, ich bin heute nicht so gut drauf, habe bisschen zu wenig trainiert, also mach mal easy".
Ich halte dieses Konzept der stiloffenen Prüfungen ehrlich gesagt für Murks
So KANN man das sehen. Man sollte aber natürlich beachten, dass da immer noch (idR) zwei Prüfer bei so einer Prüfung anwesend sind. Und die entscheiden dann halt, ob das, was der Prüfling sich da "zusammengereimt" hat, auch ihren eigenen Vorstellungen entspricht. Ebenso sind es die Prüfer, die zwischen "ich mach mal locker" und "ich hab kaputte Hüfte und kann kein Jodan treten" unterscheiden können und entsprechend urteilen sollten. Und das sind ja grade die zwei Merkmale guter Prüfer: Nicht betriebsblind an ihren Stil-Definitionen festhalten, sondern die Umsetzung von Prinzipien und Körpermechanik stilübergreifend beurteilen können und erkennen, ob und welche körperlichen Einschränken vorhanden sind und wie damit umgegangen wird.
Naja also gerade das STILÜBERGREIFENDE Beurteilen sehen hier manche Personen ja recht kritisch.
Ich konnte bislang in 3 Koryû minimal bis ein wenig opder ein wenig mehr reinschnuppern, eine vierte habe ich nur mal zwei ca. Stunden am Ende eines Seminars mitgeübt, etliche andere Schulen natürlich live bei Vorführungen oder auf Videos gesehen. Nehmen wir nur einmal die ersten drei (alle weiteren scheinen mir nur zu bestätigen, was ich dort beobachtete), so gibt es bei deren Schwertübungen viele Ähnlichkeiten aber auch viele Andersartigkeiten, die sich teilsweise regelrecht entgegegenzustehen scheinen. Was in der einen Schule genau richtig sein kann, könnte in der anderen als unverzeihlicher Fehler behandelt werden, obwohl alle das gleiche Schwert nutzen. Wie will sich also jemand mit seinen limitierten Kenntnissen anmaßen mal eben das Können eines Schülers oder Lehrers in einer anderen, wenn auch ähnlichen, Kampfkunst zu bewerten? Ehrlich gesagt finde ich das regelrecht lächerlich und völlig anmaßend.
Man schaue sich hier auch nur einmal die Diskussionen im Bereich Aikidô an, ging alles von einer Person aus (Ueshiba sensei, müsste also sogar NOCH einfacher als beim Karate sein) und mittlerweile arten Diskussionen über "richtiges" Aikidô und wer es aber irgendwie "falsch" macht regelmäßig aus.
Dieser "Murks" ist in allen mir bekannten Prüfungsordnungen ab dem 4. oder 5. Dan enthalten. Da steht dann meistens nur noch "nach Wahl des Prüfers" oder "nach Wahl des Prüflings". Ganz selten ist noch eine konkrete Kata oder konkrete Technik vorgegeben. Ich glaube auch nicht, dass irgendwo auf der Welt ein Siebzigjähriger im Rahmen seiner Prüfung zum 7. oder 8. Dan dieselben athletischen Fähigkeiten wie ein Zwanzigjähriger zum 1. Dan vorweisen muss. Also irgendwie scheint doch immer wieder Rücksicht auf die Interessen, Fähigkeiten und Möglichkeiten der Einzelnen Rücksicht genommen zu werden. Im Rahmen der stiloffenen Prüfung ist das nun mal offen und ehrlich formuliert.
Dass einzelne Prüflinge und Prüferinnen und Prüfer das auch mal "missbrauchen" können - z. B. ich schenke Dir den Dan-Grad, weil Du mir immer brav den Kaffee bringst - ist durch keine Prüfungsordnung oder Stilrichtung zu verhindern.
Das ist meines Erachtens nach ein gutes Beispiel dafür, das eine Prüferin oder ein Prüfer ablehnt. Wenn zu mir jemand mit der Absicht kommt, eine Wado-Ryu-orientierte Prüfung zu machen, dann muss ich passen. Davon weiss ich einfach zu wenig. Wenn ich aber 30 oder 40 Jahre Karate-Erfahrung habe und mehrere Stilrichtungen jeweils drei oder mehr Jahre intensiv geübt habe, dann traue ich mir eine entsprechende Prüfung (als Prüfer) durchaus zu.
Das nenne ich mal Selbstbewusstsein, um es einmal positiv zu formulieren.
Das Grundproblem, in einem Stil zu prüfen, den man selbst gar nicht sachkundig beurteilen kann, bleibt ja bestehen (solltest Du meinen, nach jahrzehnten dann auch nochmal Wadoryu selbst trainiert zu haben, könnte man es u.U. anders bewerten). Ich persönlich halte soetwas für völlig unseriös, egal welche Verbände soetwas gutheißen. Ich dachte vor dem Lesen dieses Threads hier, dass "stiloffene Prüfung" einfach nur heißt, dass halt an einem bestimmten Tag bzw. auf einem bestimmten Lehrgang dann in diversen Stilen Prüfungen abgelegt können, sofern halt entsprechend hohe Lehrer aus den jeweiligen Stilen selbst dann als Prüfer vor Ort fungieren können. So wie es aber vorgesehen zu sein scheint im Verband, kann ich mich wirklich nur fremdschämen.
Im Prüfungsprogramm müssten mal 2-3 Kata Namen überarbeitet werden oder was sind Gegsaidai und Sanchi?
@shinken-shobu, der Mix gilt nicht nur für Prüfer, sondern auch für Prüflinge, denn die müssen ab einem bestimmten Level "stilrichtungsfremde" Kata zeigen.
Ich halte davon auch nicht so viel. Wenn man Karate körper- oder altersgerecht ausführen will, hat das aus meiner Sicht weder mit einem Stil noch einem Prüfungsprogramm zu tun. Eigentlich sollte eine körper- oder altersgerechte Ausführung selbstverständlich sein.
Dazu hat ein Prüfer immer die Möglichkeit. Ich verstehe auch offen gesagt (geht nicht an Dich!) die ganze Diskussion nicht. Die Prüfer haben doch relativ große Spielräume. Auch die vorgeschriebenen Kata, Kihon und Kumite sind da eher eine Empfehlung. Dass sich dennoch die meisten sklavisch dran halten, ist ihr Problem. Das neue Shotokan-Prüfungsprogramm z.B. ist teilweise so ein Murks, dass ich von einem guten Prüfer erwarten würde, dass er davon sinnstiftend abweicht.
Oder umgekehrt: wer von mir irgendwelche Schwachsinns-Kombinationen verlangt, nur weil sie in der PO stehen, disqualifiziert sich für mich als Prüfer.
Am Ende läuft es darauf hinaus, was hier ja auch schon mehrfach gesagt wurde: man sollte sich einen Prüfer suchen, der zu einem passt. Wie man passen interpretiert, also ob er es einem leicht oder schwierig macht, er einen inhaltlich auch weiterbringt oder auch nicht, etc., sollte man selber in der Lage sein, für sich zu bestimmen.
Oder anders: Wer 4. Dan machen will, sollte auch einen Plan haben, welchen weiteren Weg er gehen möchte. Und da gehört die Wahl eines passenden Prüfers dazu.
„Grau teurer Freund, ist alle Theorie. Und grün des Lebens goldner Baum.“
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