Wenn mir das OT gestattet ist: Die Sache mit dem archäologischen Nachweis von Kriegerinnen ist ein heisses Thema, aber leider recht kompliziert. Die eine Sache ist, wie eine Person im Grab porträtiert wird (nicht zu verwechseln mit "wer sie war" - Tutanchamun wäre physisch nicht in der Lage gewesen, ohne Krückstock auf irgendwelche Feinde zu treten). Auch da gibt es Zweifel, gerade bei Mehrfachbestattungen wie m.W. Birka eine ist (wem gehört was im Grab, und auch das gerät im Laufe der Zeit oft nochmals durcheinander). Wer die Person war, kann lediglich die Anthropologie ein Stück weit beantworten. Da wiederum ist es so, dass viele der fraglichen Komplexe wie die "Kriegerin von Birka" mit zum Teil widersprüchlichen Ergebnissen analysiert wurden, angefangen beim Geschlecht, und das häufig über mehrere Jahrzehnte. Tatsächlich ist es - wie mir Anthropolog*innen erklärt haben, mit denen ich zusammenarbeite - so, dass eine Geschlechtserkennung am Skelett anhand der Morphologie oft nicht immer klar möglich ist. Zudem sind die klassischen männlichen Merkmale am Skelett (die aber nicht jeder Mann hat) dominanter, sprich, es ist häufiger möglich klar zu sagen "war ein Mann" als umgekehrt. Ob es im Fall Birka inzwischen DNA-Proben gibt, entzieht sich leider meiner Kenntnis. Dann stellt sich die Frage nach der Biographie einer Pereon, und auch die ist nicht einfach - körperliche Arbeit kann ähnliche Spuren hinterlassen wie Kampftraining, ebenso kann man nicht immer die Art von interpersoneller Gewalt und simple Stürze etc. trennen. Erschwert wird das dadurch, dass die Bearbeitenden oft "nur" die Literatur zum Thema kennen, aber keine einschlägige Erfahrung mit Kampfsport, historischen Techniken und Taktiken etc. haben (gilt ggf. auch für die Autor*innen der betreffenden Fachliteratur). Ich hatte zu den Themen bereits etliche Stunden Diskussion mit den Kolleg*innnen, auch bedingt durch meine umfangreichen Verschleiss- und Verletzungsgeschichten und die in meinem Umfeld![]()
Dann gillt es zu berücksichtigen, dass wir nur winzige Ausschnitte historischer Populationen archäologisch fassen, und wer da drin ist, ist oft "Rainer Zufall."
Und schliesslich stellt sich noch die Frage, wie umfangreich und nachvollziehbar (Agenda und so ist da auch ein Thema - bei Birka habe ich z.B. von hochrangigen Akademikerinnen gehört, wie sehr sie sich wünschen würden, dass der Nachweis der "Schildmaid" endlich käme).
Lange Rede, kurzer Sinn: ein eindeutiger, nachvollziehbar publizierter Fall steht m.W. noch aus. Es gibt mehrere Verdachtsfälle, und die Möglichkeit von eindeutigen archäologischen und anthropologischen Nachweisen besteht, allerdings primär für Zeitabschnitte mit Grabbeigaben (s.o.). Ob wir die je kriegen werden ist offen, dass sie so zahlreich werden, dass man die statistisch auswerten könnte bestenfalls mässig wahrscheinlich.






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