Auch hier macht die Dosis das Gift - ich bin absolut bei dir, was das Lernen und das Sozialisieren untereinander angeht. Aber das ist mE nicht die Hauptaufgabe der staatlichen Einrichtungen. Wir haben auch einen Bildungsauftrag und der gerät mehr und mehr in den Hintergrund, weil du vor lauter Nach-Sozialisierung-Justierung zum Teil gar nicht mehr zu fachlichen Inhalten kommst.
Zudem, sorry - ist mir das aber auch zu einfach gesetzt: Diese Fusion von "arm/reich", "(un)gebildet" (Was ist das?) oder aber "(un)behütet" - das ist eine absolut erstrebenswerte Vision und auch ein Ideal. Die Realität sieht so leider nicht aus. Ich gehe mal provokant heran: Wenn du Kinder ohne äußere Reglementierung aufeinander loslässt, dann hast du letztlich die Hackordnung, wie in einem Hühnerstall. Laut, brutal und egoistisch dominiert. Das ist doch genau der Weg, den die ganze Pädagogik der vergangenen Jahrzehnte versucht hat zu vermeiden.
Weiterer Punkt: Kinder mit Migrationshintergrund "kennen" diese Art der sanften Begleitung nicht. Der erzieherische Ton zu Hause ist ein gänzlich anderer. Da wird nicht kommuniziert - da herrscht das Patriachart mit entsprechender Wirkung. Jetzt sitzt so ein Knirps bei uns im Unterricht. Baut irgendeinen Mist und erwartet jetzt (da er es von zu Haus kennt) eine entsprechende Reaktion. Die erfolgt aber nicht, sondern es wird geredet. Das Kind ist nun verwirrt und was ein Kind hat zudem nicht diese kognitiven Differenzierungsmöglichkeiten. Es erkennt dominant und schwach. Die Schule wird als schwach eingeordnet - warum soll ich mich da benehmen.
Beispiel: Ich hatte in meiner 9ten Klasse einen Muselmann (ich meine das liebevoll), der kam frisch zu uns und hat so richtig den Pascha (Merz lässt grüßen) gemacht. Nach einiger Zeit wurde mir das zu bunt (Wortspiel) und ich habe ihn zum Gespräch geholt:
Du gehst doch in die Mosche?
Ja.
Benimmst du dich da auch so?
*schweigen*
Wenn dein Imam zu dir sagt. "Sei bitte leise." Bist du dann leise?
Ja.
Warum nicht hier in der Schule? Wo ist dein Respekt?
*schweigen*
Einen Tag später war der Junge wie verwandelt - zumindest bei mir in Mathe. *g* Was ich damit sagen möchte: Es kostet Energie und Kraft! Die hast du aber nicht immer und bei dem Knaben ging es jetzt positiv aus. Warum? Weil er zugehört und reflektiert hat. Wo hat er das her? Aus der Schule? Bestimmt nicht! Elternhaus! (qed)