Gutes Interview in der SZ: "Priorisierung nach Überlebenschancen"
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Medizinethiker Georg Marckmann erklärt im Interview, wieso Ungeimpfte bei der Triage nicht schlechter gestellt werden dürfen als Geimpfte, wie die Priorisierung von Patienten abläuft - und warum nicht das Alter entscheidend ist.
Georg Marckmann, 55, ist Mitglied in der Zentralen Ethikkommission bei der Bundesärztekammer und Mitverfasser der Leitlinien im Umgang mit Covid-19-Versorgung. An der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München leitet er das Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin.
Leider Paywall. Auszüge:
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Wir versorgen Risikosportler nach einem Unfall und behandeln den Lungenkrebs eines Rauchers. Ärzte sind verpflichtet, jedem zu helfen, unabhängig von einer möglichen Mitverantwortung an seinem Zustand. Davon sollten wir nicht abweichen.
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wissen wir, warum sich jemand nicht impfen ließ? Ist er Falschinformationen von Querdenkern zum Opfer gefallen? Wir wissen auch, dass sozioökonomisch Benachteiligte niedrigere Impfraten und ohnehin schlechtere Gesundheitschancen haben. Eine Priorisierung nach dem Impfstatus ergäbe eine ethisch nicht vertretbare soziale Schieflage.
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Wenn alle Bemühungen scheitern und auch eine Verlegung in eine andere Klinik nicht möglich ist, müsste man nach den Empfehlungen der Fachgesellschaften eine Priorisierung der intensivpflichtigen Patienten nach deren Überlebenschancen vornehmen.
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das Alter per se ist kein Kriterium. Wir hatten in der ersten Welle im LMU-Klinikum 85-jährige Patienten, die die Erkrankung mit einer vorübergehenden Beatmung überstanden haben. Entscheidend sind die Erfolgsaussichten der Intensivbehandlung. Die können bei einem 50-Jährigen mit Vorerkrankungen schlechter sein als bei einer 80-Jährigen.
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Jetzt bekommen wir die Quittung für die Versäumnisse der Gesundheitspolitik. Das Problem ist seit Langem bekannt: Empirische Studien belegen, dass mehr Patienten sterben und Komplikationen erleiden, wenn die Anzahl oder die Qualifikation der Pflegenden reduziert wird. Leider fand das keinen Widerhall in der Politik.
Zur Triage:
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Dafür gibt es etablierte Triage-Schemata, um bei begrenzten Ressourcen möglichst viele Menschenleben retten zu können. Die Patienten werden gesichtet und nach der Dringlichkeit der Behandlung in verschiedene Gruppen eingeteilt.
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Wenn es anders nicht geht, wird bei denen, die die schlechteste Prognose haben, geprüft, ob eine Beendigung der Intensivbehandlung vertretbar ist. Dabei sind wir nicht sehr weit weg von dem, was wir ohnehin in der Intensivmedizin tun.
Zur Impfpflicht für Mitarbeiter im Gesundheitsbereich:
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Das halte ich grundsätzlich für vertretbar. Das Gesundheitspersonal trägt eine besondere Verantwortung, die Erkrankung nicht auf die ihnen anvertrauten vulnerablen Personen zu übertragen.