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CeKaVau
Ist das Boxen also vor 350 vom Baum gefallen? Gab es etwas Vergleichbares nicht vorher? Und kann das Boxen von heute nicht in der Line dessen betrachtet werden?
Nope.
Es ging um zwei Sportarten, die in einer Tradition stehen. Was das mit der Notwendigkeit einer "authentischen Linie" für Karate zu tun hat, erschließt sich mir nicht.
Boxen und Ringen haben eine lange geschichtliche Tradition, das hat aber nichts mit einer "traditionellen" Übertragungslinie zu tun. Oder kennst du Boxer und Ringer, die etwas unterrichten, was schon vor 300 Jahren genau so ausgeübt wurde, einfach weil es sich bewährt hat? In einer authentischen Linie ist genau dies der Fall, zumindest was die meisten Anwendungen angeht (das, was ich praktiziere, ist zugegebenermaßen "nur" ca. 150 Jahre alt, seine Wurzeln dürften aber wesentlich älter sein). Dazu muss man natürlich beachten, dass sich die Rahmenbedingungen, unter denen Boxen und Ringen praktiziert werden, stark verändert haben, insofern kann man dort eine solche Übertragungslinie garnicht erwarten.
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Ist es möglich, das Wort "authentisch" hier im Sinne von "unverfälscht" zu übersetzen?
Du hast keine Chance zu wissen, wie die Originalform vor ein paar Jahrhunderten aussah und wie die Originalanwendung damals war. Du musst Dich hier voll auf Hörensagen verlassen, was nie ein guter Deal ist.
Woher weißt Du denn, dass das, was Dir gelehrt wird, und was Du vielleicht aus selbst lehrst, die exakt gleiche Form wie damals war? Es wurde Dir gesagt, von jemandem. Dieser hat es auch wieder, von jemandem, und dieser ...
Ich denke, wir verstehen uns. Es existiert keinerlei objektive und damit zielsicher unverfälschte Übertragung von damals zu heute. Weil die Übertragung von Mensch zu Mensch erfolgt, und Menschen subjektiv sind, ergibt sich immer eine Entwicklung.
Bei der korrekten Übertragung der Interpretation der Form dürfte sich dieses Problem noch einmal potenzieren, da Menschen unterschiedlich körperliche und geistige Konstitutionen besitzen und darum gezwungen sind, die gleiche Information für sich selbst zu interpretieren, um sie wirksam im Kampf einsetzen zu können.
Absolut korrekte Feststellung, ich bin immer von der subjektiven Sicht (und dem, was er mir tatsächlich zeigt) meines Lehrers abhängig und muss ihm daher blind vertrauen. Genau das gehört halt auch zu einer authentischen Übertragungslinie. Da es dabei aber auch immer um allgemeine Prinzipien geht, die ich zwar für mich anwenden, aber niemals umdeuten kann ("The way, that becomes a way, is not the immortal way"), ist auch eine gewisse Sicherheit gegeben, dass die Übertragung lückenlos ist, sofern der Schüler ein korrektes Verständnis erlangt. Wie das dann von außen aussieht oder wie es sprachlich beschrieben wird, spielt keine Rolle.
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Aber um des Argumentieren willens, lass uns mal folgendes Annehmen. Du übst eine Form und deren Anwendung, die von einem Stilgründer vor etlichen Jahrhunderten entwickelt wurde. (Was im Übrigen nebenbei heißt, das dieser Stilgründer sich außerhalb einer Tradition gestellt hat, aber lassen wir das mal.)
Die Form und die Applikation wurde tatsächlich ohne die geringste Änderung von Generation zu Generation übertragen. Bis heute. Zu Dir.
Und daran ist wirklich etwas Gutes? Ganz sicher?
Wenn ich mir das traditionelle Lehrstystem des Shu-Ha-Ri (oder von mir auch aus Li, ich kann kein japanisch) ansehe, so besteht es aus den drei Schritten:
1.) Das System lernen
2.) Das System beherrschen
3.) Das System zerreißen. Sprich: Seinen eigenen Stiefel machen.
Falls Dein System, Deine Form, über die traditionelle Lehrmethoden überdauert hat, heißt das im Umkehrschluss, dass nie ein Meister die Ri-Stufe erreicht hat. Falls doch, hat er seinen eigenen Laden aufgemacht und ist aus der Übertragungslinie des Systems verschwunden.
Ist er aus Loyalität beim System geblieben, hat er dann nicht um der Loyalität willen seinen Schülern wider besseren Wissens ein in seinen Augen veraltetes System gelehrt.
Und falls nicht, heißt das dann nicht, dass das System von Ha-Meistern weitergetragen wurden, die das System nie einer sich ständig veränderten Realität angepasst haben?
Ist es wirklich gut, mit einem Messer zur Schießerei zu kommen, nur weil mein Stil schon seit Jahrunderten mit Messern hantieren? Selbst wenn es im Umgang mit Messern wirklich wirklich gut ist?
Hm, ich möchte mich hier ehrlich gesagt nicht zu Shu-Ha-Ri äußern, da ich mich erstmal nicht mit diesen Begriffen auseinandergesetzt habe noch hier in einem Forum erkären könnte, was eventuell damit gemeint ist (man könnte sich natürlich mal gemeinsam treffen und darüber austauschen). Allerdings impliziert "das System zerreißen" mit Sicherheit nicht, das man auf einmal seine eigene Methode entwickeln muss, die man dann auch an seine Schüler weitergibt. Es ist eher ein "sich frei machen", "sich loslösen" oder auch "komplett in der Leere aufgehen".
Zitat:
Dein vor Jahrhunderten lebender Stilgründer, war auch mal ein Karatepionier, ist Dir das klar? Kann ich aus Deiner Äußerung schlussfolgern, dass er nichts konnte?
Muss mich unglücklich ausgedrückt haben, ich bezog mich nur auf die deutschen Karate Pioniere.