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Thema: Shigeru Egami

  1. #1
    Gast Gast

    Standard Shigeru Egami

    Frage an die Karate-Cracks, Henning :-)

    Was hat es mit dieser Art und Weise der Kate-Ausführung auf sich?

    https://www.youtube.com/watch?v=ad6bdqsFG5M#t=1m

  2. #2
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    Standard

    Hallo Julian,

    technisch hat das nur bedingt etwas mit S. Egami selbst zu tun, der in dem Film (krankheitsbedingt) ja auch nicht wirklich aktiv wird. Ich hoffe, es ist o. k. für Dich, wenn ich mich diesbezüglich nur kurz selbst zitiere:

    Titel: Re: Breitensport & Shotokan
    Beitrag von: Gibukai am Dezember 04, 2011, 09:57:00
    Hallo,

    ich befürchte, die Beantwortung Deiner Frage wird die meisten hier enorm langweilen, weswegen ich mich kurzfasse. In meinem Buch [Shōtōkan Band I] reiße ich ab S. 182 einige neuzeitliche Entwicklungen bezüglich der Shōtōkan-Strömung an. Diese Entwicklungen stammen nicht aus einem Vakuum. G. Funakoshi unterrichtete grundsätzlich in drei verschiedenen Milieus:

    (1) In seinem Honbu, das von 1938 bis 1945 der Shōtōkan war (der heute als „historischer Shōtōkan“ bezeichnet wird, um ihn von den beiden neuen Übungsstätten zu unterscheiden, die nach dem Zweiten Weltkrieg eingerichtet wurden)

    (2) In verschiedenen Universitätsklubs

    (3) In privaten und betrieblichen Übungsgruppen.

    Diese drei Milieus bestanden mehr oder weniger unabhängig voneinander, obwohl es natürlich immer wieder verschiedene Gelegenheiten für Austausch gab. Schon allein zwischen den Universitätsklubs entwickelten sich dadurch teilweise gravierende Unterschiede. Z.B. lernte ich drei verschiedene Oi-Zuki, die jeweils dem Lehrgebäude dreier Tōkyōter Universitätsklubs entstammen. Trotzdem bezogen sich alle auf G. Funakoshi und seine Lehre. Doch der eigentliche technische Kern des sich ausbildenden Lehrgebäudes im Sinne von G. Funakoshi und Y. Funakoshi befand sich im eigentlichen Shōtōkan-Dōjō, das natürlich immer wieder auch von Vertretern der anderen Milieus aufgesucht wurde.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die ehemaligen Hauptlehrer aus dem Shōtōkan immer noch Mitglieder des Shōtōkai und die Hauptlehrer der verschiedenen Universitätsklubs mit ihren eigenständigen Lehrgebäuden immer noch Lehrkräfte in den jeweiligen Universitätsklubs. Die Universitätsklub-Senpai waren nicht notwendigerweise Mitglieder des Shōtōkai.

    Nun hatte z.B. S. Egami, der die JKA belächelte, eine Rolle, die ihn quasi drittelte. Ab einem gewissen Zeitpunkt (1958) übernahm er die Rolle des technischen Leiters des Shōtōkai. Zugleich fungierte er als Lehrmeister (Shihan) an einem für Deine Frage wichtigen Universitätsklub sowie in einem berühmten betrieblich finanzierten Dōjō. D.h. er war wie einst Funakoshi für Gruppen aus drei unterschiedlichen und voneinander unabhängigen Milieus mit eigenen, im Laufe der Zeit entstandenen Lehrgebäuden verantwortlich. Der Universitätskarateklub, den ich ansprach, ist der der Chūō-Universität. Auf dem Papier war S. Egami der verantwortliche Shihan, aber wie an derartigen Klubs üblich wurde (und wird) der hauptsächliche Unterricht von studentischen Klubkapitänen geleitet und von Absolventen („Old Boys“) technisch beeinflußt. Jedenfalls wurde etwa um diese Zeit ein Mann namens H. Aoki (geb. 1936) Kapitän des Chūō-Klubs. Er war Künstler im weitesten Sinne: Tänzer, Spiritualist, „Spinner“. In diesem Sinne hatte er klipp und klar im Sinn, das Karate (welches er u.a. von S. Egami lernte) zu etwas „Neuem“ umzuwandeln, das noch nicht mal mehr die Bezeichnung „Karate“ zu tragen brauchte. Am Ende hieß das dann Shintaidō. Interessanterweise war mein zweiter (japanischer) Japanischlehrer ein Schüler von H. Aoki und er zeigte mir Shintaidō-Stoff, den er selbst damals nicht mehr wirklich zu ernst nahm. Ich selbst sage mal lieber nicht, was ich vom Shintaidō halte…

    Durch H. Aokis Betreiben veränderte sich jedenfalls das Karate des Chūō-Klubs in eine eher abstrakte, künstlerische Richtung mit tanzartigen, übertrieben langen Gesten und Ständen. H. Aoki war Model in S. Egamis erstem Buch, dessen technischen Teil S. Egami nicht billigte! Ein Junior von H. Aoki, T. Miyamoto (geb. 1945), der eben dieses „Karate“ im Chūō-Klub über H. Aoki lernte, wurde Mitglied im Shōtōkai, während sich H. Aoki mit Shintaidō organisatorisch vom Shōtōkai löste.

    Das große Problem an der Sache war, daß S. Egami selbst aus schwerwiegenden gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage war, selbst Karate-Technik (Kata und Kumite) zu demonstrieren, obwohl er an den genannten Orten als Shihan fungierte. Daher demonstrierten die jeweils ältesten Mitglieder der jeweiligen Gruppierung an seiner Stelle. Da nun T. Miyamoto sowohl an der Chūō-Universität als auch im neuen Shōtōkan trainierte, assistierte er S. Egami häufig. Das erzeugte den trügerischen Eindruck, daß T. Miyamotos Karate-Technik die von S. Egami sei. Dieser Eindruck wurde natürlich noch verstärkt, als T. Miyamoto als Model in S. Egamis „Karate-Dō Nyūmon“ fungierte, welches englisch unter dem Titel „The Heart (Way) of Karate-Dō“ veröffentlicht wurde. Es gibt in dem Buch Textstellen, die sich im direkten Widerspruch zu den Photos von T. Miyamoto befinden. Dennoch wurde es veröffentlicht. Diese zwei Bücher wurden so eine visuelle „Norm“.

    1958 gab es zwei Lehrkräfte aus dem historischen Shōtōkan, die unmittelbare Senpai von S. Egami und technisch mindestens so qualifiziert waren, wie er. Doch sie wollten keine „Karate-Kariere“, standen aber als technische Berater für den Shōtōkai zur Verfügung. Diese Leute vertraten natürlich eine orthodoxere Haltung und lehrten mit Sicherheit nie das Chūō-Karate, welches über T. Miyamoto das technsiche Bild der jüngeren Mitglieder des Shōtōkai beeinflußte. Diese jüngeren sind heute die Vertreter des Shōtōkai und ihnen bleibt nichts anderes übrig, als sich an die Veröffentlichungen S. Egamis (inklusive der Bilder mit dem Chūō-Karate) zu halten. Erst mit J. Takagi (geb. 1927) begannen wieder ältere Mitglieder ein wenig mehr Einfluß zu gewinnen, aber im Grunde kommt diese Entwicklung zu spät.

    Ich hoffe, das macht einigermaßen nachvollziehbar, wie verschiedene Lehrgebäude innerhalb des Shōtōkai entstehen und nebeneinander existieren konnten.

    In „Toshiya“ 10/2007 und 4/2008 belege ich an technischen Beispielen (Zenkutsu- und Fudō-Dachi) verschiedene Lehrgebäude innerhalb des Shōtōkan-Ryū.

    Grüße,

    Henning Wittwer
    (http://www.kampfkunst-board.info/for...ml#post3304631)

    H. Aoki hat mittlerweile (nach vielen Gebrechen durch sein Training) wieder etwas Neues entwickelt, das ich hier kurz vorstelle:

    http://www.kampfkunst-board.info/for...bilder-174573/

    Grüße,

    Henning Wittwer

  3. #3
    washi-te Gast

    Standard

    Moin -

    also nix mit "Taiji-Einfluß"?


    ....und vielleicht gleich noch ein Wort zu:

    http://www.kampfkunst-board.info/for...74/index3.html

    Beitrag #81.

    Danke!
    Geändert von washi-te (24-12-2016 um 11:55 Uhr)

  4. #4
    Gast Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Gibukai Beitrag anzeigen
    Hallo Julian,

    technisch hat das nur bedingt etwas mit S. Egami selbst zu tun, der in dem Film (krankheitsbedingt) ja auch nicht wirklich aktiv wird. Ich hoffe, es ist o. k. für Dich, wenn ich mich diesbezüglich nur kurz selbst zitiere:

    Grüße,

    Henning Wittwer
    Hallo Hennig,

    klar :-)

    Also zusammengefasst:
    Das ist H. Aoki, Shintaidô, und so absurd wie es aussieht?

  5. #5
    washi-te Gast

    Standard

    Zitat Zitat von julian braun Beitrag anzeigen
    das ist h. Aoki, shintaidô, und so absurd wie es aussieht?
    .ax- .

  6. #6
    WulongCha Gast

    Standard

    Ich denke, für meine Frage lohnt kein neues Thema:
    Gibt es innerhalb des Shotokai auch verschiedene Strömungen?
    Ich habe mal über Freunde vor über 20 Jahren das Shotokai nach Adolpe Schneider & Alain Stoll kennenlernen dürfen und fand dies sehr realitätsbezogen z.B. Vollkontakt Kumite ohne Regeln ab Braungurt Niveau.
    Ist das im Shotokai die Regel oder haben evtl. unterschiedliche Strömungen andere Interpretationen (auch innerhalb der Kata)?
    Danke schon mal im Voraus!
    Geändert von WulongCha (25-12-2016 um 17:11 Uhr)

  7. #7
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    Hallo,

    „Shōtōkai“ (vollständig: „Nihon Karate-Dō Shōtōkai“) ist die Bezeichnung von G. Funakoshis Karate-„Verein“, der 1936 aus einer älteren Gruppierung hervorging. „Shōtōkai“ ist keine Stilbezeichnung! Der Shōtōkai ist ein Verein, in dem verschiedenste Karate-Anhänger Mitglied sind. Die von den Mitgliedern ausgeübte Strömung ist die Shōtōkan-Strömung (Karate-Dō Shōtōkan-Ryū). Verschiedene Mitglieder haben verschiedene technische Vorstellungen entwickelt, d. h. es gibt keinen „einheitlichen“ Stil bzw. keine „Norm“. Einige bewegen sich z. B. sehr „schlaff“, andere recht verkrampft. Auch die Kata als solche sind nicht vereinheitlicht, weder bezüglich Anzahl noch bezüglich Ausführung. Wie bei anderen Verbänden/Vereinen gab es auch Abspaltungen, die zu neuen Karate-Vereinen führten, die manchmal wiederum eigene technische Auffassungen vertreten oder aber Gelerntes nur unter neuem Vereinsnamen weiterführen.

    Da „Shōtōkai“ eben so wenig wie „Shōtōkan-Ryū“ ein markenrechtlich geschützter Begriff war/ist, tummeln sich außerhalb Japans viele Pappnasen, die den Namen verwenden, obwohl sie keinen oder nur sporadischen Kontakt zu Lehrkräften hatten oder haben, die Mitglied im Nihon Karate-Dō Shōtōkai waren/sind. Dieser Punkt macht alles noch undurchsichtiger, vor allem für Außenstehende.

    S. Egami hatte keinen direkten, mir bekannten Einfluss durch einen Lehrer des T’ai-Chi Ch’üan.

    Das Buch von A. Schneider beruht auf dem oben erwähnten Lehrbuch, in dem H. Aoki für die Fotos Model stand und den technischen Teil (den Großteil des Buchs) zu verantworten hat. A. Schneider selbst ist sozusagen eher Autodidakt.

    Ja, in dem Film ist gewissermaßen eine Vorstufe bzw. Entwicklungsstufe des Shintaidō zu sehen.

    Grüße,

    Henning Wittwer

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