Ist evtl. erst einmal auf den ersten Blick nur ein Thema für die Leute aus den „traditionellen“ KK, ist aber eigentlich für jede KK wichtig:

In wie weit wird bei Euch auf die Vermittlung von Hintergrundwissen allgemein Wert gelegt?

Damit meine ich jetzt keine oberflächliche „Budoromantik“ sondern seriöse Quellen von seriösen Forschern/Wissenschaftlern.

Im Karate wurde bei uns damals schon Wert auf diese Dinge gelegt, um zu verstehen was man macht und wo es herkommt.
Es gab Reporte zur Geschichte, zur Physiologie, zur Philosophie und zur Didaktik.
Das notwendige Wissen dazu wurde zum einen von den Lehrern im Unterricht vermittelt und mußte zum anderen selbstständig, an Hand von empfohlenen Büchern, erarbeitet werden. Diese Reporte waren dann Teil der jeweiligen Prüfungen.

Im Bagua gibt es jetzt bei uns ja keine Prüfungen/Graduierungen, aber das selbstständige Erarbeiten von Wissen ist dort einer der Kernpfeiler des Unterrichts.
Durch den Aufbau des Training (Wohnzimmeratmosphäre) gibt es immer mal die Möglichkeit theoretisches Wissen zu vermitteln, zusätzlich empfehlen wir natürlich noch diverse Bücher.

Gerade den Bereich Geschichte und Physiologie/Anatomie halte ich für absolut unverzichtbar um zu verstehen was man da macht. Geschichte ist deswegen wichtig um keiner Pseudoromantik auf den Leim zu gehen und zu wissen woher die Art des Trainings kommt und warum trainiert wird, wie trainiert wird.

Anatomie und Physiologie sind, in meinen Augen, deswegen wichtig um ein Verständnis von Bewegung zu bekommen und um zu wissen wie man den Anderen verletzen kann, bzw. wo man ihn verletzen muss.

Klar ist das ein Training natürlich primär aus Üben besteht, d.h. man muss die Anwendungssets lernen und frei anwenden können, aber die Theorie hilft einem dabei dies effektiver zu tun, also wird sie, ab einem gewissen Fortschritt den Leuten „nebenbei“ erklärt.

Ich stelle dabei immer wieder fest, dass die Leute früher ein extrem hoch entwickeltes Wissen über die funktionelle Anatomie und anwendungsorientierte Physiologie hatten.
Was mein Lehrer mir im Bagua mit den Worten des dortigen soziokulturellen Kontextes erklärt (sehr bildliche Sprache, „natürliche“ Erklärungen) ist hervorragend geeignet um zu lernen wie man sich effektiv bewegt. Die Sprache ist jedoch für einen „Westler“ an einigen Stellen etwas „blumig“, bzw. stelle ich immer wieder fest dass viele Leute die „traditionellen“ Erklärungen (Bälle, Kräfte, Richtungen etc.) nicht verstehen, ernst nehmen, und sich erst darauf einlassen wenn man es ihnen mit westlichen Begriffen (Muskelketten, Neurophysiologie, Physik etc.) erklärt.

Wie ist es bei Euch? Gibt es überhaupt „Theorie“, oder macht man einfach nach was der Lehrer zeigt? Welchen Stellenwert hat eigenständiges Lernen bei Euch? Wie wichtig ist das Verständnis dessen, was man übt für Euch (im Sinne von Einordnung „wo kommt es her und was mache ich da eigentlich“)?