Ich finde diese Einschätzung interessant. Kannst du ein bißchen beschreiben, worin du den Unterschied siehst?
Ich hätte jetzt gesagt, daß beides gar nicht so weit voneinander entfernt ist.
Um es einfach noch einmal zu wiederholen:
Es geht nicht darum, eine Haltung zu üben, die darauf ausgerichtet ist, Menschen zu verletzen. Es geht nicht darum, sich Ethik abzuerziehen.
Sondern es geht darum in einer Haltung zu üben, die darauf ausgerichtet ist jedem Menschen auf eine Weise zu begegnent, die ihn wachsen läßt, ihm gut tut, oder wie Endô sensei mal gesagt hat, ihn "zum Blühen bringen möchte".
In dieser wertschätzenden, respektvollen Haltung aber Techniken zu üben, die darauf ausgerichtet sind, einen Angreifer nachhaltig zu verletzen.
Diese Dialektikt ist grundlegend. Jedenfalls für das aikidô Üben, das ich kenne.
Dieses Zitat gibt tatsächlich recht gut die Haltung von tori wieder, in der in meinem Kontext geübt wird. Eine solche Haltung schließt aber doch atemi nicht aus?Yoshigasaki hat das so formuliert: "Wenn Sie danach trachten, nicht aggressiv zu sein, keinen Widerstand zu leisten und als Nage Harmonie zu schaffen, wird sich Ihr gesamter Körper und Ihr gesamter Geist in dieser Richtung entwickeln. Natürlicherweise verhalten Sie sich dann auch im Alltag so..."
Ich weiß, für Yoshigasaki sensei schon. Aber doch vom Wortlaut her alleine eben nicht.
Ich kenne das Üben von Gerd Walter nur aus Videos und aus Erzählungen von ehemaligen Schülern. Ich vermute, daß der Gedanke von Effektivität, von Wirksamkeit, weniger technisch zu verstehen ist, sondern in seinem Verständnis des zen verwurzelt ist.Gerhard Walter hatte mal in einem Flyer geschrieben: "Effektivität erwächst nicht aus der Technik einer Verteidigungskunst, sondern aus dem Eins-Sein mit seinem Tun."
Das Gefühl von Eins-sein und Aufgehen im Üben, oder - wie ich es für mich persönlich nenne - das Gefühl des Loslassens kann sich einstellen ganz unabhängig von der äußeren Form der Bewegung. Es geht nicht dabei aus meiner Sicht letztlich nicht darum, welche Bewegung man macht, sondern wie man sich bewegt.Das Gefühl des Eins-Sein mit oder Aufgehen im Üben stellt sich bei mir bei den fließenden Bewegungen der Wurf- und Halte-Techniken im Aikido (und zwar als Nage und Uke) ein, aber sicher nicht beim Üben von Atemi, die man ansetzen und wieder stoppen muss, um den Partner nicht zu verletzen.
Diesen Gedanken habe ich ja oben auch schon geäußert. Er ist m.E. essentiell.
Es sind nicht die einzelnen Übenden, die den Charakter des zu Übenden prägen oder bestimmen. Sondern wir treten in eine Tradition, eine Schule, eine Kunst ein, die uns voraus ist. Die uns gegeben ist.
Für mich ist es halt bedeutsam, weil das Üben von budô nur eine Facette, eine Ausprägung dieses Themas ist, das mein Leben insgesamt bestimmt. Ich übe halt nicht nur die waza eines budô, sonder auch die waza eines spirituellen Weges.Abseits des Budô spielt es aber für mich aber eigentlich sowieso keine Rolle, wie es sich am Ende wirklich verhält mit den vielen Wegen und Zielen.
Kann man in diesem "restlosen Aufgehen seines Tuns" gleichzeitig Beobachter seiner selbst sein? Kann man sein Tun in diesem Zustand beeinflussen, kontrollieren, theoretisch innehalten ... ?
Ich habe mich nie mit Flow-Zuständen befaßt und mich interessiert, wie sich dieses Gefühl verhält zu dem buddhistischen Begriff der Achtsamkeit.
Das beschreibt doch ein Ziel der Bewegungsqualität im aikidô ganz allgemein, oder? Also mein Üben trifft es jedenfalls recht gut.... entspannte, weiche, fließende, unverkrampfte, ohne viel muskuläre Anstrengung ausgeführte Bewegungen ...
Ein Bewegungsgefühl wie man es auch beim qi gong hat.
Diese Konsquenz verstehe ich jetzt nicht. Gerade im Ki-Aikido geht es doch nun ganz ausdrücklich um Flow-Erfahrungen wie du sei beschreibst? Die Einheit von Körper und Geist ist doch dort das maßgebliche Kriterium?Deswegen wäre Ki-Aikido, so wie es Carsten erlebt hat, nichts für mich.
Zudem: Meine Erfahrungen rühren her von einem Ki-Aikidoka, der einige Zeit bei mir geübt hat. Sowie von einigen, wenigen Besuchen im Training von Ki-Aikido und aus Gesprächen mit einem Freund, der schließlich in Japan dann begonnen hat ein aikidô zu üben, das wesentlich auch von Christian Tissier herkommt.
Repräsentativ geht anders. Wie Iryoku schreibt: Bilde dir lieber selbst ein Urteil.
Puh ... ich möchte zu bedenken geben, daß du hier ein Zitat als einen Beleg für ein aikidô ohne atemi und für ein von flow-Erlebnis geprägtes aikidô anführst aus einer Zeit, in der atemi ein zutiefst wesentlicher Bestandteil des daitô ryû (so hieß aikidô damals) war. Ein Lehrer meines Lehrers hat zu Beginn der Dreißiger bei Ueshiba geübt. Das war deutlich anders als das, was du geren üben möchtest.Damit entwickelt sich spielerisch ein Art "Aiki" im Sinne einer Definition Ueshibas von 1920: ”Aiki is a means of achieving harmony with another person so that you can make them do what you want”.*
Das Zitat, das du da benutzt, um deine Position zu untermauern, setzt also gerade deine Gegenposition voraus. Dieses Zitat spricht von einem budô, das zutiefst durch atemi und durch die Intention, den Gegner zu zerstören, geprägt war.
Ein "Sakrileg" wäre es in meinen Augen, wenn du mit deinem Leben etwas anfängst, was dir selber widerstrebt, dir selber nicht gerecht wird.Möglicherweise ist die profane Suche nach Spaß, Freude oder Glück im Dojo ein Sakrileg für ernsthafte Budoka, ...
Ich habe gefragt, weil ich die Vermutung habe, daß es mir helfen würde, deine Aussagen zu verstehen, wenn ich eine Vorstellung davon hätte, in welchem Kontext du übst.Deswegen schreibe ich lieber nicht, wo ich übe.
Das war alles.
Ich übe und unterrichte im Hildesheimer Aikido Verein. Hm, die Seite sieht so aus, als wäre sie gerade "under construction".
Doch noch eine Nachfrage:
Beim Tanzen geht es ganz wesentlich darum, daß beide Partner von vornherein eine gemeinsame Bewegung ausführen. Es gibt dabei keinerlei Gegeneinander. Und dieses Miteinander löst sich nicht auf, sondern wird im Gegenteil immer stärker, je fortgeschrittener die Tänzer. So jedenfalls habe ich es erlebt.
Ich kenne Lehrer, die auch aikidô in eben dieser Weise unterrichten: Beide Partner bewegen sich miteinander um ein gemeinsames Zentrum, das durch den Fluß der Bewegung aus den beiden Zentren der Übenden sich neu bildet. Es gibt keinerlei Konflikt der Partner, sondern beide bewegen sich miteinander.
Um das zu erreichen, wird auf eine Weise geübt, durch die die gemeinsame Bewegung gewissermaßen "automatisiert" wird. D.h. beide Partner arbeiten daran, sich immer besser aneinander anzupassen, sich immer besser aufeinander einzustellen. Beide versuchen, zu einem gemeinsamen Rhythmus zu finden.
Ich habe bisher an eine solche "Automatisierung" der gemeinsamen Bewegung gedacht, wenn im Zusammenhang mit aikidô von flow die Rede war.
Beschreibt das so auch dein Verständnis einer Übugnsweise, die zu "Flow" führt?
Geändert von carstenm (03-03-2017 um 06:49 Uhr)
So gesehen, kann man nie irgendetwas je "können".
Wiederum hilft einem dass aber nicht weiter, wenn man darauf angewiesen ist, eine bestimmte Fertigkeit anwenden zu müssen, besonders wenn vielleicht das eigene Leben oder das anderer davon abhängt.
Wenn nicht das Leben, aber vielleicht nur das Einkommen des heutigen Tages oder Monats.
Wenn man einen Beruf hat in dem dafür bezahlt wird dass man etwas "kann", dann versteht vielleicht besser, dass es durchaus Situationen gibt, in denen man etwas gelerntes tatsächlich können muss, auch wenn man es immer weiter üben kann.
Das eine schließt das andere nicht aus.
Ist doch genau was ich sage, wenn du nur die 30 m vor Augen hast, bleibt dir nichts anderes übrig, aber du wirst halt immer nur diese 30 m klettern und wieder von vorne anfangen.
Richtig.
Naja, ich habe vier Jahre lang freiberuflich einen Beruf ausgeübt, in dem ich exakt nur dann bezahlt - und in der Folge wieder gebucht - wurde, wenn ich etwas "gekonnt" habe.Wenn man einen Beruf hat in dem dafür bezahlt wird dass man etwas "kann", dann versteht vielleicht besser, dass es durchaus Situationen gibt, in denen man etwas gelerntes tatsächlich können muss, auch wenn man es immer weiter üben kann.
In meinem jetzigen Berufsleben projektiere ich Dinge, die finanziell und personell funktionieren müssen. Z.t über Zeiträume von mehr als einer Dekade, z.T. für mehr als 2000 MA. Ob ich das "kann" oder nicht, wird laufend durch darauf spezialisierte Dienstleister evaluiert.
Und in meinem Job hängt gar nicht allzu selten ganz konkret das Leben, mindestens aber die wesentliche Lebensqualität eines Menschen davon ab, ob ich ihn "kann" oder nicht.
Für dieses "Können" gem. Arbeitsvertrag werde ich bezahlt.
Und auch diese äußerlich leistungs- und zielorientierte Arbeit tue ich in einer Haltung, die nicht fertiges Können und nicht die Vollendung des jeweiligen Zieles im Blick hat, sondern den Prozeß selber. Und glaub's oder nicht: Sowas funktioniert: Und zwar außerordentlich gut.
Hm, die Kunst besteht doch darin, am Ende der Stange anzukommen - und dann über die Stange hinaus weiter zu gehen.Ist doch genau was ich sage, wenn du nur die 30 m vor Augen hast, bleibt dir nichts anderes übrig, aber du wirst halt immer nur diese 30 m klettern und wieder von vorne anfangen
Man muß nicht wieder runter. Man muß nicht dort hocken bleiben. Man geht weiter. Über die Stange hinaus.![]()
Ja ... nein ...
... es gibt zu diesem Klassiker eine Antwort, die besagt, man müsse die Stange erklimmen - um sich von ihrer Spitze dann frei in alle sechs (in anderer Lesart zehn) Himmelsrichtungen des Universums zu bewegen ...
Wie schon oben gesagt: Erst die Erleuchtung ... dann die Wäsche ...
So oder so:
kein ziel nirgends
Nur weil er ein Bild an der Wand ist, kann ich den Erfinder doch trotzdem Respekt mit einer verbeugung zollen.
Ich verbeuge mich auch vor Wänden mit Schriftzeichen die ich nicht lesen kann.
Geht ja leider nicht zwischen meinem Lehrer und Osensei ist ja noch einer dazwischen.
Meinem Lehrer hab ich schon gesagt, das sein Aikido nicht das von dem Osensei-Schüler ist, sondern seine eigene Interpretation von allen Lehrern die er bisher gehabt hat.
Mir persönlich ist ein Lehrer der sein eigenes Ego untern Scheffel stellt lieber wie einer der gleich ne neue Linie auf macht :-)
Ich persönlich empfinde es so, das sich Aikido seit Osensei positiv weiterentwickelt hat.
Seit 1968 gibt es unglaublich viele Dinge. Z.b. die Mondlandung.
Sportwissenschaflich, Trainingsmethoden und Lehre....es gibt ne Menge
Ich hatte es auch so verstanden, wie Inryoku.
Das verstehe ich nicht: Was für Schriftzeichen meinst du denn?Ich verbeuge mich auch vor Wänden mit Schriftzeichen die ich nicht lesen kann.
Aber es gibt ja Lehrer, die bei o sensei geübt haben. Und ich finde es ganz spannend, sich mit ihnen zu unterhalten. Da ist dann oft die Erinnerung ganz lebhaft, wenn sie zeigen, was sie mit ihm erlebt haben. Und es ist interessant zu hören und gezeigt zu bekommen, wie sie das, was sie unterrichten in Beziehung setzen zu dem, was o sensei gezeigt hat.Geht ja leider nicht zwischen meinem Lehrer und Osensei ist ja noch einer dazwischen.
Es lohnt sich, solche Lehrer aufzusuchen. Allzu lange werden wir die Gelegenheit nicht mehr haben ...
Das ist ja nett, daß du deinem Lehrer das gesagt hast. Ist ja wichtig, daß ihm das bewußt wird. Hatte sich vor dir noch niemand getraut, ihm das zu sagen?Meinem Lehrer hab ich schon gesagt, das sein Aikido nicht das von dem Osensei-Schüler ist, sondern seine eigene Interpretation von allen Lehrern die er bisher gehabt hat.
Naja, vor allem hat es sich ja in viele verschiedene Richtungen entwickelt ... selbst innerhalb des aikikai ...Ich persönlich empfinde es so, das sich Aikido seit Osensei positiv weiterentwickelt hat.
Ich persönlich empfinde nicht jede dieser Entwicklungen als Fortschritt.
Ich meinte die Frage ganz konkret: Ich sehe z.B. nicht, wie sich die Mondlandung auf das aikidô keiko ausgewirkt hat.Seit 1968 gibt es unglaublich viele Dinge. Z.b. die Mondlandung.
Sportwissenschaflich, Trainingsmethoden und Lehre....es gibt ne Menge
Mich interessiert eher, welche wissentschaftlichen Erkenntnisse d.E. Auswirkungen auf das aiki taiso oder das Üben ansonsten haben.
Denn die Übungsformen und auch die alten Formen des aiki taiso haben ja einen eigenen Hintergrund. Und ich habe im Laufe der Zeit immer wieder erlebt, das sog. sportwissenschaftliche Erkenntnisse, den Übungen ihren eigentlichen Inhalt, Sinn, Zweck genommen haben. Ich selber finde es darum interessant eher zu den ursprünglichen Übungen zurückzukehren und die immer besser zu verstehen.
Daher meine Frage.
Ich meine, man sollte hier von Erfahrungen her denken, die dann mehr oder weniger genau durch einen Begriff wie "flow" beschrieben werden und nicht umgekehrt von den Begriffsdefinitionen her denken. Was ich unter "Flow" verstehe, ist sehr gut in dem Wikipedia-Artikel beschrieben unter dem Abschnitt "Beispiele". Wollte man sich selbst beobachten, theoretisch innehalten, dann würde das nach meinem Empfinden den Flow-Zustand stören oder beenden. Das schließt natürlich nicht aus, das man hinterher über das Erlebte reflektieren kann. Nicht ohne Grund tragen viele Funsportler bei ihren Aktionen eine oder mehrere Gopros bei sich.
Mir fallen da schon einige Gegenbeispiele auf YouTube ein, z.B. das von Inryoku zitierte Video mit Kanai Sensei 1974.
Ich dachte dabei vor allem an folgende Aussage, was mir den Spaß oder die Freude am Üben verleiden würde:
Wenn das so gar nicht representativ ist, dann hat sich alles andere, was ich zu Ki-Aikido geschrieben habe, erübrigt.Zitat von carstenm
Das ist ein Lieblingszitat von Ellis Amdur. Es kommt außer in "Duelling with O'Sensei" zwei mal in A Consideration of Aikido Practice within the Context of Internal Training - AikiWeb Aikido Forums in verschiedenem Zusammenhang vor. Also nicht die ursprüngliche Bedeutung war gemeint, sondern die Auslegung in neuem Zusammenhang. Das zweite Zitat in Ellis Amdurs Artikel bezieht sich übrigens auf "geheimes" Üben von Aiki in einem klassichen Dojo:Zitat von carstenm
Zitat von Ellis Amdur in "A Consideration of Aikido Practice within the Context of Internal Training"
Geändert von Gast (04-03-2017 um 13:19 Uhr) Grund: Unvollständige Sätze ergänzt und ein Zitat von Amdur hinzugefügt. "Fortsetzung folgt" gestrichen
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