+1. Sehr schöner Post.
Genau in diesem Punkt sehe ich auch das Problem. Hatte auch ein paar Zwischenfälle und (insbesondere) die Väter haben das Verhalten gelobt, denn Sohnemann soll sich schließlich wehren - wirklich „objektiv“ ging es eigentlich nie zu und immer hat die andere Person angefangen. Bei genauerer Betrachtung bestand dann (beispielsweise beim letzten Fall, den ich mitbekommen habe) das „Wehren“ aus Schlägen ins Gesicht des anderen Jungen, der natürlich angefangen hat, indem er geschubst hat und Papa hat schließlich gesagt, man solle sich wehren... In einem anderen Fall hat ein anderer Junge sich auch nur gewehrt, weil er sich die Buntstifte nicht wegnehmen lassen wollte und im nächsten Fall wurde das Abwerfen mit einem Fußball (in den Rücken) ebenfalls mit Schlägen beantwortet... Wirklich abwägen, wann ein „Wehren“ angebracht wäre, konnten die Kleinen nur selten und gerade in diesen Situationen sehen sie sich oft im Recht, ich kann mir sogar vorstellen, dass es in diesem Moment wirklich nichts wichtigeres als die Buntstifte gab. (Wäre ja nicht das erste Mal, dass für ein Kind eine ganze Welt innerhalb einer Sekunde zusammenbricht oder es in seinem Leben nichts mehr will und ohne den Teddy im Kaufhaus nicht leben kann.) Dann gab es noch die Fälle, in denen die Jungs nicht „aufhören“ konnten und die Grenze des „Wehrens“ deutlich überschritten haben. Z. B. wurde ein paar Mal geschubst, gerangelt und als der eine sich heulend abwendet und offensichtlich genug hat, „wehrt“ sich der andere weiterhin fleißig... Wenn dann noch die Eltern ihre rosarote Brille aufhaben, die Jungen sich natürlich nur gewehrt haben und zuhause auch noch dafür gelobt werden (und sich ein ähnlicher Vorfall dann auch noch erneut abspielt, nur sind es nächstes Mal nicht die Buntstifte, sondern der Block oder dass die anderen Jungs ganz böse waren und über einen gelacht haben) freue ich mich besonders... Habe ein paar Mal versucht, das im Training anzusprechen oder mit den Eltern darüber zu reden, dass ich den Kindern nicht das Boxen oder TKD beibringe, damit sie sich „wehren“ können und ihre Klassenkameraden verdreschen, hat nur nie wirklich viel gebracht - besonders beliebt sind bei mir die „harten“ Jungs von Vätern, die der Meinung sind, dass Männer sich nicht alles gefallen lassen dürfen, ein Mann sich wehren muss und man ja bloß kein Weichei sein soll...
Ich persönlich möchte zumindest bei harten Sparrings- oder Wettkampfeinheiten keine Kinder dabeihaben und sie auch nicht (/e: vor Ort) bei Veranstaltungen oder Kämpfen sehen - mir reicht die Atmosphäre unter den Erwachsenen und Jugendlichen. Auch möchte ich nicht, dass Kinder sich hart schlagen oder es die spielerische Atmosphäre verlässt. Gegen das Zuschauen bei einem „normalen“ und lockeren Training (Boxen, MT) spricht mMn nichts, solange man es ihnen erklärt und sie merken, dass es primär um Spaß geht (und Kinder merken es auch nach einem lockeren Sparring, wenn beide Partner lachend über die vergangenen Runden reden; Frust wäre mMn schon wieder ein negatives Signal) - also auch keine Konditionseinheit, während der ein gewisser Drill, eine Anspannung und ein rauer Ton vorherrscht, während alle am Limit (oder darüber) arbeiten. Für mich ist die Atmosphäre entscheidend und ich habe zu oft Kinder gesehen, die am Rand saßen und Rotz und Wasser geheult haben, weil sie entweder nicht mit der Atmosphäre klarkamen oder nicht mit ansehen konnten, wie Papa geschlagen wird und auch noch (unbewusst) signalisiert, dass er Schmerzen hat. (Beim TKD oder in Familien- und Breitensportvereinen usw. gab es das Problem nie. Es geht mir also weniger um das Schlagen und den Sport an sich. Auch hatten die Kinder eigentlich nie Probleme damit, zu differenzieren, dass Papa gerade Sport macht - alle Beteiligten Spaß habe und es gerne machen - und das nicht der "normale" Alltag ist, genauso wenig wie sie dachten, dass Pferde sprechen könnten, weil sie es im Fernsehen oder in Büchern manchmal machen.)
LG
Vom Tablet gesendet.