Zitat Zitat von Aiki5O+ Beitrag anzeigen
Das Lösen muskulärer Spannungen, oder "Entspannen ohne zu Erschlaffen", das Ausführen der Formen mit immer weniger bewusster Kraftanstrenung ist ja ein durchgängiges Motiv meiner letzten 5 Aikido-Jahre.
Genau.
Ich vermute zwar, daß ihr das im Konkreten, noch einmal anders übt, als ich es hier meine, aber das ist ganz sicher nicht so eine grundsätzliche Diskussion. Sondern mehr so ein "Gelehrtengespräch" ...

Mir ist ja immer noch nicht klar, wie die Spielregeln bei der Bogenstand gegen Parallelstand Übung sind. Wenn der Schiebende keinen Schritt nach vorne machen darf und auch nicht so stark schieben darf, dass er sein Gleichgewicht verlieren würde, wenn der Geschobene plötzlich nicht mehr gegen hält, dann sehe ich ein, dass der Schiebende nur eine begrenzte Kraft ausüben kann.
In der Übung, wie ich sie kenne, darf der Schiebende sich durchaus in den Geschobenen hineinlehnen, oder er darf auch die Füße bewegen. Solange er mit einem Partner übt, der damit umgehen kann. Theoretisch darfst du alles tun, was du auch tun würdest, wenn du ein Auto mit deiner Faust anschieben wollen würdest.

Die jeweiligen Limitationen sind grundsäztlich denen vergleichbar, die du auch sonst aus dem Üben kennst. D.h. wenn du mit jemand übst, der schon umfällt, wenn du ihn nur berührst, dann macht es keinen Sinn, den einfach umzuschubsen. Und wenn du mit jemand übst, von dem man annehmen kann, daß er deine gesamte Autoschiebekraft """auflösen""" kann, dann macht es keinen Sinn, wenn du dich freundlich zurückhältst. Also so, wie du auch beim Üben der Techniken abwägst, was dein Partner, deine Partnerin so annehmen kann, daß es sie nicht überfordert und verletzt, sondern sie so fordert, daß sie sichdaran entwickeln kann.

Würden wir uns mal wieder auf der tatami begegnen, würde ich sagen, unter der Voraussetzung, daß du den Druck kontinuierlich aufbaust, hätte ich aufrund unserer jeweiligen körperlichen Attribute den Anspruch an mich, daß du mich auch mit maximaler Anstrengung in dem Übungssetting Faust auf Bauch nicht umwerfen könntest. ... sag ich mal ...

Das ist für mich zu abstrakt, als das ich es verstehen und einordnen könnte.
Drum ist es Lehrern, wie z.B. Ellis Amdur (oder Dan Harden, oder Endô sensei oder Damo Mitchell) immer so wichtig, daß man sie anfasst, um das zu spüren, was sie da "unter der Haut" tun. Und um zu erleben, was geschieht, wenn man sie berührt.
Als Endô sensei mich das erste mal geworfen hat, hatte ich - nach zwölf Jahren intesivem Üben und shodan - keinerlei Vorstellung davon, wie er das getan hatte. Es war buchstäblich so, wie man das in den Berichten über Ueshiba immerzu liest: Eine leichte Berührung Unterarm an Unteram. Und das nächste was ich weiß ist, daß mein Füße über meinem Kopf waren und ich exakt auf der Stelle in den Boden gewummert bin, auf der ich vorher stand. Kein Verstehen, kein Einordnen, schon gar kein reproduzieren können ...

Präzise naturwissenschaftliche Erklärungen oder ausführliche, verbale Beschreibungen halte ich im Unterricht auf der Matte auch nicht für zielführend.
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Sonst ist es doch eher unnatürlich, Bewegungen vorwiegend durch verbale Beschreibungen zu lernen statt durch Nachahmen oder direktem Kontakt.
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Statt dessen versuche ich als Uke den Partner wie beim Tanzen zu führen, also Arme sanft in die richtige Richtung zu lenken falls nötig und sonst mich selbst so vorbildlich wie möglich zu bewegen. Das hat sich als deutlich erfolgreicher und für beide Seiten befriedigender herausgestellt.
Ich denke, es ist eine grundsätzlich sehr gut Hilfe für den Partner, ihn oder sie soviel wie möglich an dem eigenen (also meinem Angreifer-) Körper spüren zu lassen. Also ein möglichst gutes Feedback zu sein. Das ist dann gleichzeitig auch eine wunderbare Übung für tori. Führen kann manchmal nützlich sein. Die "falschen" Weg "klug" blockieren kann eine Lösung sein. Die guten Wege durch das Feedback des tori Körpers deutlich werden lassen ... auch da, je nach Niveau und je nach dem, was gerade gefordert ist.

Wenn ich "innere Arbeit" unterrichte, also z.B. das Ausdehne in sechs Richtungen, gibt es allerdings im Außen nichts zu tun. Es ist eine statische Übung. Die kann man also auch nicht vormachen. Lediglich die äußere Körperhaltung. Weder das Alignement, noch das, was zu tun ist, noch die "Ebene im Körper" (Muskeln, Faszien, Knochen) kann man zeigen. Also braucht es kluge Handlungsanweisungen um bestimmte Dinge zu tun. Es braucht kluge Vorstellungen/Bilder, um bestimmte Orte im Körper in der richtigen Weise anzusprechen. Es braucht kluge Marker, damit die Übenden ihre Wahrnehmungen sortieren können.
Die sprachliche Vermittlung hat da also doch eine besondere Bedeutung.

Und ich finde es außerordentlich interessant, daß die traditionellen Formulierungen nach und nach je verständlicher werden, je länger man übt. Die sind in Wahrheit außerordentlich konkret und beschreiben sehr präzise genau das, was geschieht. Sie beschreiben aber in aller Regel das Resultat. Und erchließen sich also erst wirklich, wenn dieses Resultat erzielt wird.