Das genau meine ich.
Ich hab grad mal nach Videos deines Lehrers auf Youtube gesucht. Du kennst ja wahrscheinlich die meisten. Vielleicht sogar alle. Und was man da findet, bildet doch bestimmt auch nicht das ab, was du in inzwischen mehr als 40 Jahren mit ihm erlebt hast?
Von meinem Lehrer hab ich grade mal ein einziges Video gefunden. Nochmal 40 Jahre die nicht auf youtube abgebildet sind.
Und so weiter ...
Geändert von Gast (09-04-2022 um 21:48 Uhr)
Zwischen den 4 Kategorien von Kuzushi, wie ich sie in meinem Post #47 aufgezählt habe, gibt es natürlich fließende Übergänge. Es ist nicht schwarz und weiß, es gibt mindestens 50 shades of grey. Mir als Uke passiert es ja selber oft, dass ich gedanklich den Wurf bzw. Hebel des Partners vorwegnehme und ohne genügend Grund abrolle, obwohl ich weiß, dass es ein Mangel ist und es vermeiden möchte. Das gehört halt zum Üben dazu. Das wird dann auch auf Partner meines Levels zutreffen. Und fortgeschrittene Partner machen mich auch auf diesen "Mangel" aufmerksam, wenn mir das passiert.
Vielleicht wird die Vorgabe "mitzugehen und nicht zu blockieren" bewusst oder unbewusst so interpretiert, dass man als Uke grundsätzlich zu fallen oder zu rollen habe.
Ab und zu habe ich schon den Eindruck, dass ich das Gleichgewicht des Ukes (beim Eingang) stören kann. So habe ich schon einen Vergleich mit Übungen, wo ich glaube, dass mir das nicht gelingt. Außerdem muss ich ja fallweise auch auf das Können und die Fitness meiner Partnerinnen und Partner Rücksicht nehmen.
Meine Lehrer verwenden nicht den Begriff "Kuzushi" und es wird auch nicht als separierte Übung thematisiert; das gab es bei uns vor einigen Jahren teilweise im Anfänger-Unterricht. In der Regel üben wir nur die vollständigen Aikido-Techniken und Formen. Du hast ja immer wieder betont, dass das didaktische Formen seien, zuletzt hier:
Wenn Tori und Uke sich korrekt bewegen, dann muss beim Eingang und ersten Kontakt das Gleichgewicht von Uke gestört werden. Mein Lehrer schaut (so ist jedenfalls mein Eindruck), mit welchen Aspekten die meisten Übenden Schwierigkeiten haben und richtet seine Erläuterungen und damit den Fokus der Übungen aus und welche Formen gerade geübt werden.
Wie du in Post #34 geschrieben hast, sollte es mir eigentlich egal sein, ob mir Kuzushi gelingt oder nicht:
Ich trainiere ja nicht für Wettkämpfe oder Cross-Sparrings mit Judoka und Ringern oder für SV-Situationen, sondern in erster Linie zur Gesundheitsförderung, wobei spirituelle Entwicklung auch ein Aspekt sein mag:
2 Jahre Pandemie mit mehreren, teils viele Monate langen Pausen, eine Corona-Erkrankung im November haben mich konditionell schon sehr spürbar geschwächt. Daher bin ich schon froh und dankbar, dass ich mit Aikido einen Sport habe, der einen sparsamen Einsatz von Muskelkraft kultiviert. Mehr als früher muss ich mich auf diesen Aspekt konzentrieren: wenn mir die Puste ausgeht, dann konzentriere ich mich fast völlig auf die Atmung und ihre Synchronisierung mit den Bewegungen (sowohl als Tori wie als Nage). Einige fortgeschrittene Partner empfinden das als Fortschritt, weil dadurch meine Bewegungen "weicher" erscheinen, als sie es früher von mir gewohnt sind.
Zurück zum Thema "die wirkungsvollste Aikido-Technik" (jedenfalls weit wirkungsvoller als die Techniken aus der Liste von Rokas und Chris Hein aus dem Eingangspost). Dazu gibt es ein aktuelles, überraschendes Video: Jesse und Oliver Enkamp trafen sich in Dubai mit Steven Seagal:
Darin ist auch der von Carsten erwähnte Schlag zum Kehlkopf zu sehen (Nodotsuki?), sowie der Bezug zu Schwert- und Speer(!)-Bewegungen. Und Seagals Aikido-Stil ist auch nicht defensiv, sondern klar offensiv, auch im Sinne von "above the law".
Steven Seagal erwähnt auch den Begriff "Uraden", also geheime Techniken. Ich hatte ja schon lange vermutet, dass die wirklich wirkungsvollen Techniken und Prinzipien ganz bewusst nicht an die breite Masse der Aikidoka, nicht einmal an die allermeisten Aikido-Lehrer weitergegeben wurden. Es würde ja auch nicht zur Neuausrichtung des Aikido nach dem zweiten Weltkrieg passen.
*uiuiui* geheimtechniken.
kann mensch da nicht selber drauf kommen?
das was trainiert wird, so anwenden, dass max. aua raus kommt.
wenn eine geheimtechnik im ernstfall funktionieren soll, muss sie häufig trainiert werden. wird sie nicht häufig trainiert, ist sie vielleicht geheim, aber kann nicht angewendet werden.
also ist eine funktionierende geheimtechnik, eine technik, die im normalen curriculum enthalten sein muss. damit diese triviale technik geheim wird, muss sich aber was ändern zur normalen ausführung: intention, einleitung, kombination, ...
das kann mensch sich aber auch selber erschliessen, sobald ersiees ein wenig plan von der praktizierten kampfkunst hat.
imho.
geheime techniken erzeugen ein mystisches flair.
das ist aufregend. das verkauft sich gut.
Ja, nodo tsuki. Und man sieht auch einen Aspekt, der mir wichtig geworden ist in Bezug auf die martiale Funktionalität, nämlich immer auf die Achse des Angreifers zu arbeiten. Und dabei gerne auf Hals/Kopf, wenn das möglich ist.
Die Unterrichtsstruktur im aikikai ist seit jeher in dieser Weise organisiert: Es gibt den öffentlichen Unterricht, z.B. im hombu auf den unteren Etagen und in den öffentlichen Stunden der shibu des hombu. Und es gibt den nicht-öffentlichen Unterricht der Lehrer des hombu in der oberen Etage, in den privaten dôjô der Lehrer, oder in den nicht öffentlichen Stunden der shibu. Und auch da gibt es noch einmal Unterschiede. Das ist im Grunde nicht wirklich anders als die Unterrichtsstruktur in koryû üblicherweise auch.Steven Seagal erwähnt auch den Begriff "Uraden", also geheime Techniken. Ich hatte ja schon lange vermutet, dass die wirklich wirkungsvollen Techniken und Prinzipien ganz bewusst nicht an die breite Masse der Aikidoka, nicht einmal an die allermeisten Aikido-Lehrer weitergegeben wurden. Es würde ja auch nicht zur Neuausrichtung des Aikido nach dem zweiten Weltkrieg passen.
Die Inhalte der ura-Lehren unterscheiden sich allerdings zwischen den einzelnen Traditionslinien oder sogar Lehrern. Es sind keineswegs immer geheime martiale Techniken. Sondern dort, wo ich einen Einblick dahinein habe, geht es vielmehr vor allem um Methoden der Bildung eines aiki-Körpers. Also Dinge, wie sie Dan Harden als "Solo-Arbeit" versteht.
Und dort, wo tatsächlich Techniken gemeint sind, sind das in aller Regel keine vollkommen neuen und den Übenden bis dahin unbekannten Techniken, sondern zumeist geht es um eine veränderte Art der Ausführung der bekannten Techniken. Also Dinge, die wir früher unter dem Begriff "Anwendungen" kennengelernt haben. Oder die bei anderen tatsächlich sogar zum alltächglichen aikidô gehören, wie den Kehlkopf greifen, die Augen attakieren oder dergleichen Dinge.
Manchmal verschieben sich offenbar auch die Grenzen von omote und ura Inhalten: Wenn ich es richtig weiß, haben kaeshi waza zunächst zu den ura Inhalten gehört, werden jetzt aber ganz selbstverständlich unterrichtet. Oder umgekehrt sind manchen Techniken hinter die Grenze der ura waza gewandert. Jedenfalls in manchen Linien. Das sind dann tatsächlich Dinge, die vielen Übenden nicht bekannt sind.
Und schließlich: Bis 1955 war Ueshiba osensei der Meinung, dass aikidô insgesamt ein ura Inhalt sei, der nicht öffentlich gezeigt werden dürfe. Weil es kein festes curriculum gab, und weil aikidô bis dahin unter Auschluss der Öffentlichkeit geübt wurde, gab es dann allerlei hin und her darum, was denn da bei der Vorführung nun öffentlich gezeigt werden darf, und was nicht.
In der einen koryû, die ich übe, gibt es zum Beispiel eine Abteilung, die öffentlich gezeigt und unterrichtet werden darf. Es gibt eine Abteilung, die darf öffentlich gezeigt, aber nicht unterrichtet oder auch nur erklärt werden. Und es gibt eine Abteilung, die darf nicht öffentlich gezeigt werden. Und die ist dann auch noch weiter untergliedert. So eine Feindifferenzierung gab es im aikidô halt nicht. Und sie wurde auch später nicht "offiziell" festgeschrieben. Und so differieren die Inhalte je nach Linie und Lehrer.
Und vor allem: Es gibt auch Lehrer, die diese Unterscheidung ganz bewußt nicht machen.
Geändert von Gast (10-04-2022 um 00:18 Uhr)
Da, wo ich es beurteilen kann, sind die ura Inhalte im aikidô nicht selten kontra-intuitiv.
Die ura-Inhalte im aikidô sind nicht per se identisch mit Anwendungen. Sonden - so jedenfalls meine Erfahrung - haben häufiger damit zu tun, wie der eigene Körper so gebildet werden kann, dass die omote Inhalte überhaupt sinnvoll ausgeführt werden können.das was trainiert wird, so anwenden, dass max. aua raus kommt.
Dort, wo ura Inhalte tatsächlich vermittelt werden, erfolgt das häufig in nicht öffentlichen Klassen, die genauso regelmäßig stattfinden, wie das öffentliche Training: Montag um 18 Anfänger-Training, 19 Uhr Fortgeschrittene, 20 Uhr Dan Träger 22 Uhr namentlich eingeladene Schüler:innen ... so etwa ungefähr ...wenn eine geheimtechnik im ernstfall funktionieren soll, muss sie häufig trainiert werden.
Weiß ich nicht, interessiert mich eigentlich auch nicht so sehr.
Was kann ich in den Videos sehen was ich nicht viele Male selbst gesehen habe?
Letztens habe ich eins gefunden dass ich tatsächlich nicht kannte, aus der Anfangszeit als sehr junger Lehrer, in dem der Moderator viel Unsinn geredet hat, aber sonst war es doch interessant zu sehen.
Was ich in alten Videos, z.B. mit ihm als uke für andere Lehrer sehe, zeigt mit etwas über den Spirit, in dem damals trainiert wurde, und die Qualität der Bewegung, die meiner Ansicht nach heute selten erreicht wird.
Für mich sind das keine vier Kategorien von Kuzushi, sondern 3 Fälle von keinem Kuzushi, und nur 1 Fall von Kuzushi, nämlich der letzte:
Wofür trainierst du denn, wenn du die "Aikido" genannte Kampfkunst trainierst, und welche spirituelle Entwicklung erwartest du?Ukes Gleichgewicht wird gestört, aber nicht gebrochen; der Wurf gelingt.
Für Ueshiba war doch gerade diese Fähigkeit, Kuzushi auf diese Weise zu erzeugen, mit seiner spirituellen Denkweise wie das "Universum" (und somit auch der Mensch) funktioniert, der Methode mit der er sowohl Körper und "spirit" geübt hat, unmittelbar verknüpft und nicht zu trennen.
Und an welche Lehrer wurde es deiner Meinung nach weitergegeben? Wie soll S. Seagal dann deiner Meinung nach an dieses Wissen gekommen sein? Und wieso gibt er dieses Wissen dann so bereitwillig an den guten Jesse weiter, der ja völlig von den Socken ist und so tut, als habe er (als Karateka!) noch nie von einem Fingerstich zum Kehlkopf gehört.
Ist zwar schon wieder weit vom Thema weg, aber was meinst du damit, "unter Auschluss der Öffentlichkeit geübt wurde"? Isamu Takeshita gab öffentliche Vorführungen bereits 1935 in den USA (natürlich nicht unter dem Namen Aikido), Ab 1952 wurde Aikido in Frankreich geübt, Shioda gab sein öffentliches Debut 1954.
Und kein festes Curriculum? Es gab doch Urkunden, die bezeugen dass es das gab, nämlich bis Mitte der 50er noch genau das, was bereits 20 oder 30 Jahre Inhalt des Curriculums der Daito-ryu war.
Diese Geschichten dass Ueshiba nichts festes oder genaues unterrichtet hat, sind meiner Meinung nach Unsinn.
Seine Aussage in 1:35-2:15 habe ich auch nicht so verstanden, dass er jetzt alle Uraden-Geheimnisse verraten würde, sondern er erklärt einige Techniken aus seinen Filmen: "I would show some of the techniques in the movies, but most of the real, what we call Uraden, we kept secret, you know. Until now... But the difference is, we are very careful, who we teach this stuff". Die Technik Nodotsuki wurde schon mal in Videos von Lenny Sky auf YouTube gezeigt, ist also auch nichts neues. Und Fingerstiche zum Kehlkopf passierten sogar auf Kinder-Karate-Turnieren, wie Oliver Enkamp erzählt.
Von Geheimnissen, von denen ich nichts weiß und nichts wissen darf, kann ich mir auch keine Meinung bilden. Aber Carsten hat dazu ja schon einiges geschrieben.
Ja und? Ich kann doch weder mein aktuelles Können, noch das, was ich in Zukunft noch erwerben könnte, auch nur annähernd mit den Fähigkeiten Ueshibas vergleichen.
Um Spaß oder Freude mit jeder und jedem auf der Matte zu haben und zu schauen, was es noch zu entdecken gibt. So ähnlich hat sich übrigens Yamashima Sensei, heute 8. Dan Aikikai, mal in einem Interview ausgedrückt: 1st Aikido Summer Berlin (ab 0:35)
Außerdem bezog sich meine Antwort auf dieses Aussage von Carsten:
Gesundheitsförderung ist bekanntermaßen mein Hauptziel, und dafür halte ich das Gelingen von Kuzushi irrelevant.
Bei dem worüber Oliver erzählt hat, handelte es sich um einen Faustschlag, und das war wohl eher eim Versehen.
Wss Seagal über uraden faselt, ist für mich reine Wichtigtuerei.
Nochmal die Frage, wer soll ihm denn (wenn es deimer Ansicht nicht weitergegeben wurde) sowas gezeigt haben, woher kommt deine Vermutung?
Denkst du, dass es ihn daran hindert die Inhalte des Aikido zu üben? Ich denken nicht dass er das meint.
Dann brauchst du kein Aikido, und machst dir viel zu viele Gedanken, kannst dann auch irgendwas anderes machen
Du hast doch von spirituellen Zielen gesprochen.
Ueshiba hatte dieses Können doch nicht von Anfang an, und auch er hat dieses Können ständig erweitert.
Spirituelle Ziele sind aber eben auch nicht beliebig, Ueshiba hat das doch klar definiert.
Wenn man also sagt, man verfolgt spirituelle Ziele im Aikido sollte doch klar sein dass diese halt auch mit der Körperlichkeit, und damit was daraus resultiert, zusammenhängen.
Geändert von MGuzzi (11-04-2022 um 14:35 Uhr)
Genau: Das ist es ja, was ich meine. Für dich ist doch youtube in keiner Weise wichtig oder entscheidend. Du hast die ganz Fülle all der Erfahrungen selbst erlebt. Hast Dinge gespürt, hast Sätze gehört, hast deinen Lehrer begleitet durch die ganzen Jahre.
Jemand, der deinen Lehrer einschätzen, beurteilen, kennenlernen möchte, findet auf youtube nur ein paar kurze Videos. Aber immer wieder scheinen Menschen sich ihre Realität oder eben ihre Anschauungen in Bezug auf bestimmte Aspekte des aikidô aus solchen Videoschnipseln zu bilden.
Das Video von dir, das ich vor einer Weile mal gesehen hatte, habe ich nicht mehr wiedergefunden. Und vws on mit sollte es ganz sicher nix im Internet geben. Also gibts uns gar nicht ... du kannst überhaupt gar kein aikidô üben, weil, du bist nicht auf youtube.
Dieses Phänomen mein ich.
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