Thema Faszien.
Grundsätzlich empfehle ich Robert Schleip zu studieren, was neueste Erkenntniss rund um Faszien betrifft. Soviel ich weiß gibt er auch Seminare oder Kongresse. Vieles ist auf Englisch generell. Wen das genau vom Fachlichen interessiert.
Im Folgenden gehe ich auf persönlcihes Praktizieren und am eigenen Leib erfahrene Phänomene ein. Und zum Teil auf die von persönlich betreuten Klienten. Gerne kann das mit eigenen Erfahrungen erweitert werden, so bleiben wir authentisch und reden nicht von irgendwas über 10 Ecken.
Allgemein: Von Faszien gehört habe ich erst so um 1998 rum. Voll im WT-Modus und hielt das für Quatsch. Dennoch fand ich interessant, welche psychischen Prozesse anscheinend eng mit Gesten und Haltungen zu tun haben (schlaff hängende Arme bei Menschen, die Angst davor haben zuzupacken, überstreckter Rücken bei Menschen, die gelernt haben, Gefühle zu übergehen und sich mit Gewalt durchsetzen, eingefallener Brustkorb bei scheuen Menschen, außenrotierte Schenken bei Menschen, die viel Raum für sich beanspruchen, Assymetrischer Körperbau bis zum Gesicht hin bei zwiespältigen Menschen, die andern agieren als sie reden, etc pp - fand das einfach nur interessant aber irrelevant für mich damals)
Dann hat FD 2001 das Thema Faszien in die WT- Welt (auf seine Art ^^) reingebracht und fand ja, vielleicht eben durch diese Art, Aufmerksamkeit. Diese Herangehensweise hat mich nun doch interessiert, aber auch stark verwundert, wie relevant das überhaupt ist, also besuchte ich ihn ja bekanntlich. Ansonsten hätten mich Faszien nie interessiert in meiner Blase (Dehnen und schön Techniken üben - ich hatte 2000 sogar ne Ausbildung bei RLB gemacht)
Was ich praktisch verstanden habe (und ich war schon stur und neugierig gleichzeitig), dass ein Mensch, der offenbar gefühlt tausend mehr Bewegungsmöglichkeiten hat und gefühlt jede meiner Aktionen längst ermittelt und beantwortet hat, bevor ich sie tat, fragte ich mich, was an mir nicht stimmt! Die Erklärung war einfach: Beispiel Chi Sao: Wenn ich hergehe und NUR am Arm was fühle und entsprechend auch NUR am Arm reagiere, brauche ich einen Übungspartner, der ebenfalls dieses Spektrum hat. Dann sind Reaktionen möglich und darin war ich recht gut. Wenn nun aber jemand am Arm zwar berührt, aber dabei komplett bis zum Fuß in Bewegung ist, dann fühle ich nicht mehr, was der macht, weil der Arm als Letztes agiert, wenn schon alle anderen Gelenke etwas getan haben. Und selbst kann ich auch nur den Arm bewegen und höchstens dann mit dem Körper reagieren, wenn ein Wendungsdruck kommt, wie eben in 10.000 Stunden trainiert. Ich war nicht fähig, über einen Sinneseindruck im Arm- oder überhaupt- zuerst den Bauch und das Bein zu bewegen, bevor der Arm etwas tut. Ich verstand auch lange nicht, wie sich bitte der Bauch bewegen soll. Also muss ich retrospektiv sagen, dass ich von 90% meines Körpers wie abgeschnitten war.
Im Folgenden erfuhr ich dann das, was ich bis heute in verschiedenen Kontexten praktiziere: Die Verbindung des Körpers als ein einziges Bewegungsorgan durch mehr oder weniger direkte Faszienarbeit.
Weiterer Werdegang: In 2002 hatte ich Gelegenheit, mich einer kompletten Faszienbehandlungsserie namens "Soma" in Frankfurt bei jemand in Ausbildung zu unterziehen. War günstig und ich mochte auch den Lehrling, der das btw. sehr gut machte (es war auch unter Aufsicht). Die Auswirkungen beschreibe ich dann bei einer Frage unten
2006 hatte FD (endlich) die Idee, eine interne diesbezügliche Ausbildung anzubieten, die auch zeitlich für mich als Berufstätigen machbar war. Das nahm ich dann wahr und wie das bei diesen Ausbildungen ist, lernt man nicht nur die Faszienmanipulationen, sondern bekommt sie auch häufig von den Mitstudierenden. Was mich dabei (neben der Wirkung bei mir) am meisten verblüffte, war, dass die Ausübung verhältnismäßig einfach ist. (Vorausgesetzt, man ist prädestiniert und hochmotiviert und in der Materie drin)
So "wenig" (klar ist das schon einiges) mit so viel Potential, andere in ihrer Entwicklung zu unterstützen, hat mich tatsächlich etwas geflasht. (Unabhängig davon, inwieweit man so etwas überhaupt beruflich oder völlig nebenbei macht)
Seit Ende 2006 dann nebenberuflich praktiziert und - von meiner Seite nicht wirklich gepusht, sondern als Spezialkompetenz gehandhabt, wenn wirklich mal jemand nicht anders weiterkommt.

Zitat von
Cam67
Also sind meine Fragen (Stichpunkte genügen)
Was versteht ihr unter "Freilegen" ? Ein anderes Wort für "Verklebungen" auflösen ? Bestimmte Dehnübungen , Massagetechniken ? Bewegungsüben die automatisch einen gewissen Mobilitäts und Dehneffekt haben , wie man es aus vielen CMA-Übungen her kennt? Oder ähnlich dem PNF ?
Zuerstmal danke für die präzisen Fragen! Ich gebe mir Mühe, sie nach bestem Gewissen zu bearbeiten.
Freilegen wählte ich, um einen allgemeinverständlichen Begriff zu haben. Ich meine damit folgendes:
Ich weiß nicht wann genau, so ab 2010 rum oder später gab es ja einen Faszienhype. Wie das immer so im Wellnessbereich ist, sind da Kräfte aktiv, die irgendwas Neues auf den Markt bringen, dass mit allerlei Merchandising gespickt wird und in jedem Fittnessstudio und jeder VHS angeboten werden muss. Folglich boomt dann auch entsprechend der Übungsleiterausbildungsmarkt und damit ist die Materie auch schon abgenudelt und recht "durch". Faszienrolle, Faszientraining, überall, ich bin geschockt, wie viele Leute diese Dinger zuhause haben und - ähnlich den Kinesiotapes (anderes Thema) schonmal kurz benutzt haben. Auch RLB ist ja auf den Zug abgesprungen, nachdem er mir in einem Telefonat, in dem ich ihm meinen EWTO Austritt erklärte, gestand, gar nicht zu wissen, was Faszien sind. Nun macht gefühlt jeder "Faszien" - sollen sie 
Also: Faszienarbeit ist für mich eine sehr feine und gleichzeitig intime Herangehensweise an die in der Körperstruktur zum Ausdruck gebrachte Persönlichkeit. Nix Psychologisches, das ist mir viel zu heiß und da würde ich auch aussteigen/ ablehnen, wenn ich das bemerke, sondern ein Nüchternes Betrachten des IST Zustandes und Feststellen, auch im Gespräch, wo Strukturen nicht zusammenarbeiten, sich gegenseitig behindern, kompensieren und die Person in ihrem Tun bremsen.
Es ist KEINE Dehnung, überhaupt nicht! Mit Dehnen ist auch an strukturellen Interaktionen nichts zu verändern. Ebenso wenig mit Kräftigen. Ich würde es als "Raum schaffen" bezeichnen. Beispiel bei mir: Mein Becken stand VORHER zu weit vorne im Körper. Also nicht dass ich durch Bewegen das Becken nachhinten hätte bewegen können, sondern der Beckenknochen war - egal was und wie ich mich bewege immer "im Fleisch" nicht dort, wo ich mich hätte gut aufrichten und in der Hüfte beugen können. Da tun sich 2 Fragen für mich auf:
1. Wer sieht das denn? War ja alles gesund und schmerzfrei
2. Wie bekommt man das verrückt im Körper? (OP ... lol - Dehnen ... lol)
Jetzt zum Punkt: Nenne es Lösen von Verklebungen (was soll das sein?) Nenne es Freilegen, nenne es wie du willst. Nachdem ich durch war mit einer Komplettrestauration war das Becken weiter hinten, ich 2 cm größer (bis heute) (da WS sich aufrichten konnte) ohne Strecken, Trainieren, völlig entspannt im Normalzustand. Vielmehr mussich mich extrem stauchen und Verrenken, um mich unter eine Markierung zu drücken, mit meiner früheren Körpergröße.
Faszienarbeit, wie ich sie kennen gelernt habe und mit der ich arbeite ist:
- Individuelles Betrachten des Ist- Zustandes (Strukturanalyse und Bewegungsanalyse)
- planmäßiges intensives manuelles Arbeiten nach einem "Fahrplan" am Körper. Ob sich dabei "Verklebungen lösen" oder Zustände der Liquide in der Faszie ihren Zustand verändern etc. ist hochspezifischer Stuff zugegeben und auch nicht rein biomechanisch zu beantworten, da die Psyche, der Mensch, das Individuum da ein gehöriges Wörtchen mitzureden hat
- UND, für mich am Wichtigsten: Es ist ein aktiver Prozess desjenigen, der die Veränderung will! Da kann ich die tollsten Geschichten erzählen von Leuten, die von überhaupt nichts spüren außer dem schönen Gefühl, das man sich 90-120 Minutenn regelmäßig mit ihnen beschäftigt, bis hin zu Leuten, die ihre komplette Persönlichkeit verändert haben Richtung Selbstbewusstsein, Leuten, die sowohl extremste körperliche Veränderungen erlebt haben aber das nicht bewusst merken und Leuten die über Jahre hinweg regelmäßig kommen, weil sie derart viel "aufzuarbeiten" haben, dass sie xx Fortschritte brauchen und auch möchten. Solche Leute begleitet man regelrecht. Und dann gibts auch Leute, die sehr spezifische (z.B. sportliche, künstlerische) Ziele haben, und mit den Veränderungen Steigerungen erleben, so war das z.B. bei mir ganz extrem.
Rein vom Erzählen kenne ich aber auch einen Spitzenmusiker, der mit seinem geraden Körper das Gefühl für sein Instrument verloren hatte und sich dazu entschloss, dass es ihm wichtiger ist, gewohnt Saxophon mit einer starken permantenten Rumpfverdrehung zu spielen als sich freier zu fühlen mit einem in sich geraden Körper ... also Wirkung ist da, aber der Umgang damit ist super individuell.
Bewegungsübungen:
Jein
Reine Bewegungsübungen, und die sind, wenn man es ernst meint sehr "hart" (dazu komme ich ggf später) OHNE die Manipulation würden ein sehr sehr spätes Ergebnis liefern. Weil die Umstrukturierung des Körpers - aber nur bei extrem konsequentem Vorgehen, also auch im Alltag, genau so lange dauern würde wie die Etablierung des Jetztzustandes, also theoretisch das ganze bisherige Leben nochmal, aber mit unmenschlicher Disziplin
Wo aber das Bewegen extrem wichtig und auch Voraussetzung für den spürbare Erfolg ist, ist die ANWENDUNG der durch die Manipulation erreichten Veränderung im Tun. Ich nenne das immer "Ausnutzen" der neuen Möglichkeiten. Denn wenn der Körper zwar nun nicht mehr schief, ohne bewusste Ansteuerung automatisch aufrechter, in sich beweglicher ist, wird sich das nur etablieren, wenn dann auch so gelebt wird. Ansonsten passieren die gleichen Mechanismen/Gewohnheiten, die den Körper in den Zustand versetzt haben, die Anlass zu Veränderung gegeben haben, wieder das Szepter und es findet letztlich trotz neuer Möglichkeiten auf lange Sicht wenig oder keine Veränderung statt.
Ist zum Beispiel Schmerz der Anlass, dann ist die Motivation recht hoch, Dinge anders zu handhaben. Also bedingt eine fasziale Neuausrichtung zwingend eine entsprechende Motivation. Das ist mechanisch nur die Voraussetzung zu schaffen.
Woher weisst du , daß das was du machst tatsächlich DEN Effekt auf unsere Fascien hat den du darin erkennen möchtest ?
Wie oben: Der Effekt geschiht ganzheitlich - immer. Ich weiß und sehe, dass ich Körper verändere. Der Effekt tritt bei Anwendung/ Nutzung ein. Das kann man mit einem genialen Übungsprogramm für z.B. Muskelaufbau oder für musikalische Perfektion vergleichen. Du verbringst Zeit mit demjenigen. In der Zeit siehst du Fortschritte ganz deutlich. Deine Methode ist also an sich gut, du weißt das. Nun wendet der Schüler sie nicht an....
Was wäre der Effekt eigentlich den man dann sieht ? Freiere Bewegungen ? (könnte ich mir vorstellen ) . Schnellere Wechsel im Tonus und damit generell besseres Adaptionsverhalten bei Bewegungen, bei Kräftewechsel. ? Gut ok , höhere Agilität , Mobilität geh ich auch davon aus .
Der Effekt wäre, dass man allgemein ausgedrückt, im Ganzen körperlich funktioniert und weniger isoliert. Harmloses Beispiel: Eine Klientin mit Skoliose, die überhaupt nicht mehr an sich glaubte, kann sich auf einmal wieder im Stehen die Schuhe binden. Vorher absolut undenkbar. Sie kann es nicht, weil sie "dehnbarer" ist, sondern weil ihr ganzer Körper ohne Angst oder Einschränkung an der Bewegung beteiligt ist.
In der Kampfkunst äußerst sich das (aber nur, wenn man das auch entsprechend tut, wie die Klientin) in einem - würde ich sagen - wesentlich besseren besseren Adaptionsverhalten, man erkennt, dass man mehr Zeit hat "auszuweichen", weil sich mehr Gelenke beteiligen und jedes einzelne Gelenk, auch solche, die man nicht wirklich vorher genutzt hat, mehr Spielraum hat. Dadurch spart man wertvolle Zeit. Auch wird die Wirksamkeit von Angriffen ohne, dass man das speziell trainiert, erhöht. Dazu ein Beispiel: Ein Klient (WT- Karate) berichtet, dass er nicht mehr mit voller Wucht - wie vorher- auf ein Schlagkissen hauen kann, weil er Gefahr läuft, sich die Hand zu brechen - bei gleicher subjektiver Anstrengung. Also hat sich die Effizienz gesteigert, weil mehr Körpermasse/ Gelenke am Schlag beteiligt sind. Natürlich kann man genau das, wenn man das gezielt angeht, bewusst pushen und z.B. mehr Wirkung aus Positionen/ Winkeln rausholen, die man vorher ggf. nicht als Angriff auf dem Schirm hatte.
Was sich auch ändert ist die Sensibilität, wenn man das ausprobiert: Wenn schon mehr Körperanteile involviert werden/ aktiv sind, verändert sich auch die Sensibilität im Tun. (Was ich oben geschrieben habe mit "der Bauch bewegt sich zuerst") Heißt, wenn der Körper im Ganzen "fluffiger" geworden ist, weil er sich mehr als Einheit fühlt, dann reagieren auch mehr Körperteile, bewegen sich und umso "schneller" ist man (objektiv, während man subjektiv eher das Gefühl hat, sich weniger zu beeilen)
Aber gleiche Frage . Ab wann kann man den sagen , das der Grund an Veränderungen tatsächlich das Fasciensystem ist ?
Ich würde sagen dann, wenn durch sogenannte Faszienmanipulation diese Veränderungen eher bewirkt werden als durch Dehnen, Krafttraining und sonstige Mobilitätsübungen alleine.
Grüße
PS: Derzeit bin ich dabei, auch zusätzlich neuronale Aspekte zur Förderung von Beweglichkeit zu entdecken, man lernt nie aus.
Befreie Dich von Konkurrenz-Denken. Du bist hier, um zu erschaffen, nicht zum Wetteifern um das, was bereits erschaffen ist. Du musst ein Schöpfer werden, nicht ein Konkurrent.