Hallo...
Du gehst davon aus, dass die Menschen, die Kampfsport betreiben, auch kämpfen wollen. Das ist aber gar nicht der Fall. Die meisten wollen nur ein bisschen aus Spaß kämpfen oder lernen, sich ein bisschen zu verteidigen. Für ein Bisschen Spaß reicht es, wie heute im WT unterrichtet und trainiert wird. Für richtiges Kämpfen aber nicht mehr. Und das war früher eben anders.
Diese Erfahrung habe ich auch schon machen dürfen. Vielen Menschen reicht es vollkommen aus, wenn sie ein wenig die 1. Form mehr schlecht als recht "mitmachen" können und ein paar grundlegende und Wing-Chun-typische Drills. Die sind dann richtig happy und wehe du gehst da mal ein wenig "härter" ran z.B. im Lat-Sao oder weichst einfach mal vom ein wenig vom roten Faden ab; das wollen die schlichtweg nicht. Identische Erfahrungen in VHS Tai Ji Kursen, wenn sich da Menschen schlichtweg weigern mal ein wenig push-hands zu erleben und rein die Form "machen" wollen. Also nicht im Sinne, dass sie die irgendwann mal alleine für sich im stillen Kämmerlein laufen wollen/sollen/müssen - nein, da geht es irgendwie rein immer darum, dass vorne eine rumhampelt.
WT (WC und wie sie alle heißen) hat sich ja nicht verändert. Es ist noch immer alles da, das LT und KRK einst anwendbar gemacht haben. Nur wird es eben nicht mehr funktional unterrichtet. Das ist der entscheidende Unterschied zu früher. Denn das theoretische Gefasel über das, was im Fall einer perfekten Anwendung passiert (was aber eben so gut wie nie passiert), hat das praktische verifizieren der Theorie völlig verdrängt.
Ich denke das Fragezeichen sitzt da drin, was LT und auch KRK aus Wing Chun im Rahmen oder aber besser Namen des WT gemacht haben. Wenn ich das einmal höchst provokant auf die Spitze treibe, dann wurde da mit bzw. für "Kampfsystematik" geworben, du hast auch nicht wenig bezahlt, aber "kampfsicher" wurden nur wenige Normalmenschen abgeholt. Wen du "gestärkt" hast, das waren die Menschen, die so oder so schon eine Affinität zu "kloppen" (das meine ich jetzt nicht despektierlich, auch wenn es so klingt) hatten, aber der Normalmensch war wurde doch nach und nach in den Schülergraden mehr oder minder auf der Strecke gelassen, weil die umworbene Systematik gar nicht da war oder gegriffen hat. Ich kann mich noch gut an eine WT-Mitstreiterin erinnern, die auf den 10. SG trainiert hat. Das war ein körperliches Handtuch, gerade 1,60 m hoch und was sie stilmäßig getrieben hat war einfach nur lächerlich. Gerade beim 10er Programm "Kampf" gegen mehrere Angreifer, also ein guter Stresstest - da ist die zuweilen einfach zusammengeklappt - also alleine dieser momentane Druck, wenn da nach und nach einer auf dich "losgeht". War aber egal, denn unser Sihing hatte sie unter seiner "Fittische" und so hat sie ihren 10. nach einem Lehrgang bekommen, ist dann stolz mir ihrem schwarzen T-Shirt rumgerannt und hat die Anfänger trainieren dürfen. Natürlich nur Form und ein wenig Pitsche-Patsche-Lat-Sao. Wenn es mal rauer zuging oder komplette Neulinge zum "schnuppern" kamen, da durften wir immer gerade stehen, um den ersten Kontakt zu machen.
Für alle, die richtige kämpfen wollen, ist das moderne WT vermutlich nichts.
Hier (wie immer) differenziere ich zwischen einer Dominanz-Klopperei in der Kneipe, systeminterner Kampfkunst oder aber Effizienz in Sachen Selbst-Behauptung im Falle eines Falles. Klar, irgendwo ist es immer eine Mischung. Hast du konkrete Anhaltspunkt, warum es nicht mehr dafür geeignet ist? Ist das die neue Generation an Trainern oder ist das System einfach nur satt bzw. entwertet?
Techniken und Anleitungen gibt es ja mehr als genug. Aber wer sich rein fürs kämpfen interessiert, der findet nicht mehr die hinreichenden Voraussetzungen und auch nicht die Umgebung (Trainer und Trainingspartner), um aus dem völlig wirren Zeug, das heute unterrichtet wird, die für richtiges Kämpfen notwendige Essenz zu extrahieren.
Und da kam auch schon die Antwort! Danke! *g* Bin bei dir - "wirres Zeug" oder aber auch verwässert und verklärt. Da fehlt der rote Faden. Es ist oder aber wird schlichtweg zu viel, was da auf einen interessierten Menschen einprasselt, so mein Eindruck und irgendwann bist du so in diesem WT-Sucht-Dingens drin, dass du deine Intention gar nicht mehr vor Augen hast, warum du eigentlich da trainierst.
WT und WC im allgemeinen sind komplexe Systeme, die man nicht ohne intensive Anleitung richtig verstehen kann. Diese Anleitung muss aber durch viel praktische Kampferfahrung gedeckt sein. Und das fehlt halt. Reden können sehr viele Leute eine Menge. Aber die wenigen, die reden, kämpfen und erklären können, unterrichten kaum noch und sind schwer zu finden. Und die, die heute unterrichten, haben es selbst meist nicht mehr richtig gelernt und deswegen auch nicht verstanden. Und so potenziert sich das Unvermögen. Und das ist es, was das sehr gute WT der 90er zu einer Witzfigur in der Kampfsportszene gemacht hat.
Jep, das waren zu der Zeit vielleicht auch andere "Kaliber" - vielleicht auch, weil es damals noch nicht so verwässert war und auch nur die in die höheren Programm vorgedrungen sind, die dieses gewisse etwas hatten. Nehmen wir die Dame mit dem obigen 10. SG - das war ja kein Einzelfall und wenn sich solch eine Welle/Generation mal etabliert, dann degeneriert das System - jetzt nicht nur im WT, auch in anderen Strukturen. Das war ein Mitleids-10er-Grad nicht mehr und nicht weniger und hat auch keine gute Stimmung in der Gruppe gemacht.
Aber ist es nicht bemerkenswert, dass die Grundsubstanz der Effizienz nach wie vor in diesem System steckt, es aber irgendwie so verzerrt vermittelt wird?