Nochmal ein Versuch
Hintergrund
Auf der englischen I\Teijia-Mailingliste wurden die UBLS einiger Websites,
die sich mit der wissenschaftlichen Betrachtung von "Qi" befassen und das
Konzept Qi verwerfen, gepostet. Die betrefienden Artikel erwähnen u.a.
auch Taiji Quan als angebliche Methode zur Bntwicklung des Qi. Daraufhin
schrieb Mike Sigman folgenden Artikel, in dem er erklärt, warum die
genannten Artikel die Bedeutung des Begrilfs "Qi" in den inneren
Kampfkünsten mißverstanden hab en und legt seine Brklärung dar.
"Qi" von Míke Sigman
Deutsche Übersetzung und Formatierung von Andreas Graf Das Orignal
befindet sich @
Ich stelle den Inhalt des folgendes Textes zur Diskussion. Ich behaupte
nicht, daß er vollkommen korrekt ist - es ist eher ein Versuch, ein
"Beschreibungsmodell" für einen komplexen Sachverhalt zu entwickeln.
Aber falls das "Modell" das komplexe Thema "Qi" erklärt und vereinfacht,
so daß die "vrerwimıng etwas weniger wird, hil.ft es vielleicht einigen Leuten,
sich auf die wichtigeren Aspekte der inneren Kampfkünste zu
konzentrieren. Diese verwenden eine bestimmte Art der Bewegung.
Vielleicht gibt es auch ein genaueres Wissen über die 'iforgänge in der
traditionellen choinesischen Medizin (TC1121), aber da ich kein Bxperte auf
diesem Gebiet bin, lasse ich es außen vor.
Ich denke, die beste Herangehensweise an das Thema "Qi" ist, sich
ldarzumachen, daß "Qi" ein Archetyp oder Paradigma ist, das verwendet
wird, um die Beziehungen zwischen Leben und Bnergie zu beschreiben.
"Qi" ist keine (noch unentdeckte) Bnergieform oder "universelle Krafi". Bs
ist einfach ein Sammeltopf-Begrifi`, und die folgende Beschreibung stellt
einen Weg dar, diesen Sammeltopf-Begriffzu verstehen.
Das "Qi"-Paradigma wurde zu einer Zeit entwickelt, als die Gesetze der
iåfıssenschaft und der Physik nicht so weit entwickelt waren, wie sie heute
- im wesentlichen in der westlichen Wissenschafi - sind. Das Konzept "Qi"
kann generelle Beziehungen abdecken, hält aber der Logik
wissenschaftlicher Methoden schlecht stand.
Grundsätzlich, und fiír unsere Zwecke, kann Qi mit den drei Begriffen
Bnerg;ie,Ausdauer (engl: Stamina) und Bewegung gleichgesetzt werden
(kurz: BAB). Dabei liegt der Schwerpunkt auf BnergiefAusdauer. Mit
anderen Woflen: Bewegung wird implizit als Teilmenge von
Bnerg;ieı'Ausdauer betrachtet, aber wir werden das Gesamte als BAB
bezeichnen, um soviele Aspekte von "Qi" wie möglich abzudecken:
0 Bin kleines Kind hat sehr viel BAB, ein alter Mann nicht und er darf
sein BAB nicht verschwenden. Aus diesen allgemeinen
Überlegungen könnte das lfolksheilmittel entstanden sein, bei dem
alte Menschen im Bett ihrer Bnkel schlafen, um einen Teil ihres BAB
zu bekommen.
0 Wir können Krankheit als eine Blockade beschreiben, die den Fluß
von BAB blockiert
0 Das TCM-Konzept der Meridiane kann als "xferusch gesehen
werden, genauer zu beschreiben, wie sich der menschliche Korper
in diesem BAB-Paradigma verhält. Bewegungen oder
Behandlungen, die den "Fluß" des BAB verbessem, sind positiv.
Bbenso sollte manjemanden, wenn man seinen BAB-Fluß
blockieren kann, denjenigem Schaden zufügen konnen.
0 Wer sein Frühstück nicht ißt, dem geht wahrscheinlich noch vor dem
1\.-littagessen sein BAB aus.
0 Wen man Aufwärmübungen macht, kann man fiihlen, wie das BAB
in die Gange kommt - man konnte sagen "Mein BAB fließt".
0 Manche Lebensmittel sind gut f i.`ır das allgemeine BAB
0 Manche Orte (mit frischer Luft, Sonnenschein, etc.) wirken sich
positiv auf das BAB aus. Man kann diese Orte als "Orte mit gutem
BAB-Potential" beschreiben.
Das allgemeine Konzept eines "Qi" oder "BAB"-Paradigma ist gut und
deckt viele allgemeine Situationen ab. Da es so gut geeignet ist, wurde es
zu einer "Basis"-'I`heorie, von der aus viele andere Theorien betrachtet
wurden und mit deren Begriffen viele andere Theorien beschrieben
wurden.
Der "Bewegung"-Aspekt von BAB:
In den Kampfkünsten können der menschliche Korper, dessen Fähigkeiten
und das Training mit den BAB-Beg;ri:Efen beschrieben werden. Jedoch
treten einige Probleme auf da ein ehemaliger "Sammeltopf"-Begrilf ("Qi"),
zu einem spezifischeren Begrifi`wurde, als das Konzept von Meridianen
und spezifischen Flüssen eine akzeptierte 'Theorie innerhalb des
Paradigrnas wurde.
Um diese Probleme zu vermeiden, werde ich einige Aspekte von "Qi"
herausnehmen - mit der Begründung, daß sie körperliche Phänomene
waren, die mit dem allgemeinen Sammeltopf-Begriff "Qi" verbunden
wurden. Wenn wir zu tiefin eine Diskussion der TCM einsteigen, belasten
wir uns auch mit den vielen Problemen der TCM-Konzepte. Mit anderen
Worten: die TCM hat eine Zahl von Lochem in ihrer Logik. Wu
beschränken die Diskussion von "Qi" auf das generelle Thema von BAB,
bevor wir annehmen, daß die TCM korrekt ist.
Da Bewegung ein Aspekt des Lebens und der Phänomene des Lebens
sind, wird Bewegung als gültige Teilmenge von "Qi" betrachtet. Im engeren
Sinne werden viele der eingeübten Anwendungen von Bewegung (jin) als
"Qi" bezeichnet. I-Iier liegt auch das Problem der Diskussionen über "Qi":
Viel zu viele 'Jerweise auf "Qi" veranlassen Westler, über eine ungreitbare
Lebenskrafi zu diskutieren, wobei "Qi" sich hier eigentlich auf diese
antrainierten Bewegungen bezieht.
Bin Beispiel, daß mich vei"wunde1t, sind die zahlreichen Tvrerweise auf Dim
Mak, Tuite etc., bei denen die spezifische aber ungreifbare Idee einer
Lebenskrafl "Qi" ausgiebig diskutiert wird ("Ich habe ihn mit meinem Qi
geschlagen. "). Dabei bezieht sich die ursprüngliche chinesische Außerung
auf eine antrainierte Kraft, wenn sie "Qi" verwendet.
Dasselbe trifl auf viele Beschreiungen über das "Qi" in Taiji,
Bagua, etc. zu. Die Beschreibungen bezogen sich aı.ıfBewegung und nicht
auf eine ungreifbare "Krafi". Die Beschreibungen waren absichtlich recht
allgemein gehalten, denn niemand wollte genaue Informationen über diese
Beweungen und Trainingsmethoden weitergeben. Wenn jemand genaue
Anweisungen geben wollte, so konnte er sehr genau und ohne
"xferschleierungen schreiben.
Meine Aussage ist also, daß eine Untersuchung von "Qi", die auf die
Wderlegung ungreifbarer Kräfte abzielt, fehlgerichtet ist und die Absicht
der ursprünglichen Beschreibung stark verkennt. Werm ich diese Art von
Diskussion sehe, weiß ich augenblicklich, daß die Autoren die Bedeutung
von "Qi" in den inneren Kampfkünsten rni.ßverstanden hab en.
Mike Sigman
Taiji Qigong e.V, Design: Andreas Graf