Hallo douwa,

Du scheinst es noch immer nicht begriffen zu haben, dass „das System“ durchaus bewertbar ist, aber nur in Hinsicht auf seinen tatsächlichen Anwendungsrahmen. Und Du scheinst nicht begriffen zu haben, dass der Faktor Mensch nicht das System in seiner Architektur bestimmt, sondern das System den lernenden Menschen mit einer (der speziellen) Architektur des Kampfes ausstattet. „Das System“ ist ein technisches wie auch pychologisches Konstrukt, das den Kampf in einer bestimmten Strategie beschreibt.

Die Perfektion eins Stils kann daher sehr unterschiedlich begründet sein:
* in sich selbst (Sportsysteme)
* in Bezug zur Funktionsfähigkeit (funktionales Zusammenspiel der kampfentscheidenden Techniken)
* in Bezug zu Ökonomie (funktionale Wirkung am Gegner unter optimal ressourcenschonender Ausnutzung aller eingebrachter Leistungen)
* in Bezug zur Strategie (Kampflogik)
* in Bezug zur schädigenden Wirkung auf den Angreifer (maximale Wirkung)
* in Bezug zum Anwender (maximale Sicherheit)


Es gibt keine Perfektion in allen Punkten gleichzeitig, da sie sich z.T. gegenseitig eliminieren.

Ist die Grundlage eines Systems ein festgeschriebenes Regelwerk, ist die Perfektion dafür schnell gefunden. Sie muss alle verfügbaren Mittel und Möglichkeiten unter steter Einhaltung des Regelwerks optimal ausnutzen. Im Regelwerk selbst ist das Ziel und der Rahmen des Verhaltens beschrieben. Der ausnutzbare Gestaltungsraum liegt nur innerhalb dieses Rahmens, der zudem die Ziele deklariert (K.O./Punkte/diverse Limits)

In Bezug zur Situation der SV ist das nicht der Fall. Hier gibt es konkurrierende Faktoren, die gegeneinander abgewogen werden müssen. So steht die maximale Wirkung im Gegensatz zum erforderlichen Mittel, welches die SV gesetzlich zuläßt. So steht die „sofortige“ Anwendbarkeit einer optimalen Vorbereitungsphase im Wege, die in einer SV-Situatioin nicht zur Verfügung steht. So ist der Faktor der verfügbaren Ressourcen situativ bestimmt und zudem vorher nicht wirklich bekannt und nicht planbar. Selbst die Aufgabe, das Ziel der Handlung, kann stark variieren, von einer deeskalierenden Handlung gegenüber einer Rempellei bis hin zur ultimativen Verteidigung gegen viele Gegner, die mit verschiedenen Gegenständen sich bewaffnet haben.

Die Ausbildung zur SV kann daher nur auf der Basis einer Strategie funktionieren, welche die Spannbreite der Variablen beinhaltet und („vom Grundsatz“ aus betrachtet) mit den geringst verfügbaren Ressourcen das Ziel erfolgreich erreichbar macht. Dies betrifft die Attibute des Anwenders, wie seine Fertig- und Fähigkeiten. Ein SV-System kann nicht von der Perfektion des Anwenders ausgehen und auch nicht von einer körperlichen Überlegenheit. Die Strategie des Systems MUSS das berücksichtigen. SIE muss dem Anwender SEINE Mittel in die Hand geben und DIESE situationsentsprechend optimal einsetzen. Das führt z.B. dazu, einen Anfänger relativ einfach erlernbare Mittel in die Hand zu geben, mit denen er sich schon „relativ“ gut verteidigen kann. Mit zunehmendem Können kann die Person mit weiterführenden Fertig- und Fähigkeiten ausgestattet werden, die in ihrer Wirkung den Kampf erleichtern.

Daher würde ich niemals in Hinsicht auf die Aspekte der SV von einem perfektem Wing Tsun reden, sondern allenfalls von einem System mit einer oder der besten Strategie für den SV-Kampf.

Der Nutzen für den Anwender liegt darin, sich die Strategie anzueignen und erst darauf basierend die dafür notwendigen Fertig- und Fähigkeiten, die er Zeit Lebens ständig verbessern kann. Ist er in der Lage, diese Strategie anzuwenden, DANN wird ihm jedes Verbessern seiner Attribute es erleichtern, die Strategie zu realisieren, ohne sie gegen die Funktionalität des Systems zu vergeuden.


Gruß, WT-Herb