Hallo WT-Herb.

Zitat Zitat von WT-Herb
Du scheinst es noch immer nicht begriffen zu haben, dass „das System“ durchaus bewertbar ist, aber nur in Hinsicht auf seinen tatsächlichen Anwendungsrahmen. Und Du scheinst nicht begriffen zu haben, dass der Faktor Mensch nicht das System in seiner Architektur bestimmt, sondern das System den lernenden Menschen mit einer (der speziellen) Architektur des Kampfes ausstattet.
Du scheinst nur einen Teil meiner Beiträge gelesen zu haben.
1. Ich schrieb selbst schon, dass es zweckbezogen bessere und schlechtere (da von Menschenhand geschaffen aber nicht perfekte) Systeme geben wird und auch, dass sich das in einem gewissen Maß messen lässt.
2. Ich sehe ich nach wie vor so, dass ein System auch bei gleichem Ziel nicht für Jeden gleich gut passen muss. Auch die beste Ballettlehrerin wird eine 170Kg-Dame nicht zur leichtfüßigen, geschweige denn von Spargeltarzanen mühelos zu tragenden und zu werfenden Primaballerina machen können. Eine Person ohne störenden Schluckreflex wird m.A.n. auch immer Vorteile gegenüber Personen mit diesem Reflex haben, wenn es um Schnelltrinkwettbewerbe geht. Der einzelne Mensch ist mit einer Vielzahl verschiedener Merkmale ausgestattet, die ihn von einigen anderen Menschen unterscheiden oder ihn diesen ähneln lassen. Nicht wenige dieser Merkmale kann man nur bis zu einem gewissen Grad verändern, dann ist einfach Schluss.



Zitat Zitat von WT-Herb
„Das System“ ist ein technisches Konstrukt, das den Kampf in einer bestimmten Strategie beschreibt.

Die Perfektion eins Stiels kann daher sehr unterschiedlich begründet sein:
[...]
Es gibt keine Perfektion in allen Punkten gleichzeitig, da sie sich z.T. gegenseitig eliminieren.
Die Perfektion ist für mich nur ein ideelles Konstrukt. Selbst der Beste der Besten bezogen auf eine bestimmte Sache kann sich bezüglich dieses Konstrukts nur wie eine Tangente dem perfekten Zustand nähern, ohne diesen jedoch jemals wirklich zu erreichen.



Zitat Zitat von WT-Herb
Ist die Grundlage eines Systems ein festgeschriebenes Regelwerk, ist die Perfektion dafür schnell gefunden. Sie muss alle verfügbaren Mittel und Möglichkeiten innerhalb das Regelwerk optimal ausnutzen. Im Regelwerk selbst ist das Ziel und der Rahmen des Verhaltens beschrieben. Der ausnutzbare Gestaltungsraum liegt nur innerhalb dieses Rahmens, der zudem die Ziele deklariert (K.O./Punkte/diverse Limits)

In Bezug zur Situation der SV ist das nicht der Fall. Hier gibt es konkurrierende Faktoren, die gegeneinander abgewogen werden müssen. So steht die maximale Wirkung im Gegensatz zum erforderlichen Mittel, welches die SV gesetzlich zuläßt. So steht die „sofortige“ Anwendbarkeit einer optimalen Vorbereitungsphase im Wege, die in einer SV-Situatioin nicht zur Verfügung steht. So ist der Faktor der verfügbaren Ressourcen situativ bestimmt und zudem vorher nicht wirklich bekannt und nicht planbar.
Ich denke auch, dass in der SV mehr Dinge mit reinspielen als beim Kampf mit festgeschriebenem Regelwerk. Ich habe trotzdem auch hier einige Fragstellungen zufriedenstellend zu lösen, z.B. abzuwägen, welche Mittel ich einsetze oder nicht (z.B. bis zu welchem Grad kann ich ruhigens Gewissens den Gegner im Ring schädigen, vielleicht sogar lebenslang) oder abzuwägen, über welche Ressourcen ich gerade verfüge (das wechselt nämlich u.U. schon mit jedem Schnupfen, Durchfall oder beruflichen/privaten Problemen). Insofern finde ich den Vergleich zwischen dem Kampf nach Regelwerk/Wettkampf mit der SV/dem scheinbar regellosen Kampf (dieser Auffassung widerspricht im WT aber bereits die Annahme von 5 Kampfphasen i.S.e. Rituals, also einem Handeln, das sehr wohl, egal ob das den Beteiligten bewusst ist oder nicht, Regeln folgt) zu simplifizierend.



Zitat Zitat von WT-Herb
Die Ausbildung zur SV kann daher nur auf der Basis einer Strategie funktionieren, welche die Spannbreite der Variablen beinhaltet und („vom Grundsatz“ aus betrachtet) mit den geringst verfügbaren Ressourcen das Ziel erfolgreich zu erreichen hat. Dies betrifft die Attibute des Anwenders, wie seine Fertig- und Fähigkeiten. Ein SV-System kann nicht von der Perfektion des Anwenders ausgehen und auch nicht von einer körperlicher Überlegenheit. Die Strategie des Systems MUSS das berücksichtigen. SIE muss dem Anwender SEINE Mittel in die Hand geben und DIESE situationsentsprechend optimal einsetzen. Das führt z.B. dazu, einen Anfänger relativ einfach erlernbare Mittel in die Hand zu geben, mit denen er sich schon „relativ“ gut verteidigen kann. Mit zunehmendem Können kann die Person mit weiterführenden Fertig- und Fähigkeiten ausgestattet werden, die in ihrer Wirkung den Kampf erleichtern.
In diesem Text könnte ich problemlos alle "SV" mit "Erfolgreiches bestreiten eines Wettkampfs" ersetzen und der Text ergäbe für mich immer noch Sinn.



Zitat Zitat von WT-Herb
Daher würde ich niemals in Hinsicht auf die Aspekte der SV von einem perfektem Wing Tsun reden, sondern allenfalls von einem System mit einer oder der besten Strategie für den SV-Kampf.

Der Nutzen für den Anwender liegt darin, sich die Strategie anzueignen und erst darauf basierend die dafür notwendigen Fertig- und Fähigkeiten, die er Zeit Lebens ständig verbessern kann. Ist er in der Lage, diese Strategie anzuwenden, DANN wird ihm jedes Verbessern seiner Attribute es erleichtern, die Strategie zu realisieren, ohne sie gegen die Funktionalität des Systems zu vergeuden.
Über den Wert der Strategie des WT für die SV möchte ich nicht streiten, da soll ruhig jeder für sich sehen, in welchem Stil er sich gut aufgehoben fühlt. Für mich wäre die WT-Strategie zwar nichts aber für Andere wäre dafür traditionelles Jûdô vielleicht nichts oder MMA nichts (ich selbst halte Jûdô sowieso und MMA schon wegen der Trainingsweise für gut geeignet, SVrelevante Attribute zu erlangen). In diesem Sinne jedem Tierchen sein Pläsierchen.

Ein ganz kleines Problem habe ich damit, dass bei Vergleichen, sofern die eigenen Leute unterliegen, grundsätzlich die Anwender zu versagen scheinen, nie das System. ich hatte selbst schon oft genug Diskussionen mit dem berühmten Satz (es geht mir jetzt nicht um WT, sondern Grundsätzliches):

(Selbstbewusster führte verlangsamt etwas vor, das so NIEMALS funktionieren würde, weil es den Fehler, mit dem er gerade zu kämpfen hatte und den er sich nun schön zu reden versucht, sich nur noch stark vergrößern würde)

Selbstbewusster - "Ja, aber wenn es jetzt ernst gewesen wäre und im Ernstfall, da hätte ich ja auch so und so und so gemacht!"
Ungläubiger - "Du hast doch gesehen, dass gerade X passiert ist und das schon in dieser viel leichter zu bewerkstelligenden Situation?"
Selbstbewusster - "Im Ernstfall ginge es ja auch viel schneller und dann wärs das für Dich gewesen."
Ungläubiger - "Okay, können wir das nochmal etwas realistischer/schneller machen (ist immer noch spielerisch)?"
Ungläubiger - "Okay, komm jetzt nochmal."
(Es folgt eine noch peinlichere Nummer bei gefühlter halber Stärke und Geschwindigkeit und NULL Dagegenhalten.)
Ungläubiger - "Ne, komm mal nochmal, noch ein klein wenig schneller."
(die gleiche peinliche Nummer folgt noch ein-, zweimal.)
Ungläubiger - "Hast du es jetzt gesehen? Der Fehler potenziert sich sogar noch."
Selbtbewusster - "Ja aber im Ernstfall hätte das mit noch etwas mehr Kraft und Tempo voll gut geklappt."
Ungläubiger - "Okay, das kann sein (höflich bleibend, aber verzweifelnd an Worte wie Vollhonk denkend)."

In dem Beispiel, dass mir gerade einfiel, ist nicht ganz klar, ob der Lehrer des Selbstbewussten ihn schlecht unterrichtet hatte bzw. das angewandte System schlecht war oder ob der Selbstbewusste einfach nur selbst schlecht war. Es gab ähnliche Fälle (Ihr kennt ähnliche bestimmt aus eigener Erfahrung), bei denen völlig klar war, ob der Anwender nur nicht verstanden hatte oder das System selbst nicht taugte (für das, was demonstriert werden sollte).
BEIDES ist jedenfalls im Bereich des Möglichen und ich meine es ist z.T., gerade wenn es den eigenen Stil betrifft, oft genug auch eine Glaubens-/Vertrauensfrage, die nicht immer rational beantwortet werden dürfte.