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period
Ich bemühe mal ein Beispiel aus dem Ringen: bis in die 1970er hinein gab es eine grosse Fülle an Bodentechniken, die primär auf das Schultern des Gegners ausgelegt waren. Um 1970 herum kamen dann die Wälzer (Durchdreher / Aufreisser / gut wrench, Beinschraube / leg lace) in Mode, und mit den 90ern wurde im Greco das Ausheben vom Boden immer populärer. Heute wird international so gut wie gar nicht mehr geschultert, weil man zum Schluss gekommen ist, dass das zu riskant ist (unter Berücksichtigung der vielen Punkte, die man für Wälzer bekommt). Stattdessen gibt es im Freistil einerseits die Strategie, den Takedown zu machen und dann abzuwarten, bis wieder Stand gepfiffen wird, andererseits die Variante, am Boden auf gut wrench oder leg lace zu fassen und dann 1-5x in Folge zu wälzen. Im Greco wird im Stand fast nur noch geschoben, die angeordnete Bodenlage abgewartet und dann wahlweise mittels Wälzer oder Ausheber gepunktet. Das sind m.E. mehr als kleine Anpassungen, das sind z.T. neue Techniken, die eine gänzliche Änderung der Taktik bedingt haben.
Soweit die Entwicklung in den letzten 50 Jahren. Heisst das, das System wäre nun "geknackt"? Nein. Es ist nach wie vor möglich, Kämpfe über Schultersieg zu entscheiden, es spezialisiert sich nur kaum noch jemand darauf. Ebenso kann man im Greco auch im Stand werfen, aber wiederum: es spezialisiert sich kaum jemand darauf. Die Folge des Trends ist, dass inzwischen auch kaum noch jemand die Abwehr der Schultertechniken systematisch trainiert oder im Greco auf zahlreiche Wurfansätze gefasst ist. Folglich gibt es hier wieder mehr Spielraum als vor 50 Jahren, wo das noch "normal" war. Auf der anderen Seite muss man auch sagen, dass im aktuellen Regelwerk noch niemand das "Patentrezept" gegen die hier beschriebene Vorgehensweise gefunden hat, beziehungsweise dieses derzeit darin besteht, genau das Gleiche zu machen aber eben besser.