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Thema: HF und Escrima, Arnis, Kali?

  1. #76
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    nun ja, die quellen existieren jedenfalls, anderslautende allerdings nicht. da gibt es nur geschichten, die im zuge der nationalistischen, antikolonialen propaganda auftauchten (in form von reden und druckwerken, also aus den reihen der westlich "republikanisch" orientierten intellektuellen elite der inseln in der zeit der antikolonialen bewegungen und nationalen widerstandsbewegungen gegen spätere besatzer seit dem19.jh.). das, was die "gründer der nation" zum besten gaben, steht natürlich immer noch in den schulbüchern (so wie bei uns auch immer noch mist in der schule verbreitet wird, der dann auf der uni mühsam wieder auden köpfen herausgepult werden muss, um der neueren forschung gerecht zu werden.)
    unter den originalquellen aus der zeit magellans ist jedenfalls auch ein tagebuch eines matrosen/soldaten, dass erst viel viel später auftauchte und das von der forschung als nicht gefälscht eingestuft wird. das mit den sauteueren und nur vom einheimischen hochadel geführten metallschwertern ist, davon unabhängig, in jedem fall korrekt und wird von niemandem bestritten, der mit der materie zu tun hat (ethnologen, historiker usw. - egal woher).
    die version mit dem speer ERSCHEINT also als die naheliegenste und wahrscheinlichste variante.

    das aber nur so am rande.
    die frage nach spezifischen fecht-techniken und lehrmethoden im zeitraum von etwa 1400-1600 ist mir da wichtiger ("kriegsfechten", nicht irgend etwas anderes, dass adeliger zeitvertreib als turnierersatz hätte sein können). gibt es, außer der offensichtlichen terminologie in den fma, tatsächlich signifikante übereinstimmungen in technik, taktik und lehrmethode der fma mit dem, was in europa zur fraglichen zeit gelernt und gelehrt wurde?
    klar: allgemein wird es die geben (von wegen anatomische, biomechanische und zweckorientierte gemeinsamkeiten aller "krieger", die mit klingen und/oder knüppeln aller art agieren), aber im detail?

  2. #77
    Gozel Gast

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    Ich denke bei der Überlegung inwieweit Parallen zwischen FMA und hist. europäischen Fechtweisen bestehen, muss man sich vor Augen halten dass die FMA eines Lapu Lapu und die heutigen FMA nicht mehr die selben sind.
    Dazwischen liegen 300 Jahre spanische Besatzung, eine Zeit in der Philipinos bei der Ausübung ihres "Kriegsfechtens" es auf die ein oder andere Art und Weise mit spanischen Fechtmethoden zu tun hatten, entweder als Verbündete oder als Gegner. Das macht eine Beeinflussung sehr wahrscheinlich.

    Aber wo rauf ich eigentlich hinaus will: auch bei den FMA spielt die zeitliche Dimension, neben der geografischen, ein bedenkenswerte Rolle.

    Nichts ist so beständig wie der Wandel.

    Ich glaube, dass, unabhängig davon was damals mit Magellan nun wirklich passierte, dies keine Aussagen über die FMA in ihren heutigen Formen zulässt.

    Auch glaube ich dass es kaum fernöstliche kampfsystem gibt die soviel europäische einflüsse aufgenommen haben wie die FMA.

    Meine Erfahrungen in Bezug auf das Verhältnis von FMA und Hist. Fechten sind die, dass man gelegentlich schon aus dem einen etwas für das andere ziehen kann dass es aber leider oft auch in die Irre führen kann, wenn man vermeintliche Similaritäten zu sehen glaubt.
    Die Gefahr ist zuweilen groß, den einfachen Weg zu gehen und etwas wieder zu erkennen anstatt mühevoll und ergebnisoffen sich voran zu tasten.
    Nur meine eigene (leidvolle) Erfahrung.

    Voll zustimmen kann ich der These, dass die Erarbeitung eines funktionierenden Verständnisses von Biomechanik von unschätzbaren Wert für die Interpretation von schriftlichen Quellen ist.

  3. #78
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    o.k.
    nur, dass es mir auch um die "historische dimension" der fma geht. und dann kann es einem nicht schnuppe sein, was damals war, weil es heute anders ist.
    es geht ja gerade darum, den wandel zu betonen. das kann ich aber nur, wenn ich zeige, was sich wie gewandelt hat und evtl. sogar warum.
    niemand wird mal eben so was zu den veränderungen seit beginn der fma im eigentlichen sinne (kali-arnis-eskrima als systematisierte kampfkunst mit diversen stilen) aussagen können, was mehr als grob allgemeines ist ... zb. das lapu-lapu niemals fma-meister gewesen sein kann, weil sich die fma erst im zug des kolonialismus und dessen umstände entwickelt haben. was davor war, waren stammesspezifische methoden der kriegsführung und vorläufer des silat (der größte teil der phiilippinos stammt ja von malaiisch-stämmigen einwanderern aus dem heutigen borneo und sulawesi, aber auch von der malaiischen halbinsel, von sumatra und von sesshaft gewordenen seenomaden [badjaos] ab, die gerade vor der kolonisierung in einer besonders starken besiedlungswelle auf die inseln kamen - lapu-lapus großvater und dessen clan zb. auch).

    aber bevor wir jetzt anfangen erbsen zu zählen: das will ich hier gar nicht diskutieren. interessanter ist der direkte vergleich von z.b. "klassischem" fma espada y daga und trainingsmethoden von heute mit "klassischen" europäischen varianten - und zwar aus dem zeitraum um 1500 herum.
    es soll ja auch stimmen geben, die zb. die spanische fechtkunst für diese zeit als nicht wirklich (im sinne von eigenständig) vorhanden bezeichnen, sondern eher auf den einfluss der italienischen und französischen "schulen" in dieser zeit pochen (ähnlich wie oben anhand eines historischen textes beschrieben: viele lehrer aus vielen ländern, die einem was beibringen, was man sich dann aneignet als eigenes. das passt übrigens zur damaligen adels-bildungstour: die lief v.a. durch frankreich und italien. eine längere zeit des reisens und lernens war ja in der frühen und auch noch späteren neuzeit eine regelrechte rite de passage für den jungen, männlichen adel zenral- und westeuropas.)

    falls jemand detailierte vergleiche machen kann: toll. her mit den infos. ich befürchte nur, dass dies zu weit geht. ist ne arbeit,die ewigkeiten dauert und nur geld verschlingt...
    schade.

  4. #79
    Gozel Gast

    Standard

    Leider sind meine historischen Kenntnisse in Bezug auf FMA nur oberflächlich, weil ich mein Escrima nur als das Betreibe, was es ist, ein zeitgenössisches Kampfsystem, angepasst an unsere heutigen gesellschaftlichen Bedingungen, welches zudem den Umweg über die USA genommen hat. Deswegen schreibe ich es auch mit "c" .
    Ich habe da eine ganz andere Zielsetzung als beim HF und ich bin inzwischen auch geneigt, beides eher strikt von einander zu trennen.
    Mein hist. Interesse ist eher eurozentristisch.

    Hinsichtlich HF verengt sich mein Fokus noch weiter, auf die deutsche Schule.
    Also auch was genuine spanische Fechtmethoden angeht bin ich nicht sonderlich beschlagen.

    Amasbaal hat sicher damit recht, dass detaillierte Vergeliche sehr zeitaufwendig wären. Aber interessant wäre es durchaus. Vielleicht kommt mal die Zeit, in der in beide Bereichen derart durchdrungen sind, dass man vergeleichende Studien betreiben kann.

    Das wäre bestimmt sehr ehellend für beide Bereiche.

    Nichts desto trotz würde ich gerne im Rahmen dieses Themas ein Sache ansprechen, die mich schon länger interessiert und die wohl gut geeignet sein könnte sich mal an einem Vergleich zu versuchen :

    In dem von mir betriebenen Escrima ist ein ganz wichtiges Grundprinzip die Kreisfußarbeit, d.h. man bewegt sich möglichst auf einer Kreisbahn um den Gegner.

    Wirft man nun einen Blick auf in Zusammenhang mit Jeronimo de Caranzas Werk " La Verdadera Destreza" bekannten Kupferstiche, so ist domminierende Verwendund des Kreises als geometrische Grundforrm schon frappierend.

    O.k. , Caranza ist nicht 1500 sondern 17. Jhd. , aber zu der Zeit waren die Phillipinen immer noch unter spanischen Einfluss.

    Kennt sich hier jemand mit Caranza aus ?
    Ist Caranza ein eigenes System oder nur eine verwissenschaftlichle Abhandlung über damals allgemein gebräuchliche Fechtmethoden?
    Inwieweit spielt der Kreis in der Fußarbeit in anderen FMA- Stilen eine Rolle?
    Welchen Stellenwert hat überhaupt Eurer Meinung nach das kreisförmige Bewegen im Kampf?
    Ist es vielleicht ein so universelles Grundprinzip, dass es möglicherweise gar nicht dafür taugt, Fechtsysteme miteinander zu vergleichen?
    Oder ist es möglicherweise doch ein Indiz für einen Austauch von Kampfmethoden?

  5. #80
    panzerknacker Gast

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    Kreis und Dreieck spielemn wohl in allen Kampfkünsten eine mehr oder weniger betonte Rolle.
    Neben den wirklichen praktischen Auswirkungen, darf man sicher auch nicht verkennen, das Mathematik auch magische Aspekte für die Menschen hatte/ immer noch hat.
    Ich meine es gibt ein Degen- oder Rapierfechtsystem zu Zeiten der Renaissance, das komplett auf mathematisch-geometrische Formen basierte.
    Das wissen die HFler aber sicher besser.
    F.
    z.B bei Herrn Agrippa wird man da fündig
    http://mac9.ucc.nau.edu/manuscripts/agrippa.pdf
    Geändert von panzerknacker (22-08-2010 um 16:47 Uhr)

  6. #81
    Ulrich Gast

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    Kreis und Dreieck entstehen immer wenn sich zwei Personen im Verhältnis zu einander bewegen.
    Die Verbindung FMA und "Mittelalterfechten" in D liegt meiner Meinung nach eher hier begründet:
    Escrima Concepts
    bzw ging von dort aus.

    Die Verbindung Philippinen/ Europa wird es gegeben haben. Ein relativ starkes in Indiz dafür liegt nach meiner Meinung in südamerikanischen Stilen die mit Stöcken bzw den dort üblichen Machetentypen arbeiten und der zumindest optischen Ähnlichkeiten zu Stilen von den kanarischen Inseln und letztlich auf die koloniale Periode zurückgeführt werden:

    YouTube - Chaîne de elgarrotero






  7. #82
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    Zitat Zitat von Security Beitrag anzeigen
    Deine Ausführungen zum Mittelalter zeigen, dass Du im Gegensatz zu mir historisch bewandert bist.

    Deine Hinweise zum Tod von Magellan habe ich auch auf Wikipedia USA als Zitat eines damaligen Zeitzeugen gelesen. Aber Geschichtsschreibung ist m.E. stets sehr subjektiv, die Sieger und Besiegten und jeweiligen Nationen erzählen jeweils ihre Version. Was wäre, wenn Magellan von einer Nesselqualle beim Durchwaten des Meeres getötet worden wäre oder im Vollrausch im Meer ertrunken wäre? Hätte seine Mannschaft bezüglich des Todes ihres Anführers, der ja ein bedeutender Seefahrer des Abendlandes war, für die Nachwelt zu Protokoll gegeben, dass sein Tod ein Betriebsunfall durch Qualle war? Umgekehrt wird von den Filipinos die eigene Geschichte natürlich auch mit entsprechender wohlwollender Färbung formuliert.

    Welcher Version zum Tod von Magellan zu glauben ist und dem Erfolg oder Misserfolg der damaligen philippinischen Techniken gegen die damaligen europäischen Kampftechniken sollte m.E. jeder selbst für sich beantworten.
    Das portugiesische Jogo do Pau finde ich jedenfalls auch super.

    Beste Grüße
    Man kann ja heute die Logbücher schon im Internet nachlesen.
    Man kann auch mal drüber nachdenken wen man auf eine Weltumseglung mitnimmt als Mannschaft, die bsesten Segler oder die besten Krieger?
    Zumal die Mannschaft von Magellan schon ziemlich ausgehungert war als sie auf den Phillipinen angekommen ist. Glaube mich zumndest das so in den Logbüchern gelesen zu haben., kann aber auch irren.
    Das Lapu-Lapu, so wie es auch am Monument dargtellt wird, Magellan mit einem Kampilan/Schwert getötet hat ist ehe unwahrscheinlich.
    Die Speertheorie ist schon wahrscheinlicher, aber es war halt keiner von uns dabei und kann sagen wie es wirklich war.
    Der Magen einer Sau, die Gedanken einer Frau und der Inhalt einer Worscht, bleiben auf ewig unerforscht.

  8. #83
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    ich hab da auch noch was zum gucken.

    der clip ist ein auszug aus ner dvd, in der die espada y daga methoden/techniken vom san miguel eskrima mit denen des pekiti tirsia verglichen werden. hauptthema: distanzverhalten und dessen begründung in der stilherkunft bzw. in der mehr oder weniger vorhandenen modifizierungen, die im laufe der ziet vorgenommen wurden. san miguel eskrima soll (!) sich sehr stark an den europäischen "klassikern" orientieren und aus langer distanz agieren, während pekiti tirsia das espada y daga stärker modifiziert haben soll und im vergleich eher in der mittleren distanz agiert.

    wenn ich mir die prinzipien im san miguel anschaue, hat das tatsächlich einen sehr "europäischen touch":


  9. #84
    Roland Warzecha Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Security Beitrag anzeigen
    Wer die „richtige“ Schlagmechanik mit dem Escrimastock beherrscht, der beherrscht m.E. auch die „richtige“ (...) Schlagmechanik mit einem Schwert, ganz egal welche Form es hat. Die Unterschiede in der Ausführung sind m.E. im Ergebnis zu vernachlässigen.
    Das habe ich als Escrimador/UCCler auch immer geglaubt. Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Wer gut mit dem Stock zuschlagen kann, hat zwar eine hervorragende Basis, auf der er aufbauen kann. Ohne UCC wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Aber der Umgang mit dem Schwert, selbst der schlichte Hieb, ist eine Kunst, die weitere, der Waffe angepasste Fertigkeiten erfordert.
    Weshalb?
    Das Schwert ist gegenüber dem Stock eine Hi-Tech-Waffe seiner Zeit. Der Witz ist ja gerade, dass das Schwert mühelos tötet und verstümmelt. Dafür bedarf es aber korrekter Technik, sonst klappt das nicht. Natürlich kommt auch beim Schwert die Hiebenergie aus der Hüfte. Aber Gewicht, Balancierung, Schwingungspunkte, Klingenebenen und Schneiden haben erheblichen Einfluss darauf, ob Du die Klinge bloß mit Wumms gegen das Ziel schmetterst oder elegant und präzise mit exakt dosierter Energie das jeweilige Ziel durchtrennst oder aufschneidest.
    Wenn Du z.B. beim Hieb das Schwert nur minimal verkantest, kommst Du durch keine Reisstrohmatte durch. Wenn Du auf den Eintrittspunkt zielst und nicht auf den Austrittspunkt, kommst Du ebenfalls nicht durch das anvisierte Ziel. Ist für den Stockkampf irrelevant, ja sogar sinnlos!

    Ein weiterer wichtiger Unterschied zum Stockkampf ist, das mit dem Stock schiebende Hiebe oder Stiche nicht dieselbe Vernichtungswirkung haben, wie beim Kampf mit dem Schwert. Letzere bildeten aber im europäischen Schwertkampf die Basis für eine Vielzahl von Angriffstechniken und noch mehr Kontertechniken.

    Und schließlich: Das Fühlen durch die Waffe geht mit einem Schwert viel besser, als mit einem Stock. Weil Schwertklingen länger sind, reagieren sie in der Bindung sensibler auf die Hebelgesetze, die bei kürzeren Waffen nicht im selben Maße zum Tragen kommen. Außerdem erleichtert es der Unterschied zwischen Fläche und Schneide, die Druckrichtung des Gegners zu erfühlen. Geht besser, als bei Stöcken, die einen runden Querschnitt haben.
    Muss aber natürlich geübt werden, um daraus im Kampf Kapital zu schlagen.

    Zitat Zitat von Security Beitrag anzeigen
    Guten Mittelalterlichen Schwertkampf zeigt m.E. auch das Jogo do Pau. Viel Druck und viel Power.
    Wiederum ja und nein. Wie schon mehrfach festgestellt ist Druck und Power wichtig, die Biomechanik und innere Haltung bilden ja die Grundlagen für jeden Kämpfer. Aber jede Bewaffnung folgt im Detail eigenen Gesetzmäßigkeiten.
    Ein Beispiel:
    Europäische Schwerttechniken taugen zu einem Gutteil nicht für japanische Schwerter: Die haben keine Kreuzstange und halten lateraler Belastung nicht in gleicher Weise Stand. Tatsächlich bricht oder verbiegt ein Katana, wo europäische Schwerter flexibel federn. Weiß kaum jemand. Hat wehrhistorische Gründe, auf die ich jetzt nicht näher eingehen will, würde zu weit führen. Überhaubt sind Schwerter bei unsachgemäßem Einsatz schneller zerstört, als Hollywood uns glauben macht. Das gilt eigentlich für jedes gute Werkzeug mit einer Schneide!

    Wichtig ist jedenfalls: Neben allen Gemeinsamkeiten, die durch die Anatomie der Kämpfer vorgegeben sind, sollte man die Physik der unterschiedlichen Waffen nicht vergessen.


    Zitat Zitat von Security Beitrag anzeigen
    Ich habe mal gelesen, bei den Rittern seien die Stangenwaffen im Kampf weit wichtiger gewesen als die Schwerter.
    Kommt immer auf die Situation an (z.B. Schlacht oder Zweikampf) und auf die Epoche, die Du betrachtest. Bis ins Hochmittelalter konnte man mit dem perfekten Schwerthieb möglicherweise sogar Helme spalten (wird bis ins frühe 14. Jahrhundert jedenfalls oft dargestellt). Helme waren lange nur aus dünnem, ungehärteten Eisenblech. Trotzdem war das Spalten sicher nicht einfach. Spätestens aber, als die Rüstungen aus Plattenpanzerung bestanden und die Rüstungsteile aus gehärtetem Stahl gefertigt wurden, taugten im Kampf in voller Rüstung die Schwertkampftechiken aus dem sogenannten Bloßfechten (dem ungerüsteten Kampf) nicht. Deshalb lehren die Fechtbücher für den Rüstungskampf ganz eigene Techniken. Tatsächlich wird das Schwert dann wie ein Speer eingesetzt, mit der linken Hand an der Klinge. Wirkungstreffer gab es nur durch Stiche in die Rüstungsblößen: Halsansatz, unter den Achseln, durch den Fuß, in den Schaft des Panzerhandschuhs, zwischen die Beine. An diesen Stellen gab es nur Kettengeflecht, das man mit geeigneter Technik und steifen Bohrschwertern durchstoßen musste.
    Mit 25 Kilo Rüstung kämpft man außerdem ökonomischer, um Kraft zu sparen, außerdem schützt die Rüstung gegen viele Treffer, die sonst tödlich wären. Das ist ja der Sinn der Rüstung. Übrigens werden Ringtechniken, also Hebel und Würfe wieder wichtiger, weil man eher unbeschadet in die entsprechende Distanz kommt. Ein gerüsteter Gegener am Boden war dann meist verloren, wenn der Gegner mit gezücktem Dolch über ihm war. Deshalb gibt es auch viele Dolchtechniken im Rüstungskampf.
    Wuchtwaffen wie eiserne Keulen oder spitze Hämmer kamen auch zum Einsatz, selbst das Schwert wurde mitunter mit beiden Händen an der Klinge gegriffen und wie ein Hammer zum sogenannten Mordschlag geschwungen. Mit der Kreuzstange konnte man hinter die Kniehkehle oder den Nacken haken und reißen.
    Langstielige, hellebardenähnliche Äxte (sogenannte Mordäxte) waren weitere, typische Waffen für den Rüstungskampf im 15. Jahrhundert.
    Folgte alles einer inneren Logik!


    Langer Rede kurzer Sinn:

    Überall kommen in Kampfkünsten dieselben biomechanischen Grundlagen zum Tragen. Aber spezialisierte Bewaffnung oder auch Rüstung beeinflussen die eingesetzten Techniken in höherem Maße, als häufig angenommen wird.


    Liebe Grüße
    vor allem an alle, die sich meinen langen Beitrag ganz durchgelesen haben.

    Roland
    Geändert von Roland Warzecha (22-08-2010 um 17:40 Uhr)

  10. #85
    Security Gast

    Standard

    Zitat Zitat von amasbaal Beitrag anzeigen
    aber bevor wir jetzt anfangen erbsen zu zählen: das will ich hier gar nicht diskutieren. interessanter ist der direkte vergleich von z.b. "klassischem" fma espada y daga und trainingsmethoden von heute mit "klassischen" europäischen varianten - und zwar aus dem zeitraum um 1500 herum.
    es soll ja auch stimmen geben, die zb. die spanische fechtkunst für diese zeit als nicht wirklich (im sinne von eigenständig) vorhanden bezeichnen, sondern eher auf den einfluss der italienischen und französischen "schulen" in dieser zeit pochen
    Wie soll jemand herausfinden, was um 1500 herum tatsächlich in der Praxis geübt wurde? Wenn jemand in 100 Jahren wissen will, was im Jahre 2010 in den Kampfkünsten trainiert wurde und sich alle derzeit auf dem Markt befindlichen Lehrbücher und Videos zu Gemüte führen wird, dann wird er daraus m.E. auch nicht schlau werden.

    Ich bin Philosoph, kein Historiker. Daher ein Zitat zum Thema aus Goethes Faust:

    "Was ihr den Geist der Zeiten heißt,
    Das ist im Grund der Herren eigener Geist,
    In dem die Zeiten sich bespiegeln.
    Da ist´s dann wahrlich oft ein Jammer."


    In anderen Worten: Was ich aus einem historischen Text herauslese, dass hängt in erster Linie von meiner eigenen geistigen Vorprägung ab. Wenn ich als Mittelalterfan z.B. von UCC eine logische Schlagmechanik gelernt habe und logisch denken kann, dann wird das Studium historischer Texte ein sinnvolles Ergebnis bringen. Bin ich ein Idiot und/oder hat mir niemand gezeigt, wie man Power in den Schlag bekommt bleibe ich auch nach dem zehnten historischen Text genauso dumm.

    Ich vertraue neben Nietzsche, Goethe und den griechischen Geistesgrößen nur der Kinderbuchreihe "Sehen, Staunen, Wissen" (Gerstenberg Verlag): Als ritterliche Tugenden werden in dem Band "Ritter" die Treue, Schutz für alle Schwachen und eine respektvolle Haltung gegenüber Frauen genannt. Fände schon schön, wenn ein paar ihren Lehrern und Schülern gegenüber loyal und treu wären und zugeben würden, wo sie was gelernt haben. Sonst ist m.E. die ganze Ritterehre für die Katz.

    Ich fände es aber auch als Stoiker nicht ganz uninteressant, etwas über die Urprünge des Jogo do Paus zu erfahren. Die Wurzeln sind wohl laut Wikipedia umstritten.

    Jogo do Pau - Wikipedia, the free encyclopedia

    Magellan war meines Wissens nach Portugiese. Falls seine Männer Jogo do Pau konnten wurde es jedenfalls m.E. nicht ganz einfach für die filipinischen Gegner. Umgekehrt wäre natürlich eine Theorie, dass das Jogo do Pau von den Seefahrern importiert wurde, ob nun aus Indien oder aus den Philippinen.
    You knever know.

    Die historischen Theorien sind m.E. genauso im ständigen Wandel begriffen wie alles andere. Alles fließt. Nur Tugenden und Konzepte währen ewiglich.

    Beste Grüße

  11. #86
    Roland Warzecha Gast

    Standard

    Zitat Zitat von amasbaal Beitrag anzeigen
    ich hab da auch noch was zum gucken.

    der clip ist ein auszug aus ner dvd, in der die espada y daga methoden/techniken vom san miguel eskrima mit denen des pekiti tirsia verglichen werden.
    ... und wie man in der ersten Vorführung gut sieht, bedroht die lange Rapierklinge in erster Linie durch einen Stich aus sicherer Entfernung, selbst aus der Bindung heraus.
    Gutes Beispiel dafür, wie verschiedene Waffen trotz gemeinsamer Grundprinzipien den Kampf erheblich verändern.

  12. #87
    Security Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Roland Warzecha Beitrag anzeigen
    Das habe ich als Escrimador/UCCler auch immer geglaubt. Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Wer gut mit dem Stock zuschlagen kann, hat zwar eine hervorragende Basis, auf der er aufbauen kann. Ohne UCC wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Aber der Umgang mit dem Schwert, selbst der schlichte Hieb, ist eine Kunst, die weitere, der Waffe angepasste Fertigkeiten erfordert.

    Wenn Du z.B. beim Hieb das Schwert nur minimal verkantest, kommst Du durch keine Reisstrohmatte durch. Wenn Du auf den Eintrittspunkt zielst und nicht auf den Austrittspunkt, kommst Du ebenfalls nicht durch das anvisierte Ziel. Ist für den Stockkampf irrelevant, ja sogar sinnlos!

    Ein weiterer wichtiger Unterschied zum Stockkampf ist, das mit dem Stock schiebende Hiebe oder Stiche nicht dieselbe Vernichtungswirkung haben, wie beim Kampf mit dem Schwert. Letzere bildeten aber im europäischen Schwertkampf die Basis für eine Vielzahl von Angriffstechniken und noch mehr Kontertechniken.

    Und schließlich: Das Fühlen durch die Waffe geht mit einem Schwert viel besser, als mit einem Stock. Weil Schwertklingen länger sind, reagieren sie in der Bindung sensibler auf die Hebelgesetze, die bei kürzeren Waffen nicht im selben Maße zum Tragen kommen. Außerdem erleichtert es der Unterschied zwischen Fläche und Schneide, die Druckrichtung des Gegners zu erfühlen. Geht besser, als bei Stöcken, die einen runden Querschnitt haben.
    Muss aber natürlich geübt werden, um daraus im Kampf Kapital zu schlagen.

    Überall kommen in Kampfkünsten dieselben biomechanischen Grundlagen zum Tragen. Aber spezialisierte Bewaffnung oder auch Rüstung beeinflussen die eingesetzten Techniken in höherem Maße, als häufig angenommen wird.


    Liebe Grüße
    vor allem an alle, die sich meinen langen Beitrag ganz durchgelesen haben.

    Roland
    Vielen Dank für Deine detaillierten Erklärungen!

    Deinen Hinweis auf die differenzierte Durchschlagwirkung von Waffen halte ich für berechtigt. Daher sollten m.E. auch Escrimadore ab und zu dicke Äste, Reismatten oder sonstiges mit Blankwaffen durchhauen, genauso wie sie mit den Stöcken Stöcke etc. spalten sollten. Meine ganz persönlich Meinung.

    Dass das Schieben/ziehende Schnitte eine große Bedeutung für Blankwaffen sehe ich auch so. Aber auch mit dem Stock kann man den Gegner durch schiebende Bewegungen off-balance bringen und dass das Gleichgewichtbrechen kampfentscheidend ist (auch beim Stockkampf) ist wohl unstrittig. Die Kombination von Schieben/Ziehnen nennen manche auch das Push-Pull Concept, das auch unbewaffnet verwendet wird. Ich mache so etwas nicht aber jedem das Seine!

    Bei dem Hebelgesetz muss ich Dir widersprechen, auch wenn ich von Mathematik keine Ahnung habe. Die einzigen Hebel die für mich valide sind, das sind Hebel aus dem Judo/BJJ/Sambo am Boden. Hebel im Stand sind Spiel und Spaß. Wenn man bei einem Hebel die Power eben nicht aus den Armen holt, sondern aus dem ganzen Körper als Einheit, dann kann aber auch unbewaffnet im Stand eine sehr große Hebelwirkung erzeugt werden. Alles eine Frage der Biomechanik, nicht der Waffenlänge oder Waffenart. Mit derartigen Hebeln kennen sich die figure-8 Experten am besten aus.

    Richtig ist natürlich auch, dass man eine gute Rüstung besser mit dem Cold Steel War Hammer als dem Cold Steel O Katana durchdringen kann.
    Würde ich in einer Rüstung herumlaufen, dann hätte ich zur Sicherheit immer meinen Vorschlaghammer dabei. Vorsicht ist besser als Nachsicht.

    Beste Grüße
    Geändert von Security (22-08-2010 um 18:24 Uhr)

  13. #88
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    901

    Standard

    Weils grad im Jujutsu Forum aufkam daß die Phillipinen eine der größten Katanasammlungen beherbergen sollen

    Weiß da jemand was drüber ?

    " Ein weiterer Beweis für die Effektivität dieser Kampfkunst ist die Tatsache, dass sich eine der größten Katana-Sammlungen (das sind die scharfen Schwerter der Samurai) auf den Philippinen befindet. Diese sind nach den Kämpfen zwischen Philippinos und den Samurai als Beute übriggeblieben. "

    1. Mannheimer Judo Club: Was ist Eskrima, Kali und Arnis?


    Hmm

  14. #89
    Security Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Roland Warzecha Beitrag anzeigen
    ... und wie man in der ersten Vorführung gut sieht, bedroht die lange Rapierklinge in erster Linie durch einen Stich aus sicherer Entfernung, selbst aus der Bindung heraus.
    Gutes Beispiel dafür, wie verschiedene Waffen trotz gemeinsamer Grundprinzipien den Kampf erheblich verändern.
    Da sehe ich gerade keinen Unterschied. Es gibt genügend Leute, die blitzschnelle Fingerstiche beherrschen, auch in den oft belächelten chinesischen Künsten. Die Karateka spalten damit Holzplatten. Worin soll der Unterschied liegen, ob mich jemand mit einem Fingerstich in den Hals oder die Augen ausschaltet oder ob er mich wie ein Hähnchen mit einem spitzigen Degen aufspießt? Von den Konzepten her ist das für mich dasselbe und auch die Techniken und das Präzisionstraining werden ähnlich sein.

    Beste Grüße

  15. #90
    Security Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Holzkeule Beitrag anzeigen
    Weils grad im Jujutsu Forum aufkam daß die Phillipinen eine der größten Katanasammlungen beherbergen sollen

    Weiß da jemand was drüber ?

    " Ein weiterer Beweis für die Effektivität dieser Kampfkunst ist die Tatsache, dass sich eine der größten Katana-Sammlungen (das sind die scharfen Schwerter der Samurai) auf den Philippinen befindet. Diese sind nach den Kämpfen zwischen Philippinos und den Samurai als Beute übriggeblieben. "

    1. Mannheimer Judo Club: Was ist Eskrima, Kali und Arnis?


    Hmm
    So ein Blödsinn. Die größte Katanasammlung ist in meinem Keller. Die musste ich den Ninjas abnehmen, die mich bei Dunkelheit immer jagen. Wobei in Hamburg sogar richtig gute Ninjas unterwegs sind. Mit der richtigen Biomechanik wird auch das Ninjutsu richtig gefährlich.

    Beste Grüße

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