Zitat:
»Die rasten einfach aus«
An deutschen Schulen explodiert die Gewalt. Aggressive Kinder bedrohen Klassenkameraden mit dem Tod, sie prügeln, rauben, erpressen. Schwere Verletzungen sind an der Tagesordnung. Lehrer und Polizei stehen der Brutalität von bisher nie erlebtem Ausmaß hilflos gegenüber. Experten suchen die Schuld bei den Eltern.
...
Wenn seine Eltern, die sehr früh aufstehen müßten, schon schlafen gegangen seien, berichtete ihr der Knirps, sehe er oft noch bis spät in die Nacht Horrorfilme, in denen »nur getötet wird«. Danach könne er kaum einschlafen und habe Alpträume.
Die Mama, gestand der Schüler, lege ihm deshalb zur Beruhigung schon immer ein Messer unter das Bett: »Aber das hilft nichts.«
Die Mutter des Problemschülers, in die Schule zitiert, sah trotz solcher Gutenachtgeschichten keinen Grund zur Sorge: Ihr Sohn, meinte sie, habe eben eine lebhafte Phantasie.
...
Schon Abc-Schützen benehmen sich wie die Vandalen, Sextaner bedrohen ihre Klassenkameraden, immer mehr Schüler bewaffnen sich. Da wird gewürgt, stranguliert und erpreßt, da hantieren Heranwachsende mit Messern, Wurfsternen und Reizgas-Pistolen.
In Frankfurt nahmen zwei acht Jahre alte Jungen in einer Schulpause ein Springseil, schlangen es einem Sechsjährigen, der friedlich auf einer Bank saß, um den Hals und zogen zu. Die Jungen ließen von dem Erstkläßler auch dann noch nicht ab, als der blau anlief.
Ein anderer Schulanfänger befreite seinen Klassenkameraden schließlich. Sie hätten, begründeten die Achtjährigen ihren Anschlag, »einfach nur so« mal sehen wollen, wie es ist, wenn man einem den Hals zudrückt.
Die Gewalt richtet sich auch gegen Pädagogen. Als sich nach einem Schulsportfest in München ein Lehrer in eine Schlägerei einmischte, um einen 14 Jahre alten Schüler vor weiteren Mißhandlungen zu retten, wurde er selbst zum Opfer: Die Schläger warfen ihn zu Boden, traktierten ihn mit Stiefeln. Der Mann erlitt einen Leberriß, sein Gesicht wurde durch die Tritte entstellt.
Im westfälischen Münster ging ein 15 Jahre alter Realschüler auf Klassenkameraden mit einer Reizgassprühdose los und drückte ab, weil er glaubte, die anderen hätten ihn gehänselt. Elf Kinder mußten in ärztliche Behandlung.
In einer Essener Hauptschule erpreßten zwei Pennäler, 14 und 15 Jahre alt, ihre Schulkameraden. Wer sein Taschengeld nicht abgab, wurde zusammengeschlagen.
...
Prügeleien auf dem Schulhof gab es schon immer. Doch nie zuvor haben Kinder so erbarmungslos um sich geschlagen. In manchen Schulen registriert die Polizei sogar kriminelle Banden von Gewalttätern.
...
Auch der Rest zu Gründen usw. ist natürlich interessant, will nicht alles zitieren. Der Bericht ist 33 Jahre alt, für einige vermutlich die heile Welt von Gestern. Bemerkenswert fand ich noch, dass die Mutter dem austickenden Kind ein Messer zur Beruhigung gibt.
Zitat:
Die Zunahme der Jugendgewalt steht in engem Zusammenhang damit, daß unsere Gesellschaft immer mehr zu einer Winner-Loser-Kultur wird. Vor allem junge Migranten geraten dabei in einsoziales Abseits. Eine im Jahr 1997 für die Europäische Union durchgeführte Analyse zur Entwicklung der Jugendgewalt in zehn europäischen Staaten konnte zeigen, daß der in Europa fast durchweg festzustellende Anstieg der Gewalttaten junger Menschen primär Tätern mit niedriger Schulbildung zuzurechnen ist, deren gesellschaftliche Position von relativer Armut, sozialer Ausgrenzung und schlechten Integrationsperspektiven gekennzeichnet ist.
Weiterhin ist angeführt, dass mehr Delikte zur Anzeuge gebracht werden, die früher noch so geregelt wurden. Interessant fand ich die Aussage, dass die Anzahl von Gewalt in den 90ern gestiegen ist, die Tatschwere aber sank. Es ging in Auseinandersetzungen vor 1990 wohl brutaler zu.
Zitat:
Die in Hannover durchgeführte Aktenanalyse aller polizeilich registrierten Jugendgewaltdelikte der Jahre 1990, 1993 und 1996 hat einerseits erbracht, daß sich in dieser Zeit die Zahl der durch Jugendliche und Heranwachsende begangenen Gewalttaten fast verdoppelt hat 5. Dabei zeigte sich aber auch, daß die durchschnittliche Tatschwere der Fälle von Jugendgewalt seit 1990 stark zurückgegangen ist.
Zitat:
...
Für viele scheint ausgemacht, dass dieser Ausbruch von Gewalt gegen Ver*tre*te*r*in*nen der Staatsmacht eine bislang unbekannte Qualität und Brutalität hat. Dieser Eindruck täuscht. Trotz der verstörenden Bilder und Berichte aus der Silvesternacht gilt: Die Jugend in Deutschland war nach 1949 noch nie so friedlich, ruhig und duldsam wie in den letzten zehn Jahren. Das ist keine steile These, das sind die harten Fakten. Sie werden von jenen bestätigt, die es am besten wissen – den Versicherern im Land. Sie haben den besten Überblick über die finanziellen Folgen körperlicher Angriffe und Sachbeschädigungen über die Jahrzehnte.
Auf dieser objektivierten Grundlage von Versicherungsdaten könnte man auch folgende Nachricht generieren: Migration macht die Gesellschaft friedlicher! Je höher der Anteil von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Deutschland wurde, desto weniger Gewalt gab es. Diese Schlussfolgerung wäre allerdings ein ebensolcher Unfug wie die Islam- oder Patriarchatsthese!
Vielmehr hat die Entwicklung mit der Vergreisung Deutschlands zu tun. Je weniger Jugendliche es in einer Gesellschaft gibt, desto ruhiger und friedlicher, man könnte es auch abgeschlaffter nennen, wird sie. Ruhe ist das neue gesellschaftliche Normal. An diesen Zustand haben die Menschen sich gewöhnt. Das ist nicht gut.
...
So ist das seit Generationen in modernen Gesellschaften – außer in totalitären und den vergreisten. Werfen wir einen Blick zurück auf die Jahrzehnte, als in diesem Land die Heranwachsenden noch zu nahezu 100 Prozent einen Kartoffelhintergrund hatten – also in die 1950er, 60er, 70er und 80er Jahre. In all diesen Jahrzehnten war jugendliches Aufbegehren immer auch mit Gewalt gegen Polizisten, Sanitäter und die Feuerwehr verbunden. Nachzulesen ist das in unzähligen Berichten über Halbstarkenkrawalle (Leipzig, München), Zerstörung von Veranstaltungsstätten (Berliner Waldbühne), gewalttätigen Studentenkrawallen (Berlin, Tegeler Weg) und einer Alternativ-, Autonomen- und Hausbesetzerszene (Hamburg, Frankfurt, Berlin).
Die Letztgenannten hatten wenig Hemmungen, was Gewaltanwendung angeht: Polizisten wurden immer wieder mit Zwillen (Stahlkugeln) beschossen, mit Pflastersteinen und Molotow-Cocktails attackiert, von Dächern herab mit Steinplatten beworfen (Berlin) und sogar erschossen (Frankfurt, Startbahn West). Autos wurden verbrannt, Geschäfte geplündert. So handhabten das die Boomer aus urdeutschen Mittelschichtsfamilien.
...