Eigentlich ist das für mich ein Nebenkriegsschauplatz, aber da du so ausführlich Stellung nimmst, will ich dir eine Antwort nicht vorenthalten.
Wer wurde hier in dem konkreten Fall aufgrund welcher "Autorisierungskette" denn entmenschlicht? Es findet eine Güterabwägung des Polizeibeamten statt. Und der muss vorher in seiner Ausbildung dazu befähigt werden, in Sekundenbruchteilen die richtige Entscheidung zu treffen. Was wäre gewesen, wenn der 17-jährige nochmal geflüchtet wäre und andere Menschen totgefahren hätte?
Natürlich muss sie das. Weil wir als Menschen im Normalfall "Herdentiere" und soziale Wesen sind, und unser Gegenüber nicht einfach als "Nicht-Menschen" sehen können. Psychische Dispositionen mal ausgenommen. Das impliziert ja auch deine "Autorisierungskette", bei der ich dem Beamten vorher beibringe, dass er quasi die Befehle eines Vorgesetzten zu befolgen hat und nicht hinterfragen soll.
Nein, tut es nicht. Das Milgram-Experiment zeigt, wie Menschen ihr Handeln zunächst hinterfragen, und sich dann entgegen ihres Gewissens einer Autorität unterwerfen, nämlich dem Arzt, wobei ihnen die Gesellschaft anerzogen hat, dass Ärzte in dem Fall ein überlegenes Wissen haben und man ihnen daher vertrauen könne.
Der Polizeibeamte vor Ort wägt aber verschiedene Alternativen ab und kommt dann selbst zu einer Entscheidung. Bei Milgram trifft der Arzt die Entscheidung und der Proband führt nur aus.
Ich habe nirgendwo behauptet, dass der Junge sterben wollte. Ich schrieb, dass er die Ursache für die Schüsse gesetzt hat und damit selbst verantwortlich war.
Wenn du Nothilfe leistest gegen einen Angreifer, trägst du dann auch die Schuld für dessen Schaden?
Der Polizeibeamte trägt natürlich die Verantwortung für die Schussabgabe, aber er setzt nicht die Ursache, die diese nötig macht. Die setzt der Jugendliche, wenn er auf's Gas tritt.
Ich weiß trotzdem nicht, was das mit einer "Entmenschlichung" zu tun haben soll. Nochmal, es sind Abwägungen beiderseits, die dann Konsequenzen zeitigen.
Und dann hätte er u.U. in Kauf genommen, das Dritte gefährdet werden, was für ihn moralisch und vielleicht auch professionell scheinbar keine Option war. Dann hätte man nämlich u.U. gefragt, warum die Beamten nicht alles ihnen mögliche getan haben, um den Fahrer zu stoppen und damit eine Gefährdung Unschuldiger zu verhindern. Auch er selber hätte sich das fragen müssen.
Hätte, wäre, wenn und aber. Viel Spekulation, dafür das du dann mal lockerflockig zu dem Ergebnis kommst, dass meine Argumentationsweise zu einer "Entmenschlichung" führen würde.
Wer setzt dafür denn die Ursache? Und was ist mit den Hinterbliebenen möglicher getöteter Verkehrsteilnehmer? Blendest du völlig aus.
Letztlich eine einseitige und extrem unterkomplexe Argumentationsweise, die dich zu diesen Schlussfolgerungen bringt. Und dazu noch KZs und SS-Totenkopfverbände hier ins Feld zu führen, mit dem Impetus zu zeigen, wo das "mal hinführen könnte", ist schon ein ganz schön starkes Stück.
Deswegen bleibt mein Appell bestehen, einmal mal mehr nachzudenken, bevor du auf absenden drückst.
Das soll es von meiner Stelle dann dazu aber auch gewesen sein.
"Empathielosigkeit"?
Ich hatte mehrfach geschrieben, dass ich es tragisch finde, wenn ein junger Mensch so sterben muss. Und das ich es befürworte, dass der Beamte sich bei den Eltern entschuldigt hat. Ich bin Lehrer. Ich habe jeden Tag mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu tun.
Dennoch kann ich das Handeln der Beamten rechtlich und moralisch korrekt finden. Warum habe ich mehrfach begründet.
Diese vermeintliche "Empathielosigkeit" findet nur in den Köpfen der Kritiker statt, die nicht zum Perspektivwechseln in der Lage sind.